Willy Tea Taylor – 06.11.2019, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

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Bevor ich die Ankündigung auf der Homepage der Kulturrampe sah, war mir Willy Tea Taylor völlig unbekannt. Einmal wahrgenommen, lief mir der Name aber einige Male über den Weg. So zählt beispielsweise Leslie Stevens ihn zu ihren musikalischen Vorbildern und tatsächlich genießt der Singer/Songwriter in der Independent-Szene einen beachtlichen Ruf.

Der Mann mit dem roten Rauschebart bewies in der Kulturrampe, dass er wirklich nur eine Gitarre und seine Stimme braucht, um die Zuhörer mit feinen Melodien und poetischen, tiefgründigen Texten in seinen Bann zu ziehen.

Die Reihe von akustischen Konzerten in der Rampe, in der ich beispielsweise mit Charlie Parr einen exquisiten Songwriter und mit Bet Williams eine außerordentliche Sängerin erleben durfte, wurde dieses Jahr nur sporadisch fortgesetzt. Daher stand schon früh fest, dass ich mir Willy Tea Taylor nicht entgehen lassen wollte.

Die Rampe bietet natürlich auch den idealen Rahmen für die private und fast schon intime Atmosphäre solcher Konzerte. Die kam mit gut zwanzig zahlenden Gästen auch schnell auf, obwohl diesmal der Auftritt im Saal stattfand.

Die Bestuhlung der vorangegangenen „Komischen Nacht“ wurde passend für den Gig leicht verändert und so genoss Willy Tea Taylor den Charme der Location in vollen Zügen, was er mehrmals betonte. Zwar mit einer Setlist angetreten, wich er schnell von ihr ab und ließ sich treiben. Gegen Ende des Konzerts spielte er seine Songs souverän auf Zuruf aus dem Publikum.

Willy Tea Taylor feierte in der Kulturrampe die Halbzeit seiner zweimonatigen Europatournee. Er zeigte sich sehr gut aufgelegt und bewies zwischen den Titeln viel Humor. Die Songs wurden von ihm meist mit Anekdoten oder Erläuterungen eingeleitet. Er erklärte auch, dass er beim Singen die Augen schließt, um sich in die Lieder vollständig einzufühlen.

Dies sei eine Eigenart von ihm und hätte nichts mit Schüchternheit zu tun. Schwierigkeiten mit dem Publikum in Kontakt zu treten, hatte er tatsächlich nicht. Aufgeschlossen und kontaktfreudig lieferte Taylor einen kurzweiligen Auftritt, wobei er sich über seinen Slang selbstironisch lustig machte. Man konnte den ganzen Abend hindurch spüren, dass er sich wohlfühlte und das taten die Besucher ebenfalls.

In bester Storyteller-Tradition entführte Willy Tea Taylor in seine Welt. Seine Folk-Songs atmen die Landluft seiner Heimat, der kalifornischen Kleinstadt Oakdale, die von Viehzucht, Rodeos und Baseball geprägt ist.

Das Baseball-Spiel wird in einigen Songs in ein allegorisches Verhältnis zum Leben gesetzt, so bei „Knucklehead Prime“ – dem Titelsong seiner letzten CD – oder „Brand New Game“, das sich ebenfalls auf dieser Scheibe findet. Sensibel nimmt der Künstler seine Umgebung wahr und transformiert sie in nacherlebbare Texte.

Nett war gleichfalls die Geschichte, die er zu „Lullaby“ erzählte. Statt die aufgetragenen Farmarbeiten zu erledigen, komponierte er dieses Stück. Nachdem er seinem Arbeitgeber den Titel vorspielte, bekam Taylor die Hälfte des Tagelohns ausgezahlt – Kulturförderung mal anders.

Mit Latzhose und Strickmütze bekleidet nimmt man dem Singer/Songwriter seinen ländlichen Hintergrund vollständig ab. Seine Heimat- und Familienverbundenheit scheint in seinen Texten, beispielsweise bei den hervorragenden „California“ und „Wandering Boy“, immer wieder durch. Seine antike 4-String-Gitarre aus dem Jahr 1927 taufte er nach seiner Urgroßmutter Beverly.

Seinem Opa widmete er das neue Stück „Fighting Man“, mit dem er das zweite Set eröffnete. Ein starker Titel, der wohl auf der nächsten Veröffentlichung zu finden sein wird.

Neben weiteren neuen Stücken – „Waterlogged“, „The Nurse“, „Devils Taxonomy“ und dem kurzen, aber sehr witzigen „Instagram“ – berücksichtigte Taylor seine beiden Alben „4 Strings“ und „Knucklehead Prime“ ausgewogen. Von seiner EP „Damn Good Dog“, die er zusammen mit The River Arkansas einspielte, stammten „For Sam“ und „Lazy Third Eye“.

„Young When I Left Home“ sowie „Marshall Law“ finden sich ursprünglich auf einem Album seiner Americana-Band The Good Luck Thrift Store Outfit. Auch die Zuhörer, die sich nicht intensiv in sein Werk eingearbeitet hatten, erhielten so einen Überblick über Taylors musikalisches Schaffen.

Die erste Dreiviertelstunde war bereits außergewöhnlich stimmungsvoll, aber der zweite Teil des Konzerts übertraf – nicht nur mit der Länge von 70 Minuten – alle Erwartungen. „Wrong Way To Run“ erzeugte Gänsehaut. Die Intensität von „Molly Rose“ war unglaublich. Die Fingerfertigkeit, mit der Taylor die Saiten zupft, traut man ihm zunächst nicht zu. Beim Gesang und bei zwei Pfeifintermezzi traf er jeden Ton.

Leider hatte ich mit meinem Wunschtitel „Bones“ bereits mein Pulver verschossen, sonst hätte ich mir „The Very Best“ noch erhofft. Aber auch ohne diesen Song bleibt Taylors Auftritt als das Beste im Gedächtnis, was in Sachen Folkkonzert möglich ist. Rampenchef Markus Peerlings bezeichnete den Abend als magisch. Dem ist nichts hinzuzufügen. Willy Tea Taylor ist ein charismatischer Singer/Songwriter, der authentisch seine Musik lebt.

Er und auch die Rampe hätten mehr Besucher verdient gehabt. Aber dennoch war das Konzert nicht nur für die Zuhörer, sondern – wie ich glaube – ebenso für Willy Tea Taylor ein schönes Erlebnis. Zumindest in dieser Hinsicht kann die erste Kooperation zwischen der Kulturrampe und der Konzertagentur Rootstown Bookings als voller Erfolg verbucht werden, sodass auf eine weitere Zusammenarbeit gehofft werden darf.

Eine weitere Premiere ist, dass Carsten Wohlfeld die Fotos für einen SoS-Bericht beisteuert.

Line-Up:
Willy Tea Taylor (vocals, guitar)

Text: Michael Segets
Bilder: Carsten Wohlfeld

Willy Tea Taylor
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Kulturrampe Krefeld
Rootstown Bookings

Beth Hart – War In My Mind – CD-Review

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Review: Jörg Schneider

Beth Hart hat nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Eine schwierige Kindheit, ein spielsüchtiger Vater, Drogenprobleme und ihre, wie sie offen zugibt, manisch-depressive Erkrankung sowie der frühe Verlust ihrer Schwester haben sie über die Jahrzehnte geformt.

Inzwischen ist die Sängerin gereift und präsentiert nun mit 47 Jahren ihr wohl persönlichstes Album. Auf „War In My Mind“ verarbeitet sie die Berg- und Talfahrten ihres Lebens. In den Songs gibt sich Beth Hart roh und ungeschminkt, die Tracks wirken deshalb auch sehr kraftvoll und authentisch.

Fast alle Songs kommen in ihrer Grundtendenz einerseits eher nachdenklich daher, reißen aber andererseits den Zuhörer dank ihrem virtuosem Klavierspiel und einfühlsamen Gesang auch immer mit. Auf jeden Fall besticht das Album nicht nur musikalisch, sich mit den Lyrics auseinander zu setzen lohnt sich ebenfalls. Insofern ist es schade, dass, zumindest der für das Review vorliegenden Demoversion des Albums, kein Booklet mit den Songtexten beiliegt.

Hier eine kurze Beschreibung einiger Songs auf dem Album:

Der Opener „Bad Woman Blues“ – er handelt von einer durchtriebenen Frau, die sich dessen aber nicht schämt – bietet ein gospelartiges Intro, welches sich zu einem rhythmisch groovenden Track entwickelt.

In der sich zu einer epischen Hymne entwickelnden Klavierballade „War In My Mind“ verarbeitet Beth Hart ihre jahrelange Alkoholsucht und das Gefühl mit dem Leben nicht mehr klar kommen zu können.

Um Schmerz, Kampf und Liebeskummer geht es auch in dem leicht jazzig beginnenden Song „Without Words In The Way“, während „Let It Grow“ davon handelt, in Zeiten der Hoffnungslosigkeit diese zu überwinden, ein froh stimmendes Stück mit einem tollem Gospelchor im Background. Auch „Try A Little Harder“ kommt flott und lebensbejahend daher. Das Stück versucht ein Bild der Spielhöllen in Las Vegas zu zeichnen und spielt auf die Glücksspielsucht ihres Vaters an.

Ihrer früh verstorbenen Schwester Sharon hat Beth Hart mit dem Midtempostück „Sister Dear“ ein Denkmal gesetzt, welches entfernt an Marty Webbs „Tell Me On A Sunday“ erinnert. Ganz andere Einflüsse treten in „Spanish Lullabies“ zutage. Wie der Titel vermuten lässt, spielen hier spanische Gitarrenklänge und leichte Flamenco Rhythmen eine tragende Rolle.

Geradezu aus einem James-Bond-Film entstammen könnte hingegen der Slowblues „Rub Me For Luck“, während das gut tanzbare „Sugar Shack“ mit seinem Discotouch eine Reminiszenz an die 70’er Jahre des letzten Jahrhunderts ist.

Ihre jahrelange Drogensucht hatte Beth Hart nicht zuletzt durch ihren christlichen Glauben überwunden, in der Ballade „Thankful“ bringt sie nun ihre Dankbarkeit und ihren Glauben sehr gefühlvoll zum Ausdruck.

Über ihr Album sagt Beth Hart selbst, dass sie auf keinem anderen ihrer Werke sie so sehr sie selbst war. Diese Aussage stimmt absolut. Mit „War In My Mind“ liefert die Sängerin ein großartiges Album ab, welches für sie selbst offenbar ein Stück weit Therapie, auf jeden Fall aber Befreiung ist und für den Hörer zwölf abwechslungsreiche Songs bereit hält.

Mascot Label Group (2018)
Stil: Blues, Singer/Songwriter

01. Bad Woman Blues
02. War In My Mind
03. Without Words In The Way
04. Let It Grow
05. Try A Little Harder
06. Sister Dear
07. Spanisch Lullabies
08. Rub Me For Luck
09. Sugar Shack
10. Woman Down
11. Thankful
12. I Need A Hero

Beth Hart
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Netinfect Promotion

Brian Cottrill – Through The Keyhole – CD-Review

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Review: Michael Segets

Brian Cottrill ist Gitarrist und Sänger bei The Grey Agents, einer Band gestandener Herren, die sich dem Rock der frühen Achtziger-Jahre verschrieben haben. Mit „Through The Keyhole“ verzichtet er auf seine Begleitmusiker und zieht als Singer/Songwriter – nur mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet – eine persönliche Bilanz seines musikalischen Schaffens der letzten 35 Jahre.

Die Werkschau reicht bis zu seinem Song „Lace“ zurück, den er als Teenager geschrieben hat. Neben eigens für die CD verfassten Stücken legt Cottrill mit „The Murder Farm“ einen Titel der Grey Agents in einer akustischen Version neu auf.

Als musikalische Inspirationsquellen nennt er Bob Dylan und Tom Petty, deren Einflüsse auch gelegentlich durchscheinen. So erinnert der Einstieg „Remember My Name“ durch die Mundharmonika und den bitterbösen Text an die Frühzeit Dylans. Bei der Struktur der meisten Lieder orientiert sich Cottrill jedoch weniger am Folk, sondern eher an Rocksongs. Mehrere Titel bewegen sich – für ein akustisches Album – in einem flotteren Tempobereich.

In seinen Texten wendet sich der Mann aus West Virginia alltäglichen Themen zu, die auch gerne im Heartland Rock aufgegriffen werden. Familienbeziehungen und -geschichten nehmen dabei einen wichtigen Platz ein. So ist das leicht süßliche „Erica“ seiner Tochter gewidmet.

Sehr einfühlsam zeichnet er mit „Sammie Lee“ eine schwere Lebensgeschichte nach, die durch die seiner Eltern inspiriert wurde. Der Song hat mit fast acht Minuten eine ungewöhnlich lange Spielzeit für eine akustische Ballade. Er vollbringt dabei das Kunststück nicht eintönig zu werden, was für Cottrills Qualität als Songwriter und Musiker spricht.

Textlich stark ist ebenfalls das gesanglich etwas experimentellere „The Uncertain Keyhole Jangle“. Für das Mitlesen stellt Cottrill die Lyrics aller Titel auf seiner Website zur Verfügung. Um gescheiterte Beziehungen drehen sich „Lost und Forgotten“, das stellenweise Assoziationen zu den Stones weckt, sowie „All I’ve Got Is You”, das neben dem Opener und dem dynamischen „When The Fire Comes“ zu den Highlights auf der Scheibe zählt.

Mit dem Bonus-Track „Gates Of Venus” ergänzt Brian Cottrill sein Album. Anders als auf den neun vorangegangenen Stücken beschränkt er sich hier bei der Instrumentalisierung nicht auf akustische Gitarre und Mundharmonika, sondern spielt elektrische Gitarre, Bass, Schlagzeug, Mandoline und Keyboard, womit er sich als wahrer Multiinstrumentalist erweist. Die Anfangsakkorde klingen nach Tom Petty und in dessen Stil setzt Cottrill einen rockigen Schlusspunkt unter sein Solo-Werk.

Das Solo-Projekt von Brian Cottrill vereint gute Rockrefrains mit der textlichen Tiefe des Folk. Im Gesamteindruck pendelt „Through The Keyhole“ damit zwischen akustischem Rock- und Folkalbum. Durch die Varianz von Tempo, Gesang und Atmosphäre umschifft Cottrill geschickt die Gefahr der Monotonie, der akustisch gehaltene Longplayer tendenziell ausgesetzt sind.

Eigenproduktion/Two Side Moon Promotion (2019)
Stil: Singer/Songwirter

Tracks:
01. Remember My Name
02. Erica
03. All I’ve Got Is You
04. Lace
05. The Murder Farm
06. Lost And Forgotten
07. When The Fire Comes
08. Uncertain Keyhole Jangle
09. Sammie Lee
10. Gates Of Venus (Bonus-Track)

Brian Cottrill
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Two Side Moon Promotion

Paul Thorn – Best Of – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

Elvis Presley hat die Karrieren vieler bekannter Musiker nachhaltig beeinflusst und ihnen teilweise sogar buchstäblich die „Tanzschritte“ der Rockmusik beigebracht. Zu ihnen gehören die US-Rockstars Bruce Springsteen, Tom Petty und Billy Joel, die alle drei stolz betonen, wie Elvis sie förmlich zum Rock’n’Roll verleitet hat und seine Bühnenauftritte zu einem Paradigmenwechsel in ihrem Leben führten.

Der 54-jährige Paul Thorn war zu Beginn von Elvis legendären Shows noch zu jung, um die gleiche Begeisterung zu entwickeln. Aber seine Verbindung zum „King“ entsteht, als er mit seiner Familie nach Tupelo, Mississippi, zieht – dem Geburtsort von Elvis Presley. Zum Songwriting wurde er jedoch nicht unbedingt musikalisch von Elvis motiviert, sondern eher durch dessen Fähigkeiten als Entertainer.

Als Sohn eines Geistlichen entdeckte Thorn früh den Gospelgesang. Bis zu seinen ersten Musikveröffentlichungen dauerte es aber noch einige Zeit und erst als Mitt-dreißiger konnte Thorn seinen Erstling „Hammer and Nail“ (1997) herausbringen.

Auf der vorliegenden Best-of-Scheibe hat Paul Thorn wesentliche Tracks der vergangenen 20 Jahre zusammengefasst, dazu Hits und Fan-Wünsche. Angefangen mit „I Don’t Like Half The Folks I Love“ vom „Pimps and Preachers“-Album (2010) wird eine bunte Mischung von Americana bis Gospel präsentiert, die zu seinem zweiten Studioalbum „Ain’t Love Strange“ von 1999 zurückreicht („Burn Down The Trailer Park“ und „I Have A Good Day Every Now & Then“). Von seinem Debüt Album „Hammer and Nail“ (1997) ist leider kein Song vertreten, was diese Best-of-Fassung etwas schmälert.

Zu jeder Compilation gehört mittlerweile fast standardmäßig auch ein bislang unveröffentlichter Track. In diesem Fall schließt die Scheibe mit dem schönen „Rose City“ ab, das im rockigen Country-Sound entfernt an Stones-Klassiker erinnert. Ein nettes Beiwerk ist der Download-Code zu einem Konzert mit Band aus dem Jahre 2016, als er im Ryman Auditorium in Nashville, TN eine Acoustic-Show ablieferte.

Paul Thorn wird in der Musikszene sehr geschätzt und konnte zum Beispiel schon mit Sting, Mark Knopfler, John Hiatt und John Prine zusammenarbeiten. Im Vergleich zu vielen anderen Berufsmusikern kann Thorn die in langen, harten Jahren gewonnene Lebenserfahrung, u.a. als Fabrikarbeiter, Soldat oder Profi-Boxer, in die natürliche Glaubwürdigkeit seiner Songs einbringen. Er weiß worüber er singt, wenn er sogenannte „working-man-songs“ spielt. Bruce Springsteen musste kürzlich z.B. sehr ironisch – in seiner umjubelten Broadway Show – zugeben, er habe die Fabriken, über die er in seinen Songs schreibt, nie von innen gesehen.

Die Best-of-LP von Paul Thorn ist eine meisterliche Zusammenstellung aus einem abwechslungsreichen und authentischen Repertoire und zwei Jahrzehnten Americana, Country, Blues, Gospel und Southern Rock. Die Gelegenheit, diesen bodenständigen und vielseitigen Singer/Songwriter live zu erleben, sollte man bei seinen ersten Deutschland-Terminen im Herbst unbedingt wahrnehmen.

Perpetual Obscurity Records (2016)
Stil: Americana, Country, Blues

Tracklist:
01. I Don’t Like Half The Folks I Love
02. Mission Temple Fireworks Stand
03. Snake Farm
04. Pimps And Preachers
05. Long Way From Tupelo
06. Burn Down The Trailer Park
07. Bull MT. Bridge
08. What The Hell Is Goin‘ On?
09. What Have You DoneTo Lift Somebody Up?
10. Old Stray Dog & Jesus
11. I Have A Good Day Every Now & Then
12. Rose City

Bonus Download: The Acoustic Show
01. A Lot Of Good Reasons
02. I Backslide On Friday
03. I Hope I’m Doin‘ This Right
04. Hammer & Nail
05. That’s Life
06. Turnip Greens
07. Don’t Let Nobody Rob You Of Your Joy
08. She Won’t Cheat On Us
09. Everything’s Gonna Be Alright

Paul Thorn
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Black Pike Favorites

Lauren Jenkins – No Saint – CD-Review

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Trotz des Heiligenscheins auf dem Coverbild hinter ihr, gedenkt Lauren Jenkins ihrem Ex gegenüber nicht die Heilige zu spielen, denn, so singt sie es letztendlich im Titelstück ihres Debütalbums: „Heaven says I need to forgive you, but I ain’t no saint.“

Die gebürtige Texanerin, in Carolina aufgewachsen, begann bereits mit 15 Jahren eigene Songs zu schreiben, trat zunächst in Clubs an der Ostküste auf, bis sie es für ein Schauspielstudium nach New York City verschlug. Dort nahm sie das Mikro in die Hand, wann immer sich die Gelegenheit in den dortigen Locations bot.

Schließlich gerieten ihre Kreationen in die Hände von Big Machine-Chef Scott Borchetta, der die junge Dame nach nur einem Treffen für sein Label verpflichtete. Nach ihrer hochgelobten Debüt-EP „The Nashville Sessions“ 2016, die den Rolling Stone dazu vernanlasste, sie als ‚New Artists To Watch‘ zu bezeichnen, veröffentlicht sie jetzt mit „No Saint“ auch ihren ersten Longplayer (ok, 36 Minuten Gesamtspielzeit sind jetzt auch nicht gerade üppig, ähm, long).

Dazu sind noch mit “Cadillac”, “My Bar”, “All Good Things” und ”Blood” vier Tracks der EP mitvertreten, so das ein Kauf der CD vorbehaltlos eher Leuten empfohlen werden kann, die sich nicht im Besitz dieser befinden.

Für das Album der ohne Zweifel hochtalentierten Musikerin, hat das Big Machine Label dann auch in allen Belangen richtig dick aufgefahren: Mit Julian Raymond (Stücke 1-6), Trey Bruce (7,10), Matt Dragstrem (8) und Ross Copperman (9), gibt es gleich vier verschiedene Produzenten und in Sachen Studio-Musikern ist alles vertreten, was Rang und Namen in Music City hat (u. a. Ilya Toshinsky, Tom Bukovac – herrliches Southern Rock-E-Solo auf dem besten Track des Albums „Running Out Of Road„, Dan Dugmore, Charlie Judge, Greg Morrow, Jimmy Lee Sloas, etc. – alles sogar in Mehrfachbesetzung).

Die insgesamt zehn Lieder (alle von Lauren mitgeschrieben – gute Texte) leben natürlich von der tollen Instrumentierung, ihrer leicht introvertiert und nachdenklich klingenden, beziehungsweise wirkenden Stimme, aber auch von der gelungenen Mixtur aus New Country, Americana und Singer/Songwriter -Anleihen, die dem Album ein authentisches und weniger auf Charts ausgerichtetes Flair verleihen. Es geht tendenziell somit eher in Richtung von Damen wie Lori McKenna, Gretchen Peters, Lucinda Williams, Tift Merritt & Co.

Insgesamt ist „No Saint“ ein gelungener Major-Neuling der Teilnehmerin des diesjährigen Country2Country, als auch der erstmalig bei uns eingeführten SOUND OF NASHVILLE-Konzertreihe (allerdings nur in Hamburg und Frankfurt), so dass wir sie leider in Köln nicht live zu sehen bekamen. Die ‚unheilige‘ Lauren Jenkins sollte man 2019 (und vermutlich darüber hinaus) auf dem Schirm haben. Gutes Mädel!

Big Machine Label Group (2019)
Stil: New Country

01. Give Up The Ghost
02. You’ll Never Know
03. Maker’s Mark And You
04. Payday
05. No Saint
06. Running Out Of Road
07. Cadillac
08. My Bar
09. All Good Things
10. Blood

Lauren Jenkins
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Universal Music

Bet Williams – 05.06.2018, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

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Bet Williams tourt zurzeit sowohl mit Band als auch alleine durch Deutschland. Nur mit Gitarre und ihrer mehrere Oktaven umfassenden Stimme besuchte die gebürtige Amerikanerin das Bluebird Cafe, das gerne als das Wohnzimmer der Kulturrampe bezeichnet wird. In dessen gemütlicher Atmosphäre verzauberte Williams den vollen Raum mit einer Mischung von eigenen Songs und Covern.

Ihre erste CD produzierte Bet Williams in Nashville mit Brad Jones (Jill Sobule, Marshall Crenshaw) und Jim Rooney (John Prine, Nanci Griffith). Weitere Stationen machte sie in Philadelphia, New York und Kalifornien. Sie spielte u. a. zusammen mit Lucinda Williams, Arlo Guthrie, Taj Mahal, Joseph Parsons (US Rails) und Joan Osborne.

Derzeit lebt sie in Berlin und hat gemeinsam mit ihrem Mann John Hodian ein eigenes Label. Auf Epiphany Records brachte sie seit 2002 zwei Studio- und zwei Live-Alben heraus, die mit Band eingespielt wurden.

Auf ihren Alben bewegt sie sich zwischen Progressive Folk, Blues und Rock, wobei sie gelegentlich auch einige Pop-Elemente aufnimmt. In Krefeld stand, wie für ein akustisches Solo-Konzerte von Williams zu erwarten, der Folk im Zentrum. Nach eigener Aussage liebt sie es live zu spielen, und das stellte sie an dem Abend unter Beweis. Obwohl sie gerade eine lange Anreise aus Lyon hinter sich hatte, strotzte Williams vor Energie und Enthusiasmus. Mit „Sugar In The Water” startete sie in das erste Set.

Bei der Auswahl ihrer eigenen Songs konzentrierte sich Williams auf Titel ihres letzten Studioalbums „The 11th Hour“ (2014). So folgten das lockere und eingängige „We Geography“ und „Love Comes Knockin’“ mit hohen Gesangspassagen. Im Gegensatz zu den Versionen auf dem Silberling oder auf dem Live-Mitschnitt der Bet Williams Band (2015) wirkte bei dem Solo-Konzert ihre Stimme noch faszinierender.

Nicht die enorme Range ihrer Stimme, sondern die unglaubliche Varianz von sanft bis kratzig oder von klar und kräftig bis rauchig und zerbrechlich begeisterte das Publikum vollständig. Bet Williams entwirft in ihren Liedern Bilder, die sie mit den Klangfarben ihrer Stimme, die so variationsreich wie die Farben eines Regenbogens sind, modelliert.

Für Abwechslung sorgte zudem die Songauswahl, bei der flott gespielte Stücke und Balladen berücksichtigt wurden. Emotionaler Höhepunkt des ersten Durchgangs war „Oriental Drag“ von Mark Germino, das Williams mit unglaublicher Intensität performte. Der Song rührte meine Frau mit seinem Gänsehaut-Feeling beinahe zu Tränen. Vor der Pause heizte Williams mit dem Klassiker „I Can´t Stand The Rain“ und dem zum Wetter passenden „Super Summer“ ein.

Für die Unterbrechung hatte die Musikerin die nette Idee, eine CD-Verlosung zu initiieren und führte lebhafte Gespräche mit den Besuchern. Nachdem ‚Pille‘ Peerlings, der Hirte der Kulturrampe, mit seiner Kuhglocke das Publikum zum zweiten Set in das Bluebird Cafe zurückgetrieben hatte, legte Williams mit „Come Into My Kitchen“ einen Blues hin, mit dem sie alle direkt wieder in ihren Bann zog.

Im folgenden Teil des Konzerts war Williams ihre eigene Band und setzte ihre äußerst unterhaltsame ‚One-Woman-Show‘ fort. Anstatt Schlagzeug-Begleitung klopfte sie auf die Gitarre und imitierte Bläser oder E-Gitarren-Soli mit ihrer Stimme. Gesanglich holte sie sich Unterstützung beim Publikum, das sehr gekonnt und harmonisch die Vorstellung begleitete.

Die tolle Atmosphäre in der Location gab ihr die Sicherheit, neue Stücke auszuprobieren. Nach einer kleinen Anekdote über ihren pubertierenden Sohn stellte sie „Green Grass“ vor. Einen eingängigen Refrain hat das ebenfalls unveröffentlichte „Miracle Tonight”.

Daneben kamen auch bewährte Cover zu Gehör. Bei „Into The Mystic“ von Van Morrison zeigte Bet Williams wie tief sie singen kann. Für „Sitting On Top Of The World“ von Howlin‘ Wolf wechselte sie die Gitarre, um den Titel sanft und ’stripped down‘ rüber zu bringen. Weitere Facetten ihrer Stimme nutzte sie bei dem samtigen „Thunder And Stone“ oder dem experimentelleren „Falling Away“.

Bei den Besuchern kam „Tripping Down The Road“ und das mitreißende „Yeah Love“ zum Abschluss des Hauptsets sehr gut an. Den langen und tosenden Applaus belohnte die Sängerin mit einer Zugabe. „Redemption Song“ von Bob Marley, bei dem das Publikum nochmal gesanglich glänzte, war ein gefühlvoller Ausklang des Konzerts. Die temperament- und humorvolle Musikerin zeigte sich auch nach dem Konzert sehr kommunikativ und nahm sich viel Zeit für den Plausch mit den Gästen.

Akustische Solo-Auftritte stehen in dem Verdacht, schnell monoton werden zu können. „Pille“ bewies mit der bisherigen Auswahl der Musiker seiner Konzertreihe „Caesars Pallets“ das Gegenteil. Charlie Parr teilte mit dem Publikum intensive Einblicke in eine leidende Seele, Chris Keys lud zum Träumen an die Küste Irlands ein und Bet Williams beeindruckte mit ihrem Gesangsspektrum sowie mit ihrer aufgeschlossenen Persönlichkeit.

So unterschiedlich die Konzerte auch waren, hatten sie doch eins gemeinsam: Langweilig waren sie nicht. Die Akustik-Reihe im Bluebird Cafe macht jetzt Sommerpause, aber danach kann man auf die kommenden Künstler gespannt sein.

Line-Up:
Bet Williams (vocals, guitars)

Bilder und Text: Michael Segets

Bet Williams
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Kulturrampe Krefeld

Brent Cobb – Providence Canyon – CD-Review

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Wenn ein Southern Rock-Fan den Namen Cobb hört, assoziert er vermutlich erstmal J.R. Cobb, den einstigen Songwriter und Gitarristen der Atlanta Rhythm Section. Um ihn ist es in den letzten Jahren aber ziemlich still geworden. So sind es mittlerweile eher zwei andere Cobbs, die auf musikalischem Gebiet in der momentanen Zeit für Furore sorgen, und zwar Brent Cobb und sein Cousin Dave.

Letztgenannter macht in Nashville als umtriebiger und gefragter Produzent vieler bekannter Interpreten wie u. a. Jason Isbell, Chris Stapleton, Whiskey Myers, Zac Brown Band, Shooter Jennings u.v.m. einen tollen Job. Was liegt da näher, als auch die Scheiben seines nicht minder talentierteren Cousins Brent zu betreuen?

Der ist ebenfalls längst kein unbeschriebenes Blatt mehr und hat sich in punkto Songwriting für ebenso bekannte Künstler wie  Luke Bryan („Tailgate Blues), Kellie Pickler („Rockaway (The Rockin‘ Chair Song)“), Kenny Chesney („Don’t It“), Miranda Lambert („Sweet By And By“, „Old Shit“), Little Big Town („Pavement Ends“, „Stay All Night“), oder David Nail („Grandpa’s Farm“) hervorgetan. Jetzt verwirklicht er sich mit „Providence Canyon“ zum dritten Male in eigener Sache.

Und was soll man sagen, es ist eine absolute Knaller-Scheibe dabei herausgekommen. Southern-, Roots- und Country Rock- und Americana-Einflüsse nahezu perfekt in harmonischen Einklang gebracht, ein saustarkes Teil!

Während das eröffnende Titelstück noch relativ bedächtig und Steel-getränkt durch die Country-Prärie trabt (könnte aus einer der ganz frühen Outlaws-Scheiben stammen). Das folgende „King of Alabama„, über einen erschossenen Freund, mit schön gurrender Orgel, würde die Band Of Heathens nicht besser hinkriegen. In diesem Song entpuppt sich die auch im weiteren Verlauf der CD fleißig  in den Harmony-Parts mitsingende Kristen Rogers als zweites heißes Eisen im Feuer.

Ziemlich cool, so ein bisschen im Cadillac Three-Stil, geht es mit „Mornin’s Gonna Come“ weiter um dann mit meinem Lieblingslied „Come Home Soon„, einem echten Country-Ohrwurm, fortzufahren. Mit Lorene“ folgt später noch ein ähnlicher Track. Damit ist dann auch der Country-Anteil weitestgehend abgefrühstückt, in den restlichen sechs Tracks dominiert weitestgehend der Southern Rock.

Während  Stücke wie „High In The Country“ („The Whippoorwill“-Flair), das funkig angehauchte „.30-06“ (klingt ein wenig nach „Shakey Ground“ – herrlich trockener Bass, schöne Stratocaster-Töne) und das rootsige „When The Dust Settles“ (wieder BOH-lastig – Slide, HT-Piano) Cobbs kreative Vieleseitigkeit demonstrieren,  dürften das swampige „Sucker For A Good Time“, „If I Don’t See Ya“ (irgendwo zwischen „Call Me The Breeze“ und „I Got The Same Old Blues“ liegend) und das finale „Ain’t A Road Too Long“ die Skynyrd-Fans in Schwärmereien versetzen.

Insgesamt ist Brent Cobbs drittes Werk „Providence Canyon“ eine durchgehend hörenswerte Platte geworden, die wie im Fluge vergeht. Perfektes Zusammenspiel der beiden Cobbs! Dürfte bei uns hierzulande noch als echter Geheimtipp durchlaufen.

Erfreulich zu lesen war kürzlich, dass der Bursche im September für zwei Gigs nach Deutschland kommen wird, unter anderem auch in das schnuckelige Studio 672 in Köln. Wir werden dann natürlich voraussichtlich auch präsent sein und berichten. Bärchen Records freut sich über eure Bestellung.

Low Country Sound/Elektra (2018)
Stil: (Southern) Country Rock

01. Providence Canyon
02. King of Alabama
03. Mornin’s Gonna Come
04. Come Home Soon
05. Sucker For A Good Time
06. High In The Country
07. If I Don’t See Ya
08. .30-06
09. Lorene
10. When The Dust Settles
11. Ain’t A Road Too Long

Brent Cobb
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Bärchen Records

Chris Keys – 10.04.2018, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

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Was für ein Abend! Zunächst setzte strömender Regen ein und dann zog ein Gewitter auf. Wie sich herausstellte, hatte Rampenchef „Pille“ Peerlings das Wetter für Chris Keys bestellt, damit der Nordire sich in Krefeld heimisch fühlt. Das tat Keys dann auch, sodass nun Verhandlungen laufen, ob er im Sommer mit Band in den Konzertsaal einzieht.

Das Bluebird Cafe, quasi das Wohnzimmer der Kulturrampe, war gut gefüllt. Nachdem die letzten Sitze verteilt und einige Besucher ihren Stehplatz eingenommen hatten, ertönten pünktlich um 20.30 Uhr die ersten Klänge von Keys akustischer Gitarre. Der Ire unterhielt mit einem bunten Mix von seiner CD „Life In Motion“, neuen Songs und einigen Covern.

Er startete mit „Tonight“, einer schönen Ballade seines Longplayers, die von seiner warmen Stimme getragen wird. Im ersten Set spielte er das flotte „Fix It“, „Under The Streetlight“ und das hervorragend mit Mundharmonika begleitete „Broken World“. Im zweiten Set folgten „New Day“, „Shadows“ und „City Lights“, die sich alle auf „Life In Motion“ finden. Besonders atmosphärisch war „I’ll Be Home“, das von einem auf der See verlorenen Mann handelt. Passend dazu war tatsächlich das Donnern des Gewitters in der Rampe zu hören. Dies sorgte für ein Schmunzeln und einen launigen Kommentar des Musikers.

Als erste Zugabe gab Chris Keys „You“ zum Besten, sodass bis auf „Stronger“ alle Tracks seines Debüts dargeboten wurden. Die Stücke sind auf der CD mit Band eingespielt. Bei dem Solo-Auftritt erschienen sie natürlich in neuem Gewand. Keys kommt aber aus der Singer/Songwriter-Ecke, seine Songs sind sorgfältig entworfen und zauberten auch in den reduzierten akustischen Versionen gekonnt unterschiedliche Stimmungen.

Vor allem, wenn er die Mundharmonika auspackte, auf seiner Gitarre klopfte oder Passagen pfiff, sorgte dies für zusätzliche Abwechslung. Ebenfalls gut gefallen hat dem Publikum, dass der junge Musiker die einzelnen Titel oftmals mit kurzen Erläuterungen einführte und sowohl in der Pause als auch nach dem Konzert sehr kommunikativ mit ihm in Kontakt trat.

In den letzten Monaten arbeitete Keys intensiv an der Fertigstellung seines zweiten Albums, das in den Startlöchern steht. Einen Vorgeschmack gab „Open Road“, die erste Single, die im Mai mit Video veröffentlicht werden soll. Neu war auch „Summer Blue“, das einen gelungenen Spannungsbogen aufbaute. Während Keys hier hohe Töne anschlug, wirkte seine Stimme auf dem starken „Rest Your Head Next To Mine“ eher rau.

Für eine ganz „spezielle“ Frau hat der charismatische Musiker „All That’s Good“ geschrieben. Im Publikum waren überproportional viele Frauen vertreten, die bei dem Liebeslied vielleicht ins Schwelgen kamen. Wer weiß das schon? Eher (Cow-)Boys sprach wahrscheinlich „Silhouette Man“ an, bei dem Keys nach eigener Aussage „Western Vibes“ erzeugen wollte. Mich hat das Stück überzeugt und ich bin gespannt, wie es auf dem kommenden Album klingt.

Dass Chris Keys Fan von Johnny Cash ist, überrascht ein wenig, wenn man seinen Silberling hört. An dem Abend coverte er „Folsom Prison Blues“ und „Ring Of Fire“. Mit dem erdigen Kenny Rogers Titel „The Gambler“ bewies er weiterhin seine Affinität zum Country. Eher leichtere Töne schlug Keys bei „Sitting, Waiting, Wishing“ von Jack Johnson an, das in das erste Set eingestreut war. Zum Abschluss des Konzerts drehte Keys nochmal richtig auf und nahm das Publikum bei „I’m A Believer“ von The Monkees und „Little Lion Man“ von Mumford & Sons mit.

Während draußen das Unwetter tobte, bot das Bluebird Cafe wieder ein heimeliges Ambiente für einen gelungenen Live-Musikabend. Chris Keys schien nach der zweiten Zugabe und fast zwei Stunden Spielzeit ebenfalls sehr zufrieden und bedankte sich bei dem Gastgeber und der Technik, für den sehr guten Sound. Dem kann man sich nur anschließen.

Line-Up:
Chris Keys (vocals, guitar, harmonica)

Bilder und Text: Michael Segets

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Kulturrampe Krefeld

Charlie Parr – 06.02.2018, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Parr-Haupt

‚Pille‘ Peerlings, der Chef der Krefelder Kulturrampe, hat 2018 die neue Konzertreihe „Caesar’s Pallets“ ins Leben gerufen. Im „Bluebird Cafe“ (BBC) werden dienstags akustisch gehaltene Liveauftritte präsentiert, bei denen vor allem Newcomern eine Bühne geboten wird. Nach dem Gastspiel des gut aufgelegten Dortmunders Edy Edwards lud das BBC zum ersten „Special“ mit dem alten Hasen Charlie Parr aus Minnesota ein.

Der im Qualitätsjahrgang 1967 geborene Singer/Songwriter hatte seine neue CD „Dog“ im Gepäck. Eine Auswahl der stärksten Stücke seines sechzehnten Album streute Parr in die beiden Sets des Abends ein. Neben dem eingängigen Titelsong „Dog“ durfte das grandiose „Hobo“ natürlich nicht fehlen. Ebenfalls begeistert vom Publikum aufgenommen wurden „I Ain’t Dead Yet“ und das swingende „Boiling Down Silas“. Den Geist New Orleans atmete die Liveversion von „LowDown“ – trotz der reduzierten Instrumentierung – ebenso deutlich wie auf dem Longplayer.

Parr beeindruckte mit den Klangvariationen, die er seiner akustischen 12-String-Guitar entlockte. Slide-Passagen, so bei „Remember Me If I Forget“, und feines Picking, wie bei „Last Day“ wechselten sich ab oder wurden bei „True Friends“ gekonnt kombiniert. Nicht nur hinsichtlich der Gitarrenarbeit zog Parr alle Register, auch mit den stilistischen Elementen zwischen Folk, Blues und Country zeigte er die Bandbreite seiner älteren Kompositionen.

Er spielte mit einem augenzwinkernden Kommentar zu Bob Dylan „Cheap Wine“, das Blues-getränkte „Too Much Liquor, Not Enough Gasoline“, seinen bislang größten Erfolg „1922 Blues“ und die stampfende Country-Nummer „Rocky Raccoon“. Seine besondere Vorliebe zu Hunden schien erneut bei „Old Dog Blue“ durch.

Neben den Eigenkompositionen unternahm Parr eine Zeitreise durch die Geschichte des Folks mit seinen unterschiedlichen Variationen. So spielte er „My Grandfathers Clock“ und „Ragged And Dirty“, das von William Brown stammt. Die Auswahl der Songs trifft Parr auf seinen Konzerten spontan. Er lässt sich von Stimmungen treiben oder wird getrieben. Wer kann das bei Künstlern schon sagen? Den krönenden Abschluss bildete eine A-Cappella-Zugabe von „Ain’t No Grave Gonna Hold My Body Down“. An Intensität übertraf Parr die bekannte Version von Johnny Cash bei weitem.

Das Publikum im vollen BBC verabschiedete Parr mit tosendem Applaus. Es erlebte einen introvertierten Musiker, dessen Humor in kurzen Anekdoten aufblitzte. In seinen Songs legt er hingegen seelische Abgründe offen. Manche sprachlichen Wendungen bleiben reduzierte Gedankensplitter, die zur Interpretation einladen. In bester Singer/Songwriter-Tradition erzählt Parr Geschichten, denen man gerne zuhört, da sie Situationen und Gefühle aufgreifen, die wohl jeder mal erlebt hat.

Vergänglichkeit und Tod, Freiheit und Einsamkeit sind in seinen Texten gegenwärtig. Aus seinen Lyrics spricht oftmals ein tiefes Mitgefühl für verlorene Seelen und eine rastlose, letztlich unvollendete, Sinnsuche. Charlie Parr stellt sich der Frage, welche Spuren man hinterlässt. Von dem Abend bleibt die Erinnerung an ein intimes Konzert und an die intensive Darbietung eines bescheiden auftretenden Menschen, der großartige Songs schreibt.

Das BBC ist eine tolle Idee und eine bessere Alternative zu einem Abend vor dem Fernseher, der schnell vergessen wird. Dass bei den Caesar’s-Pallets-Konzerten in der Regel auf einen festgesetzten Eintritt verzichtet wird und stattdessen ein Hut rumgeht, ist fair und lädt zu einem spontanen Besuch ein. Für den nächsten Termine im Februar sind das Duo Kassiopeia und Hello Luke angekündigt.

Line-Up:
Charlie Parr (vocals, guitar)

Bilder und Text: Michael Segets

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Mary Gauthier – Rifles & Rosary Beads – CD-Review

Gauthier_Rifles_300

Puh, schwermütiger Stoff. Die hoch angesehene Singer/Songwriterin Mary Gauthier (von der Los Angeles Times mittlerweile auf eine Stufe mit Musikern wie Kris Kristofferson, John Prine und Bob Dylan gehievt) hat sich mit auserwählten Kriegsveteranen zusammengefunden und sie, zwecks Aufbereitung ihrer Traumata, an den Liedern ihres neuen Werkes „Rifles & Rosary Beads“ mitarbeiten lassen, um quasi ihren Schicksalen und Erlebnissen eine Stimme zu verleihen. In der Intention zunächst mal sehr ehrenrührig und sicherlich wichtig.  Irgendwo hält sich, ehrlich gesagt, mein Mitleid für Berufssoldaten allerdings auch in Grenzen.

Gut, ich, der Dank seiner Aufnahme in die Sportkompanie, damals wie heute, unser Land eher mit dem Tischtennis-Schläger hätte verteidigen können (ich musste aber halt auch in den drei Monaten Grundausbildung mit Pistole, G3 und Panzerfaust hantieren und als Kanonier on top mit Flugabwehrraketen schießen – allerdings mit äußerstem Unbehagen), kann leicht reden. Trotzdem war dank dieser Erfahrungen recht schnell klar, dass sich meine nachfolgenden Kampfeinsätze, höchstens noch auf ungeliebte Insekten in den eigenen heimischen vier Wänden beschränken würden. Immerhin war es aus der Retrospektive irgendwo eine heilsame, als auch abhärtende Erfahrung.

Aber Menschen, die das Soldatentum zu ihrer Berufspassion machen und dann noch aus einem Land kommen, das sich als der Welt größter Kriegstreiber und Destabilisator gibt, brauchen sich dann im Prinzip nicht zu wundern, wenn es nicht bei Orientierungsmärschen in den Rocky Mountains bleibt, sondern zwecks monitärer und geopolitischer Interessenvertretung ihrer sogenannten Eliten, an den Hindukusch, in den Irak, nach Mali oder sonstige unkalkulierbare Krisengebiete geht, um den Kopf, mit all den potentiellen schlimmen Folgen (hier in den Songs schwerpunktmäßig thematisiert), hin zu halten. Ok, am Ende ist man immer schlauer.

Das elf Stücke umfassende Werk ist ein relativ schwermütiges Konglomerat aus allerdings sehr einfühlsam und fein instrumentierten (E-, Akustikgitarren, Fiddle, Cello, Harp, Piano, Akkordeon, Mandoline) sowie emotional besungenen Stücken geworden, die sich zwischen Singer/Songwriter-, Country- und Folk-Stoff, meist in bedrückender Form, gekonnt ihren Weg bahnen.

Wahrlich kein Stoff, der aufmuntert. Mehr was für innerlich stabile oder rein musikalisch interessierte Leute. Depressiv veranlagte Menschen, sollten, zumindest meiner Ansicht nach, gerade in diesen düsteren und ungemütlichen Tagen, wohl besser eine andere Musik wählen.

Eigentlich hat das Werk aus meiner Sicht eher präventiven, anklagenden Charakter und dient mehr als Wasser auf die Mühlen von intellektuellen Mahnern, Pazifisten, Friedensaktivisten & Co., die dem globalen Treiben ihres Landes (zurecht) kritisch gegenüberstehen.

So bleibt Mary Gauthiers „Rifles & Rosary Beads“ (produziert von Singer/Songwriter-Kollege Neilson Hubbard) ein gut gemeinter und auch durchaus richtiger Fingerzeig an Leute, die mit dem Gedanken spielen, aus verklärtem Patriotismus, sich in entsprechende Gefilde zu begeben, sowie als etwas Seelenmassage für die hier Involvierten, samt der unzähligen sonstigen betroffenen Leidensgenossen. Ändern muss sich allerdings in erster Linie vor allem die Politik und Selbsteinschätzung ihres Landes. In diesem Sinne – make music and love, not war!

Thirty Tigers (2018)
Stil: Singer/Songwriter

01. Soldering One
02. Got Your Six
03. The War After The war
04. Still On The Ride
05. Bullet Holes In The Sky
06. Brothers
07. Rifles And Rosary Beads
08. Morphine 1-2
09. It’s Her Love
10. Iraq
11. Stronger Together

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