T. G. Copperfield – Steppenwolf – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach Jack McBannons kürzlich erschienenen Album „Tennessee“ kommt nun ein weiterer Longplayer in die Regale, der belegt, dass die Amerikaner kein alleiniges Abo in Sachen Americana und Roots Rock beanspruchen können. Mit „Steppenwolf“ wildert der Regensburger Tilo Georg Copperfield ebenfalls in diesen Regionen. Copperfield beeindruckt mit seinem Output: „Steppenwolf“ ist seine elfte Veröffentlichung seit 2017. Zuletzt brachte er in Kooperation mit dem Gitarristen Ben Forrester (Allen-Forrester Band, Stone Water) „Out In The Desert“ (2023) heraus.

Copperfield setzt auf Unmittelbarkeit statt auf technische Mittel und lange Überarbeitungsprozesse, um das ursprüngliche Gefühl der Songs zu erhalten. Die acht Tracks der neuen Scheibe wurden Ende Januar an zwei Tagen live in der Mühle der Freundschaft, Bad Iburg, unter der Federführung von Marcus Praed (Tito & Tarantula) eingespielt. Laut Liner Notes plante Copperfield zunächst ein auf Gitarre und Gesang reduziertes Songwriter-Werk, holte dann aber doch seine bewährten Mitstreiter Michael Hofmann (Drums, Percussion, bgv), Claus Bächer (Keys) und Alexander Schott (Bass) mit ins Boot.

Der Titel des Albums geht auf den gleichnamigen Roman von Hermann Hesse zurück. Auch andere Songs spielen auf literarische Werke an. Bekannt sein dürften „The Lord Of The Flies“ von William Golding und „The Call Of The Wild“ von Jack London. Dazu gibt es dann noch biblische Bezüge („Jonah & The Whale“). In den Texten werden zumeist innere Spannungen aufgegriffen, die sich aus der Opposition zwischen dem Drang nach einem ungebunden Leben und dem Wunsch nach Geborgenheit in der Gemeinschaft ergeben. Von dieser Thematik hebt sich „Burn In Hell“ ab, bei dem Copperfield – inhaltlich in der Tradition von Dylans „Masters Of War“ – mit Kriegstreibern abrechnet. Der Antikriegssong ist der rockigste Track auf der CD.

Der Opener „From The Cradle To The Grave“ und „The Lord Of The Flies” folgen den musikalischen Spuren von Tom Petty und dessen Schaffensphase in den 2000ern rund um „Highway Companion“. Hervorzuheben ist darüber hinaus „Jonah & The Whale“. Der locker gespielte, von den Keys getragene Song geht ins Ohr. Später tritt Bächer nochmal deutlich in Erscheinung, wenn er „The Night Is Coming Down“ mit den Klängen seines Tasteninstruments unterfüttert. Unter die Songs, die sich irgendwo im Americana bewegen, schmuggelt sich mit „Highway Café“ eine Country-Nummer der klassischen Machart dazwischen.

„Steppenwolf“ klingt nicht so erdig, wie man nach der Entstehungsgeschichte vermuten könnte. T. G. Copperfield verfolgt eine moderne Spielart des Americana, knüpft dabei gelungen an Traditionen an und lässt gelegentlich seine Affinität zum Roots Rock sowie zum Country aufblitzen.

Die CD erscheint in einem hochwertigen Digi-Pack mit stimmig gestalteten Beiheft, in dem die Songtexte sowie Liner Notes abgedruckt sind. Das Album ist sicherlich auch bei seiner diesjährigen Tour durch den Süden Deutschlands erhältlich. Er gibt Shows als Akustik Trio und mit The Electric Band. Am zwölften November ist er solo als Support von Robert Jon & The Wreck in Obertraubing zu erleben.

Timezone Records – Timezone (2024)
Stil: Americana

Tracks:
01. From The Cradle To The Grave
02. Burn In Hell
03. The Lord Of The Flies
04. My Dirty Mind
05. Jonah & The Whale
06. Highway Café
07. The Night Is Coming Down
08. The Call Of The Wild

T. G. Copperfield
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Timezone Records

Sadler Vaden – Dad Rock – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Mit Kindern wird vieles anders. Das Leben On The Road mit der Familie in Einklang zu bringen, stellt für Musiker vermutlich eine Herausforderung dar. Vor allem verändern sich mit der neuen Rolle auch die Themen der Songs. Spontan fallen mir Brian Fallon (The Gaslight Anthem) und BJ Barham (American Aquarium) ein, die sich in ihren Texten wiederholt mit Dingen beschäftigen, die Väter so umtreibt. Die Geburt des zweiten Sohnes veranlasste nun auch Sadler Vaden zur Produktion seines dritten Soloalbums, das den bezeichnenden Titel „Dad Rock“ trägt.

Für seine Söhne schrieb er das jammende Instrumentalstück „Townend’s Theme“ und „I’ll Always Come Back“. Kinder verändern auch die Perspektive auf die eigenen Eltern, denen Vaden „Two Balloons“ widmet. Heartbreaker Mike Campbell (Tom Petty, The Dirty Knobs), Elliot Easton (The Cars) und einige andere Kollegen unterstützten Vaden bei seinem Projekt. Die Tracks wurden im Kern an zwei Studiotagen eingespielt und dann nach und nach weiter bearbeitet, soweit Vaden zwischen Windeln, Fläschchen und Abendritualen Zeitfenster dazu fand. Neben Familienleben und Solokarriere kann sich Vaden über mangelnde Beschäftigung nicht beklagen. Er ist weiterhin Leadgitarrist bei The 400 Unit, der Band von Jason Isbell, und betätigt sich als Produzent (Morgan Wade).

Sein Rocker-Herz hat sich Vaden trotz geänderter Umstände bewahrt. Mit „Staying Alive“ und „Holes“ sind zwei gradlinige, äußerst gelungene Gitarrenrockstücke auf dem Album vertreten. Einen etwas härteren, an den Siebzigern orientierten Gang legt er bei „Dove“ ein. „The Rescuer“ sticht unter den Titeln hervor. Schlagzeug und Gitarre klingen hier nach Bruce Springsteen und der E Street Band – ein Eindruck, der durch die kraftvollen Bläser und die Klavierparts unterstützt wird.

Abgerundet wird der Longplayer durch die Ballade „The New You“ und dem schon erwähnten Midtempo-Stück „I’ll Always Come Back“, bei dem sich Vaden von einer sanfteren Seite zeigt. Ähnlich wie sein Vorgänger aus dem Jahr 2020 „Anybody Out There?“ ist „Dad Rock“ so ein abwechslungsreiches Album geworden.

Auf „Dad Rock“ bringt Sadler Vaden Familie und Beruf als zwei Schuhe eines Paars zusammen. Mit seiner Vaterrolle gehen thematische Veränderungen der Songs einher, musikalisch behält er aber seine Richtung bei: kraftvoller, guitar-driven Rock mit feinen, eingestreuten Verschnaufpausen.

Thirty Tigers (2024)
Stil: Rock

Tracks:
01. Townsend’s Theme
02. Dove
03. The New You
04. Staying Alive
05. Holes
06. The Rescuer
07. I’ll Always Come Back
08. Two Balloons

Sadler Vaden
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Thirty Tigers
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Ted Russell Kamp – California Son – CD-Review

Review: Michael Segets

Es wird Zeit, dass der Sommer kommt. Auf diesen kann man sich mit „California Son“ getrost einstimmen. Ted Russell Kamp widmet die CD seiner Heimat, die für Sonne und ihre Musik bekannt ist. Besonders in L. A. lebt eine vielfältige Szene, aus der viele Bands ihre kreative Impulse schöpfen. Man denke hier beispielsweise an Los Lobos. Kamp bleibt eher den Traditionen der Westcoast verhaftet, was gut ist. Mit etwas gutem Willen kann man Anleihen bei The Byrds, The Eagles oder den Beach Boys heraushören.

Das Titelstück, das den Anfang der zwölf Tracks macht, erinnert vor allem im stufenweise höher werdenden Refrain an die Traveling Wilburys. Dem gelungenen, lockeren Einstieg folgt das rockige „Hard To Hold“. Hier winkt Tom Petty von der Ferne. Später findet sich mit „Miracle Mile“ noch ein gradliniger Rocker auf der Scheibe, der durch den Gesang von Emily Zuzik zusätzlich Würze bekommt. Einen Old School Rock‘n Roll liefert Kamp mit „The Upside To The Downslide“ ab.

Bei den Rockstücken hütet sich Kamp vor Extremen, sodass sich das Album im Gesamteindruck eher im Midtempo bewegt – so auch die Songs „One Word At A Time“ und „Shine On“. Beide Titel sind klassisch aufgebaut mit kurzen, unaufdringlichen E-Gitarren-Soli. Die Co-Autorin Jenny Van West beziehungsweise der Co-Autor Rob Waller steuern bei ihren Stücken jeweils einen Gesangspart bei. Zwei Drittel der Songs entstanden in Kooperation mit anderen Musikern. Die restlichen Stücke sind reine Eigenkompositionen. Kamp setzt nicht nur beim Songwriting auf Teamwork, sondern auch bei der Umsetzung im Studio sind eine Menge Leute beteiligt. In verschiedenen Studios waren insgesamt mehr als zwanzig Künstler zu Gange, um die Tracks einzuspielen. Dem zum Trotz findet sich mit „Hanging On Blues“ eine Soloperformance von Kamp an seinem Bass.

Gleich vier Gastsänger werden für die filigrane Ballade „Firelight“ eingeflogen, die sanfte Untertöne beisteuern. Etwas erdiger geht es bei „Ballad Of The Troubadour“ zu. Die wimmernde Steel Pedal stimmt schon mal auf die anschließende Country-Nummer „High Desert Fever“ ein. Der launige Ausflug in die Prairie beginnt mit einem wuchtigen Gospelchor, um dann mit ordentlichen Twang loszutraben. Das Stück bringt einen neuen Stil auf den Longplayer, bei dem die Abfolge der Songs geschickt gewählt ist.

Es kommt keine Langeweile auf und beim ersten Durchhören gibt es einige überraschende Momente, die aber keinen Bruch im Gesamtwerk erzeugen. Nach dem Schwofer „Roll Me Till The Sun Come Up“ setzt Kamp zum Abschluss ein Highlight mit dem cool gesungene Track „Every Little Thing“, der in den Strophen die Long Ryders ins Gedächtnis ruft.

Bei dem vierzehnten Album des langjährigen Bassist von Shooter Jennings drängen sich viele Assoziationen zu anderen Musikern auf. Diese Querverweise sind von Kamp in seiner Liebeserklärung an die amerikanische Westküste gewollt. Die Referenzpunkte stehen dabei nicht plakativ im Vordergrund. Kamp saugt deren Einflüsse auf und macht aus diesen Traditionen sein eigenes Ding, das entsprechend vielfältig erscheint.

KZZ Records/Blue Elan (2024)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. California Son
02. Hard To Hold
03. One Word At A Time
04. Shine On
05. The Upside To The Downslide
06. Ballad Of The Troubadour
07. High Desert Fever
08. Firelight
09. Miracle Mile
10. Hanging On Blues
11. Roll Me Till The Sun Come Up
12. Every Little Thing

Ted Russell Kamp
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Israel Nash – Ozarker – CD-Review

Review: Michael Segets

Mit dem Titel „Ozarker” gibt Israel Nash ein Bekenntnis zu seiner Herkunft ab. Aus Missouri stammend hat er das Lebensgefühl der Menschen im Gebiet der Ozark Mountains verinnerlicht, obwohl er mittlerweile in Texas beheimatet ist. Harte Arbeit, die Familie und Verpflichtungen auf der einen Seite und die Gedanken an einen Aufbruch, einen Neuanfang und die Sehnsucht nach etwas Besserem auf der anderen Seite bilden das thematische Spannungsfeld, in dem sich jeher der Rock aus dem mittleren Westen bedient. An diese Tradition knüpft Nashs „Ozarker“ an.

Die ersten drei Tracks des Albums sind bereits als Singles vorab herausgegeben worden: „Can’t Stop“, „Roman Candle“ sowie das Titelstück. Wenn man möchte, kann man hier durchaus Ähnlichkeiten zu maßgeblichen Werken des Heartland Rock ziehen, die für Nashs frühe musikalische Sozialisation entscheidende Bedeutung hatten. Etwas von Bruce Springsteens „Born In The USA“, von Tom Pettys „Full Moon Fever“ oder von Bob Segers „Night Moves“ schwingt bei den Songs mit. Auch wenn Nash nicht über die markante Stimme seiner Vorbilder verfügt, macht er seine Sache als Sänger gut und tritt als deren Epigone an, die Fahne des Heartland Rocks hochzuhalten.

Inhaltlich wirft Israel Nash, eigentlich Israel Nash Gripka, ebenfalls einen Blick zurück. In den Texten finden sich die Menschen und Erzählungen wieder, die ihn prägten. Seine Mutter notierte ihm Familiengeschichten, mit denen er sich zunächst zurückzog, um daraus die Songs im Alleingang zu entwickeln. So dienen beispielsweise Episoden aus dem Leben seines Urgroßvaters als Vorlage für den Titeltrack. Danach holte er weitere Musiker – Curtis Roush (Gitarre), Patrick Hallahan (Schlagzeug), Seth Kauffmann (Bass) und Eric Swanson (Pedal Steel) – zusammen, um die Stücke instrumental einzuspielen. Schließlich setzte sich Nash mit dem Produzenten Kevin Ratterman hin und fügte seinen Gesang, zusätzliche Gitarren und Synthesizer hinzu.

Am Ende dieses Prozesses stehen nun zehn zeitlose und molodiöse Rocksongs, die mit vollem Sound, hallenden Gitarren und überwiegend voluminösen Klangteppich aus den Lautsprechern schallen. Den hymnischen Charakter des Einstiegs behalten einige langsamere Titel bei. In dieser Kategorie ist besonders das eingängige „Pieces“ hervorzuheben. Nash gibt den Titeln im Schnitt klassische viereinhalb Minuten. Einzig „Going Back“ knackt die Fünf-Minuten-Marke mit Tempowechsel, längerer Bridge und abschließendem Gitarrensolo.

In der zweiten Hälfte versieht Nash die Stücke mit einem etwas erdigeren Sound. Dadurch nimmt einen die sehnsuchtsvolle Ballade „Lost In America“ besonders mit. Auch „Shadowland“, mit punktgenauem E-Gitarreneinsatz, überzeugt durch die intensive Performance. Etwas lockerer geht es Nash mit „Travel On“ an. Die Struktur des Tracks erinnert in manchen Passagen an John Hiatt. Die drei Titel sind jenseits der voluminösen Hymnen die heimlichen Highlights des Albums.

Israel Nash ruft die gute alte Zeit des Heartland Rocks in Erinnerung. Er verordnet dieser Spielart des Rocks eine moderate Verjüngungskur und greift dabei musikalisch und thematisch auf die bekannten Ingredienzien zurück. Nash belegt mit „Ozarker“, dass der Heartland Rock etwas zu bieten hat, das die Seele berührt, und daher noch lange nicht begraben ist.

Loose Music – Rough Trade (2023)
Stil: Heartland Rock

Tracks:
01. Can’t Stop
02. Roman Candle
03. Ozarker
04. Pieces
05. Going Back
06. Firedance
07. Lost In America
08. Midnight Hour
09. Travel On
10. Shadowland

Israel Nash
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Lucinda Williams – Stories From A Rock N Roll Heart – CD-Review

Review: Michael Segets

Dass mit fortschreitendem Alter manche Dinge nicht mehr so wie früher von der Hand gehen, gehört zu den natürlichen Erfahrungen derer, denen ein längeres Leben vergönnt ist. Tragisch ist, wenn das Schicksal zuschlägt und von einem Moment zum anderen plötzlich alles anders wird. Lucinda Williams erlitt vor drei Jahren einen Schlaganfall, der ihr das Gitarrenspielen nicht mehr ermöglichte.

Da sie ihre Songs auf der Gitarre komponierte, war nun ein Umdenken notwendig. Williams macht auf „Stories From A Rock N Roll Heart” aus der Not eine Tugend. Sie entdeckt neue, kooperative Formen der Songentwicklung. Ihr Ehemann und Manager Tom Overby wurde nun stärker in den Entstehungsprozess der Songs eingebunden. Zusätzliche Unterstützung suchte Williams bei ihrem Roadmanager Travis Stephens, der an neun Tracks mitwirkte. Darüber hinaus beteiligte sich Jesse Malin an drei Songs.

Auf Kooperation setzt William ebenso bei der Umsetzung der Stücke. Sie holte sich eine Vielzahl namhafter Musiker für die Background Vocals ins Studio. Das wäre wahrscheinlich nicht notwendig gewesen, denn gesanglich präsentiert sich Williams wie eh und je. Das Album profitiert aber dennoch davon. Zudem konnte sie sich auf ihre routinierten Bandmitglieder verlassen, zu denen Stuart Mathis, Steve Ferrone, Reese Wynans, Steve Mackey und Doug Pettibone gehören.

In Williams schlägt ein Rock ’n‘ Roll-Herz, was sie erneut mit dem Opener „Let’s Get The Band Back Together” unter Beweis stellt. Im Background mischen unter anderem Margo Price und Buddy Miller mit. Price begleitet Williams ebenfalls auf dem expressiven „This Is Not My Town”. Der außergewöhnliche Gesang von Williams ist sicherlich nicht jedermanns Sache, auf Dauer mag er zugegebenermaßen leicht anstrengend wirken, wie kritischere Stimmen als meine bei ihrem Tribute für die Rolling Stones anmerkten. Ich mag ihn. Auf dem neuen Album sind die kantigen Passagen dosiert, sodass es auf ihm auch im Vergleich zu „Good Souls Better Angels” (2020), dem Vorgänger mit selbstkomponierten Songs, insgesamt harmonischer zugeht.

Den Höhepunkt der drei wirklich rockenden Titel des aktuellen Longplayers stellt das gradlinige „Rock N Roll Heart“ dar, das von Bruce Springsteen stammen könnte. Geschrieben hat der Boss den Song nicht, aber er und Patti Scialfa singen ihn mit. Das Ehepaar unterstützt Williams ebenfalls auf der ersten Single „New York Comeback“, die direkt ins Ohr geht und ebenfalls zu meinen Favoriten zählt.

Mit der zweiten Single „Stolen Moments“ gedenkt Williams Tom Petty. Der Titel wurde bereits auf „Runnin‘ Down A Dream“ im Rahmen ihrer Reihe „Lu’s Jukebox“ vorgestellt. Petty sowie Bob Stinson (The Replacements), mit dessen Bruder Tommy sie „Hum’s Liquor“ performt, ist ihr aktuelles Werk gewidmet.

Die dritte Single „Where The Song Will Find Me” steht stellvertretend für die langsameren Tracks des Longplayers. Zu diesen Beiträgen gehört „Jukebox“, auf dem Angel Olsen am Ende mit dezenten Harmonien im Hintergrund zu hören ist. Doug Pettibone legt sich hier mit der Pedal Steel mächtig ins Zeug. Auf „Last Call For The Truth” ist sie ebenfalls präsent, nimmt aber nicht so viel Raum ein. Der Song verdient unter den ruhigeren Tracks nochmal ein Ausrufezeichen und dies nicht nur, weil die Ballade von einer kraftvollen Gitarrenpassage aufgefrischt wird.

Zum Abschluss reflektiert Williams den Kampf beim Songwriting und zeigt sich mit „Never Gonna Fade Away“ dem Schicksal trotzend. Wer mehr über Williams und ihr Leben erfahren möchte, kann ihre kürzlich erschienene Autobiographie „Don’t Tell Anybody The Secrets I Told You“ zurate ziehen.

Dass Lucinda Williams gezwungen war, ihre Routinen im Prozess Songwritings aufzubrechen, merkt man „Stories From A Rock N Roll Heart“ nicht an. Vielleicht erscheinen die Songs insgesamt nicht so experimentierfreudig wie bei „Good Souls Better Angels“, auf dem aktuellen Werk sind aber typische Balladen und starke Rockstücke vorhanden, die Williams mit ihrem ausdrucksvollen Gesang meistert. Zusätzlich veredelt wird die Scheibe durch Gastbeiträge zahlreicher Kolleginnen und Kollegen wie Margo Price oder Bruce Springsteen.

Highway 20 – Thirty Tigers (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Let’s Get The Band Back Together (feat. Margo Price, Jeremy Ivey, Siobhan Maher Kennedy, Buddy Miller, Sophie Gault)
02. New York Comeback (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
03. Last Call For The Truth
04. Jukebox (feat. Angel Olsen)
05. Stolen Moments
06. Rock N Roll Heart (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
07. This Is Not My Town (feat. Margo Price)
08. Hum’s Liquor (feat. Tommy Stinson)
09. Where The Song Will Find Me
10. Never Gonna Fade Away

Lucinda Williams
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Thirty Tigers
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Margo Price – Strays – CD-Review

Review: Michael Segets

Margo Price war bislang vor allem in der Country-Sparte erfolgreich. Hohe Plazierungen in den entsprechenden amerikanischen und englischen Charts sprechen für sich. Darüber hinaus blickt sie auf mehrere Auszeichnungen sowie eine Grammy-Nominierung zurück. Auf ihrem vierten Studioalbum „Strays“ erweitert Price ihre musikalische Bandbreite. Mit ihrem countrytypischen Sopran konnte sie stimmlich oftmals in die Nähe der kürzlich verstorbenen Loretta Lynn gerückt werden. Nun zeigt Price auch gesanglich neue Facetten im Bereich des Rock, Pop und Americana.

In der ersten Hälfte von „Strays“ schlägt Price rockige Töne an. Der Opener und zugleich die erste Single „Been To The Mountain“ mit seinen leicht psychodelisch angehauchten Gesangseinsprengseln gibt dabei bereits die Richtung vor, die „Light Me Up“ fortführt. Dieses Highlight der CD beginnt sanft, nimmt dann Fahrt auf, um anschließend wieder das Tempo rauszunehmen. Price spielt hier raffiniert mit den Spannungskurven. Das I-Tüpfelchen setzt Mike Campbell (Tom Petty, The Dirty Knobs) an der E-Gitarre. Ebenfalls sehr gelungen ist die zweite Single „Change Of Heart“, das harmonisch rockt, ohne dabei glatt zu wirken.

Die Stücke auf dem Album sind durchgängig mit großer Bandbesetzung arrangiert. Eine Ausnahme bildet „Lydia“. Die akustische Gitarre von Price wird dort lediglich von Cello und Geigen begleitet. Als eher ungewöhnlich stellt sich der Einsatz von Synthesizern dar, auf den Price mehrmals zurückgreift. Nicht zuletzt deshalb erhalten einige Songs einen poppigen Touch. Am deutlichsten wird dieser bei „Radio“, das Price zusammen mit Sharon Van Etten singt. Besonders der beinahe schon als Teeny-Pop zu bezeichnende Track „Time Machine“ sticht heraus. Trotz dieser Kategorisierung hat der Song etwas und – so ungern ich das zugebe – er gefällt mir. Bei ihm war Price nicht am Songwriting beteiligt. Die anderen Titel verfasste sie meist in Kollaboration mit ihrem Mann Jeremy Ivey, von dem auch „Anytime You Call“ stammt. Bei dem unterstützen Jess Wolfe und Holly Laessig von Lucius Price am Mikro.

Entstanden sind die Songs überwiegend im Sommer 2021. Thematisch können die Texte als Rückblick auf verschiedene Krisen verstanden werden, die Price im Laufe ihres Lebens durchstehen musste. Ihre Biographie „Maybe We’ll Make It“ erschien im Oktober, sodass die Entstehung des Albums insgesamt in eine retroperspektive Phase von Price fällt. Musikalisch geht Price jedoch einen experimentelleren Weg und richtet damit den Blick nach vorn, um weitere Möglichkeiten der Selbstinterpretation auszuloten. Dass die Wahl der ersten Auskopplungen auf rockige Titel fiel, macht neugierig auf den zukünftigen Weg, den Price einschlägt.

Vor allem im hinteren Teil des Albums nimmt Price das Tempo allerdings zurück. Rudimentär sind noch einzelne Country-Einflüsse auszumachen („County Road“), aber insgesamt sind die Titel im Americana-Bereich zu verorten. Als Favorit unter diesen Stücken kristallisiert sich das atmosphärisch dunkle „Hell In The Heartland“ heraus.

Gemäß dem Albumtitel „Strays“ streunt Margo Price durch Gefilde des Rocks, Pops und Americana. Die Orientierung verliert sie bei dieser Unternehmung jenseits ihres Country-Reviers nicht. Gekonnt changieren die Songs zwischen den unterschiedlichen Stilrichtungen. Price experimentiert dabei mit vielfältigen Ausdrucksformen ohne den Boden zu verlieren. Man begleitet Price gerne bei ihrer Suche und es bleibt abzuwarten, wohin sie diese zukünftig führt: zurück zum Country oder auf zu neuen Ufern.

Loma Vista-Concord – Universal Music (2023)
Stil: Rock/Pop/Americana

Tracks:
01. Been To The Mountain
02. Light Me Up (feat. Mike Campbell)
03. Radio (feat. Sharon Van Etten)
04. Change Of Heart
05. County Road
06. Time Machine
07. Hell In The Heartland
08. Anytime You Call (feat. Lucius)
09. Lydia
10. Landfill

Margo Price
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Patricia Vonne – My Favorite Holiday! – CD-Review

Jedes Jahr nehme ich mir vor, die Weihnachtsgeschenke frühzeitig zu besorgen. Jedes Jahr fehlen mir die meisten aber noch zwei Tage vor Heiligabend. Für diejenigen, denen es ähnlich geht, habe ich den Tipp, sich Patricia Vonnes „My Favorite Holiday!“ frühzeitig zuzulegen – am besten ein paar Mal, denn CDs halten sich zur Not auch bis zum übernächsten Fest. Das Album stammt sowieso schon aus 2021, aber da hatte ich es noch nicht entdeckt. Ich bin erst durch das letzte Konzert von Vonne in der Kulturrampe auf es aufmerksam geworden.

Weihnachtsalben haben zwar kein Verfallsdatum, sind in der Regel jedoch saisonal begrenzt. Oftmals reproduzieren sie die bekannten Klassiker und sind daher meist musikalisch weniger interessant. Anders verhält es sich mit „My Favorite Holiday!“, auf dem Vonne selbst (mit-)komponierte Songs vorstellt. Einzige Ausnahme ist das Traditional „Carol Of The Bells“, das sie a cappella mit ihrer Familie singt.

Für die Eigenkompositionen verdient die CD schon mal den ersten Stern, einen weiteren für die völlig erfüllte Grundanforderung, dass ein solches Konzeptalbum überwiegend Weihnachtsstimmung transportiert. Das beschwingte „Santa’s On His Way“ könnte ebenso wie das langsamere „Christmas Without You“, bei dem Stephen Ferrone (Tom Petty) am Schlagzeug sitzt, als Soundtrack eines entsprechenden Hollywood-Schinkens dienen. Wie diese Tracks ist auch „Christ Child“ orchestral unterlegt, wofür Scott Plunkett (Don Henley, Chris Isaak) verantwortlich zeichnet. Das flotte Titelstück mit Schellen und Schuhu-Background gehört ebenfalls in die Kategorie der eindeutigen Weihnachtslieder. Es punktet besonders durch das Saxophon von Johnny Reno.

Einen dritten Stern gibt es dafür, dass sich der Longplayer nicht in süßlicher Sentimentalität verliert. Bei dem staubigen, in die texanisch-mexikanische Grenzregion versetzenden Midtempo-Song „Alone On Christmas Day“ glänzt David Grissom (John Mellencamp, James McMurtry, Joe Ely) an den Gitarren. „Old Man Santa“, von Vonne, Rick Del Castillo und Alex Ruiz gemeinsam geschrieben und von Vonne und Ruiz als Duett performt, ist ein kräftiger Rocksong, der vielleicht thematisch, aber nicht musikalisch auf einem Weihnachtsalbum zu erwarten ist. Einen eigenen Stern erhält „Santa’s On A Rampage“, der nach Little Steven’s Underground Garage zu den Coolest Songs In The World gehört. Vonne und Rosie Flores gelingt hier ein ausgelassener Geniestreich, der Spaß macht und gute Laune versprüht.

Schließlich vergebe ich einen Stern für die Soundvielfalt, die durch die in spanischer Sprache gesungenen Songs nochmals erhöht wird. Bei diesen lässt Vonne ihre Kastagnetten klicken und klackern. Weitere Akzente setzen die Congas, Bongos in Kombination mit einer Geige bei „Cumbia Navidad“. Für „Nochebuena“ holt Vonne erneut Alex Ruiz mit ans Mikro, für „Las Posadas“ Ruben Blades.

In der Rubrik Weihnachtsalben erreicht „My Favorite Holiday!“ fünf von fünf Sternen. Ich könnte noch weitere vergeben, aber dann verzähle ich mich wieder. So ist dieser Longplayer nämlich der achte von Vonne und nicht „Top Of The Mountain“ (2018), wie ich seinerzeit behauptete. Produziert wurde er von Rick Del Castillo.

Patricia Vonne legt mit „My Favorite Holiday!“ ein originelles Werk vor, das thematisch um Weihnachten kreist, musikalisch aber eine bunte Mischung bietet, die sich aus ihren unterschiedlichen musikalischen Wurzeln speist. Diese liegen vor allem im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Neben den wohlklingenden Titeln, die sich in die Tradition moderner Weihnachtslieder nahtlos einreihen, finden sich daher auch aufgekratzte Rocksongs und spanische Stücke auf dem Album, die nicht nur zu den Festtagen gehört werden können.

Bandolera Records (2021)
Stil: Tejano/Weihnachtslieder

Tracks:
01. Santa’s On His Way
02. Nochebuena
03. Alone On Christmas Day
04. Las Posadas
05. Christmas Without You
06. My Favorite Holiday
07. Cumbia Navidad
08. Santa’s On A Rampage
09. Christ Child
10. Carol Of The Bells
11. Old Man Santa

Patricia Vonne
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Tom Petty And The Heartbreakers – Live At The Fillmore 1997 – CD-Review

Review: Michael Segets

Die Familie Petty und Mike Campbell (The Dirty Knobs), der langjährige Weggefährte von Tom Petty, halten die Erinnerung an den Ausnahmemusiker wach. „Wildflowers & All The Rest“ war bereits ein Mammutprojekt, das von ihnen gestemmt wurde. „Live At The Fillmore 1997“ erscheint nun ebenfalls als umfangreiche Zusammenstellung, bei der zudem Ryan Ulyate und Heartbreaker Benmont Tench an der Produktion – an der sich soundtechnisch nichts auszusetzen lässt – beteiligt waren.

Wie bei dem zuvor genannten Projekt liegen unterschiedliche Veröffentlichungsversionen vor. Das kürzere Paket umfasst drei LPs beziehungsweise zwei CDs, das längere jeweils doppelt so viele Tonträger. Die Deluxe-Ausgaben bieten neben der zusätzlichen Musik ein umfangreiches Booklet und ein paar Gimmicks. Die auf Vollständigkeit der Sammlung bedachten Fans, müssen also etwas tiefer in die Tasche greifen oder auf das Wohlwollen des Weihnachtsmanns hoffen.

Tom Petty And The Heartbreakers hatten Anfang 1997 zwanzig Auftritte innerhalb eines Monats im Fillmore, San Francisco. Dabei variierte die Band die Setlist jeden Abend und einige Auftritte wurden durch Gastmusiker wie Roger McGuinn (The Byrds) und John Lee Hooker veredelt. Auf „Live At The Fillmore 1997“ sind Mitschnitte von mehreren dieser Abende vertreten, wobei der Gesamtaufbau an dem eines Konzerts orientiert ist, beginnend mit der Begrüßung und endend mit der Verabschiedung. Dazwischen sind einige, erfreulicherweise von den Musiktracks gesplittete Zwischenbemerkungen eingestreut.

Die Deluxe-Ausgaben bietet 58 Songs, unter denen 35 Cover zu finden sind. Wer „The Live Anthology“ (2009) besitzt, kennt bereits fünf Versionen. „Green Onions“ auf der Anthologie wurde ebenfalls im Fillmore aufgenommen, aber an einem anderen Tag als die aktuell veröffentlichte Variante. Insgesamt sind wenige von Tom Pettys eigenen Klassikern vertreten, was insofern Sinn macht, dass sich „Live At The Fillmore 1997“ in erster Linie an Fans richtet, die diese sowieso schon in ihrem Bestand haben.

Dennoch verzichtet die Zusammenstellung nicht auf seine bekannten Titel, die teilweise in deutlich veränderten Interpretationen gespielt werden. So sind beispielsweise Pettys frühe Hits „American Girl“ und „Even The Loosers“ akustisch gehalten. „I Won’t Back Down“, langsam und mit viel Gefühl performt, begeistert dabei ebenso wie das über zehnminütige „Mary Jane‘s Last Dance”, bei dem die Heartbreakers ihrer Spielfreude freien Lauf lassen. Darüber hinaus sind Pettys Erfolgsnummern „Runnin‘ Down A Dream“, „Free Fallin‘“ oder „You Don’t Know How It Feels” vertreten.

Als besonders interessant stellen sich die Cover dar. Das Programm umfasst Stücke von The Kinks, The Byrds oder The Rolling Stones neben frühen Titeln des Rock ’n Roll (u. a. „Bye Bye Johnny“). Positive Überraschungen stellen „You Are My Sunshine“ und „Ain’t No Sunshine“ von Bill Withers dar. Vor allem aus heutiger Perspektive ist Bob Dylans „Knockin‘ On Heavens Door“ bewegend, das Petty in seiner einzigartigen Art singt.

Petty war ein hervorragender Songwriter und Interpret, was „Live At The Fillmore 1997“ eindrucksvoll belegt. Zu der musikalischen Qualität von Tom Petty And The Heartbreakers und ihrer Liveperformanz muss an dieser Stelle wohl weiter nichts gesagt werden. Der Leader und die Band sind perfekt aufeinander abgestimmt und präsentieren sich in Topform.

Bislang unveröffentlichte Cover sowie zum Teil deutlich veränderte Versionen eigener Stücke machen „Live At The Fillmore 1997“ zu einer sinnvollen Ergänzung jeder Musiksammlung. Die Zusammenstellung aus mehreren Konzertabenden beweist, warum Tom Petty And The Heartbreakers zu einer der besten Formationen der Rockgeschichte zählen.

Warner Records/Warner Music (2022)
Stil: Rock

Tracks:
CD 1
01. Pre-show (spoken interlude)
02. Around And Around
03. Jammin’ Me
04. Runnin’ Down A Dream
05. Good Evening (spoken interlude)
06. Lucille
07. Call Me The Breeze
08. Cabin Down Below
09. The Internet, Whatever That Is (spoken interlude)
10. Time Is On My Side
11. Listen To Her Heart
12. Waitin’ In School
13. Let’s Hear It For Mike (spoken interlude)
14. Slaughter On Tenth Avenue
15. Homecoming Queen Intro (spoken interlude)
16. The Date I Had With That Ugly Old Homecoming Queen
17. I Won’t Back Down
18. You Are My Sunshine
19. Ain’t No Sunshine
20. It’s Good To Be King

CD 2
01. Rip It Up
02. You Don’t Know How It Feels
03. I’d Like To Love You Baby
04. Diddy Wah Diddy
05. We Got A Long Way To Go (spoken interlude)
06. Guitar Boogie Shuffle
07. I Want You Back Again
08. On The Street Intro (spoken interlude)
09. On The Street
10. California
11. Let’s Hear It For Scott And Howie (spoken interlude)
12. Little Maggie
13. Walls
14. Hip Hugger
15. Friend Of The Devil
16. Did Someone Say Heartbreakers Beach Party? (spoken interlude)
17. Heartbreakers Beach Party
18. Angel Dream
19. The Wild One, Forever
20. Even The Losers
21. American Girl
22. You Really Got Me
23. Goldfinger

CD 3
01. Mr. Roger McGuinn (spoken interlude)
02. It Won’t Be Wrong
03. You Ain’t Going Nowhere
04. Drug Store Truck Drivin’ Man
05. Eight Miles High
06. Crazy Mama
07. Everyone Loves Benmont (spoken interlude)
08. Green Onions
09. High Heel Sneakers
10. John Lee Hooker, Ladies And Gentlemen (spoken interlude)
11. Find My Baby (Locked Up In Love Again)
12. Serves You Right To Suffer
13. Boogie Chillen
14. I Got A Woman

CD 4
01. Sorry, I’ve Just Broken My Amplifier (spoken interlude)
02. Knockin’ On Heaven’s Door
03. Honey Bee
04. County Farm
05. You Wreck Me
06. Shakin’ All Over
07. Free Fallin’
08. Mary Jane’s Last Dance
09. Bye Bye Johnny
10. (I Can’t Get No) Satisfaction
11. It’s All Over Now
12. Louie Louie
13. Gloria
14. Alright For Now
15. Goodnight (spoken interlude)

Tom Petty
Warner Records
Oktober Promotion

John Fullbright – The Liar – CD-Review

Review: Michael Segets

Wurde bereits bei dem letze Woche erschienenen Comeback von Niki Lane davon gesprochen, dass eine fünfjährige Pause zwischen zwei Alben im Musikgeschäft bereits eine lange Zeit sind, meldet sich nun John Fullbright nach der kleinen Ewigkeit von acht Jahren mit „The Liar“ zurück. Der Singer/Songwriter kann selbst nicht richtig erklären, warum der neue Longplayer so lange auf sich warten ließ. Veränderte Lebensumstände wie der Umzug von dem 130-Seelen-Dorf Bearden nach Tulsa mit seinen über 400.000 Einwohnern, mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Ganz untätig in musikalischer Hinsicht war Fullbright jedoch nicht. So steuerte er drei Tracks zu dem Sampler „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music“ bei.

Letztlich hat es einen äußeren Anstoß gebraucht, damit Fullbright ein weiteres Album aufnimmt. Nach Steve Ripleys (The Tractors) Tod spielte seine Frau Charlene mit dem Gedanken, das gemeinsame Studio zu verkaufen. Bevor das Studio in unbekannte Hände übergeht, trommelte Fullbright eine Reihe von Musikern aus der Szene in Oklahoma zusammen – unter ihnen der ebenfalls auf dem erwähnten Tribute vertretene Jesse Aycock sowie Aaron Boehler, Paul Wilkes, Stephen Lee und Paddy Ryan.

Dieser Umstand förderte dann auch eine neue Art, wie Fullbright bei seiner Musikproduktion operiert. War früher das Verfassen von Songs für ihn wohl ein isolierter und mühsamer Prozess, ging er nun lockerer an die Sache und verließ sich auf die spontane Kreativität im Zusammenspiel mit der Band. „The Liar“ stellt daher das Ergebnis eines kooperativen Vorgehens dar, das Fullbright von seinen selbstgesetzten Zwängen befreite. Neben neuen und bisher unfertigen Stücken bearbeitete er auch älteres Material. So findet sich „Unlocked Doors“ bereits auf „Live At The Blue Door“ (2009).

Gleich zu Beginn steigt das Album mit den beiden Highlights „Barden, 1645“ und der Single „Paranoid Heart“ ein. Die Presse-Infos rücken den letztgenannten Song in die Nähe von Tom Petty. Ich höre eher Parallelen zu Jason Isbell. Wenn schon Referenzpunkte angeführt werden, dann sei erwähnt, dass „Social Skills“ von der Struktur an den frühen Steve Earle erinnert. Der Titel hebt sich von dem balladesken Grundton des Werks etwas ab.

Das Album umfasst hauptsächlich langsame Stücke. Auf „Stars“ begleitet sich Fullbright lediglich selbst am Klavier. Bei „Safe To Say“ dominiert die Orgel, bevor die Band dezent einsteigt. Der abschließende Rausschmeißer „Gasoline“ gibt seinen Mitstreitern allerdings mehr Raum. Eine eigene Dynamik erhalten die Songs oftmals durch Fullbrights Gesang, sodass keine Langeweile aufkommt. Variationen bringt er zudem dadurch in sein Werk, dass er sich gelegentlich am Country („Where We Belong“, „Blameless“) oder am Blues („The Liar“, „Poster Child“) orientiert.

Nach langer Wartezeit erscheint mit „The Liar“ ein Lebenszeichen von John Fullbright, auf dem der Songwriter mit einer Band im Rücken unverkrampft aufspielt. Im Zentrum steht aber weiterhin Fullbright an seinem Klavier. Die überwiegend ruhigen Tracks, zum Teil ausdrucksstark gesungen, eignen sich dabei sowohl zum konzentrierten Zuhören als auch zur Untermalung eines entspannten Abends.

Blue Dirt Records – Thirty Tigers (2022)
Stil: Americana

Tracks:
01. Bearden, 1645
02. Paranoid Heart
03. Stars
04. The Liar
05. Unlocked Doors
06. Where We Belong
07. Social Skills
08. Lucky
09. Blameless
10. Poster Child
11. Safe To Say
12. Gasoline

John Fullbright
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Skye Wallace – Support: Vego Jazzmin Mash – 17.09.2022, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Letzten Samstag wollte ich mit einem Freund einfach nur Livemusik genießen und war mal nicht im Auftrag des Herrn Daniel unterwegs. Im Nachhinein fand ich es aber schade, wenn die tolle Show der sympathischen Kanadierin Skye Wallace und ihrer Band bei SoS unerwähnt bleiben sollte. Daher folgen nun doch ein paar Zeilen zu einem Abend in der Kulturrampe, der in Erinnerung bleiben wird.

Dieser begann kurz vor 21 Uhr als Vego Jazzmin Mash in einem extravaganten Outfit die Bühne betrat. Die Musik war ebenso gewagt und lässt sich schwer in Kategorien beschreiben. Vielleicht trifft es Post-Grunge einigermaßen? Vego Jazzmin Mash, der sich kurz als Jan vorstellte, rockte mit kräftigen Riffs auf seiner elektrischen Gitarre, begleitet von einer Loop Station. Die Songs wurden überwiegend auf Englisch gesungen, zwei auch auf Deutsch – darunter „Autofahren. Arbeiten. Autofahren.“

Der Titel mit minimalistischem Text stach unter den Stücken heraus und hatte den größten Wiedererkennungswert. Gesanglich nicht immer ganz treffsicher, merkte man der Performance doch das Herzblut an, das Jan in seine Musik steckt. Das Rampenprogramm bietet sowieso einer bunten musikalischen Palette Raum und das Publikum ging den experimentelleren Ansatz von Vego Jazzmin Mash mit.

Zwischenzeitlich roch es auf der Bühne wohl angekokelt, sodass Jan befürchtete, die Rampe in Brand gesetzt zu haben, weil er so hart rockte. Zum Glück blieb ein Feuer und die Evakuierung aus. Mit Anspielung auf eine Textzeile von Tom Petty – the sky was the limit – leitete er dann das Finale seines Auftritts ein und räumte die Bühne anschließend für Skye Wallace.

Line-up:
Vego Jazzmin Mash (vocals, guitar, harmonica, loop station)

Nach ganz kurzen Umbaumaßnahmen kündigte Markus Peerlings die Band aus Toronto an, wobei er sich über das zahlreiche Erscheinen der Musikfreunde freute. Wallace sprach später dem Chef der Kulturrampe einen herzlichen Dank für die rundum gelungene Betreuung aus und war voll des Lobes für die Atmosphäre der Location. Die Arbeit, die Markus im Umfeld der Konzerte leistet, wird von den Künstlern hoch geschätzt und dies mag auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass hervorragende Bands in Krefeld gastieren und gerne wiederkommen.

Gut aufgelegt startete Wallace mit einer Auswahl von temporeichen Stücke ihres aktuellen, selbstbetitelten Albums. „Death Of Me“, „There Is A Wall“, der ältere „Mean Song 2“, „Suffering For You” und „Always Sleep With A Knife” ließen kaum eine Verschnaufpause zu. Einzig die kurzen Ansprachen von Wallace, bei denen Sie auch einige Sätze auf Deutsch formulierte, ließen etwas Zeit zum Durchatmen.

Weiter ging es mit den aus meiner Sicht stärksten Songs des Konzerts. Vor allem „Truth Be Told“ von dem für Oktober angekündigten Album begeisterte in der Liveversion. „Body Lights The Way“ mit einem kurzen Gitarrensolo von Devon Lougheed und die gradlinige Rocknummer „Everything Is Fine“ beendeten den ersten, rasanten Abschnitt des Gigs.

Wallace, die ihre Karriere als Singer/Songwriter begann, bevor sie ins Rockmetier wechselte, schickte Ihre Band anschließend in den Zuschauerraum, um ihr Frühwerk „Ain’t It Hell“ allein mit akustischer Gitarre anzustimmen. Für „Swing Batter“ holte sie Keyborderin Gina Kennedy und Bassistin Jenna Strautman als Backgroundsängerinnen zurück auf die Bühne. Bei „Keeper“ folgte Gitarrist Devon Lougheed. Nach diesem ruhigeren Teil vervollständigte dann Schlagzeuger Chris Dimas bei „Tooth And Nail“ wieder das Quintett und läutete so den rockigen Abschluss des Hauptsets ein, der an den Stil des Einstiegs anknüpfte.

„The Doubt“ war neben „Keeper“ einer der beiden noch unveröffentlichten Songs der in den Startlöchern stehenden Scheibe, die an diesem Abend zu Gehör gebracht wurden. Bei „Coal In Your Window“ und „Reaper“ flogen nochmal die langen Haare von Wallace, Kennedy und Lougheed. Besonders Kennedy zeigte sich als ständig präsenter Aktivposten und schüttelte das Tamburin temperamentvoll durch, wenn sie nicht an den Keys benötigt wurde.

Als Zugabe wählte Wallace den Bob Dylan Titel „One More Cup Of Coffee“ und das abschließende „Blood Moon“. Die Anwesenden hätten gerne noch eine zweite Zugabe gehört. Ein akustischer Ausklang wäre hier durchaus zeitlich denkbar und passend gewesen. Aber auch ohne diesen gingen viele Zuhörer nach der knapp eineinhalbstündigen Performance positiv gestimmt zum Merchandise-Stand. Wallace stand dort für Signaturen oder Gespräche bereit. Das kommende Album „Terribly Good“ hatte sie noch nicht im Gepäck, dafür aber ihre noch aktuelle CD sowie ein schön gestaltetes Booklet mit Lyrics und Stories.

Skye Wallace rockte mit ihrer Band die Kulturrampe. Frisch, unverkrampft und energiegeladen fegte das Quintett aus Kanada über die Bühne. Kurz unterbrochen von einem geschickt in der Mitte des Programms platzierten akustischen Intermezzos, gingen die Songs durchweg ein hohes Tempo. Bei der Setlist setzte Wallace vor allem auf Titel ihrer letzten CD und spielte zudem eine Reihe aktueller Stücke von ihrem Album, das im Oktober erscheint.

Line-up:
Skye Wallace (lead vocals, guitars)
Gina Kennedy (keyboard, tambourine, bgv)
Jenna Strautman (bass, bgv)
Devon Lougheed (guitar, bgv)
Chris Dimas (drums)

Text und Bilder: Michael Segets

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