
Review: Michael Segets
„Those folks who talk about me have never lived no life like mine.“ So lautet ein Vers aus „Good At Losing“, der Kritikern nochmal in Erinnerung ruft, dass sie nur begrenzte Kompetenzen haben, über das Werk von anderen zu urteilen. Ebenso ist es schwierig, die Authentizität der erzählten Geschichten festzustellen. Charley Crocketts neues Werk wirkt jedenfalls ehrlich, wenn es darum geht, einen Einblick in sein Leben zu geben. Er gehört zu der Spezies, die unermüdlich unterwegs ist und am laufenden Band Longplayer herausbringt. Dieses Leben on the road thematisiert Crockett auf „$10 Cowboy“ und verbindet seine Reflexionen gelegentlich mit einem Blick auf die Atmosphäre in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Songs entstanden innerhalb von zwei Monaten, die er im Bus während seiner Tour quer durch die USA verbrachte.
Mit dem neuen Album macht Crockett als Songwriter einen gewaltigen Sprung nach vorn. Sein prägnanter Gesang gibt seinen diversen Cover-Projekten einen eigenen Reiz und auch unter seinen selbstverfassten Kompositionen finden sich beachtliche Stücke, die lange Zeit nachwirken. Mit „$10 Cowboy“ gelingt ihm allerdings sein bislang bestes Album, das keinen einzigen Durchhänger aufweist. Dies liegt zum einen an den authentisch wirkenden Texten, aber zum anderen auch an den ausgearbeiteten Songstrukturen, die sowohl eingängig als auch variationsreich sind. Crockett löst sich dabei etwas stärker von den traditionellen Mustern, auf die er früher deutlicher rekurriert.
Man kann Crockett sicherlich als derzeit führenden Vertreter des New Traditional Country bezeichnen. Die klassischen Elemente des Genres greift er auf („Diamond In The Rough“, „Midnite Cowboy“), sie wirken aber nie althergebracht oder langweilig. Besonders das lockere „Ain’t Done Losing“ geht mit seinem runden Refrain ins Ohr. Die Stücke sind abwechslungsreich arrangiert. Streicher untermalen „Good At Losing“; Bläser geben „America“ Soul mit. Einen souligen Einschlag haben auch „Gettin‘ Tired Again“ sowie „Lead My Way“.
Das dylaneske „Solitary Road“, auf dem Crockett der elektrischen Gitarre Raum gibt, sticht auf dem Album hervor. Es unterstreicht die These, dass sein Songwriting eine neue Qualitätsstufe erreicht hat. Die Namen der einzelnen Tracks, wie beispielsweise der Titel der ersten Single „Hard Luck & Circumstances“, deuten bereits an, dass Crockett Rückschläge und Niederlagen verarbeitet, dabei verliert er aber den Blick für das Schöne am Wegesrand („City Of Roses“) nicht. Crockett zeigt sich als Mann, der zu seinen Entscheidungen und seine Wahl ein Leben als durchziehender Vagabund zu führen, steht.
Mit „$10 Cowboy“ legt Charley Crockett ein Meisterwerk vor, das seine bisherigen Alben übertrifft. Dabei sind weniger die einzelnen Titel, von den er bereits zuvor einige hervorragende aufzuweisen hat, sondern die Geschlossenheit des Konzepts hervorzuheben. In den Texten zieht er Bilanz über sein Leben als ständig tourender Musiker. Das ist thematisch nicht neu, aber die Tiefe der Selbstreflexion ist beachtlich. Musikalisch bleibt er zwar seiner Richtung treu, aber auch hier ist ein freier und kreativer Umgang mit den Traditionen auszumachen.
Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Country
Tracks:
01. $10 Cowboy
02. America
03. Hard Luck & Circumstances
04. Good At Losing
05. Gettin’ Tired Again
06. Spade
07. Diamond In The Rough
08. Ain’t Done Losing
09. Solitary Road
10. City Of Roses
11. Lead The Way
12. Midnite Cowboy
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