Brandy Clark – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Vermutlich ist es der Rezension des Chefredakteurs zum vorangegangenen Album „Your Life Is A Record“ zu verdanken, dass Brandy Clark die orchestralen Töne auf ihrem neuen Werk deutlich reduziert hat. Die offizielle Version zur Entstehungsgeschichte zum selbstbetitelten Longplayer lautet überraschenderweise anders.

Nicht zuletzt aufgrund mehrerer biographischer Parallelen fanden Clark und Brandi Carlile schnell einen Draht zueinander, nachdem sie über eine gemeinsame Freundin bekannt gemacht wurden. Der zusammen aufgenommene Song „Same Devil“ heimste eine Grammy-Nominierung ein und legte den Grundstein für die weitere Kollaboration. Carlile produzierte das aktuelle Album von Clark und singt einen Part des Duetts „Dear Insecurity“.

Sie arbeitete auch darauf hin, dass Clark ihre Stärken als Sängerin ausspielt. So wurde kaum Overdubs verwendet, wodurch der Sound pur und unverstellt wirkt. Dennoch werden hin und wieder Streicher eingesetzt – so auch auf dem flottesten Stück „Northwest“, bei dem ihnen am Ende viel Raum gegeben wird.

Der Einstieg „Not Enough Rocks“ erinnert anfänglich an Sheryl Crow, für die Clark bereits geschrieben hat. Derek Trucks (Tedeschi Trucks Band) steuert hier seine Gitarrenkünste bei und gibt der Nummer eine rockige Note. Ansonsten finden sich hauptsächlich ruhige Songs im unteren Tempobereich auf der Scheibe. Sehr stimmungsvoll ist „She Smoked In The House“, das neben „Buried“ und dem bereits erwähnten „Northwest“ als Singles herausgegeben wurde.

Zwei starke Stücke sind gegen Ende des Werks platziert: „All Over Again“ entwickelt einen schönen Drive; „Best Ones” wird von einer Mundharmonika begleitet, die nochmal einen anderen Sound in das Album bringt. Die Klavierbegleitung steht bei „Take Mine“ im Vordergrund. Der Titel erscheint ebenso wie „Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)” etwas altbacken. Auffälliger ist „Tell Her You Don’t Love Her”, auf dem Clark von Lucius unterstützt wird.

Selbst wenn nicht jeder Song einen Volltreffer darstellt, beweist Clark erneut, dass sie zu Recht zur führenden Riege der Songwriterinnen im Country- beziehungsweise Americana-Bereich zählt. Nicht umsonst greifen viele Kolleginnen und Kollegen auf ihre Kompositionen zurück. LeAnn Rimes und Kacey Musgraves oder Billy Currington und Toby Keith sind hier exemplarisch zu nennen.

Hat sich Clark bislang primär als Songwriterin verstanden, die auch singt, gewann sie durch die Zusammenarbeit mit Carlile mehr Selbstvertrauen als Sängerin. Dass die Selbstzweifel hinsichtlich ihres Gesangs allerdings unbegründet sind, zeigten schon ihre bisherigen Veröffentlichungen und ihre Duette wie „In The Mean Time“ mit Hayes Carll.

Brandy Clark nimmt auf ihrem vierten Album die instrumentale Unterlegung zurück und legt den Focus auf den Ausdruck der Songs und ihrer Stimme. Mit Brandi Carlile als Produzentin im Rücken sowie den Gastmusikern Derek Trucks und Lucius gelingt ihr ein über weite Strecken überzeugendes Werk, sodass es möglich erscheint, dass Clark nach zahlreichen Nominierungen in der Vergangenheit nun auch mal einen Grammy nachhause trägt.

Warner Records/Warner Music (2023)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Ain’t Enough Rocks (feat. Derek Trucks)
02. Buried
03. Tell Her You Don’t Love Her (feat. Lucius)
04. Dear Insecurity (feat. Brandi Carlile)
05. Come Back To Me
06. Northwest
07. She Smoked In The House
08. Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)
09. All Over Again
10. Best Ones
11. Take Mine

Brandy Clark
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Warner Records
Oktober Promotion

T.G. Copperfield with Ben Forrester – Out In The Desert – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

“Out In The Desert” ist das 10. Solo-Album von Singer/Songwriter und Gitarrist Tilo George Copperfield seit seinem Debut im Jahre 2016 und für ihn, so beschreibt er es im Beiheft, ein Meilenstein seiner Karriere. Die eingängigen und tiefgründigen Eigenkompositionen bewegen sich in der vollen Bandbreite von Roots Rock, Americana und Country, eine Desert Landscape auf dem Cover vermittelt die musikalische Verbundenheit zum Genre.

Der süddeutsche Musiker aus Regensburg hatte zuletzt 2022 mit dem Konzept-Longplayer “Snakes & Dust” ein hoch gelobtes Album veröffentlicht, das sich auch in den Lyrics mit legendären Wild West-Geschichten befasste. Für die neuen Aufnahmen konnte Copperfield den New Yorker Gitarristen Ben Forrester als kongenialen Partner begeistern, Forresters kraftvolle, aber ebenso einfühlsame Solo-Parts verstärken von Beginn an (“Born To Die”) den Soundtrack-Charakter der 11 Titel. Auch auf der Tournee, die schon bis in den Herbst 2023 terminiert ist, wird Ben Forrester mit dabei sein.

Imaginäre, düstere Bilder von atmosphärisch dunklen Western-Movies sind es, die Copperfields abwechslungsreiches Storytelling entstehen lässt, begleitet von melancholischen Songs und arrangiert von Produzent Robert Hoffmann. Entstanden sind phantasievoll in Szene gesetzte Titel, z.B. “The Old Man On The Mountain” oder “Sleeping In A Snakepit”, rauchiger Western-Charme inklusive. Mit “Start To Run” und “The End Of The World” gelingen wieder sehr catchy wirkende Tracks, die ihre Grower-Qualitäten sofort anmelden. Zum Schluß der Scheibe wird das Outlaw-Image im programmatischen Titel-Song noch einmal ausgiebig interpretiert und “ungefilterte Gefühle”, wie Copperfield es zu Recht beschreibt, bestimmen die Klangfarben an melodisch elegante Erinnerungen.

Das Album “Out In The Desert” ist ein hervorragendes Beispiel für die musikalisch sehr gereifte authentische Entwicklung von T.G. Copperfield, der in wenigen Jahren eine weitere, ausgefeilte, Handmade-Produktion eingespielt hat; ein jederzeit spannendes Studiowerk, das sein Stehvermögen auch gerade im internationalen Vergleich mühelos unter Beweis stellt.

Timezone Records (2023)
Stil: Roots Rock, Country, Americana

Tracks:
01. Born To Die
02. The Old Man On The Mountain
03. Jericho
04. Who Reigns The Wild Ones
05. Start To Run
06. Love Fool
07. Where Are You
08. Night Crawler
09. Sleeping In A Snakepit
10. The End Of The World
11. Out In The Desert

T.G. Copperfield
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Brooke-Lynn Promotion

Li’l Andy – The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930) – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Li’l Andy geht mit den Songs von Hezekiah Procter im Juni auf Europa-Tournee. In der Kulturrampe gastiert er am 20.06. Hezekiah Procter wurde um 1900 in Burningtown, Nord-Carolina, geboren. Zwischen 1925 und 1930 nahm er einige Songs auf. Infolge seiner Beteiligung an blutigen Arbeitskämpfen tauchte er unter. Über sein weiteres Leben sind nur Mutmaßungen möglich.

Dass Hezekiah Procters Musik bis dato unbekannt war, liegt darin begründet, dass die Figur und die Biographie vollständig fiktiv sind. Ersonnen hat diese Andrew McClelland alias Li’l Andy. Auch die Musikstücke sind von ihm bis auf wenige Titel geschrieben. Die Idee, eine Erzählung gleichsam als Liner Notes zu verfassen und ihr mit einem Soundtrack zusätzlich den Anschein von Authentizität zu geben, ist originell. Das Gesamtkunstwerk des in Montreal ansässigen Musikers Li’l Andy wurde durch öffentliche Mittel unterstützt und heimste bereits einige Auszeichnungen ein. Neben der digitalen Ausgabe liegt auch eine Deluxe-Edition vor, die neben einer Doppel-LP das gedruckte Buch einschließlich historisch anmutendem Bildmaterial umfasst.

Die Songs zwischen Folk und Country hören sich tatsächlich alt an und könnten durchaus hundert Jahre auf dem Buckel haben. Dieser Effekt wurde durch die Verwendung von historischem Equipment bei den Aufnahmen erzielt. Eine Reihe ungewöhnlicher oder vergessener Instrumente wie Sousaphone oder Kazoo wurde eingesetzt. Einen Einblick in die Darbietung geben die beiden Videos von „When The Fire Comes Down“ und „I See Jesus Comin’ Down The Road“.

Insgesamt verzeichnet das Werk 29 Tracks. Die ersten elf sind dabei in zwei Versionen – Wire Recorder Version und Analog Recorder Version – vorhanden. Die eine Scheibe der Vinyl-Edition enthält die Procter-Songs On Wire, die andere On Tape. Neben Li’l Andy als Hezekiah Procter schlüpfen Teilhard Frost, Sam Allison, Brian Sanderson, Bill Howard, Julia Narveson und Milton Kelly in die Rollen seiner musikalischen Weggefährten.

Auf Dauer stellen sich leichte Ermüdungserscheinungen bei der über achtzigminütigen Spielzeit ein, da die Präsentation der Stücke den heutigen Hörgewohnheiten nicht entgegenkommt. Die Motivation kann auch nicht aus ernsthaftem historischem Interesse entspringen. Stattdessen muss man sich auf die Erzählung einlassen und Freude an der Kreativität der alternativen Geschichtsschreibung empfinden. Auf der Bühne gespielt verspricht das Projekt von Li’l Andy allerdings einen außergewöhnlichen Musikabend.

„The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930)” von Li’l Andy basiert auf der fiktiven Biographie des Protagonisten. Eine Geschichte, die sich so hätte zutragen können, und Songs, die damals so hätten geschrieben werden können, verbindet Li’l Andy zu einem originellen und stimmigen Gesamtkunstwerk. Musikalisch und tontechnisch versetzt es in die Anfänge der modernen Folk- und Countrymusik und erweist sich daher für die heutige Zeit als etwas sperrig.

Eigenproduktion (2022)
Stil: Country, Folk

Tracks:
01. Dr Kerr’s Ballyhoo (wire recorder version)
02. Crib House Drip (wire recorder version)
03. I’m Gonna Find a New Sweetheart (wire recorder version)
04. I See Jesus Comin’ Down the Road (wire recorder version)
05. Jennie Blythe (wire recorder version)
06. When the Fire Comes Down (wire recorder version)
07. On a Summer Night Like This (wire recorder version)
08. The Palace Theater Fire (wire recorder version)
09. In the Roebuck Catalogue (wire recorder version)
10. In a Gingham Dress (wire recorder version)
11. The Whistle Waltz (wire recorder version)
12. Get Behind the Wheel (of an Auto-mobile!) (wire recorder version)
13. The Testament of Rudy Baron (wire recorder version)
14. O Joys of Joys (wire recorder version)
15. (I’ve Got Those) Lovesick Blues (wire recorder version)
16. The Least of These, My Brothers (wire recorder version)
17. God of My Life (aka “Poland”) (wire recorder version)
18. Now Shall My Inward Joys Arise (aka “Africa”) (wire recorder version)
19. Dr Kerr’s Ballyhoo (analog tape version)
20. Crib House Drip (analog tape version)
21. I’m Gonna Find a New Sweetheart (analog tape version)
22. I See Jesus Comin’ Down the Road (analog tape version)
23. Jennie Blythe (analog tape version)
24. When the Fire Comes Down (analog tape version)
25. On a Summer Night Like This (analog tape version)
26. The Palace Theater Fire (analog tape version)
27. In the Roebuck Catalogue (analog tape version)
28. In a Gingham Dress (analog tape version)
29. The Whistle Waltz (analog tape version)

Li’l Andy
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Off Label Records
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Lucinda Williams – Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special – Doppel-Vinyl-Review und Gewinnspiel

Dass sich Lucinda Williams von Zeit zu Zeit dem Liedgut geschätzter Koryphäen des Musikbusiness gerne annimmt und ihnen Tribut zollt, ist hinlänglich bekannt und kann auch in diesem Magazin mehrfach nachvollzogen werden. Diesmal hat sie sich nun dem Songkatalog von 38 Special gewidmet.

Besonders gefreut hat uns, dass wir, auf Anfrage ihres Managements, ein Bild von ihr, das im Rahmen eine SoS-Konzertberichtes aufgenommen wurde, für das Frontcoverbild (gerne) beisteuern durften. Auf Nachfrage, warum es nicht die vermeintlichen Platzhirsche Lynyrd Skynyrd geworden sind, antwortete sie uns, dass deren Klassiker schon immer überbewertet seien und 38 Special aus ihrer Sicht die eigentlichen Könige des Southern Rocks wären.

Gerade die Phase mit Max Carl als Sänger und Keyboarder, mit dem sie gut befreundet ist und der heute bei Grand Funk Railroad agiert (der deutsche Star-Musiker Peter Maffay coverte übrigens 1985 mal deren Song „A Thousand Nights“ und veröffentlichte die deutsche Version „Für Immer“) und den Alben „Rock And Roll Stragedy“ als auch „Bone Against Steel“, zählt für sie definitiv zu den innovativsten und essentiellsten Meilensteilen des Genres.

Carl singt demnach auf diesem Werk auch ihren größten kommerziellen Hit „Second Chance“ mit Lucinda zusammen im Duett. Klasse finde ich persönlich, dass auch Donnie Van Zant (trotz weiterhin währender Stimmprobleme) für zwei Titel zur Verfügung stand. Zum Einen beim überragenden Rausschmeißer „Rebel To Rebel“ und bei „Money Honey“. Da läuft es allerdings genau anders herum als beim Original: Hier übernimmt Lucinda die Leads von Donnie und Donnie die von Dale Krantz zu damaliger Zeit.

Da ließ sich auch Don Barnes nicht lumpen und macht bei „Hold On Loosely“ in gleicher Hinsicht gesanglich Nägel mit Köpfen. Als schöne Abrundung ist auch  der unvergessene Gitarrist Jeff Carlisi bei diversen Tracks hier wieder mit aktiv.

Den besonderen Charme des Scheibe macht natürlich die Verschmelzung von Southern Rock mit Williams-typischem Americana-Roots Rock-Style aus und natürlich ihre eigenwillige und unverwechselbare Stimme, die den Tracks im Zusammenwirken ganz neue Facetten abgewinnt. Sie ist Gott sei Dank nicht von ihrem, vor zwei Jahren erlittenen Schlaganfall beeinträchtigt. Neben Carlisi, Doug Pettibone (Steel) und Gitarrist Stuart Mathis sind zusätzlich viele prominente Musiker aus der Nashville-Studio-Szene vertreten und sorgen für entsprechend hohe instrumentelle Qualität.

Aus oben angeführten Gründen konnten wir vorab fünf Doppel-Vinyl-Exemplare der limitierten Auflage von „Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special“ aushandeln, wovon wir drei an unsere Leser weitergeben möchten. Bitte sende eine Email an dan@sounds-of-south.de und schreibe uns, welche Band Lucinda Williams, und warum, beim nächsten Mal in ihre Jukebox-Reihe aufnehmen sollte. Die drei originellsten Beiträge werden mit der Scheibe belohnt.

Die Platte kann von Nichtgewinnern gerne auch für 18,90 Euro bei uns geordert werden (bitte Namen und Adresse angeben), wir reichen dann die Bestellungen weiter.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Southern Rock, Roots, Americana

Tracklist:

LP 1 – Seite A:
01. Rock And Roll Stragedy
02. You Got The Deal
03. Gypsy Belle
04. Second Chance (feat. Max Carl)
05. Wild Eyed Southern Boys

LP 1 – Seite B:
01. One In A Million
02. Chattahoochee
03. Turn It On
04. Bone Against Steel
05. You Defenitely Got Me

LP 2 – Seite A:
01. Long Time Gone
02. Jimmy Gillum
03. Has There Ever Been A Good Goodbye
04. The Love That I’ve Lost
05. Hold On Loosely (feat. Don Barnes)

LP 2 – Seite B:
01. Money Honey (feat. Donnie Van Zant)
02. Caught Up in You
03. Take Me Back
04. Sombody Like You
05. Rebel To Rebel (feat. Donnie Van Zant)

Lucinda Williams
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Thirty Tigers

The Cumberland River Project – A Smell Of Gravy – CD-Review

Das Cumberland River Project ist wieder so eine kleine Geschichte, wie man sie meist nur im Rahmen eines solchen Magazins erleben kann. Beim Blackberry SmokeKonzert in Köln stand ich neben zwei Alt-Hieppies, die sich wunderten und mich dann schließlich fragten, warum ich mir denn während des Gigs fortwährend Notizen machen würde.

Ich erklärte ihnen, dass diese dazu dienen würden, zeitnah einen Konzertbericht abzuliefern, der dann im Rahmen des SoS erscheinen würde. Ich drückte ihnen dann eine Visitenkarte in die Hand. Fast zeitgleich drehte sich ein Mann, der etwas vor mir stand, zu mir um, und sagte, dass er unser Gespräch mitbekommen hätte. Er selbst sei Songwriter, Musiker und Produzent im Country-Bereich und bat dann auch um meine Visitenkarte.

Schon am nächsten Tag bekam ich eine Email von einem Frank Renfordt, der sich und sein Projekt dann etwas umfangreicher vorstellte, einen weiteren Tag später hatte ich die aktuelle, mittlerweile zweite CD des Cumberland River Projects im Briefkasten.

Gut finde ich besonders die von Anfang an sehr professionelle Herangehensweise. Zum einen ist dieses Projekt sehr offen ausgelegt, das sieht man schon an den vielen involvierten Musikern und auch sehr unterschiedlichen Leadsängerinnen und -sängern, wobei Frank Renfordt, als Songwriter, Sänger, Musiker und Produzent natürlich hier die Fäden zieht, die weit bis nach Nashville reichen.

Und um den Hauch des Mysteriösen zu verbreiten, werden hier bei den Tracks „Missing Girl“ (ist da etwa Dierks Bentley am Mikro?), „Those Moments“ und  dem textlich und musikalisch sehr gelungenen „Mount Everest“, die Leadsänger nicht benannt. Konnte Frank hier etwa richtige Nashville-Stars gewinnen können, die sich halt zum Schutze weiterer Anfragen dieser Art, nicht preisgeben wollten?

Stark zu Gegen ist hier auch wieder Dave Demay, der bereits das Debütwerk des Cumberland River Project produziert hatte und jetzt auch wieder diverse Tracks gesanglich und auch soundtechnisch in Music City mit begleitet hat. Auch die grafisch und fotographisch schön umgesetzte Covergestaltung weiß zu gefallen. Anders als bei vielen Werken aus Deutschland, die mir zur Rezension geschickt wurden, weht hier wirklich von Beginn an amerikanisches Flair durch das Gesamtwerk, auch die Texte klingen nicht, wie so oft aus hiesigen Gegenden, nach Schulenglisch. Man merkt sofort, warum Renfordts lyrische Kreationen auch schon in den Staaten im American Songwriter Magazine prämiert worden sind.

Und so startet sein Zweitwerk direkt mit drei sehr schönen eingängigen New Country-Nummern, von denen mir das mit 90er Flair umgarnte, von Matt Dame, der gesanglich so ein wenig Travis Tritt-Esprit verbreitet, angeführte „She Drives Her Own Truck“ besonders gefällt. Für mich die beste Vokalleistung auf dem Werk.

Nach einer mehr traditionellen Phase, die auch folkige Anleihen beinhaltet  u. a. mit dem ein wenig an den großen Kenny Rogers-Hit „Lucille“ erinnernden „Joanne“ und der Gesangs- und Fiddle-Performance der talentierten Jessie Morgan bei „Back You Up“, schlägt mein Herz beim flockigen, in Richtung der früheren Diamond Rio, Restless Heart, Boy Howdy & Co. gehenden „You Can’t Make Someone Love You“ (gesungen von The Voice Of Germany-Teilnehmer Michael Anthony Austin) und dem mit schönen Dire Straits-mäßigen E-Fills verzierten „Mount Everest“ wieder höher. Klasse finde ich hier die Message, dass man nicht gleich den höchsten Berg der Welt besteigen muss, wenn man sich im Leben irgendwelche Ziele setzt.

Die Schlussphase läutet dann das mit blechernen Dobroeinlagen bestückte „Aunt Marian“ (hat was von Hands On The Wheel) ein, die dann wieder sehr country-folkig bis zum abschließenden „Brighter Day“ verläuft. Bei beiden Tracks  beweist Frank Renfordt, dass er sich auch am Mikro hinter den anderen Protagonisten nicht zu verstecken braucht. Auffällig ist hier auch das mit schrullig-knochigem Sprechgesang von Eric Trend (Marke Charlie Daniels) versehene „Red River Girl“.

Mit „Smell Of Gravy“ ist Mastermind Frank Renfordt und seinem Cumberland River Project eine kurzweilige und abwechslungsreiche Scheibe gelungen, die diesmal besonders auf die traditionell und eher auf die Anfangsphase des New Country fokussierte Klientel abzielt. Alles bewegt sich hier in jeder Hinsicht auf absoluter Augenhöhe mit vergleichbarem Stoff, den man so aus Nashville kennt. Für den besonderen Geschmack der Soße sorgen die vielen unterschiedlichen Sängerinnen und Sänger, die er für das Projekt gewinnen konnte.

Dass Renfordt durchaus auch vom Southern Rock was weg hat, kann man beim bis dato nur digital produzierten Song „Down At Chicamauga Creek“ (feat. Adam Cunningham) hier begutachten. Ich hätte persönlich nichts dagegen, wenn das potentielle Drittwerk des Cumberland River Projects vielleicht mal in diese Richtung gehen würde. 

Eigenproduktion (2022)
Stil: (New) Country

01. A Little Love (feat. Brittany Black)
02. Missing Girl
03. She Drives Her Own Truck (feat. Matt Dame)
04. Those Moments
05. Joanne (feat. Dave Demay)
06. House In A Row (feat. Misko)
07. Back You Up (feat. Jessie Morgan)
08. You Can’t Make Someone Love You (feat. Michael Antony Austin)
09. Mount Everest
10. Aunt Marian
11. Your Fanciest Rintone (feat. Dave Demay)
12. Red River Girl (feat. Eric Trend)
13. Blown Away (feat. Dave Demay)
14. Brighter Day

The Cumberland River Project
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Marcus King – 16.03.2023 – Carlswerk Victoria, Köln – Konzertbericht

Um 20:00 Uhr beginnt Leah Blevins den Support für Marcus King mit seiner Band. In einem 30-minütigen Auftritt verkürzt die aus Sandy Hook, Kentucky, stammende, nun in Nashville lebende Sängerin die Wartezeit zum Topact. Mit ihrem Auftritt, den sie solo nur mit der Akustikgitarre spielt, kommt sie beim Publikum gut an, was sich am Applaus nach den Countrysongs zeigt.

Nach einer etwa 30-minütigen Umbaupause ist es soweit. Markus King und seine Musiker betreten unter Applaus die noch abgedunkelte Bühne im Carlswerk, wo sich zwischen 900 und 1000 Besucher in der Halle, in der  das letzte Viertel abgehängt ist, eingefunden haben und so der offene Bereich sehr gut gefüllt ist. Im Vergleich zum letzten King-Konzert ist die Besetzung um einen weiteren Gitarristen und Bläser erweitert, was den Sound noch einmal kraftvoller macht.

Im Zentrum der Bühne steht natürlich der mit Cowboyhut bedeckte King, links von ihm Keyborder und Orgelspieler Mike Runyon, auf der rechten Seite Drew Smithers (Bishop Gun) als zweiter Gitarrist, Bassist Stephen Campbell, während Drummer Jack Ryan und die drei Bläser nach hinten versetzt spielten, wobei die Bläser auf einem Podest stehen und so auch gut zu sehen sind. In dem über zweistündigen Auftritt umspannt King die Bandbreite von Southern Rock, Blues, Country und Soul, sodass den Fans ein sehr abwechslungsreiches Konzert geboten wird.

King zeigt dabei, dass er sowohl ein exzellenter Gitarrist als auch auch ein guter Sänger ist und kann sich bei seiner Soloarbeit voll auf seine Band verlassen, die ihm mit ihrem starken Zusammenspiel den Freiraum gibt, sich zuweilen regelrecht auszutoben. Auch wenn er mittlerweile als Soloartist und nicht mehr als Marcus King Band auftritt, ermöglicht er seinen Musikern genügend Gelegenheiten, in Soloparts ihr Können zu zeigen. Mit Drummer Ryan und Bassist Campbell hat er dabei seine aus der King Band bewährte Rhythmusfraktion dabei, wobei Ryan in einem der letzten Songs mit einem etwa fünfminütigen Drumsolo auf der Bühne allein gelassen wird und dafür Szenenapplaus einheimst.

Mike Runyon sorgt an den Tasten für einen voluminösen Sound, bringt in jammenden Phasen psychedelische Einflüsse und hat in den Songs mehrfach kurze Soloparts. Drew Smithers ist mehr als nur ein zweiter Gitarrist, der insbesondere die Rhythmusarbeit leistet. Einige starke Soli, zum Teil sich mit King duellierend und slidendend, offerieren, dass er eine absolute Bereicherung ist. Die drei Bläser bringen oft souliges Flair in die Tracks und sorgen bei den jammenden Parts für eine besondere Dynamik. In manchen Stücken legen sie aber ihre Blasinstrumente beiseite, um mit verschiedensten Perkussioninstrumenten mit der Rhythmusfraktion für einen gewaltigen Beat zu sorgen. 

Es fällt schwer aus den allesamt starken Songswelche herauszuheben. Ein besonderer Moment war, als die Band „Saturday Night Special“ von Lynyrd Skynyrd ertönen ließ. In den Augen mancher Fans sah man das sprichwörtliche Tränchen im Auge (mit Rossington ist das letzte Alltime-Mitglied der Southern-Legende vor wenigen Tagen verstorben). Dies war dann allerdings ganz schnell Schnee von Gestern, als die Band den Song in die Halle feuert und beweist, dass spätestens jetzt eine neue Epoche im Southern Rock eingeläutet ist, in der Markus King mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielen wird. 

Eine schöne Geste ist, als King Leah Blevins auf die Bühne holt und mit ihr einen ruhigen Countrysong im Duett aufführt. Zum Ende des Konzertes bringt King mit dem hymnischen „Oh Carolina“ einen absoluten Höhepunkt, um nach Zugabeforderungen noch einmal nachzulegen. Mit „Coming Home“, das von einem mehrminütigen Mörderintro eingeleitet wird, verabschiedet Marcus King mit seiner Band die Fans gegen 23:10 Uhr von einem großartigen Abend, in dem der Hauch des Südens das Carlswerk erfasst hatte.

Line-up:
Marcus King – guitars & vocals
Stephen Campbell – bass
Jack Ruyan – drums
Mike Runyon – keyboards
Drew Smithers – guitars
Alex Bradley – trumpet
Chris Spies – sax
Kyle Snuffer – trombone

Text & Bilder: Gernot Mangold

Marcus King
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Leah Blevins
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Carlswerk Victoria
Prime Entertainment Promotion

Various Artists – Stoned Cold Country. A 60th Anniversary Tribute Album to The Rolling Stones – CD-Review

Review: Michael Segets

2022 jährte sich die Gründung der Rolling Stones zum sechzigsten Mal. Anlässlich dieses Jubiläums findet sich auf „Stoned Cold Country“ das Who-Is-Who des Country ein, um sich vor der legendären Band zu verneigen. Viele Songs der Stones sind in das kulturelle Bewusstsein eingegangen und gehören zur Sozialisation dazu, egal welche Musikrichtung man favorisiert.

Die Stones prägten nicht ausschließlich den Rock, sondern strahlten mit ihrem Werk in weitere Bereiche der populären Musik aus. Produzent Robert Deaton verfolgte daher die Idee, eine Hommage aus Sicht des Country auf die Beine zu stellen. Dafür versammelte er gestandene und aufstrebende Musikerinnen und Musiker der Szene, die nun mit ihren eigenen Versionen von Stones-Klassikern auf „Stoned Cold Country“ vertreten sind.

Vielleicht überrascht es auf den ersten Blick, dass bei einem Tribute zum Sechzigsten nicht die gesamte Schaffenszeit bei der Songauswahl berücksichtigt wurde. Die neu interpretierten Titel decken lediglich eine Periode von eineinhalb Dekaden ab. Stimmig gewählt ist der Opener des Samplers „(I Can’t Get No) Satisfaction“ – performt von Ashley McBryde – als erster Nummer-1-Hit der Stones in den USA, dem Heimatland des Country. Der Track aus dem Jahr 1965 stellt zugleich das älteste Stück dar, das für den Longplayer ausgewählt wurde. „Miss You“ (1978) ist das jüngste, das von Jimmy Allen gesungen wird.

Das Konzept des Jubiläumsalbums erhebt also nicht den Anspruch einer repräsentativen Werkschau der Stones durch die Brille des Country, sondern verfolgt die Idee, dass die jeweiligen Musiker die Titel aussuchen, die für sie besondere Bedeutung besitzen. Dass dabei überwiegend die Wahl auf die Klassiker der Rolling Stones fiel, verwundert dann schließlich doch nicht. Zugleich wird deutlich, dass die Band vor allem in den sechziger und siebziger Jahren Maßstäbe setzte, die bis heute nachwirken. Ihre Songs dieser Zeit üben einen weitaus größeren Einfluss auf nachfolgende Musikergenerationen aus als die späteren Werke. Besonderen Nachhall findet „Sticky Fingers“ (1971) auf dem Tibute. Marcus King wählt von der Scheibe die aufgekratzte Nummer „Can`t You Hear Me Knocking“, Maren Morris und Little Big Town die Balladen „Dead Flowers“ beziehungsweise „Wild Horses“.

Die Versionen auf der Compilation orientieren sich deutlich an den Originalen, die stets sofort wiederzuerkennen sind. Es wird nicht krampfhaft versucht, die Songs völlig neu zu erfinden. Stattdessen covern die Musiker die Klassiker mit ihren Mitteln und in ihrem Stil. Insgesamt hört man natürlich mehr Slide, Geige oder Mandoline, sodass die Song vom Classic Rock in den Roots Rock übertragen werden.

Newcomer Elvie Shane liefert eine beeindruckende Version von „Sympathy For The Devil“ ab. Weiterhin finden sich eine Handvoll Musiker, die noch nicht in der Interpretenskala von SoS auftauchen. Zu diesen gehört auch Koe Wetzel, der mit „Shine A Light“ das Album beschließt. Zu den weniger bekannten Interpreten zählt The War And Treaty, die zusammen mit den Brothers Osborne die erste Single „It’s Only Rock ’N‘ Roll (But I Like It)“ bestreiten. Vielleicht überrascht die Beteiligung von Elle King („Tumbling Dice“). Ihre ersten Single-Erfolge sind ja nicht unbedingt dem Country zuzuordnen, allerdings zeigt sie mit ihrem aktuellen Longplayer „Come Get Your Wife“ eine beachtenswerte Wendung zum New Country.

Eher zu erwarten war die Mitwirkung von Steve Earle („Angie“). Earle mischt ja gerne bei Tribute-Alben mit, beispielsweise bei denen für Billy Joe Shaver oder Neal Casal. Dabei sind seine Beiträge stets hörenswert. Darüber hinaus finden sich weitere alte Bekannte wie Brooks & Dunn („Honky Tonk Women“) und Eric Church („Gimme Shelter“) für die Zusammenstellung ein.

Da die Qualität der musikalischen Interpretationen durchweg hoch ist, erscheint es unangemessen, einzelne besonders hervorzuheben. Dennoch sei auf die Titel der Zac Brown Band und von Lainey Wilson hingewiesen. Die Version von „Paint It Black“ der Zac Brown Band übertrifft in meinen Ohren das Original. Lainey Wilson gewinnt „You Can’t Always Get What You Want“ eine neue, wunderbar ausgewogene Facette ab.

Eine beachtliche Riege von Country-Musikerinnen und -Musikern nimmt sich den Hits der Rolling Stones aus den sechziger und siebziger Jahren an. Solche Klassiker zu interpretieren, stellt eine Herausforderung dar, die sämtliche Beiträge meistern. Den Musikern gelingen eigenständige Versionen, bei denen der Respekt vor dem Original mitschwingt. Mit genretypischer Instrumentalisierung und erdigem Sound entsteht so eine Hommage, die die Stones-Songs in den Roots Rock transformiert.

Erstklassige Songs und erstklassige Musikerinnen und Musiker – was soll da auf „Stoned Cold Country“ schon schiefgehen? Die Interpreten aus der Country-Szene beweisen, dass sie rocken können. So bleibt das Tribute-Album vielleicht nicht nur eine Retroperspektive und Verneigung vor den Rolling Stones, sondern gibt ihnen einen Impuls, auch zukünftig die Verbindung von Rock und Country zu suchen.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: New Country / Roots Rock 

Tracks:
01. (I Can’t Get No) Satisfaction – Ashley McBryde
02. Honky Tonk Women – Brooks & Dunn
03. Dead Flowers – Maren Morris
04. It’s Only Rock ’N’ Roll (But I Like It) – Brothers Osborne & The War And Treaty
05. Miss You – Jimmy Allen
06. Tumbling Dice – Elle King
07. Can’t You Hear Me Knocking – Marcus King
08. Wild Horses – Little Big Town
09. Paint It Black – Zac Brown Band
10. You Can’t Get Always What You Want – Lainey Wilson
11. Sympathy For The Devil – Elvie Shane
12. Angie – Steve Earle
13. Gimme Shelter – Eric Church
14. Shine A Light – Koe Wetzel

New West Records
Redeye Worldwide
New West Records
Bertus
Oktober Promotion

Brit Taylor – Kentucky Blue – CD-Review

Wenn es zu echtem traditionellen Country kommt, und dann auch noch von typischem, weiblichen Gesang im Stile der damalig etablierten Ikonen, begleitet,  wird es immer schwierig im Hause Daus. ‚Geheule‘ ist meist der Kommentar meiner geliebten Ehefrau. Dann verlege ich die Anhöraktionen meist auf die Fahrten im Auto zur Arbeit oder setze im Wohnzimmer gleich den Kopfhörer auf. 

Auch ich muss natürlich zugeben, dass meine Vorlieben eher im moderner gestrickten New Country liegen. Allerdings bin ich mit den Jahren meiner Reviewtätigkeit deutlich flexibler geworden. Wenn ich das Gefühl habe, es hat hier alles ‚Hand und Fuß‘, kann ich mich mit solchen Werken durchaus anfreunden. 

Die neue Scheibe von Brit Taylor „Kentucky Blue“, ihr mittlerweile zweiter Longplayer,  ist so ein typischer Fall. Zehn absolut ‚Country To The Core‘ geschriebene und so auch umgesetzte Lieder, produziert von den Grammy-Gewinnern Sturgill Simpson und David Ferguson. 

Brit besitzt diese einfühlsame wie auch einnehmende Stimme von Größen der Marke Lynn, Parton, Wynette, McEntire & Co., musikalisch klackert das Banjo, wiehert und sägt die sehr stark präsente Fiddle, zirpt die Mandoline, und auch andere bekannte Instrumente, wie Steel, Piano, Orgel, Akkordeon, Streicher, Akustik- und E-Gitarren, die man aus dieser Sparte kennt, kommen gekonnt und reichhaltig zum Einsatz. Im Prinzip Musik, die man sich gerne auf der Veranda einer Ranch mit schönem Weitblick anhören würde, die mir allerdings momentan besitzseitig noch fehlt.

Klasse gefallen mir Tracks wie „Anything But You“ und „Ain’t A Hard Livin'“, bei denen Klimperpiano und/oder E-Gitarre zum Einsatz kommen. Auch der schöne Akkordeon-bestückte Tex-Mex-Schwofer „No Cowboys“ (mit unterschwelliger Nashville-Kritik) hat was. Der melancholische Titelsong sinniert mit Appalachia-Note und etwas „Lucille“-Espirit vor sich hin.  Nicht ganz so mein Ding sind die beiden, wohl ihrer Broadway-Vergangenheit geschuldeten „Love’s Never Been That Good To Me“ und „For A Night“ mit Retro-Charme behafteten orchestralen Streicherarrangements.

Ansonsten überrascht und überzeugt Brit Taylor, die übrigens auch schon Größen wie Dwight Yoakam, Alabama und Blackberry Smoke supportet hat,  mit „Kentucky Blue“ auf ganzer Linie. Die von Sturgill Simpson und David Ferguson sehr transparent produzierten Songs bieten alles, was der traditionsbewusste Country-Liebhaber begehrt. Engagierter Gesang mit Herz, Gefühl und Emotion, authentische Texte mit Tiefgang und eine vielseitige musikalisch fundierte Performance. Oder beim Vokabular meiner Frau zu bleiben: „Wunderbar instrumentiertes Geheule…!“

Cut A Shine – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Cabin In The Woods
02. Anything But You
03. Kentucky Blue
04. Rich Little Girls
05. No Cowboys
06. If You Don’t Wanna Love Me
07. Ain’t A Hard Livin‘
08. Love’s Never Been That Good To Me
09. For A Night
10. Best We Can Do

Brit Taylor
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Oktober Promotion

Various Artists – Live Forever – A Tribute To Billy Joe Shaver – CD-Review

Review: Michael Segets

2020 verstarb Billy Joe Shaver mit 81 Jahren. Über fünf Dekaden hinweg veröffentlichte er Alben, aber breite Anerkennung fand er erst im Rentenalter. Dabei hatte er bereits in den 1970ern Hits für Waylon Jennings geschrieben und auch andere Größen des Musikbusiness wie Elvis Presley, Bob Dylan, Johnny Cash, Kris Kristofferson oder Emmylou Harris nahmen seine Stücke auf.

Der texanische Songwriter prägte den Outlaw Country und so ist es nur folgerichtig, dass es sich namhafte Künstler auf dem Tribute finden, die diesem Subgenre besonders zugeneigt sind. Shavers Songwriting dient aber auch Musikern anderer Spielrichtungen des Genres immer noch als Inspirationsquelle. „Live Forever“ kann als ehrgeiziges Programm gelten, aber Shaver hat seine Spuren hinterlassen, denen die Musiker auf dem Tribute gerne folgen.

Willie Nelson ist gleich mit zwei Beiträgen vertreten. „Live Forever“, der wohl bekannteste Titel von Shaver, wird von ihm im Duett mit Lucinda Williams gesungen und eröffnet das Album. Später folgt noch das flotte „Georgia On A Fast Train“. Während Nelson zu den Urgesteinen gehört, ist mit Steve Earle ein Outlaw der zweiten Generation vertreten. „Ain’t No God In Mexico“ wird von ihm in seiner unverwechselbaren Art performt.

Rodney Crowell und George Strait sind ebenso renomiert, stammen aber aus einer anderen Ecke des Genre. Crowell steuert die reduziert begleitete Ballade „Old Five And Dimers Like Me“ bei. Strait setzt bei dem traditionsverbundenen „Willy The Wandering Gypsy And Me“ ebenfalls auf eine dezente Instrumentalisierung. Neben den bereits angegrauten Recken findet sich eine Riege von jüngeren, aber ebenfalls etablierten Musikern der Szene ein. Nathaniel Rateliff schunkelt mit dem von Waylon Jennings mitverfassten „You Asked Me To“ gemächlich über die Prairie und Miranda Lambert behauptet beschwingt „I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday)”.

Ausgewogen ist die circa hälftige Verteilung von Sängerinnen und Sängern. Edie Brickell („I Couldn’t Be Me Without You“) sowie Allison Russell („Tramp On Your Street”) spiegeln mit ihren gefühlvollen Interpretationen den balladesken Grundtenor des Samplers wider. In diesen passt sich ebenso „Ragged Old Truck“ von Margo Price und Joshua Hedley ein.

Charlie Sexton, Co-Produzent des Albums, begleitet mehrere Songs mit seinen Künsten an der Gitarre. Jason Isbell übernimmt diesen Part bei seiner Frau Amanda Shires. Shires‘ Version des Klassikers „Honky Tonk Heroes“ zählt zu den schwungvolleren Tracks auf dem Tribute. Getoppt wird er noch von dem rauen und kraftvollen „Ride Me Down Easy“, bei dem sich Ryan Bingham und Nikki Lane richtig ins Zeug legen.

Die Hommage an Billy Joe Shaver ist als Mehrgenerationen-Projekt angelegt. Von Willie Nelson über Steve Earle bis hin zu Nikki Lane reicht die Bandbreite der Vertreter des Outlaw Country, die den Songs von Shaver eine Stimme geben. Die Interpretationen auf dem Sampler „Live Forever“ geben einen umfassenden Eindruck, wie Shavers Songs nachwirken und bis heute Country-Musiker sämtlicher Stilrichtungen inspirieren.

New West Records – Redeye/Bertus (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Live Forever – Willie Nelson feat. Lucinda Williams
02. Ride Me Down Easy – Ryan Bingham feat. Nikki Lane
03. Old Five And Dimers Like Me – Rodney Crowell
04. I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday) – Miranda Lambert
05. I Couldn’t Be Me Without You – Edie Brickell
06. You Asked Me To – Nathaniel Rateliff
07. Willy The Wandering Gypsy And Me – George Strait
08. Honky Tonk Heroes – Amanda Shires feat. Jason Isbell
09. Ain’t No God In Mexico – Steve Earle
10. Ragged Old Truck – Marco Price feat. Joshua Hedley
11. Georgia On A Fast Train – Willie Nelson
12. Tramp On Your Street – Allison Russell

New West Records
Redeye Worldwide
Bertus

Emily Nenni – On The Ranch – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

“On The Ranch” heißt das neue Album der US-amerikanischen Singer/Songwriterin Emily Nenni. Sie reflektiert darauf die Zeit eines längeren Aufenthalts, den sie für einen Job in Colorado verbrachte. Nenni hat nach ihrem erfolgreichen Independent-Debüt-Longplayer “Hell Of A Woman” (2018) nun die neue Scheibe bei New West Records veröffentlicht.

Die inzwischen in Nashville lebende Künstlerin konnte schon im Jahre 2020 mit dem Titel-Track ihrer EP “Long Gone” über 1 Million Streams verzeichnen und schrieb die Recordings des vorliegenden Albums zusammen mit Produzent und Gitarrist Mike Eli.

Der rasante Einstieg gelingt mit “Can Chaser”, ein Country Rock’n’Roll, hervorragend und führt über den typischen Country-Rock “Useless” zum Titel-Song des Longplayers, der 1.Single “On The Ranch”, die im Traditional-Style und schönen Dobro-Parts eine Liebhaber-Nummer des Genres werden kann.

Überhaupt bringt die Scheibe eine unerwartet weitreichende Stil-Retrospektive in herrlichen Song-Kreationen, u. a. “In The Mornin’“, das z. B. an Steelers Wheel anlehnt. Von Old School-Country-Stücken, die in “Leavin” und “Matches” starke Pedal Steel-Saiten hervorbringen, bis zu “Gates Of Hell” sind ebenso moderne, wie in Ansätzen alternative Power-Titel (“Get On With It”) vielseitig arrangiert.

Immer wieder erinnert der Sound auch an legendäre Country-Ladies, wie Loretta Lynn oder Dolly Parton, die Nanni scheinbar mühelos, aber beeindruckend, neu interpretiert. Dass überraschend plötzlich der alte Abba-Song “Does Your Mother Know” als erfrischende Country-Version auftaucht, spricht für die mutige Produktion.

Auch bei ihren Country-Kollegen wird Emily Nenni offenbar als kommendes Talent und neue Stimme (charismatisch, selbstbewusst und abwechslungsreich) anerkannt. Sie geht bereits mit Kelsey Waldon (in den Staaten) und mit Joshua Hedley (in Australien) auf Tournee. “I’m a honky-tonk girl who’s just getting started”, so Nenni über ihr Album “On The Ranch”: dem ist angesichts der stets sehr swingenden und catchy-tuned Newcomer-Edition nichts mehr hinzuzufügen!

Normaltown Records/New West Records (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Can Chaser
02. Useless
03. On The Ranch
04. Leavin’
05. In The Mornin’
06. Matches
07. Gates Of Hell
08. Does Your Mother Know
09. The Rooster And The Hen
10. Get On With It

Emily Nenni
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