Keegan McInroe – Agnes – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Die Kulisse einer kleinen, 100 Jahre alten Kirche im ehemaligen Minenarbeiterort Terlingua, Texas., diente als Live-Aufnahmestudio für Keegan McInroes neues Album “Agnes”. Offenbar ein toller Ort, denn der aus Fort Worth, Tx., stammende Songwriter, Sänger, Gitarrist, Weltenbummler und Poet hat auf seinem 6. Longplayer die außergewöhnliche Atmosphäre des verlassenen Gebäudes hörbar eingefangen. Das eigenständige Spektrum aus Old Blues, Old Country, Folk und Americana eröffnet die Trackliste mit dem dunkel sich dahinschleppenden Blues Titel “Old Road”.

Die starke Inszenierung des manchmal etwas an Tom Waits erinnernden Gesangs verleiht dem erstklassigen Blues-Song auch durch die raue Guitar/Harp Kombination ein düsteres Flair. Sehr ähnlich bewegt sich “Boom Or Bust”, im schnellen Blues Rhythmus und sozialkritischen Anti-Kriegs-Lyrics hat das Stück ebenfalls immer eine neue Runde verdient. Dieses interessante Dark-Blues-Konzept wird auf “Man In The Ground” noch einmal variiert, zeigt aber nur einen kleinen Teil von McInroes Songwriting Qualitäten.

Vielfach sind es die kleinen Anleihen bei erfolgreichen Stilrichtungen, die in durchweg guten Eigen- und Co-Kompositionen (z.B. “Old Road” mit Gitarrist Matt Tedder) kreativ eingearbeitet wurden. So prägen schöne Kris Kristofferson Storytelling-Ansätze die eingängige Americana-Ballade “La Puerta” und die Eagles ziehen bei “Stoned & Broken Hearted” melodisch in Bestform, wie früher ihre Country-Krise.

Unbedingt hervorzuheben sind auf jeden Fall die akustischen und poetischen Folk/Country-Tracks, wie der Titelsong “Agnes”. Herausragende Dichtkunst trifft auf ein Leonard Cohen Vorbild im Duett. Bei “Then You’ll Know” ist die Gesellschaftskritik textlich und politisch aktuell auf die Umweltzerstörung bezogen, die in den USA auch vor allem die Native Americans belastet. In der ursprünglichen Tradition der amerikanischen Liedermacher aus der Folkbewegung (z.B. Woody Guthrie, Pete Seeger und Bob Dylan) ist der “Talkin’ Site Unseen Blues”, ein gutes Beispiel eines akustischen Guitar Blues und Geschichtenerzählers, der sein Handwerk versteht. Hierzu gehört ohne Zweifel die letzte Boogie-Nummer „Chisos Mission Blues” – in Dylanschen Sprechgesang beim berühmten „Subterranean Homesick Blues”.

Keegan McInroe hat über die Jahre seiner Karriere bereits u.a. mit Leon Russell, Otis Taylor und der Band Of Heathens auf der Bühne gestanden und schon vor über 10 Jahren Tourneen in Deutschland absolviert. Sein American Roots Blues und Country-Folk ist in dem neuen Album “Agnes” mit bodenständigen Lyrics sehr eindrucksvoll an diejenigen adressiert, die eine ungehobelte musikalische Handschrift mögen. McInroe ist im Herbst wieder in Deutschland auf Tour.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Americana, Country, Roots Rock

Tracks:
01. Old Road
02. Agnes
03. Boom Or Bust
04. Then You’ll Know
05. Talkin’ Site Unseen Blues
06. Stoned & Broken Hearted
07. La Puerta
08. Man In The Ground
09. Chisos Mission Blues

Keegan McInroe
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Smith Music

Ben Reel – Come A Long Way – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Mit bisher 10 Studio-Longplayern hat der nordirische Singer/Songwriter Ben Reel über die Jahre tatsächlich ein beachtliches Songbook aufgebaut. Mit Blick auf diese Zeitspanne betitelt Reel daher sein neues Album dementsprechend passend mit “Come A Long Way”. Die aktuelle Scheibe des inzwischen 51-jährigen Musikers wurde im Homestudio, in South Armagh produziert und die 11 Eigenkompositionen schildern Ben Reels persönliche Wahrnehmungen und Erinnerungen aus den unterschiedlichen Dekaden, eingefangen in einer Mixtur aus Rock, Folk, Alternativ-Country, Soul, Blues und Gospel-Bestandteilen.

Die CD beginnt mit den Roots-Rock beeinflussten Stücken “Don’t Fight It Baby” und “Hunter”, Songs, die sich klanglich zugleich Orbison- und Springsteen-like orientieren. Die Folk-, Blues und Country-Rock typischen Storyteller “Hardwired Blues”, “I Get It” und “Old Whore” vermitteln ihre tiefgründigen Geschichten und musikalischen Atmosphären auch über frühe, charakteristische Dylan-Akzente, die in sich zeitgleich Old School und modern inspiriert sind, und zum Teil einen melancholisch wimmernden Harmonica-Sound als Stilmittel einsetzen.

Ausgestattet mit einem Pogues-Balladen-Dress (z.B. “A Rainy Night In Soho”) und angelehnt an Billy Joels wortreiche Lyrics-Rückblende (z. B. “We Didn’t Start The Fire”), bietet der über 7-minütige Track “From The Day I Was Born” eine politisch-zeitkritische Erinnerung Reels an “…there was war…” Ereignisse der letzten 50 Jahre und bestimmt damit wesentlich ein “Come A Long Way” Kernthema der Scheibe, obwohl, so Reel, die originäre Idee für die thematische Anregung von Frank Sinatras Welthit “It Was A Very Good Year” gekommen sei.

Der gleichnamige Albumtitelsong ist insofern ebenfalls geprägt von persönlichen Kindheitsreflexionen, die Reel in leichten Neil Young-Reminiszenzen “verkleidet”. “Loretto On My Mind”, die postume Würdigung einer nahen Angehörigen, weckt durch eine kraftvolle Roy Orbison Intensität entsprechend starke Emotionen. Grundsätzlich ist “Come A Long Way” durchweg ein sehr gefühlsbetontes Album, das seine Wirkung auch in Gospel/Soul/Blues-Rock Stücken, wie “Let The Road Rise” (70er Delaney & Bonnie Style) und “The Finish Line” (u. a. Sam Cooke, Steve Miller) zum Ausdruck bringt. Der Abschluss der Produktion ist mit “I Shall Be Redeemed”, einer schönen Gospel-Blues-Ballade, in gleicher Weise hervorragend inszeniert.

Ben Reel hat in seinem neuen Album “Come A Long Way” (übrigens ein tolles, den Wandel der Zeit spiegelndes Coverbild – Anmerkung der Red.) verschiedene Musikstile des modernen Songwritings in einem großartigen Songbook zusammengefasst und mit sensibel poetischen Texten versehen, die auf dem langen Weg seiner Karriere ganz private “Bilder” reflektieren. Das Ergebnis ist ein Longplayer, der den charismatischen und engagierten Musiker erneut als kreativen Botschafter seiner irischen Heimat bestätigt.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Roots-Rock, Alternativ Country

Tracks:
01. Don’t Fight It Baby
02. Hunter
03. Hardwired Blues
04. From The Day I Was Born
05. Come A Long Way
06. Let The Road Rise
07. Loretto On My Mind
08. I Get It
09. Old Whore
10. The Finish Line
11. I Shall Be Redeemed

Ben Reel
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Lukas Nelson & Promise Of The Real – Sticks And Stones – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Bei manchen Musikproduktionen drängt sich gelegentlich ein etwas zwiespältiger Eindruck auf: auf der einen Seite begeistert das unkomplizierte Konzept der Scheibe und auf der anderen, spekuliert der Betrachter über die unkonventionelle Ladenthekenfrage “darf es vielleicht bitte etwas mehr sein”? Dies ist auch beim aktuellen Album “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real der Fall. Sein großartiges Songschreiber-Talent lässt Frontmann Lukas Nelson bei den 12 häufig entsprechend kurzen Songs aber natürlich nicht außen vor, obwohl – bei aller Bescheidenheit – die beneidenswerten Fähigkeiten von Songschreiber und Band mit Leichtigkeit eine etwas längere Laufzeit der Scheibe arrangieren könnten.

Gegenüber der letzten Studioscheibe “A Few Stars Apart” (2021) ist die neue thematisch als Rückbesinnung einzuordnen, also eine Art Rückschau auf die Anfänge von Nelsons musikalischer Herkunft. “This is the most country record I’ve ever made”, erläutert Songwriter Nelson in einem Interview, und weiter “This is as close to my roots as I’ve gotten so far.” Mit dem flotten Album Titelsong gelingt ihm hierzu der passende Einstieg und zugleich der Auftakt einer persönlichen Rundreise durch die jüngste Vergangenheit seiner musikalischen Entwicklung. Karriereerfahrungen werden hierzu in “Alcohallelujah” – good old Country und Honky Tonk Style (“Every Time I Drink”) – verarbeitet, bevor in dieser Reihe das klassische Country-Duett (mit Lainey Wilson) “More Than Friends” auftrumpft.

Diese sind gelegentlich vielleicht auch 50er/60er Jahre Rockabilly, wie bei “Ladder Of Love” und “Wrong Home” sowie dem typischen Man in Black Country Rock Titel “Icarus” – kurzweilig schon bald erfüllt. Naheliegend und unweigerlich dürfen mit “If I Don’t Love You” und “Overpass” natürlich leichte Kompositionen, die ihren Ursprung im Willie Nelson– Repertoire haben, könnten ebenso nicht fehlen. Mit dem Songwriter Glanzstück „Lying” folgt zum ersten Mal ein Lukas Nelson-Solo-Akustik-Song auf einem Album, nur Vocals und Gitarre, wobei die Bandversion, so der Songwriter alternativ ebenfalls aufgenommen wurde, aber leider auf der Scheibe offenbar auch als Bonus Stück keinen Platz fand. Seine aktuelle Situation sieht Nelson, der das Album ebenfalls selbst produzierte, in den letzten beiden Stücken “All Four Winds” und “The View” wiedergegeben – ansprechende Lyrics zu akustischen Country Folk Melodien.

Der neue Longplayer “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real verbindet Lebenserfahrungen mit eigenen musikalischen Assoziationen zum puren Country Album – eine unterhaltsame Country Platte mit humorvollen Erzählungen und routinierter Virtuosität einer noch jungen, aber längst erfolgreichen Karriere.

6ACE Records/Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Sticks And Stones
02. Alcohallelujah
03. Every Time I Drink
04. More Than Friends
05. Ladder Of Love
06. Wrong House
07. Icarus
08. If I Didn’t Love You
09. Overpass
10. Lying
11. All Four Winds
12. The View

Lukas Nelson
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Oktober Promotion

Lukas Nelson, Sticks And Stones, Country

Bobbie Nelson And Amanda Shires – Loving You – CD-Review

Review: Michael Segets

Als Jugendliche sah Amanda Shires Bobie Nelson in der Band deren Bruders Willie Nelson auf der Bühne. Mit diesem Erlebnis ging die Erkenntnis einher, dass eine Karriere als Musikerin in dem von Männern dominierten Business möglich ist. Die Inspiration, die von Bobbie Nelson ausging, kann im Nachhinein als glückliche Fügung angesehen werden. Shires bereichert seitdem in der Band ihres Ehemannes Jason Isbell und als Solokünstlerin die musikalische Landschaft. Aktuell ist sie auf „Weathervanes“ zu hören. Davor legte sie das hoch gelobte „Take It Like A Man“ vor. Neben diesen Projekten erfüllte sie sich durch die Zusammenarbeit mit Bobbie Nelson, die sie 2013 näher kennenlernte, einen Herzenswunsch.

Zunächst sollte der Song „Always On My Mind“ auf dem Longplayer „Take It Like A Man“ seinen Platz finden. Schließlich legte er den Grundstein für das Album „Loving You“. Dieses erscheint für Bobbie Nelson posthum. Im April letzten Jahres verstarb sie 91-jährig, sodass sie die finale Version des Werks und dessen Veröffentlichung nicht mehr erlebte.

Die zehn Tracks auf „Loving You“ leben von dem Zusammenspiel von Nelsons Piano und Shires Geige. Lediglich Bobbies Sohn Freddie Fletcher begleitet die beiden Damen am Schlagzeug. Wie auf Shires letztem Soloalbum fungierte Lawrence Rothman als Produzent. Herausgekommen ist eine quasi intime Scheibe, bestückt mit einer Auswahl von Bobbie Nelsons Lieblingssongs. Versammelt sind viele Klassiker wie „Dream A Little Dream Of Me“ oder „Over The Rainbow“. „La Paloma“ – in der besten Version, die ich kenne – wird ebenso wie der Titeltrack, der von Bobbie Nelson stammt, instrumental dargeboten.

Von George Gershwin stammt „Summertime“, auf dem Willie Nelson als Gastmusiker hinzustößt. Aus dessen Feder ist „Angel Flying Too Close To The Ground“ geflossen. Bei dieser Ballade legt Shires ebenso wie bei „Tempted And Tried” viel Gefühl in ihren Gesang. Fröhlicher geht es mit dem „Old Fashioned Love“ zu. Der Titel stellt den flottesten Beitrag des Albums dar und kann als traditionelle Country-Nummer verbucht werden. Dieses Genre wird auch mit „Waltz Across Texas“ bedient, das im Dreivierteltakt zum Schunkeln einlädt.

Die generationenübergreifende Kollaboration zwischen Bobbie Nelson und Amanda Shires bietet neue Versionen bekannter Klassiker, die ihren Reiz durch das Zusammenspiel von Piano und Geige erhalten. „Loving You“ eignet sich besonders für ruhige Stunden, in denen man Muße findet, der schnelllebigen Zeit zu entkommen und seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen lässt.

ATO Records/PIAS-Rough Trade (2023)
Stil: Country and more

Tracks:
01. Waltz Across Texas
02. Always On My Mind
03. Old Fashioned Love
04. Summertime (feat. Willie Nelson)
05. Angel Flying Too Close To The Ground
06. Dream A Little Dream Of Me
07. Tempted And Tried
08. La Paloma
09. Loving You
10. Over The Rainbow

Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Tanya Tucker – Sweet Western Sound – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Ihr großartiges Comeback-Album “While I’m Livin” wurde 2020 mit einem Grammy Award belohnt. Nun hat Tanya Tucker das Nachfolgewerk “Sweet Western Sound” veröffentlicht. Gut 50 Jahre nach ihrem ersten Superhit “Delta Dawn” ist der neue Longplayer genau das, was der Titel verspricht: eine handverlesene Auswahl “süßer” Country Melodien.

Eingeleitet (und beendet) wird das Album in einer Art Danksagung in Memoriam an den im Oktober 2020 verstorbenen Singer/Songwriter Billy Joe Shaver. Der mit Tucker befreundete Country-Musiker hatte in einer Voice Mail eine kurze Song-Sequenz bei Tanya hinterlassen, die nun im Original auch an den Sänger erinnert. Die erste Vorab-Single “Kindness” (Tim und Phil Hanseroth) entspricht dem Thema des Albums, ein schöner, leichter, liebenswürdiger Track, ein cooler Country als Einstieg in den herrlichen Pedal-Steel Sound von “Breakfast In Birmingham”, feat. Brandi Carlile und mitgeschrieben von Bernie Taupin, dem mega-awarded Lyric-Poeten von Elton John-Songs. Der melancholische “Waltz Across A Moment” (Shooter Jennings) betont als Piano-Ballade das immer sehr eindrucksvolle Stimmvolumen, das wunderbar emotionale female Outlaw Image von Tucker, (im Refrain) “to the Sweet Western Sound” – ein tolles Highlight.

Die hymnenartige Balladenform, meisterliches Storytelling zu ganz individuellen Erfahrungen, wird in “Ready As I’ll Never Be”, (Carlile und Tucker) im vital, kräftigen Gesang zum Country-Soul-Chanson. Der old-school, but modern Country-Sound kommt bei “The List” als schnelle Nummer – immer wieder traumhafte Pedal Steel Passagen – einfach marvellous! Die feine Melodie von “Letter To Linda” findet mit ihrer ruhigen Ausstrahlung schnell Anschluss zum anspruchsvollen Text. Eine würdevolle Huldigung an Linda Ronstadt, die Tanya Tucker in den Lyrics als Inspiration und großes Vorbild ehrt – eine starke Songidee von Shooter Jennings und Tucker.

In diese Reihe der besonders starken Stücke gehört ohne Zweifel “City Of Gold” (von Singer/Songwriter JT Nero), ein Country-Gospel mit Ohrwurm-Refrain (“You know my heart is a city of gold”) – eben typisch “Sweet Western Sound”. Eine erneut soulige Stilrichtung (mit “Let it be”-Charakter) bringt “That Wasn’t Me” (Carlile/Hanseroth) in die Award-verdächtige Set-Liste, sehr persönlich, hoch anspruchsvoll im Text und Gesang – die spannende Lebensgeschichte einer Country-Ikone. Diese krönt mit “When The Rodeo Is Over” (Burns/Dillingham/Carlile) im ruhigeren Country-Style zum Abschluss nochmal ihre unglaubliche Ausdrucksstärke und Authentizität. Verantwortlich für die Aufnahmen waren wieder Belinda Carlile und Shooter Jennings – der durchweg auch die grandiosen Piano Parts eingespielt hat.

“Sweet Western Sound” von Tanya Tucker kann in jeder Hinsicht an das Award-Winning Vorgänger-Album anknüpfen. Die Country-Lady begeistert selbstbewusst und stilgerecht, in überwiegend sanften Arrangements, mit der Kunst der leisen Töne und brillant, gefühlvollen Lyrics – eine hochkarätige Produktion.

Fantasy Records (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Tanya
02. Kindness
03. Breakfast in Birmingham
04. Waltz Across A Moment
05. Ready As I’ll Never Be
06. The List
07. Letter To Linda
08. City Of Gold
09. That Wasn’t Me
10. When The Rodeo Is Over (Where Does The Cowboy Go)

Tanya Tucker
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Oktober Promotion

Brandy Clark – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Vermutlich ist es der Rezension des Chefredakteurs zum vorangegangenen Album „Your Life Is A Record“ zu verdanken, dass Brandy Clark die orchestralen Töne auf ihrem neuen Werk deutlich reduziert hat. Die offizielle Version zur Entstehungsgeschichte zum selbstbetitelten Longplayer lautet überraschenderweise anders.

Nicht zuletzt aufgrund mehrerer biographischer Parallelen fanden Clark und Brandi Carlile schnell einen Draht zueinander, nachdem sie über eine gemeinsame Freundin bekannt gemacht wurden. Der zusammen aufgenommene Song „Same Devil“ heimste eine Grammy-Nominierung ein und legte den Grundstein für die weitere Kollaboration. Carlile produzierte das aktuelle Album von Clark und singt einen Part des Duetts „Dear Insecurity“.

Sie arbeitete auch darauf hin, dass Clark ihre Stärken als Sängerin ausspielt. So wurde kaum Overdubs verwendet, wodurch der Sound pur und unverstellt wirkt. Dennoch werden hin und wieder Streicher eingesetzt – so auch auf dem flottesten Stück „Northwest“, bei dem ihnen am Ende viel Raum gegeben wird.

Der Einstieg „Not Enough Rocks“ erinnert anfänglich an Sheryl Crow, für die Clark bereits geschrieben hat. Derek Trucks (Tedeschi Trucks Band) steuert hier seine Gitarrenkünste bei und gibt der Nummer eine rockige Note. Ansonsten finden sich hauptsächlich ruhige Songs im unteren Tempobereich auf der Scheibe. Sehr stimmungsvoll ist „She Smoked In The House“, das neben „Buried“ und dem bereits erwähnten „Northwest“ als Singles herausgegeben wurde.

Zwei starke Stücke sind gegen Ende des Werks platziert: „All Over Again“ entwickelt einen schönen Drive; „Best Ones” wird von einer Mundharmonika begleitet, die nochmal einen anderen Sound in das Album bringt. Die Klavierbegleitung steht bei „Take Mine“ im Vordergrund. Der Titel erscheint ebenso wie „Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)” etwas altbacken. Auffälliger ist „Tell Her You Don’t Love Her”, auf dem Clark von Lucius unterstützt wird.

Selbst wenn nicht jeder Song einen Volltreffer darstellt, beweist Clark erneut, dass sie zu Recht zur führenden Riege der Songwriterinnen im Country- beziehungsweise Americana-Bereich zählt. Nicht umsonst greifen viele Kolleginnen und Kollegen auf ihre Kompositionen zurück. LeAnn Rimes und Kacey Musgraves oder Billy Currington und Toby Keith sind hier exemplarisch zu nennen.

Hat sich Clark bislang primär als Songwriterin verstanden, die auch singt, gewann sie durch die Zusammenarbeit mit Carlile mehr Selbstvertrauen als Sängerin. Dass die Selbstzweifel hinsichtlich ihres Gesangs allerdings unbegründet sind, zeigten schon ihre bisherigen Veröffentlichungen und ihre Duette wie „In The Mean Time“ mit Hayes Carll.

Brandy Clark nimmt auf ihrem vierten Album die instrumentale Unterlegung zurück und legt den Focus auf den Ausdruck der Songs und ihrer Stimme. Mit Brandi Carlile als Produzentin im Rücken sowie den Gastmusikern Derek Trucks und Lucius gelingt ihr ein über weite Strecken überzeugendes Werk, sodass es möglich erscheint, dass Clark nach zahlreichen Nominierungen in der Vergangenheit nun auch mal einen Grammy nachhause trägt.

Warner Records/Warner Music (2023)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Ain’t Enough Rocks (feat. Derek Trucks)
02. Buried
03. Tell Her You Don’t Love Her (feat. Lucius)
04. Dear Insecurity (feat. Brandi Carlile)
05. Come Back To Me
06. Northwest
07. She Smoked In The House
08. Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)
09. All Over Again
10. Best Ones
11. Take Mine

Brandy Clark
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Warner Records
Oktober Promotion

T.G. Copperfield with Ben Forrester – Out In The Desert – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

“Out In The Desert” ist das 10. Solo-Album von Singer/Songwriter und Gitarrist Tilo George Copperfield seit seinem Debut im Jahre 2016 und für ihn, so beschreibt er es im Beiheft, ein Meilenstein seiner Karriere. Die eingängigen und tiefgründigen Eigenkompositionen bewegen sich in der vollen Bandbreite von Roots Rock, Americana und Country, eine Desert Landscape auf dem Cover vermittelt die musikalische Verbundenheit zum Genre.

Der süddeutsche Musiker aus Regensburg hatte zuletzt 2022 mit dem Konzept-Longplayer “Snakes & Dust” ein hoch gelobtes Album veröffentlicht, das sich auch in den Lyrics mit legendären Wild West-Geschichten befasste. Für die neuen Aufnahmen konnte Copperfield den New Yorker Gitarristen Ben Forrester als kongenialen Partner begeistern, Forresters kraftvolle, aber ebenso einfühlsame Solo-Parts verstärken von Beginn an (“Born To Die”) den Soundtrack-Charakter der 11 Titel. Auch auf der Tournee, die schon bis in den Herbst 2023 terminiert ist, wird Ben Forrester mit dabei sein.

Imaginäre, düstere Bilder von atmosphärisch dunklen Western-Movies sind es, die Copperfields abwechslungsreiches Storytelling entstehen lässt, begleitet von melancholischen Songs und arrangiert von Produzent Robert Hoffmann. Entstanden sind phantasievoll in Szene gesetzte Titel, z.B. “The Old Man On The Mountain” oder “Sleeping In A Snakepit”, rauchiger Western-Charme inklusive. Mit “Start To Run” und “The End Of The World” gelingen wieder sehr catchy wirkende Tracks, die ihre Grower-Qualitäten sofort anmelden. Zum Schluß der Scheibe wird das Outlaw-Image im programmatischen Titel-Song noch einmal ausgiebig interpretiert und “ungefilterte Gefühle”, wie Copperfield es zu Recht beschreibt, bestimmen die Klangfarben an melodisch elegante Erinnerungen.

Das Album “Out In The Desert” ist ein hervorragendes Beispiel für die musikalisch sehr gereifte authentische Entwicklung von T.G. Copperfield, der in wenigen Jahren eine weitere, ausgefeilte, Handmade-Produktion eingespielt hat; ein jederzeit spannendes Studiowerk, das sein Stehvermögen auch gerade im internationalen Vergleich mühelos unter Beweis stellt.

Timezone Records (2023)
Stil: Roots Rock, Country, Americana

Tracks:
01. Born To Die
02. The Old Man On The Mountain
03. Jericho
04. Who Reigns The Wild Ones
05. Start To Run
06. Love Fool
07. Where Are You
08. Night Crawler
09. Sleeping In A Snakepit
10. The End Of The World
11. Out In The Desert

T.G. Copperfield
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Brooke-Lynn Promotion

Li’l Andy – The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930) – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Li’l Andy geht mit den Songs von Hezekiah Procter im Juni auf Europa-Tournee. In der Kulturrampe gastiert er am 20.06. Hezekiah Procter wurde um 1900 in Burningtown, Nord-Carolina, geboren. Zwischen 1925 und 1930 nahm er einige Songs auf. Infolge seiner Beteiligung an blutigen Arbeitskämpfen tauchte er unter. Über sein weiteres Leben sind nur Mutmaßungen möglich.

Dass Hezekiah Procters Musik bis dato unbekannt war, liegt darin begründet, dass die Figur und die Biographie vollständig fiktiv sind. Ersonnen hat diese Andrew McClelland alias Li’l Andy. Auch die Musikstücke sind von ihm bis auf wenige Titel geschrieben. Die Idee, eine Erzählung gleichsam als Liner Notes zu verfassen und ihr mit einem Soundtrack zusätzlich den Anschein von Authentizität zu geben, ist originell. Das Gesamtkunstwerk des in Montreal ansässigen Musikers Li’l Andy wurde durch öffentliche Mittel unterstützt und heimste bereits einige Auszeichnungen ein. Neben der digitalen Ausgabe liegt auch eine Deluxe-Edition vor, die neben einer Doppel-LP das gedruckte Buch einschließlich historisch anmutendem Bildmaterial umfasst.

Die Songs zwischen Folk und Country hören sich tatsächlich alt an und könnten durchaus hundert Jahre auf dem Buckel haben. Dieser Effekt wurde durch die Verwendung von historischem Equipment bei den Aufnahmen erzielt. Eine Reihe ungewöhnlicher oder vergessener Instrumente wie Sousaphone oder Kazoo wurde eingesetzt. Einen Einblick in die Darbietung geben die beiden Videos von „When The Fire Comes Down“ und „I See Jesus Comin’ Down The Road“.

Insgesamt verzeichnet das Werk 29 Tracks. Die ersten elf sind dabei in zwei Versionen – Wire Recorder Version und Analog Recorder Version – vorhanden. Die eine Scheibe der Vinyl-Edition enthält die Procter-Songs On Wire, die andere On Tape. Neben Li’l Andy als Hezekiah Procter schlüpfen Teilhard Frost, Sam Allison, Brian Sanderson, Bill Howard, Julia Narveson und Milton Kelly in die Rollen seiner musikalischen Weggefährten.

Auf Dauer stellen sich leichte Ermüdungserscheinungen bei der über achtzigminütigen Spielzeit ein, da die Präsentation der Stücke den heutigen Hörgewohnheiten nicht entgegenkommt. Die Motivation kann auch nicht aus ernsthaftem historischem Interesse entspringen. Stattdessen muss man sich auf die Erzählung einlassen und Freude an der Kreativität der alternativen Geschichtsschreibung empfinden. Auf der Bühne gespielt verspricht das Projekt von Li’l Andy allerdings einen außergewöhnlichen Musikabend.

„The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930)” von Li’l Andy basiert auf der fiktiven Biographie des Protagonisten. Eine Geschichte, die sich so hätte zutragen können, und Songs, die damals so hätten geschrieben werden können, verbindet Li’l Andy zu einem originellen und stimmigen Gesamtkunstwerk. Musikalisch und tontechnisch versetzt es in die Anfänge der modernen Folk- und Countrymusik und erweist sich daher für die heutige Zeit als etwas sperrig.

Eigenproduktion (2022)
Stil: Country, Folk

Tracks:
01. Dr Kerr’s Ballyhoo (wire recorder version)
02. Crib House Drip (wire recorder version)
03. I’m Gonna Find a New Sweetheart (wire recorder version)
04. I See Jesus Comin’ Down the Road (wire recorder version)
05. Jennie Blythe (wire recorder version)
06. When the Fire Comes Down (wire recorder version)
07. On a Summer Night Like This (wire recorder version)
08. The Palace Theater Fire (wire recorder version)
09. In the Roebuck Catalogue (wire recorder version)
10. In a Gingham Dress (wire recorder version)
11. The Whistle Waltz (wire recorder version)
12. Get Behind the Wheel (of an Auto-mobile!) (wire recorder version)
13. The Testament of Rudy Baron (wire recorder version)
14. O Joys of Joys (wire recorder version)
15. (I’ve Got Those) Lovesick Blues (wire recorder version)
16. The Least of These, My Brothers (wire recorder version)
17. God of My Life (aka “Poland”) (wire recorder version)
18. Now Shall My Inward Joys Arise (aka “Africa”) (wire recorder version)
19. Dr Kerr’s Ballyhoo (analog tape version)
20. Crib House Drip (analog tape version)
21. I’m Gonna Find a New Sweetheart (analog tape version)
22. I See Jesus Comin’ Down the Road (analog tape version)
23. Jennie Blythe (analog tape version)
24. When the Fire Comes Down (analog tape version)
25. On a Summer Night Like This (analog tape version)
26. The Palace Theater Fire (analog tape version)
27. In the Roebuck Catalogue (analog tape version)
28. In a Gingham Dress (analog tape version)
29. The Whistle Waltz (analog tape version)

Li’l Andy
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Off Label Records
JohThema Promotions

Lucinda Williams – Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special – Doppel-Vinyl-Review und Gewinnspiel

Dass sich Lucinda Williams von Zeit zu Zeit dem Liedgut geschätzter Koryphäen des Musikbusiness gerne annimmt und ihnen Tribut zollt, ist hinlänglich bekannt und kann auch in diesem Magazin mehrfach nachvollzogen werden. Diesmal hat sie sich nun dem Songkatalog von 38 Special gewidmet.

Besonders gefreut hat uns, dass wir, auf Anfrage ihres Managements, ein Bild von ihr, das im Rahmen eine SoS-Konzertberichtes aufgenommen wurde, für das Frontcoverbild (gerne) beisteuern durften. Auf Nachfrage, warum es nicht die vermeintlichen Platzhirsche Lynyrd Skynyrd geworden sind, antwortete sie uns, dass deren Klassiker schon immer überbewertet seien und 38 Special aus ihrer Sicht die eigentlichen Könige des Southern Rocks wären.

Gerade die Phase mit Max Carl als Sänger und Keyboarder, mit dem sie gut befreundet ist und der heute bei Grand Funk Railroad agiert (der deutsche Star-Musiker Peter Maffay coverte übrigens 1985 mal deren Song „A Thousand Nights“ und veröffentlichte die deutsche Version „Für Immer“) und den Alben „Rock And Roll Stragedy“ als auch „Bone Against Steel“, zählt für sie definitiv zu den innovativsten und essentiellsten Meilensteilen des Genres.

Carl singt demnach auf diesem Werk auch ihren größten kommerziellen Hit „Second Chance“ mit Lucinda zusammen im Duett. Klasse finde ich persönlich, dass auch Donnie Van Zant (trotz weiterhin währender Stimmprobleme) für zwei Titel zur Verfügung stand. Zum Einen beim überragenden Rausschmeißer „Rebel To Rebel“ und bei „Money Honey“. Da läuft es allerdings genau anders herum als beim Original: Hier übernimmt Lucinda die Leads von Donnie und Donnie die von Dale Krantz zu damaliger Zeit.

Da ließ sich auch Don Barnes nicht lumpen und macht bei „Hold On Loosely“ in gleicher Hinsicht gesanglich Nägel mit Köpfen. Als schöne Abrundung ist auch  der unvergessene Gitarrist Jeff Carlisi bei diversen Tracks hier wieder mit aktiv.

Den besonderen Charme des Scheibe macht natürlich die Verschmelzung von Southern Rock mit Williams-typischem Americana-Roots Rock-Style aus und natürlich ihre eigenwillige und unverwechselbare Stimme, die den Tracks im Zusammenwirken ganz neue Facetten abgewinnt. Sie ist Gott sei Dank nicht von ihrem, vor zwei Jahren erlittenen Schlaganfall beeinträchtigt. Neben Carlisi, Doug Pettibone (Steel) und Gitarrist Stuart Mathis sind zusätzlich viele prominente Musiker aus der Nashville-Studio-Szene vertreten und sorgen für entsprechend hohe instrumentelle Qualität.

Aus oben angeführten Gründen konnten wir vorab fünf Doppel-Vinyl-Exemplare der limitierten Auflage von „Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special“ aushandeln, wovon wir drei an unsere Leser weitergeben möchten. Bitte sende eine Email an dan@sounds-of-south.de und schreibe uns, welche Band Lucinda Williams, und warum, beim nächsten Mal in ihre Jukebox-Reihe aufnehmen sollte. Die drei originellsten Beiträge werden mit der Scheibe belohnt.

Die Platte kann von Nichtgewinnern gerne auch für 18,90 Euro bei uns geordert werden (bitte Namen und Adresse angeben), wir reichen dann die Bestellungen weiter.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Southern Rock, Roots, Americana

Tracklist:

LP 1 – Seite A:
01. Rock And Roll Stragedy
02. You Got The Deal
03. Gypsy Belle
04. Second Chance (feat. Max Carl)
05. Wild Eyed Southern Boys

LP 1 – Seite B:
01. One In A Million
02. Chattahoochee
03. Turn It On
04. Bone Against Steel
05. You Defenitely Got Me

LP 2 – Seite A:
01. Long Time Gone
02. Jimmy Gillum
03. Has There Ever Been A Good Goodbye
04. The Love That I’ve Lost
05. Hold On Loosely (feat. Don Barnes)

LP 2 – Seite B:
01. Money Honey (feat. Donnie Van Zant)
02. Caught Up in You
03. Take Me Back
04. Sombody Like You
05. Rebel To Rebel (feat. Donnie Van Zant)

Lucinda Williams
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Thirty Tigers

The Cumberland River Project – A Smell Of Gravy – CD-Review

Das Cumberland River Project ist wieder so eine kleine Geschichte, wie man sie meist nur im Rahmen eines solchen Magazins erleben kann. Beim Blackberry SmokeKonzert in Köln stand ich neben zwei Alt-Hieppies, die sich wunderten und mich dann schließlich fragten, warum ich mir denn während des Gigs fortwährend Notizen machen würde.

Ich erklärte ihnen, dass diese dazu dienen würden, zeitnah einen Konzertbericht abzuliefern, der dann im Rahmen des SoS erscheinen würde. Ich drückte ihnen dann eine Visitenkarte in die Hand. Fast zeitgleich drehte sich ein Mann, der etwas vor mir stand, zu mir um, und sagte, dass er unser Gespräch mitbekommen hätte. Er selbst sei Songwriter, Musiker und Produzent im Country-Bereich und bat dann auch um meine Visitenkarte.

Schon am nächsten Tag bekam ich eine Email von einem Frank Renfordt, der sich und sein Projekt dann etwas umfangreicher vorstellte, einen weiteren Tag später hatte ich die aktuelle, mittlerweile zweite CD des Cumberland River Projects im Briefkasten.

Gut finde ich besonders die von Anfang an sehr professionelle Herangehensweise. Zum einen ist dieses Projekt sehr offen ausgelegt, das sieht man schon an den vielen involvierten Musikern und auch sehr unterschiedlichen Leadsängerinnen und -sängern, wobei Frank Renfordt, als Songwriter, Sänger, Musiker und Produzent natürlich hier die Fäden zieht, die weit bis nach Nashville reichen.

Und um den Hauch des Mysteriösen zu verbreiten, werden hier bei den Tracks „Missing Girl“ (ist da etwa Dierks Bentley am Mikro?), „Those Moments“ und  dem textlich und musikalisch sehr gelungenen „Mount Everest“, die Leadsänger nicht benannt. Konnte Frank hier etwa richtige Nashville-Stars gewinnen können, die sich halt zum Schutze weiterer Anfragen dieser Art, nicht preisgeben wollten?

Stark zu Gegen ist hier auch wieder Dave Demay, der bereits das Debütwerk des Cumberland River Project produziert hatte und jetzt auch wieder diverse Tracks gesanglich und auch soundtechnisch in Music City mit begleitet hat. Auch die grafisch und fotographisch schön umgesetzte Covergestaltung weiß zu gefallen. Anders als bei vielen Werken aus Deutschland, die mir zur Rezension geschickt wurden, weht hier wirklich von Beginn an amerikanisches Flair durch das Gesamtwerk, auch die Texte klingen nicht, wie so oft aus hiesigen Gegenden, nach Schulenglisch. Man merkt sofort, warum Renfordts lyrische Kreationen auch schon in den Staaten im American Songwriter Magazine prämiert worden sind.

Und so startet sein Zweitwerk direkt mit drei sehr schönen eingängigen New Country-Nummern, von denen mir das mit 90er Flair umgarnte, von Matt Dame, der gesanglich so ein wenig Travis Tritt-Esprit verbreitet, angeführte „She Drives Her Own Truck“ besonders gefällt. Für mich die beste Vokalleistung auf dem Werk.

Nach einer mehr traditionellen Phase, die auch folkige Anleihen beinhaltet  u. a. mit dem ein wenig an den großen Kenny Rogers-Hit „Lucille“ erinnernden „Joanne“ und der Gesangs- und Fiddle-Performance der talentierten Jessie Morgan bei „Back You Up“, schlägt mein Herz beim flockigen, in Richtung der früheren Diamond Rio, Restless Heart, Boy Howdy & Co. gehenden „You Can’t Make Someone Love You“ (gesungen von The Voice Of Germany-Teilnehmer Michael Anthony Austin) und dem mit schönen Dire Straits-mäßigen E-Fills verzierten „Mount Everest“ wieder höher. Klasse finde ich hier die Message, dass man nicht gleich den höchsten Berg der Welt besteigen muss, wenn man sich im Leben irgendwelche Ziele setzt.

Die Schlussphase läutet dann das mit blechernen Dobroeinlagen bestückte „Aunt Marian“ (hat was von Hands On The Wheel) ein, die dann wieder sehr country-folkig bis zum abschließenden „Brighter Day“ verläuft. Bei beiden Tracks  beweist Frank Renfordt, dass er sich auch am Mikro hinter den anderen Protagonisten nicht zu verstecken braucht. Auffällig ist hier auch das mit schrullig-knochigem Sprechgesang von Eric Trend (Marke Charlie Daniels) versehene „Red River Girl“.

Mit „Smell Of Gravy“ ist Mastermind Frank Renfordt und seinem Cumberland River Project eine kurzweilige und abwechslungsreiche Scheibe gelungen, die diesmal besonders auf die traditionell und eher auf die Anfangsphase des New Country fokussierte Klientel abzielt. Alles bewegt sich hier in jeder Hinsicht auf absoluter Augenhöhe mit vergleichbarem Stoff, den man so aus Nashville kennt. Für den besonderen Geschmack der Soße sorgen die vielen unterschiedlichen Sängerinnen und Sänger, die er für das Projekt gewinnen konnte.

Dass Renfordt durchaus auch vom Southern Rock was weg hat, kann man beim bis dato nur digital produzierten Song „Down At Chicamauga Creek“ (feat. Adam Cunningham) hier begutachten. Ich hätte persönlich nichts dagegen, wenn das potentielle Drittwerk des Cumberland River Projects vielleicht mal in diese Richtung gehen würde. 

Eigenproduktion (2022)
Stil: (New) Country

01. A Little Love (feat. Brittany Black)
02. Missing Girl
03. She Drives Her Own Truck (feat. Matt Dame)
04. Those Moments
05. Joanne (feat. Dave Demay)
06. House In A Row (feat. Misko)
07. Back You Up (feat. Jessie Morgan)
08. You Can’t Make Someone Love You (feat. Michael Antony Austin)
09. Mount Everest
10. Aunt Marian
11. Your Fanciest Rintone (feat. Dave Demay)
12. Red River Girl (feat. Eric Trend)
13. Blown Away (feat. Dave Demay)
14. Brighter Day

The Cumberland River Project
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