Zach Morgan – Quohog Cowboy – EP-Review

Review: Michael Segets

Ein reizvoller Aspekt meiner Tätigkeit für SoS ist, dass ich in Kontakt mit Musikern komme, deren Schaffen ich sonst wohl kaum zur Kenntnis genommen hätte. Ein solcher Fall ist Zach Morgan, der seine EP „Quohog Cowboy“ zur Besprechung geschickt hat. Der junge Singer/Songwriter wuchs in Cape Cod, Massachusetts, auf und zog dann über Tennessee, Alabama, Arizona nach Hawaii. Zurzeit plant er den Umzug zurück an die Ostküste der Vereinigten Staaten. Die EP wurde aber noch in Honolulu aufgenommen.

Die Rastlosigkeit und steten Wechsel des Umfelds spiegeln sich auch in den Titeln seiner Stücke wider. Sehr schön fängt der Folksong „Travelin‘ Across The Country“ die Gedanken an die Kindheit ein, die einem fern von der Heimat in den Sinn kommen können. In eine ähnliche thematische Richtung geht „Saying Goodbye“, das er anlässlich seines Wegzugs aus Arizona verfasste. Nach eigener Aussage reflektiert Morgan auf „Quohog Cowboy“ nicht nur seine Wanderschaft, sondern auch die Wurzeln seiner Herkunft. Neben den biographischen Bezüge lassen sich literarische aufweisen. So rekurriert „Tom And The Turtle“ auf John Steinbecks „Früchte des Zorns“. Dort geht es ja ebenfalls um Menschen, die einen Platz zum und im Leben suchen.

Musikalisch orientierte sich Morgan zunächst am Rock, bevor er Songwriter wie Jason Isbell oder Ryan Bingham entdeckte. In jüngerer Zeit setzte er sich mit den Werken von Bob Dylan, The Greatful Dead, Tom Petty und Neil Young auseinander, denen er einen großen Einfluss auf sein Songwriting zuschreibt. Morgan hört also die richtige Musik. In den einzelnen Tracks sind direkte Referenzen aber kaum auszumachen.

Die Stücke stehen klar in der Tradition des Folks. Ganz puristisch auf die akustische Gitarre reduziert geht es dabei nicht zu, denn Jon Yeater steuert auf der EP auch ein paar elektrifizierte Töne bei. Nicht zuletzt dadurch hinterlässt „Left In The Cold“ einen bleibenden Eindruck. Aber auch sonst gibt es keinen Lückenfüller auf „Quohog Cowboy“, sodass man eine gute Viertelstunde hervorragende Singer/Songwriter-Kost geboten bekommt. Obwohl alle Stücke unter drei Minuten bleiben, gelingt es Morgan stimmungsvolle Stories zu erzählen. „Milton“ sticht diesbezüglich nochmal unter den Tracks hervor.

Dem Ruf des Openers „So Good To See You“ kann geantwortet werden: So good to hear you! Vielleicht führen ihn seine Reisen ja mal auf den alten Kontinent, sodass man ihn nicht nur hören, sondern auch sehen kann. Zach Morgan gibt mit „Quohog Cowboy“ Anlass zu der Hoffnung, dass der Nachwuchs an Songwritern nicht versiegt, dem die musikalischen Traditionen bewusst sind, ohne diese lediglich zu reproduzieren..

Eigenproduktion (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. So Good To See you
02. Saying Goodbye
03. Milton
04. Tom And The Turtle
05. Left In The Cold
06. Travelin’ Across The Country

Zach Morgan bei Instagram

Mary Chapin Carpenter – Personal History – CD-Review

Review: Michael Segets

Mary Chapin Carpenter legt dieses Jahr einen Doppelschlag hin. Der Veröffentlichung „Looking For The Thread“ zusammen mit Julie Fowlis und Karine Polwart folgt nun das Soloalbum „Personal History“. Der Longplayer wurde wie die vorangegangen in Peter Gabriels Real World Studios in Großbritannien aufgenommen und erneut von Josh Kaufmann (Bonny Light Horseman) produziert. Chapin Carpenter setzt also auf Kontinuität. Diese zeigt sie auch in musikalischer Hinsicht. „Personal History“ liefert Balladen, wie sie für die Songwriterin charakteristisch sind.

Bereits der Titel des Werks lässt seine autobiographische Prägung vermuten. Nach Chapin Carpenter ist es in einem höheren Maße persönlich als ihre bisherigen. Mit ihren zahlreichen Erfolgen – unter anderem fünf Grammy Awards – kann sie sicherlich auf einige berufliche Höhepunkte zurückblicken. Abseits vom Showbiz thematisiert sie jedoch die Momente, die das Leben vieler Menschen prägen – Momente, die sie einfühlsam mit einer gewissen Zerbrechlichkeit und Wärme einfängt.

Man spricht ja nicht über das Alter von Damen, aber ich verrate kein Geheimnis, wenn ich feststelle, dass Chapin Carpenter – wäre sie Arbeitnehmerin in Deutschland – ihr Berufsleben hinter sich hätte. Auf alle Fälle bewegt sie sich in einer Phase, in der ein Rückblick auf das bisherige Leben nicht ungewöhnlich ist. Was bleibt? Was wäre gewesen, wenn …? Das sind Fragen, die sich Chapin Carpenter stellt. Auf „What Did You Miss“ formuliert die Songwirterin das zentrale Thema, mit dem sich die Stücke des Albums auseinandersetzen. Es ist eine Suche nach etwas, das sich schwer fassen lässt, das sich nur annäherungsweise beschreiben lässt und, wenn man meint, es zu haben, wieder flüchtig erscheint. Sinn und Glück werden von Chapin Carpenter an einzelnen Episoden oder Erlebnissen festgemacht. Und die Erinnerungen an diese machen eben die persönliche Geschichte aus.

So schwingt bei den Lyrics etwas Wehmut an vergangene Zeiten mit, gerade wenn manche Ziele und Träume sich nicht erfüllten. In Chapin Carpenters Rückschau spiegeln sich Gelassenheit und Milde, bei denen Resignation keinen Platz findet. So gehören Enttäuschungen und Gedanken an verpasste Gelegenheiten („The Night We Never Met“) zwar zum Leben, zentral ist aber, wie man mit diesen umgeht. Die Prioritätensetzung verschiebt sich im Laufe der Zeit, die Selbstdefinition bleibt jedoch in jedem Alter eine Herausforderung. Ein Motiv, das sich durch mehrere Songs zieht, ist dabei das Spannungsfeld zwischen Alleinsein und Einsamkeit („Hello, My Name Is“). Im Alter genießt man einfache Dinge („Girl And Her Dog“) und baut eine gewisse Distanz zu den Erwartungen auf, die man mit fünfundzwanzig hatte („Paint + Turpentine“).

Musikalisch hat „Personal History“ durchgängig einiges zu bieten. Ob mit akustischer Gitarre („Coda“) oder Klavierbegleitung („Say It Anyway“) weisen die Balladen eine gewisse Variamz auf. Das sanfte „The Night We Never Met“ sowie „Paint + Turpentine“ mit seinem ins Ohr gehenden Refrain sind ebenso hervorzuheben, wie „The Saving Things“, bei dem Bläser den Titel untermalen. „Bitter Ender“ ragt als flotterer Song im Midtempo nochmal unter den anderen Songs heraus. Der Track wurde daher folgerichtig als Single herausgegeben.

In der Aufarbeitung ihrer „Personal History“ erweist sich Mary Chapin Carpenter wieder einmal als brillante Songwriterin. Ihre autobiographisch gefärbten Texte greifen Situationen auf, die hohe Identifikationspotenziale für Menschen mittleren Alters aufweisen. Wie gereifter Wein mundet das aktuellen Album von Chapin Carpenter in besonderem Maße.

Chapin Carpenter plant im Anschluss an die Veröffentlichung des Longplayers zusammen mit Brandy Clark auf eine ausgedehnte Tour durch die Vereinigten Staaten zu gehen.

Lambent Light Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. What Did You Miss
02. Paint + Turpentine
03. New Religion
04. Girl And Her Dog
05. The Saving Things
06. Hello, My Name Is
07. Bitter Ender
08. The Night We Never Met
09. Home Is A Song
10. Say It Anywhere
11. Coda

Mary Chapin Carpenter
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Will Varley – Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Titel von Will Varleys siebten Studiowerk „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me” hat es mir direkt angetan. Irren ist menschlich, wie man so schön sagt. Der Albumtitel regte mich jedenfalls dazu an, eine Besprechung von Will Varleys neuem Longplayer von ChatGPT erstellen zu lassen, um zu sehen, ob Maschinen auch Fehler machen:

„Der englische Singer-Songwriter Will Varley ist bekannt für seine eindrucksvollen Texte, die oft gesellschaftliche Themen, persönliche Geschichten und eine Prise Humor miteinander verbinden. Mit seiner charakteristischen Stimme und seinem akustischen Stil hat er sich eine treue Fangemeinde aufgebaut und gilt als einer der bedeutenden Stimmen in der aktuellen Folk- und Singer-Songwriter-Szene. Sein neues Album mit dem Titel „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me“ ist ein weiteres Beispiel für seine Fähigkeit, tiefgründige und nachdenkliche Lieder zu schreiben. […] Das Album zeichnet sich durch seine eingängigen Melodien, ehrlichen Texte und eine emotionale Tiefe aus, die Fans und Kritiker gleichermaßen begeistert. Will Varley schafft es, komplexe Themen verständlich und berührend zu präsentieren […].“

Soweit der freundliche, doch ziemlich allgemein gehaltene Kommentar der Künstlichen Intelligenz, die mir zudem angeboten hat, ihren Text etwas kritischer zu formulieren. Das ist aber nicht nötig. Die Lyrics weisen Varley tatsächlich als versierten Songwriter aus. In eigenen Worten des Musikers geht es auf dem Album um den Versuch, Hoffnung und Frieden zu finden in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist.

Zur musikalischen Seite seien aber noch ein paar Worte verloren: Der in Kent beheimatete Varley verfolgt auf dem aktuelle Longplayer weniger den akustischen Stil, der ihm von ChatGPT bescheinigt wird. Es finden sich zwar gelungene, instrumental reduzierte Tracks wie „Long Way Back To Now“ oder „Venus Returns“, aber die Folk-Anteile treten mehrmals hinter opulenter wirkenden Arrangements zurück. Während „Home Before The World Ends“ und „Everthing Has A Hearbeat“ in Richtung Pop weisen, findet Varley bei „Only Louise” sowie dem sanften Ausklang des Albums „Whatever‘s Left“ die richtige Mischung zwischen handgemacht und aufgepimpt.

Varley holt sich gelegentlich Unterstützung von befreundeten Musikern wie Dan Smith von Bastille auf dem Titeltrack und Billy Bragg. Die tiefe Stimme von Bragg in Kombination mit der von Varley sorgt bei „End Times“ für einen Gänsehautmoment. Den mit Abstand stärkste Track der Scheibe stellt allerdings die erste Single „Different Man“ dar. Brent Cobb diente hier wohl als Inspirationsquelle.

Auf „Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me” zeigt sich Will Varley erneut als tiefsinniger Songwriter. Das Album fällt weniger folkig aus, als man vielleicht erwartet. Neben den einzelnen akustisch gehaltenen Stücken sind aber weitere Beiträge vertreten, die für SoS-Leser*innen interessant sein könnten – allen voran die Single „Different Man“.

Folketown-MNRK UK – SPV (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Long Way Back To Now
02. Different Man
03. Home Before The World Ends
04. Never Get Tired Of Loving You
05. End Times
06. Machines Will Never Learn To Make Mistakes Like Me
07. Only Louise
08. Venus Returns
09. Everything Has A Heartbeat
10. Whatever’s Left

Will Varley
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SPV
Oktober Promotion

Jason Isbell – Foxes In The Snow – CD-Review

Review: Michael Segets

Anfang Februar gab Jason Isbell zwei Solo-Gigs in Berlin und Köln. Die Ankündigungen liefen an mir vorbei, obwohl Isbell auf meiner Liste der zu sehenden Live-Acts ganz weit oben stand. Dem Einsatz Oliver Bergmanns von Oktober Promotion und der Kulanz der Veranstalter verdanke ich es, dass ich in der Kulturkirche Köln doch noch Einlass gefunden habe und so einen Konzertabend erleben durfte, der noch immer nachhallt.

Neben einigen seiner Klassikern, stellte Isbell eine Reihe neuer Stücke vor. In Köln standen „Bury Me“, „Foxes“, „Gravelweed“, „Eileen“ und „True Believer“ auf der Setlist. Diese Song umjubelte das Publikum frenetisch. Ein Konzert rund um nicht veröffentlichte Titel zu konzipieren oder sogar mit diesen einzusteigen, ist ja nicht ohne Risiko. Im vorliegenden Fall ist der Plan aufgegangen, was für die präsentierten Stücke spricht. Isbell reflektierte sogar scherzhaft über den Livevorteil der nicht geläufigen Beiträge, dass den Konzertbesuchern schiefe Töne kaum auffallen, da die ja gewollt sein könnten.

Der Solo-Auftritt, bei dem die Songs pur vorgestellt und nicht von Arrangements verschiedener Instrumente verdeckt wurden, belegte, warum Isbell als einer der besten Songwriter seiner Generation gilt. Einen weiteren Beweis liefert Isbell mit seiner neuen CD „Foxes In The Snow“, die er gleichsam im Alleingang, nur mit akustischer Gitarre und seinem ausdrucksstarken Gesang einspielte. Vielleicht kommen auch Songwriter, die bisher eine Band in der Hinterhand hatten, irgendwann an den Punkt, an dem sie sich und die Kraft ihrer Songs in einer unverstellten Klarheit erproben wollen. Dieser Markstein, der beispielsweise „Nebraska“ für Bruce Springsteen darstellt, ist „Foxes In The Snow“ für Jason Isbell.

Mit der Auswahl der in Köln präsentierten Tracks hat Isbell alles richtig gemacht. Die fünf Songs gehören zu den ganz starken des Longplayers. Gewünscht hätte ich mir noch das in Berlin gespielte „Ride To Roberts“ oder die beiden „Good While It Lasted“ und „Wind Behind The Rain“, bei denen Isbell ebenfalls zu Hochform aufläuft. Acht Volltreffer von elf sind ein hervorragender Schnitt, wobei „Don’t Be Tough“, „Open And Close“ und „Crimson And Clay“ alles andere als Fehlschüsse sind. Sie packen mich zurzeit nicht so wie die anderen Songs und sie schmälern auch nicht den Gesamteindruck des Werks.

Nachdem Jason Isbell begleitet von seiner Band The 400 Unit mit „Weathervanes“ ein fast schon monumentales Album vorlegte, schiebt er jetzt mit „Foxes In The Snow“ eine mindestens ebenbürtige Solo-Scheibe nach. Die Songs – gepaart mit dem charakteristischen Gesang von Isbell – entwickeln eine Intensität, wie man sie selten auf minimalistisch gehaltenen One-Man-CDs erlebt.

Southeastern Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Bury Me
02. Ride To Roberts
03. Eileen
04. Gravelweed
05. Don’t Be Tough
06. Open And Close
07. Foxes
08. Crimson And Clay
09. Good While It Lasted
10. True Believers
11. Wind Behind The Rain

Jason Isbell
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Thirty Tigers
Oktober Promotion
Kulturkirche Köln

Gary Louris – Dark Country – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach eigener Aussage ist „Dark Country“ ein Liebesbrief an seine Frau und sein bislang persönlichstes Werk. Der Frontmann von The Jayhawks wandelt auf seiner dritten Solo-Veröffentlichung auf Singer/Songwriter-Pfaden und legt ein reduziert instrumentalisiertes Werk vor, bei dem die poppigen Elemente, die zuletzt auf „XOXO“ (2020) der Jayhawks deutlich hervortraten, keinen Platz finden. In Gänze wirkt das neue Album deutlich dunkler, als man es von einer Liebeserklärung erwarten würde. Inhaltlich drehen sich die Songs um Beziehungen und deren Krisen. „Dark Country“ erscheint dabei weniger eingängig als das vorangegangene Solo-Werk „Jump For Joy“ (2021).

Die akustische Gitarre ist das bevorzugte Instrument, mit dem Louris seine Songs begleitet („Redefining Love“, „Better To Walk Than To Run“). Manche Titel sind etwas sperrig („Dead Porcupine”). Bei anderen zeigt sich Louris von einer sanfteren Seite („Living On My Phone“, „Listening To Bobby Charles”, „Helping Hand“). Insgesamt verläuft das Album in ruhigen Bahnen, wobei nur vereinzelt – wie bei „Two Birds“ – etwas mehr Schwung hineinkommt.

Der in Ohio aufgewachsene und mittlerweile in der Nähe von Montreal lebende Songwriter läuft zur Hochform auf, wenn er Klavier und Mundharmonika einsetzt. Das erste Highlight „Getting Older“ eröffnet den Longplayer. Die Single erinnert stellenweise an Neil Young zu „Harvest“-Zeiten. Diese Assoziation kommt auch später bei „Blow’ Em Away” auf. Das zweite Highlight stellt „By Your Side” dar. Hier gelingt es Louris, viel Gefühl zu transportieren, was durch das Streicher-Arrangement von Eleanor Whitmore (The Mastersons) unterstützt wird. Hingegen sind die Streicher auf dem von Pathos getragenen Abschluss des Albums „Perfect Day“ für meine Verhältnisse zu dominant.

Louris hat sich in den letzten Jahrzehnten ein beachtliches Renommee als Songwriter – sei es mit den Jayhawks, mit Golden Smog oder auch solo – erarbeitet. Er schrieb Stücke für The Chicks und die Tedeschi Trucks Band und kollaborierte mit einer Vielzahl von Musikerinnen und Musikern. Das aktuelle Werk ist stringenter als seine letzte Arbeit mit den Jayhawks, reicht aber an sein vorheriges, hoch gelobtes Solo-Werk nicht heran.

Auf „Dark Country“ gibt es ein paar Titel, die das Ansehen, das Gary Louris als Songwriter genießt, rechtfertigen. Nach mehrmaligem Hören des Gesamtwerks springt der Funke aber nicht durchgängig über. Die meisten Titel bleiben nicht länger im Gedächtnis. Das Album bietet sich dafür an, die Sahnehäubchen herauszupicken.

Sham – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Getting Older
02. Couldnt Live A Day Without You
03. Dead Porcupine
04. By Your Side
05. Living On My Phone
06. Blow’ Em Away
07. Redefining Love
08. Better To Walk Than To Run
09. Listening To Bobby Charles
10. Two Birds
11. Helping Hand
12. Perfect Day

Gary Louris
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Mary Chapin Carpenter, Julie Fowlis & Karine Polwart – Looking For The Thread – CD-Review

Review: Michael Segets

Den Wunsch, ein gemeinsames Projekt zu starten, hegten die drei Songwriterinnen Mary Chapin Carpenter, Julie Fowlis und Karine Polwart schon längere Zeit. Letztlich war es der Initiative von Fowlis zu verdanken, dass aus der Idee tatsächlich das gemeinschaftliche Album „Looking For The Thread“ erwuchs. Vor zwei Jahren zogen sich die drei Damen in ein schottisches Landhaus zurück. Sie tauschten sich über eigene Kompositionen aus, an denen sie gerade arbeiteten, und schrieben auch zusammen einige Stücke. Auf dem Longplayer sind zwar keine Titel vertreten, die das Trio gemeinsam verfasste, aber Chapin Carpenter merkt an, dass keiner ihrer vier Beiträge ohne die Impulse der anderen in der vorliegenden Form entstanden wäre.

Ein gutes Jahr später trafen sich die Musikerinnen erneut, um in den Real World Studios „Looking For The Thread“ einzuspielen. Die von Peter Gabriel gegründeten Studios nutzte Chapin Carpenter zum wiederholten Male, zuletzt für „The Dirt And The Stars“. Das neue Album wurde innerhalb einer Woche eingespielt, obwohl die eingeflogene Band die Songs vorher nicht kannte. Die Begleitung übernahmen Rob Burger (Klavier, Orgel, Akkordeon), Chris Vatalaro (Schlagzeug, Percussion), Cameron Ralston (Bass) und Josh Kaufman (Gitarre, Keyboard), der auch das Album produzierte. Für einige Stücke kam Caoimhin O’Raghallaig mit seiner zehnsaitigen Geige dazu.

Der Geist der schottischen Highlands ist in einzelnen Beiträgen zu spüren. Am offensichtlichsten bei den beiden in Gälisch gesungenen „Gradh Geal Mo Chridhe“ und „Buidheann Mo Chridhe Clann Ualrig“. Fowlis übernahm bei ihnen den führenden Gesangspart. Da die beiden anderen Protagonistinnen dieser Sprache nicht mächtig sind, begleiten sie lautmalerisch. Die Atmosphäre der getragenen Traditionals wird davon nicht berührt.

„Silver In The Blue“ ist der einzige Titel auf dem Longplayer, der von Fowlis geschrieben wurde. Mit der Lachswanderung wählt sie einen außergewöhnlichen Aufhänger, dessen lyrische Interpretation ich mir nicht zutraue. Vergänglichkeit und das Auflehnen gegen sie mögen hier Thema sein. Das ziellose und einsame Herumtreibens eines verlassenen Raumschiffs in den Weiten des Weltalls beschreibt Chapin Carpenter bei „Satellite“. Die Songs sind inhaltlich besonders auffällig und musikalisch zwei Highlights des Longplayers.

Polwart hat neben „Rebecca“, das ebenfalls zu meinen Favoriten zählt, noch die Single „Hold Everything“ sowie „You Know Where You Are” auf der Scheibe verewigt. Die Stimmen der drei Musikerinnen harmonieren. Obwohl der Leadgesang wechselt, wirkt das Werk sehr homogen. Der Sopran ihrer Kolleginnen ergänzt die etwas tieferen Töne von Chapin Carpenter sehr stimmungsvoll – nicht nur auf dem Titelstück oder dem abschließenden „Send Love“.

Melancholische Balladen prägen den Gesamteindruck des Albums. Mary Chapin Carpenter, Julie Fowlis und Karine Polwart nutzten sich gegenseitig als Inspirationsquellen, um ungewöhnliche Stories feinfühlig arrangiert zu erzählen. „Looking For The Thread“ sollte bei nasskaltem Winterwetter vor dem Kamin gehört werden mit einem passenden Getränk – das nicht unbedingt schottischer Whisky sein muss.

Lambent Light Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Gradh Geal Mo Chridhe
02.A Heart That Never Closes
03. Rebecca
04. Looking For The Thread
05. Hold Everything
06. Silver In The Blue
07. You Know Where You Are
08. Satellite
09. Buidheann Mo Chridhe Clann Ualrig
10. Send Love

Mary Chapin Carpenter
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Julie Fowlis
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Karine Polwart
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Max McNown – Night Diving – CD-Review

Wenn man über zwanzig Jahre Tischtennis auf recht hochklassigem Niveau gespielt hat, ist einem die außergewöhnliche Gabe, Dinge zu antizipieren, vermutlich mit in die Wiege gelegt worden. Besonders in dieser Sportart muss man Situationen in Millisekunden vorhersehen und gleichzeitig schon die effektive Reaktion darauf. geistig und auch physisch erfolgsbringend umsetzen.

Ob sich das auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen lässt, steht dann zwar erst mal auf einem anderen Blatt Papier, aber auch im beruflichen Bereich als Verkäufer im Messewerbebereich hat diese Gabe bewiesener Maßen oft zu unverhofft ertragsreichen und renommierten Deals geführt.

In Sachen Musik erwies sich dieses Gespür u. a. beim Debütalbum von Künstlern wie Keith Urban oder dem Erstling von Taylor Swift als wegweisend, wo diese hierzulande so gut wie niemand auf dem Schirm hatte und ich Ihnen schon damals eine große Karriere vorausgesagt hatte.

Auch im jetzigen Fall von Max McNown (in unseren Sphären wohl auch bis dato eher ‚unknown‘) lehne ich mich wieder aus dem Fenster, der in wenigen Tagen sein Zweitwerk „Night Diving“ auf den Markt bringen wird. Ein Schelm, wer hier nicht schon nach den ersten Songs spontan das Potential in ihm erkennt, eine Art ‚Nashville-Ed Sheeran‘ aufzubauen und damit vielleicht Morgan Wallens Dauerregentschaft mal wieder die Stirn zu bieten.

In den Staaten geht der 23-jährige in den sozialen Medien, in den Billboard-Charts und auch bei Gigs (u. a. mit Wynonna, Grand Ole Opry) bereits durch die Decke. Der Bursche hat ein außergewöhnliches Songwriting-Talent (sehr einprägsame Lieder, wunderbar klar instrumentiert zwischen Country, Indie, Heartland und folkigem Pop) und die vokale Gabe, überaus variabel, in allen Tempi und Stimmungen. immense Wirkung zu erzeugen.

In einem sich durchgehend auf massenkompatiblem. hohen Niveau befindlichen Werk, ohne dabei tatsächlich anbiedernd zu erscheinen, dürften aus meiner Sicht das flockige „Better Me For You (Brown Eyes)„, die wunderbare Kooperation mit Hailey Whitters auf „Roses and Wolves“ (da weiß man direkt schon nach 30 Sekunden, dass das ein typischer Duettsong wird – und schon wieder funktionierte die Antizipation…!), sowie der Good Feeling-Track mit dem prominenten Titel „Marley“ (schöne Quintessenz hier: Leg ’ne Marley-Scheibe auf den Plattenteller, schieb deine Sorgen beiseite und hab ’ne gute Zeit), das meiste Aufsehen erregen.

Und, dass Max McNown auch ein klein wenig Southern Rock im Blut hat, beweist das mit plusternder Harp und ABB-/Bettsscher-E-Gitarre verzierte „Won’t Let Go“. Die Umrandung mit dem eröffnenden Titeltrack „Night Diving“ und dem finalen „Freezing In November“ ist von beeindruckender Melancholie geprägt, gerade letztgenanntes Lied mit seiner, von fröstelnder Einsamkeit geprägten Stimmung, löste bei mir allein im Auto in den nasskalten düsteren Morgenstunden auf dem Weg zur Arbeit tatsächlich Gänsehautmomente aus, ein toller Track zum Abschluss!

Lediglich vom Cover, ohne den Name des Interpreten und dem Album-Titel, sondern nur mit dem schlichten Abbild des Protagonisten, bin ich persönlich nicht ganz so begeistert. Aber auch hier steckt sicherlich eine ein klare Botschaft dahinter: Liebe Leute, merkt euch dieses Gesicht! Bei uns in Deutschland ist Max McNown zum ersten Mal am 7. März beim C2C Festival in Berlin zu sehen!

Fugitive Recordings (2025)
Stil: New Country

Tracks:
01. Night Diving
02. Better Me For You (Brown Eyes)
03. Love I Couldn’t Mend
04. Azalea Place
05. It’s Not Your Fault
06. Hotel Bible
07. Won’t Let Me Go
08. Roses and Wolves (feat. Hailey Whitters)
09. Marley
10. Freezing in November

Max McNown
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Lime Tree Music

Steve Earle – Alone Again … Live – CD-Review

Review: Michael Segets

Im Rahmen seiner „Townes”-Tour konnte ich Steve Earle nur mit Gitarre und Mundharmonika live erleben. Das ist nun auch schon fünfzehn Jahre her, aber seine Präsenz auf der Bühne und die Anekdoten, die sich damals hauptsächlich um seine Erlebnisse mit Townes Van Zandt drehten, sind mir noch gut in Erinnerung. Es liegen schon ein paar Konzerte und Aufnahmen von Earle vor, die er solo bestreitet. Diese ergänzt er mit „Alone Again … Live“. Das Album wurde bereits im Juli digital veröffentlicht, nun steht hierzulande die CD zum Verkauf und Vinyl folgt demnächst.

Einige seiner frühen Klassiker finden sich vor allem am Anfang der CD. „The Devil’s Right Hand“, „My Old Friend The Blues“, „Someday“, „Guitar Town“ und „I’Ain’t Ever Satisfied” werden zügig hintereinander weg gespielt. Zum Abschluss des Albums folgt mit „Copperhead Road” noch ein Titel aus den 1980ern, der im letzten Jahr zu einem offiziellen Song des Staates Tennessee erhoben wurde. Was immer das bedeuten mag.

Steve Earle wählt drei Tracks von „I Feel Alright“ (1996) („Now She’s Gone”, „South Nashville Blues” und „CCKMP”) und zwei von „Transcendental Blues”. Neben dem Titelstück seines Albums aus dem Jahr 2000 spielt er „The Galway Girl“, das nicht mit dem Lied von Ed Sheeran zu verwechseln ist. Earles Song ist älter und besser. Die Setlist überrascht dahingehend, dass Earle von seinen jüngeren Veröffentlichungen lediglich „It’s About Blood“ herausgepickt. Der Text dreht sich um ein Minenunglück in West Virginia und Earle nutzt die Gelegenheit, zu einem sozialkritischen Kommentar über Profiteure und Leidtragende des Systems.

Neben den relativ langen Ausführungen zu dem Stück, das von dem Album „Ghost Of West Virginia“ (2020) stammt, gibt Earle als Storyteller ein paar kürzere Anmerkungen und Anekdoten zum Besten. Sie sind persönlicher gehalten und mit einem Augenzwinkern versehen wie vor „Goodbye“ oder „Sparkle And Shine“. Ich finde, dass solche Zwischenbemerkungen zu Konzerten gehören, da sie zu deren speziellen Atmosphäre beitragen. Wenn man die Aufnahmen aber mehrmals gehört hat oder sich nur die Musik anhören möchte, ist ein Splitting von Vorteil, was sich bei der vorliegenden Scheibe zumindest bei „It’s About Blood“ angeboten hätte.

Steve Earle braucht nicht viel, um sein Publikum zu fesseln, wie „Alone Again … Live“ erneut beweist. Er vertraut auf die Kraft seiner Klassiker. Seine langjährigen Fans hätten sich eventuell eher Versionen seiner neueren Songs gewünscht, was nichts an der überzeugenden Vorstellung ändert, die der Mann aus Virginia gibt.

Missing Piece Records – Membran (2024)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. The Devil’s Right Hand
02. My Old Friend The Blues
03. Someday
04. Guitar Town
05. I’Ain’t Ever Satisfied
06. Now She’s Gone
07. Goodbye
08. Sparkle And Shine
09. South Nashville Blues
10. CCKMP
11. Transcendental Blues
12. It’s About Blood
13. Dominick St.
14. The Galway Girl
15. Copperhead Road

Steve Earle
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Missing Piece Records

Water And Sand – Hey Love – CD-Review

Review: Michael Segets

Kim Taylor und Todd Thibaud führen mit „Hey Love“ ihre Zusammenarbeit als Water And Sand fort. Mit ihrem dritten gemeinsamen Album setzen sie erneut auf die Kraft ihres Songwritings und die Harmonie ihrer Stimmen. Der warme Klang von Thibauds Gesang und die helleren Töne von Taylor fügen sich in den Songs perfekt zusammen.

Auch nach eigenem Bekunden soll der Gesang bei den Stücken im Vordergrund stehen, sodass die dezente Instrumentierung eher der stimmungsvollen Untermalung dient. Als puristisch kann die Scheibe jedoch nicht bezeichnet werden. In einzelnen Passagen setzen kurze instrumentale Zwischenspiele gelungene Akzente, etwa die elektrische Gitarre bei „City Crows“ oder die Mundharmonika bei „Straight On To You“. Alle Songs sind vom gemeinsamen Gesang geprägt, den das Duo durchgängig bei „It May Be A Start“ beibehält. Die atmosphärische Ballade „This Little Song“, die für mich zu den Highlights des Albums zählt, ist ein Duett, bei dem sich Taylor und Thibaud die Strophen aufteilen. Bei den anderen Beiträgen übernimmt einer der beiden die Lead Vocals, während der andere Harmonien beisteuert. Die Tracks auf dem Longplayer sind so angeordnet, dass im regelmäßigen Tonus diese Aufgaben wechseln.

Anders als bei dem kürzlich erschienen „In The Throes” von Buddy & Julie Miller bedienen sich Water And Sand nicht bei unterschiedlichen Stilrichtungen. „Hey Love“ steht deutlich in der Singer/Songwriter-Tradition und wirkt daher ruhig und homogen. Das Titelstück schlägt etwas flottere Töne an, ansonsten durchzieht eine balladeske Grundlinie das Werk. Abwechslung erhält das Album vor allem durch den Wechsel des Leadgesangs. Neben dem schon erwähnten „This Little Song“ zählen der Opener „Wide Open“, bei dem Thibaud am vorderen Mikro steht, sowie „I Don’t Even Know You“, bei dem Taylor zum Zuge kommt, zu meinen Favoriten.

Todd Thibaud, ein alter Bekannter aus dem Hause Blue Rose Records, widmet sich neben seiner Solokarriere immer wieder anderen Projekten. So wirkte er bei der Band Hardpan mit und war mit Joseph Parsons als Duo unterwegs. Unternahm Thibaud früher durchaus Ausflüge in rockige Gefilde, konzentriert er sich in letzter Zeit („Hill West“) auf seine Qualitäten als Singer/Songwriter. Der kreative Austausch, sei es mit Parsons oder eben mit Taylor, scheint ihn dabei zu beflügeln. Mit Kim Taylor, die bereits auf fünf eigene Longplayer zurückblickt, nimmt er vor allem Beziehungen in den Fokus, wie der Titel „Hey Love“ schon vermuten lässt.

Sieben Jahre sind ins Land gegangen, seit Water And Sand ihr selbstbetiteltes Debüt herausbrachte und dies mit einer Reihe von Konzerten in Deutschland vorstellte. SoS war im JZ Karo bei einem Auftritt dabei. Damals unterstützten bereits Thomas Juliano und Sean Staples das Duo, die seitdem zum erweiterten Kreis von Water And Sand gehören. So sind sie ebenfalls auf dem neuen Longplayer, der von Zachariah Hickman (Josh Ritter) co-produziert wurde, mit von der Partie und sogar auf dem Cover verewigt.

Kim Taylor und Todd Thibaud verschmelzen mit „Hey Love“ erneut zur Einheit, die Water And Sand seit dem Debüt 2016 kennzeichnet. Im Wechsel der Lead Vocals tragen die beiden die zumeist ruhigen, atmosphärischen Songs vor. Die Kombination der Stimmen macht dann auch den besonderen Reiz des Albums aus.

Blue Rose Records (2023)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Wide Open
02. City Crows
03. Here For You
04. I Don’t Even Know You
05. East Of Eden
06. Hey Love
07. It May Be A Start
08. Silence
09. Straight On To You
10. This Little Song
11. Back To God

Water And Sand
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Blue Rose Records

Josh Ritter – Spectral Lines – CD-Review

Review: Michael Segets

Im Jahr 2019 brachte Josh Ritter mit „Fever Breaks“ ein herausragendes Album heraus, von dem mich einige Stücke längere Zeit begleiteten. Die Ankündigung des Nachfolgers „Spectral Lines“ weckte daher einige Vorfreude. Vielleicht hätte mich Titel und Covergestaltung bereits stutzig machen können. Auf der neuen Scheibe bleiben rootsrockigen Töne aus und weder im Americana noch im Country sind die Songs wirklich zu verorten. Ritter vollzieht einen deutlichen Schnitt und verfolgt einen Sound, der auf verspielte Arrangements setzt. So lässt er beispielsweise Wind-, Vogel- und synthetische Geräusche einfließen. Die enttäuschten Erwartungen, die beim ersten Durchlauf auftraten, führten dazu, dass ich das Album und die Rezension für die nächsten Tage ruhen ließ.

Blendet man den vorangegangene Longplayer aus und betrachtet „Spectral Lines“ für sich, dann lassen sich auch einige positive Feststellungen treffen. Es ist es Konzeptalbum, das in sich geschlossen und stimmig ist. Ritter stellt die Frage nach anderen oder alternativen Welten, seien diese in den Weiten des Weltraums zu suchen oder hier auf Erden. Das Sehen und Aufnehmen von Verbindungen mag so als philosophisch angehauchtes Programm des Werkes gelten. Inspiriert wurde Ritter von seiner verstorbenen Mutter, die mit einem wachen, ästhetischen Blick die Welt wahrnahm und auch nebensächlich erscheinenden Phänomenen oder Gegenständen Bedeutung zuschrieb. Das Werk ist ihr gewidmet.

Den inhaltlichen Anspruch präsentiert Ritter in einem musikalisch schweren Gewand. Der einzige lockerere Song „For Your Soul“ wurde vorab veröffentlicht. Aber auch dieser ist in persönlich schwierigen Zeiten entstanden, wie Ritter berichtet. Anscheinend hat er depressive Phasen durchlebt, die auch in seinen Stücken („Black Crown“) durchscheinen. Ich habe nichts gegen ernste Themen und leide in Songs auch gerne mit, aber den Kompositionen gelingt es nicht, mich auf einer emotionalen Ebene anzusprechen. Die sphärischen Töne und synthetischen Klänge schaffen eine Distanz, die für mich und meine musikalischen Vorlieben nicht überbrückbar ist. Lediglich die letzten beiden Titel „In Fields” und „Someday“ fallen in meinen Toleranzbereich. Bei diesen zeigt sich, dass Ritter immer noch gute Songs schreiben kann.

Auch andere Stücke wie („Horse No Rider“, „Strong Swimmer“) weisen gelungene Ansätze auf, die sich aber unter dem überbordenden Arrangements verlieren. „Whatever Burns Will Burn“ erinnert entfernt an Paul Simon. Im Hintergrund passiert oft viel, zahlreiche Intermezzi unterbrechen die Tracks und verhindern einen Flow. An manchen Stellen gehen die Songs nahtlos ineinander über, sodass die Orientierung schwerfällt, ob eine Passage in einen Titel integriert ist, oder bereits ein neuer begonnen hat. Vielleicht ist das künstlerisch wertvoll, ich höre halt einfachere und klarer strukturierte Musik lieber.

Nach „Fever Breacks“ macht Josh Ritter mit „Spectral Lines“ eine musikalische Kehrtwende. Opulent arrangierte Klangschichten fließen nun in- und auseinander, wobei sich die Atmosphäre letztlich unter den sphärischen Tönen weitgehend auflöst. Wer das vorangegangene Album mochte, sollte das aktuelle zunächst probehören.

Phytheas Recordings-Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Sawgrass
02. Honey I Do
03. Horse No Rider
04. For Your Soul
05. Black Crown
06. Strong Swimmer
07. Whatever Burns Will Burn
08. Any Way They Come
09. In Fields
10. Someday

Josh Ritter
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