Sunken Lands – Burning Desire – CD-Review

Review: Michael Segets

Das zweite Album soll ja das schwerste sein. An ihm zeigt sich letztlich die Substanz einer Band. Sunken Lands haben sich auf ihrem selbstbetitelten Debüt im Jahr 2023 dem Alternative Country verschrieben und gehen nun diesen Weg konsequent weiter. Mittlerweile zum Sextett angewachsen – Johan Zielstra (Hammond Orgel und Klavier) ist hinzugestoßen – legen die Niederländer mit „Burning Desire“ zehn Tracks vor, die denen ihres Erstlings in nichts nachstehen.

Sunken Lands favorisieren ‚Sad Songs‘ und so finden sich auch auf dem neuen Werk einige Balladen („Wrong Side Of The Tracks, „Breaking The Chains“, „Mountains“) und Stücke im unteren Tempobereich („Wildflower“). Ins Ohr geht in diesen Kategorien vor allem „Remember Me“. Aber auch sonst sind die Songs durchweg als gelungen zu bezeichnen, selbst wenn sie das Genre nicht revolutionieren.

Stärker als die Balladen schätze ich allerdings die Country-Songs im Midtempo ein. Der Opener „The Last Train“ rollt schön los und bringt textlich eine Variante in den bekannten Topos ein, indem nicht nur das Ausbrechen aus den gewohnten Bahnen thematisiert wird, sondern auch das Zurückkehren zu ihnen. Später findet sich mit „Darker Days“ ein gleichfalls hervorzuhebende Nummer.

Ebenso ist das rockigere „Burning Desire“, das dem Album seinen Namen gegeben hat, auf der Habenseite zu verbuchen. Sie beiden im Richtung Roots Rock gehenden Beiträge „Keep Running“ und „Catch On Fire“ sind geschickt zwischen die getragener wirkenden Stücke platziert, wodurch sie das Album auflockern. Insgesamt bietet der Longplayer so eine Mischung aus der Spannbreite des Alternative Country. Vielleicht hätten einige Ecken und Kanten in manchen Songs deren Wiedererkennungswert erhöht, aber wirklich vermisst werden lediglich die Southern-Anleihen, die auf dem Debütwerk bei dem herausragenden „We Take It For Granted“ noch durchschienen.

Die Band rund um Frontmann Edwin Jongedijk verdiente sich bereits Sporen mit ihren Liveshows, bei denen sie unter anderem mit The Long Ryders auftraten. Dem neuen Album soll eine Tour folgen, sodass sich ein Augenoffenhalten bei den Konzertterminen lohnt.

Eigenproduktion (2025)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. The Last Train
02. Burning Desire
03. Wildflower
04. Wrong Side Of The Tracks
05. Keep Running
06. Breaking The Chains
07. Darker Days
08. Catch One On The Fly
09. Remember Me
10. Mountains

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Marina Rocks – S.O.S. Texas – CD-Review

Review: Michael Segets

Die niederländische Agentur JohTheMa Promotions verbreitet nicht nur die Musik interessanter Bands aus dem Benelux-Raum, sondern unterstützt auch von Zeit zu Zeit amerikanische Künstler*innen, die man auf dieser Seite des Atlantiks nicht unbedingt auf dem Schirm hat. Viel Freude hat beispielsweise Ted Russel Kamp mit seiner CD „California Son“ sowie seinem „Auftritt in der Krefelder Kulturrampe bereitet. Über die Agentur flatterte nun das aktuelle Album der Texanerin Marina Rocks ins Haus. Die Eigenproduktion „S.O.S. Texas“ erschien bereits im April.

Die Songwriterin gewann seit 2012 einige Wettbewerbe wie Eddies Attic Songwriter Shootout im Jahr 2019. Zuvor konnten namhafte Musiker wie John Mayer den Contest (2000) ebenfalls für sich entscheiden. Der große Durchbruch steht bei Rocks allerdings noch aus. Einblicke in ihr Songwriting gibt ihr drittes Album mit neun Eigenkompositionen.

Eigentlich sind es acht statt neun Songs, die Rocks präsentiert. „One More Song“ ist auf dem Longplayer in zwei Versionen vertreten. „One More Song (Rewind)“ bringt eine auf akustische Gitarrenbegleitung minimalisierte Interpretation zum Abschluss des Werks zu Gehör. Der Gesang von Rocks weist hier deutliche Parallelen zu dem von Lucinda Williams auf.
Die Verbindung ist auch bei der rockigen Single „It’s All Messed Up“ nicht von der Hand zu weisen. Von dem rauen Opener outete sich Ray Wylie Hubbard als Fan. Ich habe eine Faible für solche nöligen Töne, die manchmal mit gewohnten Harmonien brechen, solange sie insgesamt melodisch bleiben. Dies kann Rocks attestiert werden.

Der zweite Track „S.O.S.“ groovt ebenfalls. Rocks bettet in ihn eine Sprechgesang-Passage ein, die funktioniert. Schwieriger ist „The Hollywood Sign“, bei dem die gesprochenen Parts anfänglich etwas zu viel Raum einnehmen. Dennoch hat das Stück, das a cappella einsteigt, einen stimmungsvollen Refrain. Die getragene Atmosphäre wird durch die Mundharmonika von Gary Weldon gefördert.

Weiterhin finden sich zwei Instrumentals auf der CD („I Don’t Know“, „Starlight“). Beide Beiträge wirken entspannt, wobei Rocks‘ Gitarrenspiel einen Vergleich zu Ry Cooder zulässt. Ähnlich angelegt, allerdings mit etwas Text und einer auffälligeren Percussion unterlegt, ist „Slap Happy“. Die Multiinstrumentalistin – Rocks übernimmt neben Gitarre, Keys, Bass und Schlagzeug eben auch die Percussion – überrascht auf „Mind’s Eye“ mit einem Reggae-Rhythmus, der zeigt, dass sie sich nicht auf eine Stilrichtung festlegt.

Marina Rocks veröffentlicht mit „S.O.S. Texas“ ein stilistisch abwechslungsreiches Album. Die stimmlich und gesanglich Nähe zu Lucinda Williams spielt sie sowohl bei rockigen als auch langsamen Songs aus. Davon höre ich auch in Zukunft gerne mehr.

Eigenproduktion (2025)
Stil: Rock and more

Tracks:
01. It’s All Messed Up
02. S.O.S.
03. The Hollywood Sign
04. I Don’t Know
05. One More Song
06. Mind’s Eye
07. Slap Happy
08. Starlight
09. One More Song (Rewind)

Marina Rocks
JohThema Promotions

Morgen Wallen – I’m The Problem – Do-CD-Review

Morgan Wallen beherrscht, seit der Veröffentlichung seines zweiten Albums „Dangerous“ (mit satten 30 Tracks) , mittlerweile seit gut fünf Jahren die Country-Szene und auch die arrivierte Konkurrenz nach Belieben. Selbst einige üble private Eskapaden, konnten seine Popularität nicht ankratzen, das 2023 nachgeschobene „One Thing At A Time“ (diesmal mit 36 Stücken),  entwickelte sich seitdem ebenfalls zum Dauerbrenner.

Wallen bleibt egal, was er macht, zumindest bei seiner stetig wachsenden Fanbase ‚Everybody’s Darling‘. Er ist dabei, zu einem der aller größten Country-Künstler dieser Zeit zu werden! Diese Ambitionen werden nun durch das Werk „I’m The Problem“ nochmals tatkräftig untermauert.

Und zumindest was die Anzahl der Stücke betrifft, weist es eine erneute Steigerung auf. Jetzt sind es sogar 37 an der Zahl, physikalisch wieder als Doppel-CD und Dreifach-LP zu erwerben.

Das Problem, bei einer zeitnahen Rezension einer Veröffentlichung dieser Dimension, ist die Kürze der Zeit einer Bewertung, da, wie oft schon erlebt, sich Songs erst nach mehrmaligem Hören oder einer gewissen Zeit ‚entwickeln‘. Deshalb wäre es derzeit vermessen, Vergleiche zu den beiden Vorgängern zu ziehen.

Es ist klar, dass bei der ungeheuren Anzahl der Titel sich immer die Frage stellen wird, ob hier mehr auf Quantität oder Qualität gesetzt wird, aus meiner Sicht, überwiegt letztendlich die Qualität, anders ist der kontinuierliche Erfolg wohl kaum durchzuhalten.

Hier daher ein paar spontane Eindrücke: Wie der Album-Titel es schon suggeriert, weiß Morgan schon, sich und seine ‚dunklen‘ Seiten selbst zu reflektieren, auch wenn der Titelsong sich thematisch eher mit einer Beziehung auseinander setzt. In die Richtung interpretierbare Anspielungen findet man u. a. in Liedern wie „Superman„, „Kick Myself“, „Genesis, oder beim finalen Stück als gute Zusammenfassung seines bisherigen Lebens „I’m A Little Bit Crazy„.

Musikalisch würde ich den Opener, „I’m The Problem„, „Superman“, die Kooperation mit Pop-Sternchen Tate McRae auf „What I Want“ und das Duett mit Eric Church auf „Number 3 and Number 7“ als die schillernden Nummern auf dem ansonsten ein wenig im Midtempo dahinplätschernden ersten Silberling (allerdings ohne tatsächlich schwachen Song – ich kenne eh keinen von ihm), charakterisieren.

Der zweite Part weist aus meiner Sicht zumindest nach kurzer Betrachtung deutlich mehr Dynamik auf. Klasse hier die country-rockigeren Sachen wie „Come Back As A Redneck“ (feat. HARDY, mit dezentem Marshall Tucker Band– Flair) und der swampige „Working Man’s Song“ (mit schönen E-Soli), mit leichter Skynyrd– Note.

Das fluffig dahinrauschende „Love Somebody“ (mit herrlichem Flamenco-artigen Akustikgitarren-Solo) entpuppt sich, zumindest aus meiner Sicht, als der eingängigste Ohrwurm der Gesamt-.Scheibe. Sehr atmosphärisch kommt die Piano-getränkte Ballade „Drinking Til It Does“. Den tollen Abschluss bildet das reduziert gehaltene, mit einer Akustikgitarre untermalte Countrystück „I’m A Little Crazy“, das voller Selbstkritik strotzt, aber auch die eigene Schuld wieder ein wenig relativiert („I’m a little crazy but the world’s insane“).

Am Ende meine ich mich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte, dass „I’m The Problem“ auch wieder durch die Decke gehen wird und Morgan Wallen (zumindest) in den Country-Billboard-Alben-Charts vom Langzeit-Double-Spitzenreiter zum Dauer-Triple-Anwärter avancieren wird.

Ich freue mich schon auf den 28. Mai, wo es mir vergönnt sein wird, diesen schillernden Musiker erstmals im Londoner Roundhouse live erleben zu können.

Big Loud / Republic / Universal (2025)
Stil: New Country

Tracks:
CD1
01. ’m The Problem
02. I Got Better
03. Superman
04. What I Want feat. Tate McRae
05.Just In Case
06. Interlude
07. Falling Apart
08. Skoal, Chevy, and Browning
09. Eyes Are Closed
10. Kick Myself
11. 20 Cigarettes
12. TN
13. Missing
14. Where’d That Girl Go
15. Genesis
16. Revelation
17. Number 3 and Number 7 feat. Eric Church
18. Kiss Her In Front Of You
19. If You Were Mine

CD2
01. Don’t We
02. Come Back As A Redneck feat. HARDY
03. Love Somebody
04. Dark Til Daylight
05. The Dealer feat. ERNEST
06. Leavin’s The Least I Could Do
07. Jack and Jill
08. I Ain’t Comin’ Back feat. Post Malone
09. Nothin’ Left
10. Drinking Til It Does
11. Smile
12- Working Man’s Song
13. Whiskey In Reverse
14. Crazy Eyes
15. LA Night
16. Miami
17. Lies Lies Lies
18. I’m A Little Crazy

Morgan Wallen
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Universal Music Group

Giant – Stand And Deliver – CD-Review

Giant ist eine Band, die wenn man es hierstreng nehmen würde, rein musikalisch in diesem Magazin nicht vermutet werden würde, aber allein durch die Tatsache, dass der ehemalige Fronter und Gitarrist Dann Huff heißt, wäre schon Grund genug.

Der ist zwar jetzt nicht mehr dabei, aber auch sein Bruder David Huff (drums) und Nashville Star-Studiomusiker Mike Brignardello (bass), vertreten auf unzähligen hier besprochenen New Country-Scheiben, bieten genug Argumente, eine Melodic Rock-Scheibe auf dieser Plattform guten Gewissens zu besprechen. 

Giant veröffentlichten Ende der 1980er- und Anfang der 1990er Jahre mit den Alben „Last Of The Runaways“ und „Time To Burn“ zwei wegweisende AOR-Genre-Klassiker. Mit der aufkommenden Grunge-Welle waren die glorreichen Zeiten des Quartetts jedoch frühzeitig besiegelt.

Nachdem man sich 2000 nochmals für ein drittes Album („Giant III“) zusammengefunden hatte, verließ Dann Huff aufgrund seiner immer größer werdenden New Country-Ambitionen die Band und nahm bei weiter folgenden Reunions nur noch eine Gastrolle ein.

Jetzt haben Giant mit „Stand And Deliver“ ihr nunmehr sechstes Werk auf dem arrivierten Frontiers-Label am Start, neben David und Mike sind wie schon auf „Shifting Time“) Kent Hilli (Perfect Plan) am Mikro und Jimmy Westerlund (One Desire) mit von der Partie.

Die neue Scheibe mit den elf Tracks bietet natürlich alles, was ein  Album in Sachen Melodic Rock/AOR auf  Top-Niveau bieten sollte.

Starke, charismatische Leadvocals von Hilli, die sich im Bereich zwischen David Coverdale und Jimi Jamison bewegen, Westerlund lässt die E-Gitarre in allen typischen Tönen surren, fiepen und heulen, in Verbindung natürlich mit vielen Fills und quirigen Soli. Huff und Brignardello liefern die eingespielte Weltklasse- Rhythmus-Untermalung.

Beginnend mit dem treibenden Opener „It’s Not Right“ bis zum krawallig rockenden  Stück 5,  „Beggars Can’t Be Choosers“ geht es durchgehend temporeich los, erst „It Ain’t Over Till It’s Over“ bietet ein paar ruhigere Moment in den Strophen, gefolgt aber von pathos-getränkten Powerrefrains.

Der Highlight-Song, und demnach folgerichtig auch der Title-Track ist „Stand And Deliver“, der absolutes Klassiker-Potential aufweist. „Time To Call It Love“ und „Paradise Found“ entpuppen sich als weitere emotionale hymnische Power-Balladen, bevor dann im Schlussteil wieder ordentlich, aber natürlich immer melodisch gerockt wird.

Das grandiose „Holdin‘ On For Dear Life“, wo man meinen könnte, die Black Crowes hätten sich auf Melodic Rock-Pfade begeben und das abschließende „Pleasure Dome“, das in Van Halens Zeit mit Sammy Hagar (auch hier klingt Hilli sehr ähnlich) passen könnte, beenden wieder sehr knackig das hochklassige Melodic Rock-Vergnügen.

„Stand And Deliver“ beweist somit eindrucksvoll, dass Giant auch in der heutigen Zeit noch liefern. David Huff hat in der Tat recht, wenn er konstatiert: „The legacy of Giant lives on!“

Frontiers Records (2025)
Stil: Melodic Rock, AOR

Tracks:
01. It’s Not Right
02. A Night To Remember
03. Hold The Night
04. I Will Believe
05. Beggars Can’t Be Choosers
06. It Ain’t Over Till It’s Over
07. Stand And Deliver
08. Time To Call It Love
09. Holdin‘ On For Dear Life
10. Paradise Found
11. Pleasure Dome

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Frontiers Music

Charlie Musselwhite – Look Out Highway – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

“Look Out Highway” heißt das neue Studioalbum von Charlie Musselwhite. Schon eine kurze Hörprobe verlangt geradezu nach tiefer gehender Recherche, nach Retrospektive auf die Biografie des heute 81-jährigen Blues-Harp Spielers, Sängers, Songwriters und Gitarristen. Geboren in Mississippi, aufgewachsen in Memphis in den 1940/50er Jahren als Kind musikaffiner Eltern, kam “Memphis Charlie” früh mit vielen Stilrichtungen und vor allem Blues-Einflüssen in Berührung. Auf Jobsuche zog der 18-jährige nach Chicago, wo die Szene gerade die Elektrifizierung des ländlichen Delta-Blues zum Chicago-Style vorantrieb und spielte seine Harp-Power bereits 1965 auf dem John Hammond Album “So Many Roads”, u.a. mit The Band als Begleitung. Nur ein Jahr später erschien das eigene Debut-Album “Stand Back! Here Comes Charlie Musselwhite’s South Side Band”, ein legendäres Blues-Meisterwerk.

Charlie Musselwhite hatte mit 22 Jahren den Durchbruch geschafft und ist heute fast sechs Jahrzehnte und über 20 Alben, sowie unzähligen Kollaborationen später (u. a. Tom Waits, John Lee Hooker, Gov’t Mule, Eddie Vedder – um nur wenige zu nennen), Urgestein der US-Blues-Geschichte. Wieder in Clarksdale, Mississippi-Delta (dem Geburtsort seines Freundes John Lee Hooker) zu Hause, hat Musselwhite nach “Mississippi Sun” (2022) nun “Look Out Highway” aufgelegt. Ein Album, das erneut dazu auffordert, das Blues Revival der 60er zu erkunden. Klassisch und modern zugleich kommen der straighte Titelsong und das Memphis-soulige “Sad Eyes” aus den Startlöchern. Das neu eingespielte “Baby Won’t You Please Help Me” schließt übrigens den Kreis zum Meisterwerk “Stand Back!”, progressiv, ohne Hinweis auf sein Alter.

Natürlich sind es wesentlich die Harmonica-Parts, die “zweite Stimme” Musselwhite’s, die “Storm Warning“ stürmisch klingen und auf dem “Highway 61” die Wheels rollen lassen. Die 11 Eigenkompositionen, mit unbändiger Blues-Energie ausgestattet, üben unterschwellig eine temperamentvolle Anziehungskraft aus. Titel, wie “Hip Shakin’ Mama” oder “Ramblin’ Is My Game”, die in stompigen Rhythmus-Elementen nach Bewegung verlangen und unwillkürlich in den Bann ziehen. Wenig überraschend erscheint in diesem Zusammenhang, dass Dan Aykroyd als Harmonica spielender Blues Brother Elwood seinem Vorbild in “Blues Brothers 2000” mit der Supergroup The Louisiana Gator Boys ein kultiges Denkmal setzte.

Diese Erinnerungskultur pflegt Charlie Musselwhite selbst mit dem Instrumentalstück “Blue Lounge” als Reminiszenz an Chuck Berry und entwickelt dabei ebenso dezent schwebende Blues-Flügel wie Peter Greens “Albatros”. Eine musikalisch-emotionale Verbundenheit auch mit Künstlern der jüngeren Generation bieten der Gastbeitrag von Blues-Sängerin Edna Luckett beim entspannten Midtempo-Titel “Ready For Times To Get Better”, sowie der standesgemäße Sprechgesang von Memphis-Rapper Al Kapone auf dem rasanten “Ghosts In Memphis”. Die unbeschwerte Highway Freiheit im klassischen Blues Akkord zu genießen, wird zum Schluss von “Open Road” noch einmal in Szene gesetzt. Mit 33 Blues Music Awards, 15 Grammy Nominierungen, dem Grammy für “Get Up”, sowie der Aufnahme in die Blues Hall of Fame 2010, hat Charlie Musselwhite eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten. Ob damit seine Kunst, durch ein kleines Instrument, welches wunderbar zum Blues passt, ausreichend bewertet ist, sei dahingestellt. In unseren Breiten wird sein Lebenswerk wahrscheinlich unterschätzt.

Charlie Musselwhites neues Album “Look Out Highway” enthält eine brillante Mischung, ein zündendes Feuerwerk, handgemachter Delta und Chicago Blues Aufnahmen, die mit Memphis Soul und etwas Americana angereichert sind. Eine ausgezeichnete Produktion der traditionellen Roots-Music, die den Titel des Best Blues Harp Album of the Year mehr als verdient – also Stand Back, Here comes Charlie Musselwhite!

Forty Below Records (2025)
Stil: Blues, Roots

Tracks:
01. Look Out Highway
02. Sad Eyes
03. Storm Warning
04. Baby Won’t You Please Help Me
05. Hip Shakin‘ Mama
06. Highway 61
07. Ready For Times To Get Better
08. Ramblin‘ Is My Game
09. Blue Lounge
10. Ghosts In Memphis
11. Open Road

Charlie Musselwhite
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Devious Planet

The Comancheros – 30.04.25 – Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Die Comancheros fegen mit einer Mixtur aus Heavy-, Country- und Southern Rock wie ein Tornado durch die Kulturrampe. Der energiegeladene Auftritt des Trios sorgt für beste Stimmung bei den Fans und hätte eine weit vollere Location verdient gehabt.

Tanner Jones jagt wie ein Derwisch über die Saiten seiner Gibson Explorer und übernimmt bei den meisten Songs mit seiner rauen Stimme die Lead Vocals. Dabei lässt er wie Bassist Jon Green oft die Haare headbangend wehen, und zeigt wie belastungsfähig eine Halswirbelsäule sein kann. Drummer Michael Cook treibt an den Drums die beiden anderen Bandmates regelrecht vor sich her.

Mit seiner Kopfbedeckung wirkt er fast wie ein Schamane, der die Drumsticks durch die Luft wirbeln lässt. So wie er die Drums bearbeitet, ist es nicht verwunderlich, dass nach einigen Songs zunächst die Fellmütze weggelegt wird und er sich später auch der Jacke und des Johnny Cash Shirts entledigt, um teilweise stehend und tanzend sein Instrument zu beackern.

So vergehen 90 schweißtreibende Minuten wie im Flug, in denen die Band die Fans brachial in den Mai tanzen lässt und direkt nach der Show den Abend am Merchandising Stand ausklingen lässt.

Line-up:
Tanner Jones – lead vocals, guitar
Jon Green – bass, vocals
Michael Cook – drums

Text & Bilder: Gernot Mangold

The Comancheros
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Kulturrampe

Little Feat – Strike Up The Band – CD-Review

Mit Little Feat verbinden Menschen meiner Generation sicherlich zunächst mal den Auftritt bei der legendären Premiere der Rockpalast-Nächte in der Essener Grugahalle, wo die Band den Mittelteil bildete, nachdem zuvor Rory Gallagher den bunten Reigen eröffnet hatte.

Reichhaltig bestückt mit charismatischen Musikern wie u. a. Lowell George, Bill Payne, Paul Barrere oder dem energiegeladenen Drummer Richie Hayward begeisterten sie mit einer Rockshow, die auf einem reichhaltigen Fundament diverser hier hervorragend ineinander greifender Stile wie Country, Americana, Jazz, Soul, Funk, Blues, Southern Rock und Boogie basierte.

Ihr kurze Zeit später veröffentlichtes Live Doppelalbum „Waiting For Columbus“ erreichte Platin-Status und gehörte damals zum Standard jeder gut sortierter Plattensammlung. Auch der Tod diverser Bandmates wurde bis zum heutigen Tage immer wieder kompensiert, mittlerweile zieht Gründungsmitglied Bill Payne die Fäden und hält den musikalischen Spirit des Ensembles weiter aufrecht.

In kreativer Hinsicht war es längere Zeit ruhig, nun gibt es „Strike Up The Band“ nach dreizehn Jahren wieder ein neues Studioalbum, das in der Besetzung Billy Payne (Keys), Fred Tackett an (guitars, voc), Kenny Gradney am Bass und Sam Clayton (percussion, voc) samt der jüngeren Mitglieder wie Scott Sharrard als Lead-Gitarrist und Sänger sowie Tony Leone (drums, voc) eingespielt wurde.

Dreizehn neue Stücke, die auch wieder für die anfangs beschriebene Diversität der Truppe stehen und nur so vor Spielfreude und Energie strotzen. Allein schon der Opener „4 Days of Heaven 3 Days of Work“ das slide-trächtige, swampige „Bayou Mama“ und auch die vorab ausgekoppelte flippig-launige Single „Too High To Cut My Hair“ vermitteln sofort den unwiderstehlichen Groove, für den der Name Little Feat seit je her bekannt ist. Souligen Southern Rock bietet das tolle „Midnight Flight“ – an dem Stück hätte Gregg Allman sicher auch seine helle Freude gehabt.

Der genau in der Mitte, quasi als Centersong platzierte Titelsong „Strike Up The Band“  wartet mit einer Gastpräsenz des angesagten Duos Larkin Poe auf, das wunderschöne weibliche Harmoniegesänge beisteuert. Hier kommen auch Band Of Heathens-Fans auf ihre Kosten, die sicherlich von weiteren Tracks wie „Shipwrecks“ und dem melodischen und wohl eingängigsten Track „Disappearing Ink“ begeistert sein werden.

Tex-Mex-Liebhaber kommen bei den variantenreich gestalteten „Bluegrass Pines“ (feat. Molly Tuttle, Larry Campbell & Teresa Williams) und dem fröhlich-beschwingten „Dance A Little“ auf ihre Kosten, delta-bluesig geht es auf „Running Out Of Time With the Blues“ zu.

Und wem das alles noch nicht genug ist, der bekommt am Ende noch ein typisches New Orleans-Feeling, pendelnd zwischen Trauer und unbändiger Freude, auf „New Orleans Cries When She Sings“ vermittelt.

Fazit: Bill Payne hat auf „Strike Up The Band„ weiterhin eine schlagkräftige Truppe um sich versammelt, die spielend leicht den bewährten erfinderischen Little Feat-Sound in die aktuelle Zeit transportiert. Little Feat hinterlassen hier ein großen musikalischen Fußabdruck und sind ein heißer Kandidat für das Album des Jahres! Dicke Kaufempfehlung!

Hot Tomato Productions, Proper / Bertus (2025)
Stil: Blues Rock and more

Tracks:
01. 4 Days of Heaven 3 Days of Work
02. Bayou Mama
03. Shipwrecks
04. Midnight Flight
05. Too High To Cut My Hair
06. When Hearts Fall
07. Strike Up The Band
08. Bluegrass Pines
09. Disappearing Ink
10. Love and Life (Never Fear)
11. Dance A Little
12. Running Out Of Time With the Blues
13. New Orleans Cries When She Sings

Little Feat
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v2 Promotion

Michael Schenker – 28.04.2025 – Zeche, Bochum – Konzertbericht

Michael Schenker zeigt in der Bochumer Zeche eindrucksvoll, warum er nach seinem Einstieg bei UFO als German Wunderkind bezeichnet wurde. Für auf den Punkt gespielte Soli bekommt er mehrfach Szenenapplaus der enthusiastisch mitgehenden Fans. Es ist zu erkennen, wie Schenker aber auch die anderen Musiker diese Stimmung regelrecht aufsaugen. Einen großen Anteil an dem furiosen Konzert hat auch der Schwede Erik Grönwall, der auf der Tour die Vocals übernimmt.

Mit seiner jugendlichen Dynamik haucht er den mittlerweile 50 Jahre alten Songs aus Schenkers UFO-Zeit gefühlt neues Leben ein. Das fast komplett durchgespielte Live-Album “Strangers In The Night” bildet das Gerüst des etwa 100-minütigen Konzerts. Bei “Doctot Doctor” und “Love To Love” setzt Steve Mann mit sphärischen Keyboardintros Akzente, erhält aber auch von Schenker den Spielraum für einige Gitarrensoli.

Atemberaubend ist der knallharte Rhythmus, den Bassist Barend Courbois, der posend Meter auf der Bühne macht und Bodo Schopf an den Drums hinlegen. Mit einer gigantischen Version von “Rock Bottom”, mit einem mehrminütigen jammenden Part, beendet Michael Schenker mit seiner Band zunächst das Konzert, um direkt noch zwei Zugaben anzukündigen. “Shoot Shoot” und “Too Hot to Handle”, die er Paul Raymond und Pete Way widmet, sind das finale Furioso eines Abends mit einem Michel Schenker, aber auch dem Rest der Band in Höchstform.

Die beiden Bands Rook Road und Human Zoo konnten als Support auf sich aufmerksam machen und verkürzten die Wartezeit der Fans auf Michael Schenker.

Line-up:
Michael Schenker (lead guitar)
Erik Grünwall (lead vocals, acoustic guitar)
Steve Mann (guitar, keyboards)
Barend Courbois (bass)
Bodo Schopf (drums)

Text & Bilder: Gernot Mangold

Michael Schenker
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Zeche Bochum
Lucky Bob Music Agency

Ally Venable – Money & Power – CD-Review

Eigentlich haben mir bis dato alle Longplayer von Ally Venable gut gefallen, aber mit dem 2023er Werk „Real Gone“ hievte sie sich auf eine deutlich spürbar höhere Ebene. Für mich persönlich war es eines der besten Alben des Jahres, auch im Allgemeinen gesehen.  Damit verbunden natürlich auch eine hohe Bürde, was den Nachfolger betrifft.

Und der steht jetzt mit „Money & Power“ an, für den die Texanerin wieder nach Nashville gegangen ist. Sie hat sich – frei nach dem auch sicherlich  im Musikbiz gültigen Prinzip ‚Never change a winning team‘-  wieder den erfahrenen Musiker, Songschreiber und Produzenten Tom Hambridge erneut ins Boot geholt. Die beiden entwickeln sich, wie auch der neue Silberling wieder beweist, zu einer perfekt funktionierenden Gemeinschaft.

Der Blick auf das Coverbild wird, auch wenn es vermutlich ironischen Charakter hat, im Rahmen der hier vermeintlich unterstützenden Frauenbewegung (O-Ton Ally: „Frauen dürfen in ihrer Fähigkeit, in der Welt zu bestehen, niemals infrage gestellt werden“), aus meiner Sicht einen eher kontraproduktiven Effekt bewirken.

Provokatives Posen, Zigarre rauchend in barockem (Bordell)-Hinterzimmer-Ambiente: da werden sich die meist von wenig Humor geprägten und biestigen Feministinnen wohl  eher pikiert echauffieren, denn irgendeine Sinnhaftigkeit in Richtung Gleichberechtigung oder Emanzipation interpretieren.

Wie dem auch sei, der Beginn mit seinem ‚Stones meets Rosssington Collins Band‘-southern rockigen Flair ist ein perfekter Einstieg, der von einem stechenden Gastgitarrensolo des aus Mississippi stammenden Überfliegers Christone ‚Kingfish‘ Ingram verziert wird,

Die im weiteren Verlauf von Ally und Tom geschriebenen Stücke, bieten sehr viel Abwechslung, in Sachen Tempi und Atmosphäre, aber auch, was unterschiedliche Musik-Strömungen angeht. Und sowas  kann man eigentlich nur mit nahezu perfekten Begleitmusikern umsetzen.

Neben ihren beiden etatmäßigen Bühnenbegleitern Isaac Pulido und EJ Bedford mischen auch Weltklasse-Gitarrist Kenny Greenberg oder Tastenvirtuose Tim Lauer mit.  Dazu kommen noch die pfiffigen Background Vocals des Hambridge-Clans (Rachel, Sarah und Tom).

Der Titelsong „Money & Power“ ist – nomen est omen – pure Blues Rock Power, da werden selbst Ted Nugent-Fans den Gitarrenriffs und -soli ihre Ehrfurcht erweisen. Da braucht es dann erstmal einen schönen Slow Blues wie „Do You Cry„, um halbwegs wieder runterzukommen. „Heal Me“ hätte mit den tollen Slide-Einlagen auch auf jedes RCB-Album gepasst.

Mit dem shuffligen „Stopper Back Papa“ beginnt eine Phase, in der in den mehr eingängigen Bereich umgeswitcht wird, trotzdem bleibt alles natürlich sehr E-Gitarrenlastig. „Legends“ hat was vom 90er Pop-Rock der Bangles, „Keep Me In Mind“ ist ein absoluter Ohrwurm und somit auch mein Favorit des Albums, auch wenn ich mir hier, statt des etwas uninspiriert wirkenden Endes, einfach nur ein songdienliches E-Solo in der Mitte gewünscht hätte.

Hier kann Ally auch mal schön aus dem görenhaften Gesang herausbrechen und ihre durchaus variable Stimmseite in den Vordergrund stellen. Auf vokalem Parkett hat sie dann beim tollen Duett mit der furios singenden Shemekia Copeland in „Unbreakable“ („Dieser Song verbreitet eine Botschaft von Frauen, die unterdrückt wurden“) natürlich einen schweren Stand, meistert das aber ganz gut.

„Steppinig Stone“ überrascht dann wieder mit einer Portion 90er-Pretenders-Note. Den krönenden Abschluss bildet aber das in der Originalversion von Janet Jackson fast nicht topbare „Black Cat“, der diesen tollen Song noch mal in der Blues Rock 4.0-Version aufleben lässt.

Tom & Ally – das passt!  Ich hätte nie gedacht, dass das auf „Real Gone“ erzielte Niveau mit „Money & Power“ erneut gehalten werden kann. Die gerade mal 26-jährige Texanerin Ally Venable katapultiert sich mit diesem fulminanten Werk endgültig in das Nonplusultra der weiblichen Blues Rock-Riege.

Ich freue mich schon jetzt die Tracks bei ihrem bereits bestätigten, nächsten Gig im Rheinberger to hoop in der Live-Version begutachten zu können!

Ruf Records (2025)
Stil: Blues Rock

Tracks:
01. Brown Liquor
02. Maybe Someday
03. Money & Power
04. Do You Cry
05. Heal Me
06. Stopper Back Papa
07. Legends
08. Keep Me In Mind
09. Unbreakable
10. Steppinig Stone
11. Feel That Sting
12. Black Cat

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Ruf Records
Brooke Lynn Promotion

King King – Support: These Wicked Rivers – 27.04.2025 – Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

These Wicked Rivers zeigen als Vorband von King King, dass ein Support auch ein Gewinn für einen Konzertabend sein kann. Im sehr gut besuchten Musiktheater Piano spielt die Band ein Programm, das insbesondere bei Freunden des Southern Rock Freude aufkommen ließ. Das Quintett aus Derby nutzt mit seinem überzeugenden Auftritt die Gunst der Stunde, im knapp 40 minütigen Set Werbung in eigener Sache zu machen.

Line-up These Wicked Rivers:
John Hartwell (Lead Vocals and Rhythm Guitar)
Arran Day (Lead Guitar and Backing Vocals)
Jon Hallam (Bass)
Dan Southall (Drums)
Ric Wilson (Keyboards)

Um kurz nach 21:00 Uhr betreten die Schotten dann die Bühne im gut gestimmten Piano und lassen es über 100 Minuten krachen. Sie haben zwar seit dem 2020er Werk “Maverik” keine neue Scheibe rausgebracht, aber im Vergleich zum Vorjahr einige Songs ausgetauscht. Sie bringen mit „Cried Out For Love“ ein Stück, das erst vor kurzem als Single veröffentlicht wurde und schon einmal Appetit auf das im Herbst geplante neue Album macht.

Alan Nimmo wie gewohnt mit Schottenrock auftretend zeigt eine starke Bühnenpräsenz, gewährt seinem Bruder Stevie aber bei einigen Tracks die Bühne, um sich mit starken Soli und auch kraftvollen Gesangsparts in den Vordergrund zu spielen.

Auch Jonny Dyke kann mit einigen Soli an der Hammondorgel und den Keyboards sein Können zeigen und Bassist Zander Greenshields sowie Drummer Andrew Scott legen mit ihrer Rhythmusarbeit das Fundament des gut ausgesteuerten transparenten Sounds.

Line-up King King:
Alan Nimmo (lead vocals, guitars)
Stevie Nimmo (guitars, vocals)
Zander Greenshields (bass)
Jonny Dyke (keyboards)
Jon Lodge (drums)

Text & Bilder: Gernot Mangold

King King
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These Wicked Rivers
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Musiktheater Piano
3dog-Entertainment