Brent Cobb – And Now, Let’s Turn The Page… – CD-Review

Ich muss zugeben, dass ich als großer Fan von Brent Cobb, zum ersten Mal, von einem seiner Alben „And Now, Let’s Turn To Page…“ , ein Gospelwerk, enttäuscht bin. Allerdings muss man dieses Werk am Ende auch gerechter Weise aus zwei, beziehungsweise sogar aus drei Perspektiven beleuchten.

Zum einen aus meiner persönlichen Sicht als Rezensent mit meinem zu Grund liegendem Geschmack, dann aus der des Künstlers selbst und der seiner potentiellen Klientel.

Im Gegensatz zu den Amis habe ich es nicht mit Gott, Religion und Kirche. Ich bin mit 18 Jahren aus dieser ausgetreten und sie hat mich seit der 5. Klasse dann auch nur einige wenige Male von innen gesehen. Gefürchtet waren immer besondere Anlässe, wie Hochzeiten oder Kommunion und ähnliche Feiern von den Kindern meiner Geschwister.

Ich bin heute nach wie vor der Meinung, dass, wenn Menschen nicht glauben würden, zumindest nicht an religiöse Dinge, würde schon ein Großteil des Leides dieser Erde erspart bleiben. Deshalb kann ich auch mit dieser christlich-umwehten Scheibe, nur in Teilen etwas anfangen. Gut, das ist ein anders Thema und hier geht es ja um Brent Cobb, seine Intention zum Werk und die musikalische Umsetzung.

Die Idee zu einer Gospelsache kam ihm, nachdem er mit seinem Sohn, bei einem Autounfall, fast ums Leben gekommen ist und er die Endlichkeit des Seins rigide vor Augen geführt bekommen hatte. Zudem ist seine gesamte Familie kirchengesangsgeprägt und alle großen Countrykünstler wie Elvis & Co. waren wohl mal in diesen Sphären unterwegs. Warum also nicht auch Brent Cobb.

Der hat acht Klassiker dieses Genres (southern-) countrytechnisch neu interpretiert und einen Song mit seiner Frau dazukreiert.  Die meisten der mit Brian Allen (Bass), Mike Harris (Gitarre) Chris Powell (Drums) und Philip Towns (Keyboards) eingespielten Tracks plätschern dabei mit Piano, sanfter Orgel, Akustikgitarre, etwas Steel, ein wenig E-Slide und Harmoniegesängen, sehr langsam und andächtig vor sich hin. Hier machen die ebenfalls aus Georgia stammenden Anderson East, und Caylee Hammack  einen starken Job. Produziert hat sehr feinfühlig sein berühmter Cousin Dave Cobb.

Richtiges Gefallen finde ich insgesamt nur an den drei Liedern „When It’s My Time“, ein Countryschwofer mit leichten Little Feat-Tendenzen und den beiden southernrockigen „Are You Washed In The Blood“ und  dem Skynyrd-mäßigen „We Shall Rise“, wo Brent seine ganze Klasse aufblitzen lasst.

Aus der Sicht vom gläubigen Brent himself hat er natürlich demnach, ein der Thematik angepasstes, tolles Werk voller familiärer Emotionen und Authentizität abgeliefert, und es dabei musikalisch nahezu perfekt umgesetzt.

Kommen wir zur Klientel. Die Leute, die seine Southern-Country-Rock-Alben mögen und mit Jesus hier und Jesus da, nix anfangen können, so wie ich, werden insgesamt sein künstlerisches Potential würdigen, aber eher unzufrieden sein.

Für Leute, die auf solch andächtige Musik im ruhigen Old School Country-Format stehen und vielleicht auch heute noch religiös verankert sind, ist diese Scheibe natürlich Weihwasser auf ihre Mühlen.

Nach knapp 29 Minuten ist dann die Messe gelesen, bzw. die letzte Seite umgedreht. Bei meinen, von der Anzahl her, spärlichen Besuchen in der Kirche, wäre ich  vermutlich froh gewesen, wenn es, statt scheinheiligem Singsang, solche Musik, wie auf „And Now, Let’s Turn To Page…“ von Brent Cobb, zu hören gegeben hätte. Trotz aller Authentizität der Scheibe hoffe ich, dass er diese demnächst wieder im Dorf lässt und an seine überragenden Alben „No Place Left To Leave“ oder „Providence Canyon“ anknüpft.

Ol‘ Buddy Records (2022)
Stil: Country/Gospel

01. Just A Closer Walk With Thee
02. When It’s My Time
03. In The Garden
04. Are You Washed In The Blood
05. Softly And Tenderly
06. Old Rugged Cross
07. We Shall Rise
08. Old Country Church
09. Blessed Be The Tie That Binds

Brent Cobb
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Oktober Promotion

 

Anderson East – Maybe We Never Die – CD-Review

Erfolgreiche und talentierte Musiker haben in der Regel den großen Vorteil mit ebenso erfolgreichen und angesagten Produzenten zusammenarbeiten zu können. Anderson East ist nicht erst seit seinem Durchbruch mit dem Vorgänger „Encore“ 2018 in diese Kategorie einzuordnen. East und seine Band haben weltweit ausverkaufte Shows gespielt (wir durften seinem energiegeladenen Gig in Köln beiwohnen) und waren zu Gast u. a. bei angesagten TV-Shows wie „Jimmy Kimmel Live!“ (ABC), „The Late Show with Stephen Colbert“ (CBS), „CBS This Morning Saturday“, „TODAY“ und „Late Night with Seth Meyers“ (NBC) oder „Austin City Limits“ (PBS).

Bei „Encore“ und auch auf „Delihah“ zuvor hatte er bereits mit dem in diesen Zeiten omnipräsent erscheinenden Producer Dave Cobb bereits hervorragend zusammengearbeitet. Da ist es natürlich irgendwie klar, dass man dieses funktionierende Konstrukt auch für das neue Werk „Maybe We Never Die“ beibehalten möchte, zumal beide seither auch labeltechnisch miteinander verflochten sind.

Dass Cobb, der dafür bekannt ist, besonders auf die stimmliche Ausstrahlung seiner Protagonisten fokussiert zu sein, immer mal für eine Überraschung gut ist, zeigt sich besonders auf diesem Werk. Auch hier merkt man sofort, dass er eindeutig die vokale Präsenz von East in den Vordergrund stellt und stimmlich wieder eine tolle Leistung aus ihm ‚herausgekitzelt‘ hat, aber der Sound und die Stimmung des Werkes differieren zum Vorgänger  erheblich.

Wir bewegen wir uns zwar wieder klar in der Gattung Soul, dennoch hat man das Gefühl sich in ganz anderen Sphären zu befinden. Während auf „Encore“ alles auf ein warmes southern-souliges Flair mit typischen Bläser-Arrangements ausgerichtet war (wie ich sie auch vom Gig in der Domstadt in Erinnerung habe), durchziehen jetzt kühl, kammermusikartig, ja teilweise hypnotisch wirkende Loop-, Synthie-, String- und mollgetränkte Piano-Sequenzen die nach wie vor melodischen Tracks, die aber aus meiner Sicht eher in hippen neon-beleuchteten Tanzclubs in New York zur ihrer wahren Entfaltung kommen würden.

Man höre sich mal das von einem groovenden, disco-mäßigen Gitarren- und Bass-Rhythmus geführte „Drugs“ an, dass durch Andersons Falsetto-Gesang fast in Bee Gees-Gefilden wildert. Beim starken Opener „Maybe We Never Die“ beißen sich warmer Strophengesang und falsetto-artiges Kreischen im Refrain förmlich. Trotzdem ein toller Song. Auch der trance-artig (be)rauschende „Jet Black Pontiac“ bohrt sich tief in das Musik-Langzeit-Gedächtnis.

Teilweise meint man auch, einen modernen Mick Hucknell (Simply Red) vor sich zu haben („Madelyn“, „Hood Of My Car“, „If You Really Love Me“). Faszinierend auch das abschließende „Interstellar Outer Space“, bei der Easts emotionale Gesangs-Gala-Vorstellung zu sakral anmutendem Glockengeläut immer wieder von künstlich elfenhaft-piepsigen ‚Aahs‘, wie aus einer anderen Galaxie, durchzogen wird. 

Über das Album sagt der in Alabama geborene und in Nashville-lebende Singer-Songwriter: „Ich wollte mit dieser Platte etwas Einzigartiges schaffen. Ein Stück Musik, das in seiner Gesamtheit weiß, wo es steht und dennoch den Blick hinter den Vorhang wagt. Ich bin sehr stolz auf die Entstehungsgeschichte und das Endergebnis. Meine große Dankbarkeit gilt den Menschen, die ihre wundervollen Talente eingesetzt haben und dieses Album zu dem gemacht haben, was es ist. “

Am Ende sind es aber vor allem die eingängigen Refrains bei allen Liedern und die konsequente, musikalisch stimmige Machart, die das Werk „Maybe We Never Die“ von Anderson East zu etwas besonderem und gut hörbarem machen. Es hat schon, wenn man sich darauf einlässt, große Klasse, was Cobb und er da kreiert haben. Zu suchen hat es, wenn man allerdings ehrlich ist, in diesem Magazin so gut wie garnichts. Deshalb nur an recht variabel-ausgelegte Leute unter unserer Klientel zu empfehlen.

Elektra/Low Country Sound (Warner Music) (2021)
Stil: Soul

01. Maybe We Never Die
02. Lights On
03. Madelyn
04. Drugs
05. I Hate You
06. Hood Of My Car
07. Falling
08. Jet Black Pontiac
09. Like Nothing Ever Happened
10. If You Really Love Me
11. Just You & I
12. Interstellar Outer Space

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Chris Stapleton – Starting Over – CD-Review

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Review: Michael Segets

Chris Stapleton kann als der Shooting Star des New Country bezeichnet werden. Seit seinem Solo-Debüt „Traveller“ (2015) folgten zwei Alben, die ebenso Spitzenpositionen in den amerikanischen Charts aufwiesen. Auch viele seiner Singles erreichten Gold- oder Platinstatus. Grammy-Auszeichnungen und weitere Ehrungen folgten auf dem Fuß. Mit „Starting Over“ legt Stapleton nun einen Longplayer vor, der durchaus das Potential hat, erneut die Hitlisten zu stürmen. Der Titeltrack als erste Single stieß in der Country-Kategorie bereits in die Top 10 vor.

Angesichts der Erfolgswelle, auf der der in Kentucky geborene Stapleton schwimmt, besteht für ihn kein Grund, einen Neustart vorzunehmen. Der Titel der aktuellen Scheibe sollte daher nicht so interpretiert werden, dass Stapleton nun eine völlig neue Richtung einschlägt. Stattdessen konzentriert er sich weiterhin auf seine Qualitäten als Songwriter und zeigt sich dabei äußerst flexibel, wenn Country, Blues, Rock und Soul auf seinem Werk verschmelzen.

Das Album wird von eher langsameren Titeln dominiert. Stapleton streut aber an den richtigen Stellen fetzige Nummern ein, wie den Blues Rock „Devil Always Made Me Think Twice“ oder den Country-Rock-Kracher „Arkansas“. Auch das starke „Watch You Burn” kommt mit stampfendem Rhythmus und rauem Gesang rockig daher. Schließlich setzt dort der All Voices Chor ein und führt das Stück zu seinem fulminanten Abschluss. Stapleton schrieb den Song in Kooperation mit Mike Campbell. Der Gitarrist der Hearbreakers, der Band von Tom Petty, bringt seine Kunst an den Saiten mehrfach ein. Dabei setzt seine E-Gitarre – egal ob wuchtig („Whiskey Sunrise“) oder filigran („Joy Of My Life“) – stets Akzente, die die Stücke nochmals aufwerten.

Mit von der Partie ist auch ein weiterer Heartbreaker, Benmont Tench, dessen Orgel vor allem bei „Maggie’s Song“ hervorsticht. Der harmonische Track mit eingängigem Refrain wird von Stapletons Frau Morgane im Background begleitet. Die femininen Harmonien beeindrucken besonders bei „Old Friends“. Der Song stammt ebenso wie „Worry B Gone“ von Guy Clark. Unter den vierzehn Titeln findet sich noch eine Cover-Version von John Fogertys „Joy Of My Life“.

Bei den Eigenkompositionen schlägt Stapleton mal bluesige Töne an, wie bei der zweiten Single „Cold“, die gegen Ende orchestrale Ausmaße annimmt, und mal soulige, die beim radiotauglichen Midtempo-Song „You Should Probably Leave“ schon fast poppige Regionen erreichen. In den meisten Beiträgen scheint aber Stapletons Affinität zum Country durch, so bei den Balladen „When I’m With You“ und „Nashville, TN“. Für den entsprechenden Flair sorgt Paul Franklin an der Pedal Steel.

Der mittlerweile nach Tennessee übergesiedelte Stapleton setzt mit dem dunklen „Hillbilly Blood“ ein Highlight. Intensiver Gesang und hervorragende Rhythmusarbeit durch seine bewährten Mitstreiter J. T. Cure (Bass) und Derek Mixon (Schlagzeug) zaubern einen atmosphärisch dichten Song.

Das wiederum von Dave Cobb produzierte „Starting Over“ verspricht die Erfolgsserie von Chris Stapleton fortzusetzen. Stapleton beweist, dass er mit Recht zu den führenden Songwritern in Nashville gezählt wird. Er zeigt dabei Facetten, die vielleicht auf seinen früheren Alben nicht so deutlich zutage treten. Stapleton setzt insgesamt aber auf Kontinuität statt auf große Innovationen, was ja nicht verkehrt erscheint, wenn das, was er macht, so gut ist.

Mercury Records Nashville (2020)
Stil: New Country

Tracks:
01. Starting Over
02. Devil Always Made Me Think Twice
03. Cold
04. When I’m With You
05. Arkansas
06. Joy Of My Life
07. Hillbilly Blood
08. Maggie’s Song
09. Whiskey Sunrise
10. Worry B Gone
11. Old Friends
12. Watch You Burn
13. You Should Probably Leave
14. Nashville, TN

Chris Stapleton
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Universal Music Group

Brent Cobb – Keep ‚Em On They Toes – CD-Review

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Brent Cobb zählt mit seinen gerade mal 34 Lenzen schon zu den ganz großen Songwritern des Southern-umwobenen Country.  Nicht umsonst wurde der zwischenzeitlich in Nashville ansässige, heute aber wieder in seinem Ursprungsstaat Georgia mit seiner Familie lebende Cousin des bekannten Produzenten Dave Cobb, von Stars wie u. a. Luke Bryan, Miranda Lambert, Little Big Town, der Eli Young Band oder Kenny Chesney zwecks seiner Songideen heiß umworben.

Anders als auf seinen drei vorangegangenen Werken fokussiert sich Cobb auf seinem neuen, zehn Stücke umfassenden Werk (37 Minuten Spielzeit) auf eine, von Minimalismus geprägte Essenz, holt aber dennoch ein Maximum an Qualität und Schönheit aus den Tracks heraus.

Alles ist auf seinen ruhigen Storyteller-Gesang und eine klare Akustikgitarrenuntermalung ausgerichtet, hinzu kommen dann meist unaufgeregte percussionartige Rhythmus-Claps, ein wenig Orgel, Piano sowie die E-Gitarre, des öfteren  quietscht und raunzt eine Fiddle oder es quäkt eine Mundharmonika.

Grandios sind die oft in den Refrains eingebrachten weiblichen Harmoniegesänge, sensationell der quasi mit etwas Zeitversetzung parallel gelegte Gesang von Nikki Lane im herrlichen „Soap Box“, ganz großes Country-Kino. Gleiches gilt für das in den Solopassagen praktizierte heulende Twinspiel von Fiddle und Mundharmonika in „Shut Up And Sing“.

Mit „Good Times And Good Lovin'“ (schöner Schunkler mit Piano und Fiddle), „Sometimes I’m A Clown“ (Schwofer mit Fiddle-Solo), „This Side Of The River“ (herrlich hier das sanfte Southern Rock-E-Gitarren-Solo) gibt es drei Ohrwürmer am Stück, allesamt wieder mit diesen typisch-südstaatlichen weiblichen Harmonies.

Das einzig etwas flottere, bluesig gebrachte „Dust Under My Rug“ ist mein Adaptionstipp für keinen Geringeren als einen Herrn Eric Clapton, der dürfte ganz sicher großen Gefallen an diesem Stück mit unterschwelligem J.J. Cale-Flair haben.

Lediglich zum Schluss hätte ich alleine schon vom Titel her und dem Finale des atmosphärisch-progressiven Liedes „The World Is Ending“ (Brent singt nach dem letzten Refrain „end!“ und das Stück stoppt abrupt) mit dem in Gregg Allman-Manier gebrachten „Little Stuff“ in der Reihenfolge getauscht.

Großes Kompliment übrigens auch an Brad Cook für die wunderbar anschmiegsame Produktion. „Für mich fühlt es sich beim Hören dieses Albums an, als säße ich mit jemandem zusammen und führe ein Gespräch, wie mit einem alten Freund, den man schon lange nicht mehr gesehen hat. Es gibt nichts Schöneres, als einem Album zu folgen, das ruhig und gesprächig ist,“ so Brents Fazit zu seinem „Keep ‚Em On They Toes“-Gesamtwerk.

Und in der Tat – ich persönlich würde es als ‚warm and cozy Southern Country stuff‘ bezeichnen. Wirklich absolut vom Feinsten. Einfach famos dieser Brent Cobb! Ein ganz heißer Kandidat für das Album des Jahres! Kaufen!!!

Ol‘ Buddy Records (2020)
Stil: (Southern) Country

01. Keep ‚Em On They Toes
02. Shut Up And Sing
03. Good Times And Good Lovin‘
04. Sometimes I’m A Clown
05. This Side Of The River
06. Dust Under My Rug
07. Soap Box
08. When You Go
09. The World Is Ending
10. Little Stuff

Brent Cobb
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Oktober Promotion

Colter Wall – Western Swing & Waltzes And Other Punchy Songs – CD-Review

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Review: Michael Segets

Colter Wall hält die Tradition des Country hoch. Auf seinem dritten Longplayer „Western Swing & Waltzes And Other Puncky Songs“ greift er tief in die Schatzkiste der Country-Musik und bereichert sie mit eigenen Stücken, die sich nahtlos neben den Klassikern einfügen. Thematisch kreist das Werk standesgemäß um das raue Leben und die harte Arbeit der Cowboys.

Der älteste Titel „I Ride An Old Paint Leavin‘ Cheyenne“ stammt aus dem Jahr 1927, welcher zuvor beispielsweise von Johnny Cash aufgenommen wurde. Ein weiterer Klassiker ist „Cowpoke“, den Stan Jones („Ghost Riders In The Sky“) geschrieben hat. Der Track wurde im Original von Eddy Arnold, später von Rex Allen und in einer poppigen Version von Glen Campbell eingespielt. Mit ihrem Dreivierteltakt lösen die beiden Songs das Versprechen des Albumtitels auf Walzer ein.

Swing bieten die Eigenkompositionen „Western Swing & Waltzes“, „High & Mighty“ und „Rocky Mountain Rangers“. Zu den anderen Punches gehört das im Sprechgesang vorgetragene „Talkin‘ Prairie Boy“ sowie „Houlihans At The Holiday Inn“, bei dem Wall seinen Gesang nuanciert modelliert.

Die Highlights des Werks stellen die Coverversionen von „Big Iron“ (Monty Robbins) sowie „Diamond Joe“ (Jake Elliott) dar. Während das erste durch seinen Twang besticht, hat das zweite eine wunderbare Begleitung durch Geige und Backgroundgesang. „Diamond Joe“ steht bei der jungen Generation der Country-Musiker anscheinend hoch im Kurs. Charley Crockett hat es ebenfalls entdeckt und in sein Repertoire eingefügt.

Nachdem Wall schon mit Dave Cobb bei seinem Debütalbum (2017) zusammenarbeitete, übernahm er nun zum ersten Mal die Produktion eines Longplayers selbst und wählte routinierte Mitstreiter aus. Neben Jason Simpson, seinem langjährigen Weggefährten am Bass, gehören Schlagzeuger Aaron Goodrich und Patrick Lyons (Steel Pedal, Dobro, Mandoline) zur Bandbesetzung. Jake Groves kommt mit der Mundharmonika beispielsweise bei „Henry And Sam“ ausgiebig zum Zuge. Als Gastmusiker konnte Wall Emily Gimble und Doug Moreland gewinnen.

Colter Wall verfügt über eine tiefe Stimme, die ihn für den Country prädestiniert. Dank ihr umschifft er die Sentimentalität, die manchen traditionellen Songs dieses Genes anhaftet. „Western Swing & Waltzes” lässt dessen gute alte Zeit im besten Sinne wieder aufleben. Das Album wirkt pur, unverstellt und gerade heraus, wie man sich einen Western und seine Helden vorstellt.

Dass Colter Wall mit einfachen Mitteln komplexe Stimmungen erzeugen kann, bewies er bereits auf seiner EP „Imaginary Appalachia“ (2016), die für mich immer noch das kreative Referenzwerk des Kanadiers bleibt.

La Honda Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Country

Tracks:
01. Western Swing & Waltzes
02. I Ride An Old Paint Leavin’ Cheyenne
03. Big Iowa
04. Henry And Sam
05. Diamond Joe
06. High & Mighty
07. Talkin’ Prairie Boy
08. Cowpoke
09. Rocky Mountain Rangers
10. Holihans At The Holiday Inn

Colter Wall
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Thirty Tigers
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Lori McKenna – The Balladeer – CD-Review

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Review: Michael Segets

Der Titel „The Balladeer“ von Lori McKenna neuem Album ist Programm. Sie präsentiert sich als hervorragende Balladensängerin und ausgereifte Songwriterin. Produzent Dave Cobb (Jason Isbell, Shooter Jennings) erweist sich wieder einmal als Garant dafür, den Sound erdig auf den Punkt zu bringen, sodass die Songs pur und für sich wirken.

Alle zehn Tracks wurden mit Band eingespielt: Cobb übernimmt die akustische und elektrische Gitarre, Philip Towns glänzt an den Keys, Chris Powell (Schlagzeug) sowie Brian Allen (Bass) geben den Rhythmus vor. Kristen Rogers steuert auf den meisten Stücken den Gesang im Background bei. Karen Fairchild und Kimberly Schlapman begleiten McKenna auf dem eingängigen, radiotauglichen Opener „This Town Is A Woman“.

McKenna verfasste alle Songs selbst; „Good Fight“, „When You’re My Age” sowie „Two Birds” zusammen mit Hillary Lindsey und Liz Rose. Als Songwriterin genießt McKenna einen außergewöhnlichen Ruf in der Americana- und New Country-Szene. Nicht umsonst nahmen eine ganze Reihe von Musikern ihre Titel auf.

Von den Künstlern, die auch auf SoS zu finden sind, können Carrie Underwood, Little Big Town, Hunter Hayes, The Cadillac Three, Eli Young BandWade BowenFaith Hill und Tim McGraw genannt werden. Die zweifache Grammy-Gewinnerin wirkte ebenso bei der zweiten Single „Always Remember Us This Way” des Soundtracks „A Star Is Born“ mit. In ihrer zwanzigjährigen Karriere kann McKenna also auf einige Erfolge zurückblicken.

Ihre Texte auf „The Balladeer“ sind retroperspektiv angelegt. Der Longplayer erhält dadurch eine persönliche Note, trifft aber durchaus die Gedankenwelt von Personen, die die Fünfzig überschritten haben. An das Aufwachsen mit den Geschwistern („Maria“) und die wilden Jugendjahre in der Schule („Stuck In High School“) denkt wohl jeder in dieser situierten Lebensphase mal zurück.

Schwingt bei diesen Songs die Rolle der eigenen Eltern mit, findet bei den musikalisch etwas reduzierterem „When You’re My Age“ und dem Schlusstrack „‘Till You’re Grown“ ein Perspektivwechsel statt. Die Sorge um den Nachwuchs und die Hoffnung, dass dieser seinen Weg gehen wird, kommen dort zum Ausdruck. Schließlich bildet das spannungsreiche Mit- und Gegeneinander in Beziehung bei einigen Stücken („The Dream“, „Good Fight“, „Two Birds“) den thematischen Schwerpunkt.

Beim Songwriting beweist McKenna ein Gespür für harmonische Melodien. Anspieltipps sind „Good Fight“, „Stuck In High School “ und “When You’re My Age”, die die musikalische und inhaltliche Spannbreite des Albums widerspiegeln.

Mit Ausnahme des titelgebenden „The Balladeer“ setzt sie auf längere Refrains, welche den Wiedererkennungswert steigern. Die Lieder gewinnen ihre Intensität letztlich aus den Lyrics, die zwar persönlich gefärbt sind, aber viele Facetten bieten, in denen sich der Hörer mit seinen eigenen Erlebnissen oder Erinnerungen wiederfindet. „The Balladeer“ spricht daher vermutlich eher ein gereiftes Publikum an.

CN Records-Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Americana

Tracks:
01. This Town Is A Woman (feat. Karen Fairchild and Kimberly Schlapman)
02. The Balladeer
03. Marie
04. The Dream
05. Uphill
06. Good Fight
07. Stuck In High School
08. When You’re My Age (feat. Hillary Lindsey and Liz Rose)
09. Two Birds
10. ‘Till You’re Grown

Lori McKenna
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Jason Isbell And The 400 Unit – Reunions – CD-Review

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Review: Michael Segets

Drei Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „The Nashville Sound“ von Jason Isbell And The 400 Unit ins Land gegangen. In der Zwischenzeit war Isbell nicht untätig. So erschien der Konzertmitschnitt „Live From The Ryman“ (2018), die CDs „Jason Isbell And The 400 Unit“ sowie „Here We Rest“ wurden remastered und wieder auf den Markt geworfen. Darüber hinaus unterstütze Isbell Todd Snider und Josh Ritter auf ihren aktuellen Alben.

Nun erscheint „Reunions“ mit neuem Songmaterial. Wie für „The Nashville Sound“ und die Produktion der Reissues engagierte er Dave Cobb (Shooter Jennings, Chris Shiflett, Ian Noe, Bonnie Bishop, The Secret Sisters) und begab sich zusammen mit seiner Stammband The 400 Unit wieder in das RCA Studio A in Nashville. Der Titel „Reunions“ erscheint dahingehend passend. Er bezieht sich allerdings nicht auf die Wiedervereinigung mit seinen Kollegen, sondern auf alte, bislang unverarbeiteter Beziehungen.

Diese Geister der Vergangenheit holt Isbell hervor und stellt sich ihnen. Gedanken an vergangene Situationen mit Eltern, Kindern, Freunden und Liebhaberinnen ziehen in den Songs vorbei. Ebenso betrachtet er retroperspektiv seine Gefühlswelt, bevor der Erfolg einsetzte, und spürt dabei der Frage nach, wie er zu der jetzigen Person geworden ist. Insgesamt ist „Reunions“ also ein persönliches Werk geworden, bei dem Isbell die Politik außen vor lässt.

Mit „Reunions“ legt Jason Isbell einen überdurchschnittliche Longplayer vor, auf dem kein Titel abfällt. Um ihn als ganz großen Geniestreich zu bezeichnen, sind die herausragenden Ohrwürmer allerdings etwas zu spärlich gesät. Dies mag daran liegen, dass Isbell selten mit der Wiederholung eingängiger Refrains arbeitet. Eine Ausnahme bildet der Roots Rocker „It Gets Easier“, der sich unmittelbar in die Gehörgänge einbrennt.

Markant ist auch der Opener „What’ve I Done To Help“, bei dessen Refrain ein leichter Hall in der Stimme mitschwingt, der mich seltsamerweise an Simply Red erinnert.

Der Sound auf der CD wirkt voller und instrumental mehrschichtiger als auf früheren Veröffentlichungen. Isbell orientierte sich bei ihm nach eigener Aussage an The Smith und The Cure. Diese Verbindungen hätte ich nicht unbedingt als erstes gezogen. Am ehesten sind Parallelen bei dem dunklen „Be Afraid” zu hören, das zudem mit einem starken Finale punktet.

Die Abmischung von Cobb fängt Isbells Stimme differenziert ein. Der Klang seiner Stimme mag sich auch dadurch leicht verändert haben, dass er mit dem Rauchen aufgehört hat. Wie dem auch sei, beim Gesang präsentiert sich Isbell für seine Verhältnisse sehr variabel.

Dies kommt vor allem auch den langsameren Stücken zugute. Die reduzierte Ballade „St. Peter’s Autograph” gehört dabei ebenso wie das leicht Country-angehauchte „Letting You Go“, das mit stimmungsvoller Begleitung durch Klavier und Geige versehene „River“ sowie „Only Children“ zu den rundum gelungenen Beiträgen auf der Scheibe.

Im Background unterstützen David Crosby und Jay Buchanan (Rival Sons) als Special Guests Jason Isbell And The 400 Unit. Die Band zeigt sich bei der Umsetzung der Songs gewohnt souverän und eingespielt. Besonders hervorzuheben ist die Gitarrenarbeit von Sadler Vaden, der erst kürzlich mit seinem Solowerk „Anybody Out There?“ auf sich aufmerksam machte. Seine elektrische Gitarre setzt bei den rockigeren Stücken wie „Running With Our Eyes Closed“ und besonders bei „Overseas“ wunderbare Akzente.

Mit „Reunions” untermauert der vierfache Grammy-Gewinner seinen Ruf als einer der aktuell interessantesten Songwriter. Mögen die Songs thematisch die Vergangenheit aufarbeiten, führt die Spurensuche doch zu einem leicht veränderten Sound, der eine größere Klangtiefe als die früheren CDs erreicht. Hinsichtlich der Variabilität seines Gesangs legt Isbell ebenfalls deutlich zu.

Das Album stellt insgesamt keine Revolution in der musikalischen Entwicklung von Jason Isbell And The 400 Unit dar, zeigt jedoch einen evolutionären Fortschritt, dem man gerne folgt.

Southeastern Records/Thirty Tigers (2020)
Stil: Americana, Rock

Tracks:
01. What’ve I Done To Help
02. Dreamsicle
03. Only Children
04. Overseas
05. Running With Our Eyes Closed
06. River
07. Be Afraid
08. St. Peter’s Autograph
09. It Gets Easier
10. Letting You Go

Jason Isbell
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Brent Cobb – No Place Left To Leave (Reissue) – CD-Review

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Wir hatten ja im Jahr 2018 das Glück und Vergnügen, einige der wenigen Leute gewesen zu sein, die Brent Cobb in unseren Gefilden, sprich in Köln, live erlebt haben. Da trat er im Rahmen des von uns auch reviewten Albums „Providence Canyon“ im kleinen Studio 672, vor vielleicht gerade mal 40 Besuchern, auf.

Er ist ja ein Cousin des angesagten US-Produzenten Dave Cobb und war zunächst eher gern gesehener Songlieferant für arrivierte Nashville-Interpreten wie Luke Bryan, die Eli Young Band, Frankie Ballard, David Nail, Kellie Pickler, Miranda Lambert, Little Big Town oder Kenny Chesney, allesamt keine schlechten Abnehmeradressen.

Als Überbrückung zu seinem nächsten potentiellen Longplayer ist es dem ursprünglich aus Americus, Georgia, stammenden, mittlerweile aber in Nashville lebenden Protagonisten gelungen, die Rechte an seiner 2006 veröffentlichten, recht seltenen Scheibe „No Place Left To Leave“ (schöner Titel!) zurück zu erwerben und jetzt noch mal auf seinem eigenen Label Ol’ Buddy Records zu verbreiten.

Diese wurde damals durch besagten Dave Cobb und Shooter Jennings initiiert, nachdem Brent auf einem Familienbegräbnis Dave eine Demo-CD in die Hand gedrückt hatte. Beide sorgten dafür, dass Brent sich ins Flugzeug setzte, um dieses Werk dann in Los Angeles bei Dave im Studio ‚in entsprechende Form zu gießen‘.

Eine wunderbare Platte mit zehn herrlich ineinanderfließenden Roots-/Americana-, Country- und Southern Rock-Tracks, die – versprochen – das Herz eines jeden der geneigten Klientel höher schlagen lassen werden.

Cobb_VIPDie CD beginnt mit dem rebellisch, in Shooter Jennings-Manier treibenden, Harp-durchzogenen Roots-Rocker „Richland“, dessen Intro-Hook ein wenig zunächst an CCRs „Bad Moon Rising“ erinnert. Klasse direkt danach das Titelstück, ein herrlicher Country-Schwofer mit southern leiernder E-Gitarre, im narrativen Stil und auch schon von der Reife her, vergleichbar mit großen Country-Veteranen der Marke Cash, Haggard, Jennings, Williams & Co., wobei man explizit erwähnen muss, dass Cobb zu diesem Zeitpunkt gerade mal 20 Lenze zählte.

Auf ähnlichem Terrain bewegt sich auch „Lavenders And Loving Gestures“ (mit wunderbar wimmernder Steel guitar). Toll auch „Black Creek“ , bei dem der düstere narrative Charakter (Richtung Cash) noch zwischenzeitlich mit dem Einsetzten einer brummenden E-Gitarre verstärkt wird.

Freunde von atmosphärischen Southern Country Rock-Stoff, werden von klasse instrumentierten Ohrwurm-Liedern wie „Butterfly“ (mein persönlicher Favorit), „Don’t Want To Leave“, „Red Dirt In Georgia“ oder dem, von Tempo- und Stimmungswechseln durchzogenen „Black Bottle“ (Black Stone Cherry-Note), nicht genug bekommen.

Das krachend raue „Bar, Guitar, And A Honky Tonk Crowd” (das Akustikgitarren-Intro scheint ein wenig bei Neil Youngs „Old Man“ abgeguckt zu sein) und der sparsam instrumentierte Cryin’ in My Beer-Song “Hold Me Closely” (nur Gesang, Piano und Akustik- und Slidegitarre) als Rausschmeißer stehen wieder für Cobbs Kompabilität für andere Interpreten.  Erstgenanntes Lied kennt die Southern Rock-Gemeinde von Whiskey Myers‘ Parade-Album „Firewater“, letzteres dürfte einschlägigen Countryexperten von The Oak Ridge Boys geläufig sein.

Am Ende eine Hammer-Scheibe, die nochmals verdeutlicht, dass Brent Cobb, neben Marcus King und Jaren Johnston von The Cadillac Three, wohl zu den größten Hoffnungsträgern im kreativen Bereich des zeitgenössischen Southern Country Rocks gezählt werden muss. „No Place Left To Leave“ sollte somit ein fester Platz in jeder Sammlung unserer Leserschaft eingeräumt werden. Grandioser Stoff, toller Bursche, unbedingt zulegen!

Ol‘ Buddy Records (2020)
Stil: (Southern) Country Rock

01. Richland
02. No Place Left To Leave
03. Butterfly
04. Lavenders and Loving Gestures
05. Bar, Guitar, And A Honky Tonk Crowd
06. Don’t Want To Leave
07. Black Bottle
08. Dirt Road In Georgia
09. Black Creek
10. Hold Me Closely

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The Secret Sisters – Saturn Return – CD-Review

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Review: Michael Segets

Obwohl es zwischenzeitlich nicht rosig um die Karriere von Laura und Lydia Rogers aussah, melden sich The Secret Sisters nun mit ihrem vierten Album „Saturn Return“ zurück. Nach ihrem von Dave Cobb (Jason Isbell, Shooter Jennings) produzierten Debüt 2010 fiel die zweite CD aus dem Jahr 2014 bei Publikum und Kritik weitgehend durch. Der Major-Vertrag wurde aufgelöst und es folgte eine – auch finanzielle – Durststrecke der beiden Schwestern.

Einen Glücksfall stellte die Bekanntschaft mit Brandi Carlile dar, die zusammen mit Phil und Tim Hanseroth die Produktion von „You Don’t Me Anymore“ (2017) sowie vom aktuellen Longplayer übernahm. Der Gesang der beiden Rogers wurde im Studio getrennt aufgenommen, womit The Secret Sisters Neuland betraten. Der Sound ist glasklar und hebt die Stimmen von Laura und Lydia, die perfekt harmonieren, in den Vordergrund. Begleitet wird das Duo von einem vollen Band-Line-Up, das mal dezent die Songs („Nowhere Baby“) unterlegt, mal opulenter in Erscheinung tritt („Tin Can Angel“).

Alle zehn Kompositionen stammen aus der Feder der Geschwister. Im ersten Drittel der Scheibe sind die stärksten gebündelt. Den Anfang macht „Silver“, ein sehr schöner, erdiger Country-Titel, der Tempo aufnimmt. Der Text zollt Müttern ihren Respekt. Die Lyrics haben für Laura und Lydia eine besondere persönliche Bedeutung, da ihre Großmütter zuvor innerhalb einer Woche verstarben. Zudem waren beide Schwestern zum Zeitpunkt der Studioaufnahmen schwanger.

Richtig Power entwickelt auch die erste Single „Cabin“ inklusive einer raueren Gitarrenpassage. Thematisch greifen die Songwriterinnen die häusliche Gewalt an Frauen auf. Zwischen den beiden kraftvollen Highlights des Albums ist die mit Klavier begleitete melodiöse Nummer „Late Bloomer“ eingeschoben, die älteren Semestern Hoffnung auf das gibt, was noch kommen mag.

Nach dem gelungenen Einstieg folgt mit „Hand Over My Heart“ das mit Abstand schwächste Stück des Albums. In süßlichen Höhen und mit verzichtbaren Klangelementen poppig arrangiert zündet es nicht. Mit den folkorientierten, reduzierteren Beiträgen („Fair“, „Healer In The Sky“) performen The Secret Sisters dann wieder solide Titel, die vor allem durch den zweistimmigen Gesang ihre Momente haben.

Insgesamt verliert der Longplayer im Mittelteil aber seinen Schwung und plätschert etwas dahin. Erst gegen Ende finden sich mit dem atmosphärischen „Water Witch“ und der sanften Ballade „Hold You Dear“ nochmal bemerkenswerte Songs. Der letztgenannte Titel entstand in einer kreativen Viertelstunde, kurz nachdem Laura erfuhr, dass sie schwanger ist. Die Mutterschaft scheint die Damen zu beflügeln; sie sind derzeit in Amerika auf Tour und kommen im Laufe des Jahres nach Europa.

Der Gesang und die Harmonien der Secret Sisters Laura und Lydia Rogers sind hervorragend aufeinander abgestimmt. Das Songmaterial auf „Saturn Return“ überzeugt hingegen nicht durchgängig. Während bei der einen Hälfte der Titel der außergewöhnliche Gesang den Stücken den letzten Schliff gibt, bleibt die andere im Mittelmaß stecken. So bleibt ein geteilter Eindruck des Gesamtwerks zurück.

New West Records/PIAS-Rough Trade (2020)
Stil: Americana, Modern Folk

Tracks:
01. Silver
02. Late Bloomer
03. Cabin
04. Hand Over My Head
05. Fair
06. Tin Can Angel
07. Nowhere Baby
08. Hold You Dear
09. Water Witch
10. Healer In The Sky

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Pias-Rough Trade
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Jason Isbell And The 400 Unit – Here We Rest – CD-Review

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Review: Michael Segets

Turnusmäßig brachte Jason Isbell seit 2007 alle zwei Jahre ein Studioalbum heraus. Aktuelles Material scheint derzeit noch nicht in Sicht. Stattdessen veröffentlicht Isbell seine ersten beiden Zusammenarbeiten mit seiner Band The 400 Unit im Doppelschlag erneut. Zum zehnjährigen Jubiläum von „Jason Isbell And The 400 Unit“ und für die Neuausgabe von „Here We Rest“ (2011) holte sich Isbell Grammy-Gewinner Dave Cobb hinzu, der die Tracks remixte und remasterte.

„Here We Rest“ war einen Tick erfolgreicher als das vorangegangene Album. So wurde „Alabama Pines“ 2012 als bester Song mit einem Americana Music Award ausgezeichnet. „Go It Alone“ taucht später in einer Folge von der Fernsehserie „Sons Of Anarchy“ auf.

Im Vergleich zu seinem Album aus dem Jahr 2009 klingt „Here We Rest“ erdiger und weniger voluminös. Jason Isbell geht mit ihm konsequent weiter in die Richtung, die ihm in den folgenden Jahren mit „Southeastern“ (2013), „Something More Than Free“ (2015) sowie „The Nashville Sound“ (2017) den Durchbruch bescherte.

Die Tracklist von „Here We Rest“ ist identisch geblieben. Bei den Änderungen der einzelnen Songs handelt es sich um – soweit ich die ursprünglichen Versionen hören konnte – eher um Nuancen. The 400 Unit spielt auf dem Album noch in ursprünglicher Bandbesetzung. Mittlerweile hat Sadler Vaden Browan Lollar an der Gitarre abgelöst.

Americana-Balladen sind Isbells Spezialität. „We’ve Met“, „Stopping By“, das akustisch gehaltene „Daisy Mae“ und das sehr getragenen „Save It For Sunday“ sind solche charakteristischen Songs. Das andere Ende von Isbells musikalischer Bandbreite markiert „Never Could Believe“ – ein Rock ’n Roll in guter alter Machart. Eine sommerliche, locker flockige und leicht poppige Nummer schiebt Isbell mit „Heart On A String“ ein.

Seine Affinität zum Country lebt Isbell bei dem gelungenen „Tour Of Duty” und dem Highlight der Platte „Codeine“ aus. Amanda Shires (The Highwomen) glänzt hier mit ihrer Geige und zusammen mit Abby Owens beim Harmoniegesang. Derry DeBorja gibt bei dem Walzer „The Ballad Of Nobeard” ein kurzes Intermezzo am Akkordeon.

Auch acht Jahre nach der Erstveröffentlichung ist „Here We Rest“ immer noch ein hörenswertes Album, was für die Qualität von Jason Isbell als Songwriter spricht. Mit „Alabama Pines“ und „Codeine“ sind zwei zeitlose Songs vertreten, die zu Recht zu den Fan-Favoriten zählen.

Southeastern Records/Thirty Tigers (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Alabama Pines
02. Go It Alone
03. We’ve Met
04. Codeine
05. Stopping By
06. Daisy Mae
07. The Ballad Of Nobeard
08. Never Could Believe
09. Heart On A String
10. Save It For Sunday
11. Tour Of Duty

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