Margo Price – Strays – CD-Review

Review: Michael Segets

Margo Price war bislang vor allem in der Country-Sparte erfolgreich. Hohe Plazierungen in den entsprechenden amerikanischen und englischen Charts sprechen für sich. Darüber hinaus blickt sie auf mehrere Auszeichnungen sowie eine Grammy-Nominierung zurück. Auf ihrem vierten Studioalbum „Strays“ erweitert Price ihre musikalische Bandbreite. Mit ihrem countrytypischen Sopran konnte sie stimmlich oftmals in die Nähe der kürzlich verstorbenen Loretta Lynn gerückt werden. Nun zeigt Price auch gesanglich neue Facetten im Bereich des Rock, Pop und Americana.

In der ersten Hälfte von „Strays“ schlägt Price rockige Töne an. Der Opener und zugleich die erste Single „Been To The Mountain“ mit seinen leicht psychodelisch angehauchten Gesangseinsprengseln gibt dabei bereits die Richtung vor, die „Light Me Up“ fortführt. Dieses Highlight der CD beginnt sanft, nimmt dann Fahrt auf, um anschließend wieder das Tempo rauszunehmen. Price spielt hier raffiniert mit den Spannungskurven. Das I-Tüpfelchen setzt Mike Campbell (Tom Petty, The Dirty Knobs) an der E-Gitarre. Ebenfalls sehr gelungen ist die zweite Single „Change Of Heart“, das harmonisch rockt, ohne dabei glatt zu wirken.

Die Stücke auf dem Album sind durchgängig mit großer Bandbesetzung arrangiert. Eine Ausnahme bildet „Lydia“. Die akustische Gitarre von Price wird dort lediglich von Cello und Geigen begleitet. Als eher ungewöhnlich stellt sich der Einsatz von Synthesizern dar, auf den Price mehrmals zurückgreift. Nicht zuletzt deshalb erhalten einige Songs einen poppigen Touch. Am deutlichsten wird dieser bei „Radio“, das Price zusammen mit Sharon Van Etten singt. Besonders der beinahe schon als Teeny-Pop zu bezeichnende Track „Time Machine“ sticht heraus. Trotz dieser Kategorisierung hat der Song etwas und – so ungern ich das zugebe – er gefällt mir. Bei ihm war Price nicht am Songwriting beteiligt. Die anderen Titel verfasste sie meist in Kollaboration mit ihrem Mann Jeremy Ivey, von dem auch „Anytime You Call“ stammt. Bei dem unterstützen Jess Wolfe und Holly Laessig von Lucius Price am Mikro.

Entstanden sind die Songs überwiegend im Sommer 2021. Thematisch können die Texte als Rückblick auf verschiedene Krisen verstanden werden, die Price im Laufe ihres Lebens durchstehen musste. Ihre Biographie „Maybe We’ll Make It“ erschien im Oktober, sodass die Entstehung des Albums insgesamt in eine retroperspektive Phase von Price fällt. Musikalisch geht Price jedoch einen experimentelleren Weg und richtet damit den Blick nach vorn, um weitere Möglichkeiten der Selbstinterpretation auszuloten. Dass die Wahl der ersten Auskopplungen auf rockige Titel fiel, macht neugierig auf den zukünftigen Weg, den Price einschlägt.

Vor allem im hinteren Teil des Albums nimmt Price das Tempo allerdings zurück. Rudimentär sind noch einzelne Country-Einflüsse auszumachen („County Road“), aber insgesamt sind die Titel im Americana-Bereich zu verorten. Als Favorit unter diesen Stücken kristallisiert sich das atmosphärisch dunkle „Hell In The Heartland“ heraus.

Gemäß dem Albumtitel „Strays“ streunt Margo Price durch Gefilde des Rocks, Pops und Americana. Die Orientierung verliert sie bei dieser Unternehmung jenseits ihres Country-Reviers nicht. Gekonnt changieren die Songs zwischen den unterschiedlichen Stilrichtungen. Price experimentiert dabei mit vielfältigen Ausdrucksformen ohne den Boden zu verlieren. Man begleitet Price gerne bei ihrer Suche und es bleibt abzuwarten, wohin sie diese zukünftig führt: zurück zum Country oder auf zu neuen Ufern.

Loma Vista-Concord – Universal Music (2023)
Stil: Rock/Pop/Americana

Tracks:
01. Been To The Mountain
02. Light Me Up (feat. Mike Campbell)
03. Radio (feat. Sharon Van Etten)
04. Change Of Heart
05. County Road
06. Time Machine
07. Hell In The Heartland
08. Anytime You Call (feat. Lucius)
09. Lydia
10. Landfill

Margo Price
Margo Price bei Facebook
Oktober Promotion

Tom Petty And The Heartbreakers – Live At The Fillmore 1997 – CD-Review

Review: Michael Segets

Die Familie Petty und Mike Campbell (The Dirty Knobs), der langjährige Weggefährte von Tom Petty, halten die Erinnerung an den Ausnahmemusiker wach. „Wildflowers & All The Rest“ war bereits ein Mammutprojekt, das von ihnen gestemmt wurde. „Live At The Fillmore 1997“ erscheint nun ebenfalls als umfangreiche Zusammenstellung, bei der zudem Ryan Ulyate und Heartbreaker Benmont Tench an der Produktion – an der sich soundtechnisch nichts auszusetzen lässt – beteiligt waren.

Wie bei dem zuvor genannten Projekt liegen unterschiedliche Veröffentlichungsversionen vor. Das kürzere Paket umfasst drei LPs beziehungsweise zwei CDs, das längere jeweils doppelt so viele Tonträger. Die Deluxe-Ausgaben bieten neben der zusätzlichen Musik ein umfangreiches Booklet und ein paar Gimmicks. Die auf Vollständigkeit der Sammlung bedachten Fans, müssen also etwas tiefer in die Tasche greifen oder auf das Wohlwollen des Weihnachtsmanns hoffen.

Tom Petty And The Heartbreakers hatten Anfang 1997 zwanzig Auftritte innerhalb eines Monats im Fillmore, San Francisco. Dabei variierte die Band die Setlist jeden Abend und einige Auftritte wurden durch Gastmusiker wie Roger McGuinn (The Byrds) und John Lee Hooker veredelt. Auf „Live At The Fillmore 1997“ sind Mitschnitte von mehreren dieser Abende vertreten, wobei der Gesamtaufbau an dem eines Konzerts orientiert ist, beginnend mit der Begrüßung und endend mit der Verabschiedung. Dazwischen sind einige, erfreulicherweise von den Musiktracks gesplittete Zwischenbemerkungen eingestreut.

Die Deluxe-Ausgaben bietet 58 Songs, unter denen 35 Cover zu finden sind. Wer „The Live Anthology“ (2009) besitzt, kennt bereits fünf Versionen. „Green Onions“ auf der Anthologie wurde ebenfalls im Fillmore aufgenommen, aber an einem anderen Tag als die aktuell veröffentlichte Variante. Insgesamt sind wenige von Tom Pettys eigenen Klassikern vertreten, was insofern Sinn macht, dass sich „Live At The Fillmore 1997“ in erster Linie an Fans richtet, die diese sowieso schon in ihrem Bestand haben.

Dennoch verzichtet die Zusammenstellung nicht auf seine bekannten Titel, die teilweise in deutlich veränderten Interpretationen gespielt werden. So sind beispielsweise Pettys frühe Hits „American Girl“ und „Even The Loosers“ akustisch gehalten. „I Won’t Back Down“, langsam und mit viel Gefühl performt, begeistert dabei ebenso wie das über zehnminütige „Mary Jane‘s Last Dance”, bei dem die Heartbreakers ihrer Spielfreude freien Lauf lassen. Darüber hinaus sind Pettys Erfolgsnummern „Runnin‘ Down A Dream“, „Free Fallin‘“ oder „You Don’t Know How It Feels” vertreten.

Als besonders interessant stellen sich die Cover dar. Das Programm umfasst Stücke von The Kinks, The Byrds oder The Rolling Stones neben frühen Titeln des Rock ’n Roll (u. a. „Bye Bye Johnny“). Positive Überraschungen stellen „You Are My Sunshine“ und „Ain’t No Sunshine“ von Bill Withers dar. Vor allem aus heutiger Perspektive ist Bob Dylans „Knockin‘ On Heavens Door“ bewegend, das Petty in seiner einzigartigen Art singt.

Petty war ein hervorragender Songwriter und Interpret, was „Live At The Fillmore 1997“ eindrucksvoll belegt. Zu der musikalischen Qualität von Tom Petty And The Heartbreakers und ihrer Liveperformanz muss an dieser Stelle wohl weiter nichts gesagt werden. Der Leader und die Band sind perfekt aufeinander abgestimmt und präsentieren sich in Topform.

Bislang unveröffentlichte Cover sowie zum Teil deutlich veränderte Versionen eigener Stücke machen „Live At The Fillmore 1997“ zu einer sinnvollen Ergänzung jeder Musiksammlung. Die Zusammenstellung aus mehreren Konzertabenden beweist, warum Tom Petty And The Heartbreakers zu einer der besten Formationen der Rockgeschichte zählen.

Warner Records/Warner Music (2022)
Stil: Rock

Tracks:
CD 1
01. Pre-show (spoken interlude)
02. Around And Around
03. Jammin’ Me
04. Runnin’ Down A Dream
05. Good Evening (spoken interlude)
06. Lucille
07. Call Me The Breeze
08. Cabin Down Below
09. The Internet, Whatever That Is (spoken interlude)
10. Time Is On My Side
11. Listen To Her Heart
12. Waitin’ In School
13. Let’s Hear It For Mike (spoken interlude)
14. Slaughter On Tenth Avenue
15. Homecoming Queen Intro (spoken interlude)
16. The Date I Had With That Ugly Old Homecoming Queen
17. I Won’t Back Down
18. You Are My Sunshine
19. Ain’t No Sunshine
20. It’s Good To Be King

CD 2
01. Rip It Up
02. You Don’t Know How It Feels
03. I’d Like To Love You Baby
04. Diddy Wah Diddy
05. We Got A Long Way To Go (spoken interlude)
06. Guitar Boogie Shuffle
07. I Want You Back Again
08. On The Street Intro (spoken interlude)
09. On The Street
10. California
11. Let’s Hear It For Scott And Howie (spoken interlude)
12. Little Maggie
13. Walls
14. Hip Hugger
15. Friend Of The Devil
16. Did Someone Say Heartbreakers Beach Party? (spoken interlude)
17. Heartbreakers Beach Party
18. Angel Dream
19. The Wild One, Forever
20. Even The Losers
21. American Girl
22. You Really Got Me
23. Goldfinger

CD 3
01. Mr. Roger McGuinn (spoken interlude)
02. It Won’t Be Wrong
03. You Ain’t Going Nowhere
04. Drug Store Truck Drivin’ Man
05. Eight Miles High
06. Crazy Mama
07. Everyone Loves Benmont (spoken interlude)
08. Green Onions
09. High Heel Sneakers
10. John Lee Hooker, Ladies And Gentlemen (spoken interlude)
11. Find My Baby (Locked Up In Love Again)
12. Serves You Right To Suffer
13. Boogie Chillen
14. I Got A Woman

CD 4
01. Sorry, I’ve Just Broken My Amplifier (spoken interlude)
02. Knockin’ On Heaven’s Door
03. Honey Bee
04. County Farm
05. You Wreck Me
06. Shakin’ All Over
07. Free Fallin’
08. Mary Jane’s Last Dance
09. Bye Bye Johnny
10. (I Can’t Get No) Satisfaction
11. It’s All Over Now
12. Louie Louie
13. Gloria
14. Alright For Now
15. Goodnight (spoken interlude)

Tom Petty
Warner Records
Oktober Promotion