Brandy Clark – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Vermutlich ist es der Rezension des Chefredakteurs zum vorangegangenen Album „Your Life Is A Record“ zu verdanken, dass Brandy Clark die orchestralen Töne auf ihrem neuen Werk deutlich reduziert hat. Die offizielle Version zur Entstehungsgeschichte zum selbstbetitelten Longplayer lautet überraschenderweise anders.

Nicht zuletzt aufgrund mehrerer biographischer Parallelen fanden Clark und Brandi Carlile schnell einen Draht zueinander, nachdem sie über eine gemeinsame Freundin bekannt gemacht wurden. Der zusammen aufgenommene Song „Same Devil“ heimste eine Grammy-Nominierung ein und legte den Grundstein für die weitere Kollaboration. Carlile produzierte das aktuelle Album von Clark und singt einen Part des Duetts „Dear Insecurity“.

Sie arbeitete auch darauf hin, dass Clark ihre Stärken als Sängerin ausspielt. So wurde kaum Overdubs verwendet, wodurch der Sound pur und unverstellt wirkt. Dennoch werden hin und wieder Streicher eingesetzt – so auch auf dem flottesten Stück „Northwest“, bei dem ihnen am Ende viel Raum gegeben wird.

Der Einstieg „Not Enough Rocks“ erinnert anfänglich an Sheryl Crow, für die Clark bereits geschrieben hat. Derek Trucks (Tedeschi Trucks Band) steuert hier seine Gitarrenkünste bei und gibt der Nummer eine rockige Note. Ansonsten finden sich hauptsächlich ruhige Songs im unteren Tempobereich auf der Scheibe. Sehr stimmungsvoll ist „She Smoked In The House“, das neben „Buried“ und dem bereits erwähnten „Northwest“ als Singles herausgegeben wurde.

Zwei starke Stücke sind gegen Ende des Werks platziert: „All Over Again“ entwickelt einen schönen Drive; „Best Ones” wird von einer Mundharmonika begleitet, die nochmal einen anderen Sound in das Album bringt. Die Klavierbegleitung steht bei „Take Mine“ im Vordergrund. Der Titel erscheint ebenso wie „Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)” etwas altbacken. Auffälliger ist „Tell Her You Don’t Love Her”, auf dem Clark von Lucius unterstützt wird.

Selbst wenn nicht jeder Song einen Volltreffer darstellt, beweist Clark erneut, dass sie zu Recht zur führenden Riege der Songwriterinnen im Country- beziehungsweise Americana-Bereich zählt. Nicht umsonst greifen viele Kolleginnen und Kollegen auf ihre Kompositionen zurück. LeAnn Rimes und Kacey Musgraves oder Billy Currington und Toby Keith sind hier exemplarisch zu nennen.

Hat sich Clark bislang primär als Songwriterin verstanden, die auch singt, gewann sie durch die Zusammenarbeit mit Carlile mehr Selbstvertrauen als Sängerin. Dass die Selbstzweifel hinsichtlich ihres Gesangs allerdings unbegründet sind, zeigten schon ihre bisherigen Veröffentlichungen und ihre Duette wie „In The Mean Time“ mit Hayes Carll.

Brandy Clark nimmt auf ihrem vierten Album die instrumentale Unterlegung zurück und legt den Focus auf den Ausdruck der Songs und ihrer Stimme. Mit Brandi Carlile als Produzentin im Rücken sowie den Gastmusikern Derek Trucks und Lucius gelingt ihr ein über weite Strecken überzeugendes Werk, sodass es möglich erscheint, dass Clark nach zahlreichen Nominierungen in der Vergangenheit nun auch mal einen Grammy nachhause trägt.

Warner Records/Warner Music (2023)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Ain’t Enough Rocks (feat. Derek Trucks)
02. Buried
03. Tell Her You Don’t Love Her (feat. Lucius)
04. Dear Insecurity (feat. Brandi Carlile)
05. Come Back To Me
06. Northwest
07. She Smoked In The House
08. Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)
09. All Over Again
10. Best Ones
11. Take Mine

Brandy Clark
Brandy Clark bei Facebook
Warner Records
Oktober Promotion

Hayes Carll – You Get It All – CD-Review

Review: Michael Segets

Der mehrfach ausgezeichnete Hayes Carll bringt nach zwei Jahren den Nachfolger zu „What It Is“ heraus. „You Get It All“ knüpft nahtlos an seine vorherige Scheibe an. Sie bietet wieder feine Songs mit sensiblen Texten, die mehrmals mit einer Prise scharfzüngigem Humor gewürzt sind. Insgesamt gelingt Carll ein Album, das das hohe Niveau noch konstanter als der Vorgänger hält. Einen Vergleich mit Musikern wie John Prine, Hank Williams, Jr. oder Randy Travis braucht er nicht zu scheuen.

Carll sieht seine musikalischen Wurzeln im Country, was am Anfang der CD augenfällig wird. Der zusammen mit den Brothers Osborne geschriebene Opener „Nice Things“, der Titeltrack mit besonders eingängigem Refrain oder auch das klassisch anmutende „Any Other Way“ zeigen, dass er die Spielregeln des Genres beherrscht. Er performt die Stücke erdig, gradlinig und locker heraus. Vor allem in der ersten Hälfte des Longplayers kommen Geige und dezenter Slide zum Einsatz. Dabei trifft Carll genau das richtige Maß.

Im hinteren Abschnitt des Albums setzt der Texaner dann verstärkt auf die Begleitung durch das Klavier („If It Was Up To Me“), teilweise ergänzt durch eine Orgel („The Way I Love You“), oder arrangiert einzelne Tracks etwas opulenter („Leave It All Behind“). Insgesamt dominieren die Balladen auf dem Werk. Textlich bewegend ist „Help Me Remember“. Aus der Perspektive eines an Demenz leidenden Mannes schildert er dessen Ängste und seinen Kampf um Identitätswahrung. Musikalisch bringt das Duett mit Brandy Clark, die „In The Mean Time“ mitkomponierte, Abwechslung.

„To Keep From Being Found“ überrascht durch seinen rockigen Einschlag. Der Country-Rocker im Geist der 80er mit Bar-Piano und flotter elektrischer Gitarre unterbricht die eher getragene Stimmung der Balladen. Eine expressive E-Gitarre hört man auf dem bluesigen „Different Boats“. Zu den Highlights des Albums zählt sicherlich der Outlaw-Country „She’ll Come Back To Me“. Nach der atmosphärischen Einstimmung durch eine akustische Gitarre setzt ein stampfender Rhythmus ein, der ins Blut geht. Die Geigen-Passage erinnert leicht an den Soundtrack von Gangstagrass zu der Fernsehserie „Justified“.

Bei manchen Songs können Ähnlichkeiten hinsichtlich des Songwriting-Stils mit Steve Earle ausgemacht werden. Der Vergleich mag vielleicht auf wenig Gegenliebe bei Carll stoßen, da seine Ehefrau Allison Moorer, die die CD co-produzierte und auch bei „If It Was Up To Me“ beteiligt war, dessen ehemalige Partnerin war. Aber der Hardcore-Troubadour ist ja musikalisch keine schlechte Referenz.

Mit „You Get It All“ lässt Hayes Carll dem vorangegangenen „What It Is” ein mindestens ebenbürtiges Werk folgen. Zwischen Country und Americana spielt Carll seine Stärken aus, die in seinem Songwriting sowie in den pointierten Texten liegen. Die Melodien scheinen ihm mühelos von der Hand zu gehen. Die Titel wirken selbst bei schweren Themen unverkrampft und unverstellt.

Dualtone Records (2021)
Stil: Americana, Country

Tracks:
01. Nice Things
02. You Get It All
03. Help Me Remember
04. Any Other Way
05. Different Boats
06. In The Mean Time
07. She’ll Come Back To Me
08. To Keep From Being Found
09. Leave It All Behind
10. The Way I Love You
11. If It Was Up To Me

Hayes Carll
Hayes Carll bei Facebook
Oktober Promotion

Brandy Clark – Your Life Is A Record – CD-Review

BC_300

Drittes Album der, von der Kritikerschaft bisher zurecht hochgelobten, vielfach Grammy-nominierten Country-Chanteuse Brandy Clark. Vielen wird ihr Name eher im Zusammenhang des Songwritings für andere Interpreten wie u. a. Sheryl Crow, Miranda Lambert, The Band Perry, Reba McEntire, LeAnn Rimes, Billy Currington, Darius Rucker, und Kacey Musgraves, über den Weg gelaufen sein.

Wir hatten schon ihr 2016 veröffentlichtes „Big Day in a Small Town“ in unserem Magazin reviewt. Und wieder gelingt es der 1977 geborenen, aus Morton, Washington stammenden, 1998 nach Nashville gezogenen Künstlerin mit brillanter Einfachheit, ihre Botschaften in Form gelungener Countrysongs zu vermitteln.

„Your Life Is A Record“ heißt das mit elf neuen Tracks bestückte, erneut von Jay Joyce (Little Big Town) in der Tradition von Vorbildern wie Patsy Cline, Loretta Lynn, Reba McEntire & Co. produzierte Werk.

Unbestrittener Star des Silberlings ist die wunderschön klare und auch im wahrsten Sinne fürs Countrygenre prädestinierte Stimme der Protagonistin, deren Ausstrahlung sich angesichts einer äußerst geschmackvoll zurückhaltend inszenierten Instrumentierung (Akustikgitarren und percussionartiger Rhythmus dominieren, sporadische Zutaten sind mal Dobro, Mandoline, E-Gitarre oder Piano) mit ergänzenden Musikern wie Joyce, Giles Reaves und Jedd Hughes, bestens zur Geltung kommt.

Streiten kann man sich darüber, ob die zwar sehr dezent eingeflochtenen, aber immer sehr orchestral anmutenden Elemente (Streicher, Bläser, Flöte), die dem ganzen einen ungeheuren Retro-Touch verabreichen, nötig gewesen wären oder nicht.

Mir persönlich hätte das Gesamtwerk, wie beim einzigen Song „Pawnshop“ (ohne diese Stilmittel) aufgezeigt, noch mehr zugesagt. Gastauftritte gibt es von Randy Newman beim kauzigen Duett „Bigger Boat“ (herrlich knochiger Gesang von ihm, dazu sein markantes Pianospiel) und von Gitarrist John Osborne bei „Bad Car”.

So macht man es sich am Ende am besten gemütlich und lässt die wunderbar entspannten, mit einer faszinierenden Stimme vorgetragenen elf Musikgeschichten an sich vorüber fließen. „Your Life Is A Record“ heißt Brandy Clarks neuer Longplayer. Wäre das Leben bei jedem Menschen so schön wie diese Platte, gäbe es auf dieser Welt wohl nicht soviel Leid und Elend…

Warner Music (2020)
Stil: New Country

Tracks:
01. I’ll Be The Sad Song
02. Long Walk
03. Love Is A Fire
04. Pawn Shop
05. Who You Thought I Was
06. Apologies
07. Bigger Boat
08. Bad Car
09. Who Broke Whose Heart
10. Can We Be Strangers
11. The Past Is The Past

Brandy Clark
Brandy Clark bei Facebook
Oktober Promotion

Brandy Clark – Big Day In A Small Town – CD-Review

BrandyClarkBig_300

Zweites, mit Hochspannung und viel Vorschusslorbeeren bedachtes Album der Singer/Songwriterin Brandy Clark. Die 40-Jährige, ursprünglich aus Morton, Washington, stammende Künstlerin, präsentiert mit „Big Day In A Small Town“, diesmal ein, als Art Konzeptalbum aufgebautes Werk, das in elf sympathischen Anekdoten, das Kleinstadtleben, mit all seinen Klischees und Facetten beleuchtet.

Brandy Clark hatte zu Anfang ihres musikalischen Treibens, nachdem sie eine Basketballkarriere aufgegeben hatte und zugunsten der Musik nach Nashville gezogen war, zunächst viele Erfolge als Songlieferant für bekannte Acts der Szene wie Sheryl Crow, Miranda Lambert („Mama’s Broken Heart“), The Band Perry („Better Dig Two“), Reba McEntire, LeAnn Rimes, Billy Currington, Darius Rucker oder Kacey Musgraves („Follow Your Arrow“). Diverse Nominierungen (u. a. bei den Grammys) und für letztgenannten Song sogar ein CMA-Award, ließen kein Zweifel an ihren kreativen Qualitäten.

Seit 2012 konzentriert sich Clark auch auf ihre eigene Karriere. Nach einer EP und ihrem, von Kritikern mit Lob überschütteten Major-Debüt „12 Stories“, das in kommerzieller Hinsicht allerdings noch nicht die erwartete Resonanz erfuhr, soll jetzt mit „Big Day In A Small Town“, für das Warner Bros. ihr Top-Produzent Jay Joyce (u. a. Little Big Town, Keith UrbanEric Church, Carrie Underwood) zur Seite stellte, der endgültige Durchbruch geschafft werden. Die spannende Frage war hier, ob das Gespann Joyce, der ja in letzter Zeit mit seinen sehr modernen ‚Innovationen‘, viel Kritik/Unmut der herkömmlichen New Countryklientel auf sich zog, und die eher, in Richtung Vorbilder Marke Patsy Cline oder Reba McEntire gestrickte Protagonistin, zusammen überhaupt harmonieren würden.

Um es vorweg zunehmen, es hat prächtig funktioniert, da sich Joyce, der eher traditionell ausgerichteten Akteurin weitestgehend untergeordnet hat, und nur an einigen ‚Stellschrauben‘, im Vergleich zum Vorgänger, marginal gedreht hat. Das Ergebnis ist ein schöner Mix, bzw. Kompromiss aus einigen eingängigen New Countrytracks mit dezenten Hit-Ambitionen, so wie die melodischen Opener „Soap Opera“ (chorales Intro, Banjounterlegung, E-Kurz-Solo) und dem flockigen „Girl Next Door“ (beide mit Sugarland-Flair) oder der humorvolle groovige Country Rocker „Broke“ und das flotte „Love Can Go To Hell“ (ein wenig Fleetwood Mac goes Country), sowie, gerade im zweiten Teil des Albums, eine schöne Inszenierung des altbewährten Country, mit seinem typischem breitgefächerten Storytelling, wie ihn Kacey Musgraves in letzter Zeit so vortrefflich und erfolgreich praktiziert hat.

Die bedankt sich übrigens bei Brandy für ihre, bereits o. a. Dienste, in dem sie beim Retro-Schunkler „Daughter“, ihren Harmonie-Gesang mit einbringt. Die von Lori McKennas Handschrift gezeichnete Hommage an das schwere Leben allein erziehender Mütter „Three Kids No Husbands“ oder der Saloon-Heuler „Drinkin‘ Smokin‘ Chheatin'“ (ganz allein aus Brandys Feder – die auch die übrigen Tracks, naturgemäß mit diversen Co-Writern wie u. a. schwerpunktmäßig Shane McAnally und Jessie Jo Dillon, kreiert hat), sind weitere Exemplare aus der ‚guten alten Zeit‘ des Genres.

Mit „Homecoming Queen“, „You Can Come Over“ (schöne, Procul Harum-mäßige Orgel) und dem abschließenden melancholischen, den Verlust des Vaters beklagenden „Since You’ve Gone To Heaven“, wurden ein paar atmosphärische Balladen eingeflochten, die den ausdrucksstarken Gesang Clarks (irgendwo zwischen einer ‚twangenden‘ Jennifer Nettles, Julie Roberts und Kacey Musgraves), vortrefflich dokumentieren.

Eingespielt haben das Werk gestandene Musiker u. a. wie Fred Eltringham, Dave Roe, John Deaderick (setzt viel Akzente an den diversen Keys), Forest Glen Whitehead, Jay Joyce, Keith Gattis und Rob McNelley. „Big Day In A Small Town“ präsentiert Brandy Clark als ‚komplette‘ Künstlerin, die sowohl als exzellente Songschreiberin, gute Sängerin, und auch als Instrumentalistin (Akustik-Gitarre) zu gefallen weiß. Mit Jay Joyce, diesmal als feinfühligem Produzenten an ihrere Seite, könnten jetzt recht große Tage bevorstehen. Verdient hätte sie es ohne Zweifel. Ein starkes Album. Dicke Konkurrenz für Kacey Musgraves, Jennifer Nettles & Co.

Warner Bros. (2016)
Stil: New Country

01. Soap Opera
02. Girl Next Door
03. Homecoming Queen
04. Broke
05. You Can Come Over
06. Love Can Go To Hell
07. Big Day In a Small Town
08. Three Kids No Husband
09. Daughter
10. Drinkin‘ Smokin‘ Cheatin‘
11. Since You’ve Gone To Heaven

Brandy Clark
Brandy Clark bei Facebook
Bärchen Records