Charley Crockett – $10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

$10 Cowboy” wurde von Kritik und Publikum sehr positiv aufgenommen. Nach gerade mal drei Monaten schiebt Charley Crockett nun „$10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas” hinterher. Ungeachtet üblicher Veröffentlichungsrhythmen gibt Crockett dann seine Musik heraus, wenn er es für richtig erachtet. Nun war anscheinend der optimale Zeitpunkt für ihn gekommen und seine Fans werden ihm das neue Album sicherlich nicht verübeln. Die Produktion der Hard-Copies dauert dann aber doch noch eine gewisse Zeit. LP und CD erscheinen am 29.11.2024.

Die selbst für Crockett ungewöhnlich schnelle Herausgabe neuen Materials hat seinen Grund darin, dass die Tracks auf „$10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas” bereits bei den Sessions für „$10 Cowboy” aufgenommen wurden. Die Überlegung stand seinerzeit im Raum, ein Doppelalbum fertigzustellen, aber Crockett entschied sich für zwei getrennte Longplayer. Das von Taylor Grace geschriebene „Visions Of Dallas“ inspirierte ihn dazu, den Songs, die um thematisch um Dallas und Texas kreisen, ein gesondertes Werk zu widmen. So erklärt sich dann auch der etwas sperrige Albumtitel.

Crocketts neues Werk umfasst zwölf Tracks, von denen er die Hälfte selbst verfasst oder zumindest mitgeschrieben hat. Er covert Songs von Ringo Starr beziehungsweise Bobby Pierce („Loser’s Lounge“), den Osborne Brothers („Lonesome Feeling“), Hoyt Axon („Trouble And Misery“) sowie von Johnny Cash („Crystal Chandeliers And Burgundy”). Bei Bob Dylans „Goodbye Holly” nimmt Crockett Veränderungen am Text vor. Eigenkompositionen und Coverstücke wechseln sich ab und fügen sich nahtlos ineinander. Das Konzeptalbum hinterlässt somit einen homogenen Eindruck. Stilistisch weist es eine geringere Bandbreite auf als das vorherige, aber es gibt keine Lückenfüller.

Crockett liefert erneut New Traditional Country auf gewohnt hohem Niveau. Insidern wird das soulige „How Low Can You Go“ bekannt sein, das er bereits 2019 veröffentlichte. Ebenfalls typisch ist die Kürze der Songs. Deren Länge liegt meist unter drei Minuten und selbst der längste Track „20/20 Vision“ erreicht keine vier Minuten. „$10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas” bleibt daher ein kurzes Vergnügen – aber ein Vergnügen.

Vor allem „Killers Of The Flower Moon“ ist dabei hervorzuheben. Thematisch greift der Song die Geschichte des gleichnamigen Films (2023) von Martin Scorsese auf, zu dem der im letzten Jahr verstorbene Robbie Robertson (The Band) den Soundtrack schrieb. Besonders bemerkenswert ist ebenso das sanfte „Loretta“. Dort lässt Crockett seine Stimme an manchen Stellen abfallen, was an den Gesang von Chuck Prophet erinnert.

Mit „$10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas” lässt Charley Crockett keine Zweifel daran, wer der King of New Traditional Country ist. Den Mix aus Eigenkompositionen und Covern fügt Crockett in gewohnt souveräner Art zu einem stimmigen Album zusammen, mit dem er seinen Heimatstaat Texas würdigt.

Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: New Traditional Country

Tracks:
01. Visions Of Dallas
02. Avoiding Mirrors
03. Trouble And Misery
04. Killers Of The Flower Moon
05. Crystal Chandeliers And Burgundy
06. How Low Can You Go
07. Lonesome Feeling
08. Charlene
09. Losers Lounge
10. 20/20 Vision
11. Loretta
12. Goodbye Holly

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Charley Crockett – $10 Cowboy – CD-Review

Review: Michael Segets

„Those folks who talk about me have never lived no life like mine.“ So lautet ein Vers aus „Good At Losing“, der Kritikern nochmal in Erinnerung ruft, dass sie nur begrenzte Kompetenzen haben, über das Werk von anderen zu urteilen. Ebenso ist es schwierig, die Authentizität der erzählten Geschichten festzustellen. Charley Crocketts neues Werk wirkt jedenfalls ehrlich, wenn es darum geht, einen Einblick in sein Leben zu geben. Er gehört zu der Spezies, die unermüdlich unterwegs ist und am laufenden Band Longplayer herausbringt. Dieses Leben on the road thematisiert Crockett auf „$10 Cowboy“ und verbindet seine Reflexionen gelegentlich mit einem Blick auf die Atmosphäre in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Songs entstanden innerhalb von zwei Monaten, die er im Bus während seiner Tour quer durch die USA verbrachte.

Mit dem neuen Album macht Crockett als Songwriter einen gewaltigen Sprung nach vorn. Sein prägnanter Gesang gibt seinen diversen Cover-Projekten einen eigenen Reiz und auch unter seinen selbstverfassten Kompositionen finden sich beachtliche Stücke, die lange Zeit nachwirken. Mit „$10 Cowboy“ gelingt ihm allerdings sein bislang bestes Album, das keinen einzigen Durchhänger aufweist. Dies liegt zum einen an den authentisch wirkenden Texten, aber zum anderen auch an den ausgearbeiteten Songstrukturen, die sowohl eingängig als auch variationsreich sind. Crockett löst sich dabei etwas stärker von den traditionellen Mustern, auf die er früher deutlicher rekurriert.

Man kann Crockett sicherlich als derzeit führenden Vertreter des New Traditional Country bezeichnen. Die klassischen Elemente des Genres greift er auf („Diamond In The Rough“, „Midnite Cowboy“), sie wirken aber nie althergebracht oder langweilig. Besonders das lockere „Ain’t Done Losing“ geht mit seinem runden Refrain ins Ohr. Die Stücke sind abwechslungsreich arrangiert. Streicher untermalen „Good At Losing“; Bläser geben „America“ Soul mit. Einen souligen Einschlag haben auch „Gettin‘ Tired Again“ sowie „Lead My Way“.

Das dylaneske „Solitary Road“, auf dem Crockett der elektrischen Gitarre Raum gibt, sticht auf dem Album hervor. Es unterstreicht die These, dass sein Songwriting eine neue Qualitätsstufe erreicht hat. Die Namen der einzelnen Tracks, wie beispielsweise der Titel der ersten Single „Hard Luck & Circumstances“, deuten bereits an, dass Crockett Rückschläge und Niederlagen verarbeitet, dabei verliert er aber den Blick für das Schöne am Wegesrand („City Of Roses“) nicht. Crockett zeigt sich als Mann, der zu seinen Entscheidungen und seine Wahl ein Leben als durchziehender Vagabund zu führen, steht.

Mit „$10 Cowboy“ legt Charley Crockett ein Meisterwerk vor, das seine bisherigen Alben übertrifft. Dabei sind weniger die einzelnen Titel, von den er bereits zuvor einige hervorragende aufzuweisen hat, sondern die Geschlossenheit des Konzepts hervorzuheben. In den Texten zieht er Bilanz über sein Leben als ständig tourender Musiker. Das ist thematisch nicht neu, aber die Tiefe der Selbstreflexion ist beachtlich. Musikalisch bleibt er zwar seiner Richtung treu, aber auch hier ist ein freier und kreativer Umgang mit den Traditionen auszumachen.

Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Country

Tracks:
01. $10 Cowboy
02. America
03. Hard Luck & Circumstances
04. Good At Losing
05. Gettin’ Tired Again
06. Spade
07. Diamond In The Rough
08. Ain’t Done Losing
09. Solitary Road
10. City Of Roses
11. Lead The Way
12. Midnite Cowboy

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Joseph Houck – Haunts & Wants – Digital-CD-Review

Review: Michael Segets

Bereits als Teenager entwickelte Joseph Houck seine ersten Songideen. Während seiner Studienzeit trat er dann via Internet mit seinen Kompositionen an die Öffentlichkeit. 2012 brachte Houck die erste, akustisch gehaltene EP heraus. Es folgten zwei Alben, auf denen er sich vom Folk weiter entfernte und sich nicht mehr auf ein Genre festlegte. Der aktuelle Longplayer „Haunts & Wants“ setzt diese Entwicklung fort und kann als Konglomerat unterschiedlicher Stile bezeichnet werden.

Der aus North Carolina stammende Houck bedient sich bei der Klassik, dem Jazz, dem Pop, dem Soul, dem Americana und dem Rock. Auch die Breite der eingesetzten Instrumente ist vielseitig. So stehen mal Bläser oder Streicher im Vordergrund, mal übernimmt ein Klavier die Melodie. Über eineinhalb Jahre hinweg arbeitete Houck zusammen mit dem Produzenten Bryan Ciliberto die Tracks aus. Der Klang ist sauber und differenziert. „Empathy“ überrascht allerdings durch die merklich leisere Aussteuerung im Vergleich zu den anderen Titeln, was wahrscheinlich künstlerisch gewollt ist. Abgesehen davon weist die gefühlvolle Ballade wie auch „Jetsam“ und „Long Lost Love“ die deutlichsten Berührungspunkte zum musikalischen Schwerpunkt von SoS auf.

Bei dem kurzen Instrumentalstück „We’ve Never Met Before“ orientieren sich die Streicher an Elementen der klassischen Musik. „Blown Away“ bedient sich beim Jazz. Der Wohlfühlsong im Midtempo „What Am I Gonna Do?“ trägt poppige Züge. Zwischen Soul und Gospel bewegt sich „One Step“. Gerade die Bläser geben einigen Songs eine soulige Note – so beim Opener „Invocation“, der durch die Schellen besonders in die Weihnachtszeit passt, oder beim eindrucksvoll gesungenen „I Will Never Forget“. Der Blues schwingt bei „All The Time“ mit. Houck nutzt bei einigen Stücken die Retrowelle, die seit einigen Jahren immer mal wieder aufschwappt. Beispielsweise erinnert „Next Best Thing“ an Charley Crocketts Alter Ego Lil’ G. L. Das lockere Stück gehört zu den besten des Albums.

Neben der digitalen Veröffentlichung erscheint auch eine Vinyl-Edition. Einen guten Service bietet die Website von Houck, auf der er bislang die Lyrics seiner Songs zur Verfügung stellt. Vermutlich werden auch Texte des aktuellen Werks dort hochgeladen. Sie thematisieren in erster Linie den Umgang mit (un)erfüllten Wünschen und Leidenschaften.

Joseph Houck erweist sich als vielseitiger Songwriter, der mit „Haunts & Wants“ einen genreübergreifenden Longplayer vorlegt. Wie es in der Natur eines so breiten Angebots liegt, treffen die einen Beiträge den eigenen musikalischen Geschmack mehr als die anderen. Das Album insgesamt spricht daher eher musikalisch breit interessierte Hörer an.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. Invocation
02. Next Best Thing
03. What Am I Gonna Do?
04. All The Time
05. We’ve Never Met Before
06. Jetsam
07. Blown Away
08. Long Lost Love
09. I Will Never Forget
10. Empathy
11. One Step

Joseph Houck
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Charley Crockett – Live From The Ryman Auditorium– CD-Review

Review: Michael Segets

2019 sah ich Charley Crockett mit circa fünfzig anderen Besuchern in der Kulturrampe live. Seinerzeit hatte er bereits erste Erfolge in den USA zu verzeichnen. Seitdem ging seine Karriere allerdings steil bergauf. Ein Traum, den wohl jeder Musiker in und um Nashville hegt, ist ein Auftritt im Ryman Auditorium, das 2500 Zuschauer fasst. Crockett verwirklichte ihn durch unermüdliche Präsenz in Medien und Öffentlichkeit, die er sich nicht zuletzt durch die hohe Schlagzahl von Veröffentlichungen verdiente. Vor ausverkauftem Haus spielte der Texaner im letzten Jahr ein souveränes Konzert, dessen Mitschnitt 23 Titel umfasst und nun als sein erstes Live-Album erscheint.

Crockett performt – wie es auch für seine Longplayer typisch ist – eine Mischung aus eigenen Songs und Covern, denen er seine spezielle Note mitgibt. Den Schwerpunkt bei der Titelauswahl legt er auf sein aktuelles Studio-Album „The Man From Waco“. Die Eröffnung des Auftritts bestreitet Crockett mit fünf Tracks dieses Werks. Neben eingängigen Country-Schwofern wie „Time Of The Cottonwood Trees“ berücksichtigt er staubige Balladen („The Man From Waco“) und flottere Midtempo-Stücke („Black Sedan“). Später folgen dann mit „Odessa“, „Name On A Billboard“ und „I’m Just A Clown“ weitere Songs des Longplayers.

Crockett und seine fünfköpfige Begleitband zeigen sich glänzend aufeinander abgestimmt. Die Songs wirken etwas erdiger als die Studio-Versionen, entfernen sich aber nicht allzu weit von diesen. Die Nuancen die Crockett in die sorgsam arrangierten Interpretationen einbringt, sorgen aber dafür, dass mir die meisten Stücke live noch besser gefallen.

In der ersten Hälfte des Konzerts folgt eine Reihe von Honky Tonk-Titeln, die mit viel Twang versehen sind. „Between The House And Town“, „The Valley“, „Jukebox Charley“ und „Music City USA“ bleiben hier zu nennen. Wie Crockett berichtet, gab es nach dem Titelstück seines Albums aus dem Jahr 2021 wohl minutenlange Standing Ovations, die vernünftigerweise für die Veröffentlichung herausgeschnitten wurden.

Den Auftritt setzt Crockett dann mit einer Würdigung seines verstorbenen Freundes James Hand fort. Er spielt ein Medley von dessen „Midnight Run“ sowie „Lesson In Depression“ und schiebt „Don’t Tell Me That“ nach. Anschließend unternimmt Crockett einen Streifzug durch sein bisheriges musikalisches Schaffen. Von fast jede seiner Veröffentlichungen stellt er mindestens einen Track vor. Der einzige Beitrag, der sich nicht auf einem seiner Alben findet, stammt von Townes Van Zandt („Tecumseh Valley“).

Von seinem Debüt „A Stolen Jewell“ ist „Trinity River“ entnommen, das er für „The Man From Waco“ erneut eingespielte. Der Song wurde ebenso wie das wunderschön harmonische „Jamestown Ferry“ vor der Veröffentlichung des Albums herausgegeben. In den Videos sieht man die Gestaltung der Bühne und bekommt einen Eindruck von dessen dezenter Ausleuchtung. Crockett orientierte sich dabei nach eigener Aussage an dem Auftritt von Johnny Cash am selben Ort. Die Veröffentlichung eines Konzertfilms zur gesamten Show steht in den Startlöchern und soll Ende September über YouTube zugänglich sein.

Bei der Songauswahl in der zweiten Hälfte liegt der Fokus auf dem New Traditional Country, für den Crockett mittlerweile als ein Hauptvertreter gelten kann. Bei „I Feel For You“, das weniger intensiv als die Studioversion wirkt, mischt sich etwas Soul hinein. Mit „Travelin‘ Blues“ bringt Crockett nochmal eine neue, bluesige Facette in seinen Sound. Insgesamt deckt das Konzert die Bandbreite seines musikalischen Schaffens ab. Das eine oder andere Highlight seiner Scheiben, wie „Borrowed Time“ oder „Run Horse Run“ hätte ich mir noch auf der Setlist gewünscht, aber so bleibt noch genug Material für ein weiteres Live-Album.

Mit „Live From The Ryman Auditorium“ liefert Charley Crockett einen Beweis für die Qualität seiner Songinterpretationen, die live nichts von ihrer Kraft einbüßen. Zum Kennenlernen des aufstrebenden Country-Stars eignet sich die CD oder Doppel-LP hervorragend, da sie das Spektrum seiner Musik widerspiegelt. Die Fans von Crockett werden die alternativen und ersten offiziellen Live-Versionen seiner Stücke sowieso nicht missen wollen.

Mitte September besuchte Crockett im Rahmen seiner Europa-Tour Hamburg, Frankfurt und Berlin. Die gebuchten Säle fassten zwischen 800 und 1500 Besucher. Die Zeiten, in denen Crockett in Deutschland vor einer Handvoll Leuten spielte, sind nun endgültig vorbei. Im Oktober und November supportet er Chris Stapleton und Dwight Yoakam in den USA. Im Dezember plant er zusammen mit Ryan Bingham ein Konzert.

Son Of Davy – Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Cowboy Candy
02. Time Of The Cottonwood Trees
03. Just Like Honey
04. Black Sedan
05. The Man From Waco
06. Between The House And Town
07. Odessa
08. The Valley
09. Jukebox Charley
10. Music City USA
11. Midnight Run & Lesson In Depression
12. Don’t Tell Me That
13. Welcome To Hard Times
14. Name On A Billboard
15. Jamestown Ferry
16. I Feel For You
18. Travelin’ Blues
19. Trinity River
20. I’m Just A Clown
21. Goin’ Back To Texas
22. Tecumseh Valley
23. Paint It Blue

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Turnpike Troubadours – A Cat In The Rain – CD-Review

Review: Michael Segets

Da sind sie wieder! 2019 verschwanden die Turnpike Troubadours von der Bildfläche, vor allem aus den sozialen Medien, in denen sie ihre Accounts löschten. Frontmann Evan Felker hatte sich mehr oder minder ins Privatleben zurückgezogen. Mit dem hervorragenden Song „Borrowed Time“, der in Kooperation mit Charley Crockett entstanden ist, trat er zwischenzeitlich allerdings nochmal in Erscheinung.

Nach der Wiedervereinigung touren die Turnpike Troubadours seit letztem Jahr durch Amerika, zuletzt gaben sie Shows an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Ryman Auditorium, Nashville. Selbst ohne aktuelle Veröffentlichung kann die Band auf ihre treue Fangemeinde zählen. Mit „A Cat In The Rain“ melden sich Evan Felker und seine Mitstreiter nun mit neuem Material zurück, dem ersten Album seit 2017. „Mean Old Sun“ gibt einen Vorgeschmack auf das Werk.

Von den Gründungsmitgliedern der Turnpike Troubadours ist neben Felker noch R. C. Edwards dabei. Früher spielte auch John Fullbright in der Band, der ebenso wie Felker aus Okemah, Oklahoma, stammt. Die schöpferische Pause schadete dem Sextett nicht. „A Cat In The Rain“ hält die Fahne des Red Dirt hoch.

Handgemacht mit einer ausgewogenen Mischung von Fidel, Gitarren, Banjo und Harp erscheint der Longplayer ehrlich und gerade heraus. Im Mittelpunkt stehen stets die Songs, die Felker durch seinen Gesang, der unterschiedliche Stimmungen transportieren kann, veredelt. Die Stücke sind klassisch angelegt und mit eingängigen Melodien versehen, dabei aber nie langweilig. Dazu tragen die eingestreuten Soli der einzelnen Instrumente bei, die genau das richtige Maß treffen. Zudem fügen sich gelegentlich mehrstimmige Background- und Harmoniegesänge passend in die Stücke ein. Durch die Anlage einiger Titel kommt BJ Barham (American Aquarium) als Vergleichspunkt in den Sinn. Felker bewegt sich mit den Turnpike Troubadours also in der obersten Liga seiner Generation von Songwritern.

Insgesamt orientieren sich die Turnpike Troubadours in ihrer Spielart des Country eher am Folk („Three More Days“, „Won’t You Give Me One More Chance”) als am Rock, obwohl das Schlagzeug bei einigen Songs deutlich in Erscheinung tritt. Vor allem dessen trockener Klang bei „Chipping Mill“ verdient der Erwähnung. Neben lockeren Midtempo-Nummern wie dem Titelsong, „East Side Love Song (Bottoms Up)“ oder „Brought Me” finden sich auch dunklere Balladen auf dem Album wie „Lucille“ und „The Rut“, bei denen mit geringen Mitteln eine große Wirkung erzielt wird. Besonders hervorzuheben ist „Black Sky“. Hier verbinden die Turnpike Troubardours Einflüsse des Blues und des Gospel gekonnt miteinander.

Das Comeback der Turnpike Troubadours kann als durchweg gelungen bezeichnet werden. Das Songwriting bewegt sich auf hohem Niveau und die Umsetzung bleibt gewohnt souverän, als wären sie nie weg gewesen. „A Cat In The Rain“ untermauert ihren Anspruch, als eine der führenden Bands im Bereich des Red Dirt zu gelten.

Bossier City Rec. – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Red Dirt

Tracks:
01. Mean Old Sun
02. Brought Me
03. Lucille
04. Chipping Mill
05. The Rut
06. A Cat In The Rain
07. Black Sky
08. East Side Love Song (Bottoms Up)
09. Three More Days
10. Won’t You Give Me One More Chance

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Melissa Carper – Ramblin‘ Soul – CD-Review

Hätte ich ohne Vorabinformationen tippen müssen, aus welchem Jahrzehnt „Ramblin‘ Soul“ stammt, läge ich mindestens sechzig Jahre daneben. Klingt beispielsweise Charley Crockett mit seinem New Traditional Country und seinen Bluesinterpretationen schon Old School, dann toppt Melissa Carper dies bei weitem. Die totale Rückwärtsgewandtheit und die Weigerung irgendwelche Modernismen zu integrieren, beweist Mut und Konsequenz.

Aufgewachsen mit der Musik von Hank Williams, Patsy Cline, Loretta Lynn, Ray Charles, Elvis Presley und Jimmie Rodgers, setzte sich Carper später mit den Werken von Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra, Nat King Cole oder auch Lead Belly auseinander. Entsprechend vielfältig sind die musikalischen Stile, die auf „Ramblin‘ Soul“ mitlaufen: Blues, Soul, Jazz und Swing. Demgegenüber spielt beispielsweise der Country eine untergeordnete Rolle. Das Artwork des Covers führt daher leicht in die Irre.

Die Stücke am Anfang des Longplayers sind tendenziell stärker als die folgenden. Diese Einschätzung kann aber auch damit zusammenhängen, dass sich bei mir leichte Ermüdungserscheinungen beim Durchhören einstellen. Das Album erscheint insofern zwar homogen, dass die Songs durchweg sorgfältig arrangiert und durchaus rund sind, aber Titel, die Aufhorchen lassen, sind eher rar gesät.

Dabei sprechen mich die Uptempo-Nummern stärker an als die langsameren. „Ramblin‘ Soul“, „Zen Buddha“ und „1980 Dodge Van“ gehören daher zu meinen Favoriten. Den meiner Ansicht nach besten Song stellt „I Do What I WANNA“ dar, der vom frühen Rock’n Roll inspiriert ist. Der Western-Swing „Texas, Texas, Texas“ zählt ebenso wie das lockere „Boxers On Backwards“ zu den schnelleren Beiträgen.

Die Balladen sind oft von Doo Wop, Slide, Geige geprägt, die einen etwas süßlich schmachtenden Eindruck hinterlassen. In den Toleranzbereich fallen noch „Ain’t A Day Goes By“ und „Hit Or Miss“. „Hanging On To You” hat einen sanften Soul-Einschlag, den man mitgehen kann. Die vom Jazz beeinflussten „Holding All The Cards“ und „From What I Recall“ liegen hingegen nicht auf meiner Linie.

Wenn hier etwas kritischere Töne angeschlagen wurden, dann täuschen diese darüber hinweg, dass die Platte durchaus einen Retro-Charme versprüht und ein schlüssiges Konzept verfolgt. Auch wenn nicht alle Tracks fesseln, so sind doch einige dabei, die in ihrer quasi antiken Machart erfrischend sind.

Melissa Carper bringt mit „Ramblin’ Soul” ein für heutige Tage ungewöhnliches Album heraus, das sich an Nostalgiker richtet. Gute Musik ist zeitlos und manche Songs auf dem Werk hören sich nach alten Klassikern an. Auf Dauer fehlen dem Longplayer aber überraschende Impulse, obwohl Carper Elemente unterschiedlicher Stile, von Blues, Soul, Swing und Jazz aufnimmt.

Mae Music – Thirty Tigers (2022)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Ramblin’ Soul
02. Zen Buddha
03. Ain’t A Day Goes By
04. 1980 Dodge Van
05. Texas, Texas, Texas
06. That’s My Only Regret
07. Boxers On Backwards
08. I Do What I WANNA
09. Hit Or Miss
10. I Don’t Need To Cry
11. Holding All The Cards
12. From What I Recall
13. Hanging On To You

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Charley Crockett – The Man From Waco – CD-Review

Review: Michael Segets

Seit 2015 bringt Charley Crockett quasi jährlich ein neues Album mit Eigenkompositionen heraus und findet daneben noch Zeit, unter seinem alter ego „Lil‘ G. L.“ Coverprojekte umzusetzen. Auf seinem nunmehr elften Longplayer „The Man From Waco“ gewinnt Crockett seinem Sound eine neue Dimension ab. Er revolutioniert zwar nicht seinen Stil, aber die Scheibe klingt deutlich erdiger als die vorherigen. Crockett fährt Twang und Honky Tonk zurück und auch Slide und Steel Pedal kommen merklich reduzierter zum Einsatz. Dennoch bleibt unverkennbar, auf wessen Konto „The Man From Waco“ geht, wofür Crocketts außergewöhnlicher Gesang Garant ist.

Crockett, der seine Musik als Gulf And Western bezeichnet, orientiert sich diesmal weniger am klassischen Country, auch wenn einzelne Stücke wie „Name On A Billboard” an diesen anknüpfen. Zwar schöpft Crockett gelegentlich aus den Vollen, was Twang und Slide betrifft („Just Like Honey”), doch die Country-Nummern „Cowboy Candy“, „All The Way From Atlanta“ und „July Jackson“ sind wesentlich geerdeter. Besonders gelungen ist „Black Sedan“, dem Crockett, begleitet von Klavier, Percussion und Gitarren unterschiedlicher Klangfarben, eine interessante Soundvariation abgewinnt.

Die Stücke bewegen sich wie sonst auch zumeist im unteren bis mittleren Tempobereich, unterscheiden sich aber deutlich voneinander. Das semi-akustisch gehaltene „Time Of The Cottonwood Trees” sowie das etwas voller begleitete „Odessa” sind zwei ruhige, jedoch starke Songs. Besonders atmosphärisch ist „Horse Thief Mesa” durch die Background-Vocals. Schön staubig wirkt der Titeltrack, der mit seinen Trompeten in das Grenzgebiet zu Mexiko versetzt, so wie auch die Landschaft auf dem Albumcover nahelegt. Musik und Story könnten einem Westernfilm entstammen. Auf der Neueinspielung von „Trinity River“, das bereits auf „Stolen Jewel“ (2015) zu finden ist, und der Single „I’m Just A Clown” unterstützen die Bläser den Soul, den Crockett in die beiden Stücke legt.

Die gesamte Band spielte die Tracks quasi live im Studio mit nur wenigen Overdubs ein. Crockett entschied sich dazu, sie nicht weiter zu mastern – im Rückblick ein weiser Entschluss, der auch von dem Produzenten Bruce Robison getragen wurde. Stellten sich bei der hohen Veröffentlichungsdichte und den doch häufig ähnlichen Arrangements in letzter Zeit leichte Ermüdungserscheinungen ein, entwickelt das neue Werk einen rauen Charme, der sich von den vorherigen abhebt. Die Songs wurden zum Teil von Crockett alleine geschrieben, zum Teil in Kollaboration mit anderen Musikern. Einzelne Einschübe bei „Tom Turkey” sind Bob Dylans „Billy 4” von dem Soundtrack „Pat Garrett & Billy The Kid” entnommen.

Charley Crockett präsentiert seine Eigenkompositionen in einem ungewohnt ungeschliffenen und erdigen Arrangement. Der modifizierte Sound bringt die Qualität der Songs unverstellt zur Geltung, sodass „The Man From Waco“ um Längen abwechslungsreicher erscheint als Crocketts letzte Longplayer. Das neue Album stellt eine Zäsur in seiner beachtlichen Veröffentlichungsliste dar, daher darf man auf das nächste Werk gespannt sein, das sicherlich nicht lange auf sich warten lässt. Vielleicht bietet sich vorher die Gelegenheit, Crockett live zu sehen. Bislang sind zwei Konzerte im November mit den Spielorten Köln und Berlin angekündigt.

Son Of Davy – Thirty Tigers (2022)
Stil: Country, Soul

Tracks:
01. The Man From Waco Theme
02. Cowboy Candy
03. Time Of The Cottonwood Trees
04. Just Like Honey
05. I’m Just A Clown
06. Black Sedan
07. The Man From Waco
08. Trinity River
09. Tom Turkey
10. Odessa
11. All The Way From Atlanta
12. Horse Thief Mesa
13. July Jackson
14. The Man From Waco Theme
15. Name On A Billboard

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Arlo McKinley – This Mess We’re In – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach der Veröffentlichung von „Die Midwestern“ (2020) stand Arlo McKinley in den Startlöchern, als Musiker durchzustarten und seine Karriere voranzutreiben. Eine große internationale Tour war geplant, bevor ihn die Pandemie auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Damit nicht genug, kam es noch zu mehreren Todesfällen in Familie und engem Freundeskreis. McKinley blickt also auf schwere Zeiten zurück, einschließlich Alkohol- und Drogensucht. Mit „This Mess We’re In“ kämpft er sich aus diesem finsteren Tal, bereit nach vorne zu blicken.

Mit der Vorgeschichte und dem Titel dürfte klar sein, in welche Richtung die elf Songs des Albums gehen. Es ist keine Partyscheibe geworden, sondern ein getragenes und introvertiertes Werk, das sich für ruhige Stunden anbietet. Der zweiundvierzigjährige McKinley gewährt dem Hörer einen Einblick in sein Innenleben und nimmt ihn mit auf eine Reise durch seine bisherigen Lebenserfahrungen. In diesen findet man seine eigenen durchaus in der einen oder anderen Hinsicht wieder, sodass man eine Beziehung zu den Songs aufbaut. Durch die reflexive Selbstbeobachtung in den Texten finden sich Parallelen zu BJ Barham, der mit American Aquarium unlängst „Cicamacomico“ vorlegte. Neben diesem reiht sich „This Mess We’re In“ nun als weiteres, diesjähriges Referenzwerk ein, an dem sich andere Musiker in Sachen Authentizität messen lassen müssen.

Bei der Produktion vertraute McKinley erneut Matt Ross-Spang (Jason Isbell, The Allman Betts Band, Charley Crockett), der bereits „Die Midwestern“ betreute. Wie auf dem vorangegangenen Album setzt McKinley bei den Arrangements seiner Songs auf eine vollständige Bandbegleitung, diesmal durch orchestrale Streicher ergänzt. Auf dem Titelstück und auf „I Wish I“ sind die Streicher besonders opulent vertreten, passen sich in der Kombination mit einem Klavier aber sehr gut in die melancholische Stimmung der Songs ein. McKinley findet so eine Alternative zur Steel Pedal, die sich häufiger als Untermalung im Americana findet.

Bei anderen Stücken übernimmt eine akustische Gitarre die Führungsrolle, so bei „Dancing Days“ oder beim Opener „I Don’t Mind“, bei dem die Streicher später kräftig einsteigen. Elektrische Gitarren werden seltener ausgepackt, sorgen aber bei „Rushintherug“ für einige Akzente. Die Songs bewegen sich im unteren („Stealing Dark From The Night Sky“)
bis mittleren („Back Home“) Tempobereich, unterscheiden sich jedoch aufgrund der Refrains, die oft einen hohen Wiedererkennungswert haben, sowie durch rhythmische Variationen („Where You Want Me“) voneinander. Die Spannweite reicht von leicht countryfizierten Balladen („City Lights“) bis zu fast hymnischen Beiträgen („Here’s To The Dying“).

Die Scheibe überzeugt durch das ausgereifte Songwriting, das sich bei mehrmaligen Durchläufen immer mehr erschließt, und die angenehme Klangfarbe von McKinleys Stimme. Das Album wirkt homogen, aber niemals langweilig. Das Stück, das sich direkt von den anderen abhebt ist „To Die For“. Der rockigste Track auf dem Longplayer geht sofort ins Ohr und bekommt, wenn die Orgel einsetzt, eine gewaltige Wucht. Der mittig platzierte Song bildet so einen gelungenen Kontrast zu den anderen und schafft es sicher auf meine persönliche Bestenliste von 2022.

„This Mess We’re In“ besticht durch seine lyrischen Qualitäten und seine mehrschichtigen Kompositionen. Arlo McKinley kleidet seine authentisch wirkende Auseinandersetzung mit seinen vergangenen Krisen in ruhige Songs und setzt dabei auf ausgiebige Streicherarrangements. Während das Gesamtwerk nach wiederholten Durchläufen einen immer größeren Eindruck hinterlässt, liefert McKinley mit „To Die For“ einen herausragenden Einzeltitel ab, der sich unmittelbar in die Gehörgänge einbrennt.

Oh Boy Records – Thirty Tigers/Membran (2022)
Stil: Americana

Tracks:
01. I Don’t Mind
02. City Lights
03. Back Home
04. Stealing Dark From The Night Sky
05. To Die For
06. Dancing Days
07. This Mess We’re In
08. Rushintherug
09. Where You Want Me
10. Here’s To The Dying

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Charley Crockett – Music City USA – CD-Review

Review: Michael Segets

Bereits mit dem Erscheinen des Tributes für James Hand im März kündigte Charley Crockett ein weiteres Album an. „Music City USA“ lies tatsächlich nur ein halbes Jahr auf sich warten. Sechzehn Eigenkompositionen sind auf dem Werk vertreten, das auch als Doppel-LP herauskommt.

Es läuft gut für Crockett: mehr als 50 Millionen Streams, Nominierung bei den diesjährigen Americana Music Association Awards und ein Platz in der aktuellen Museumsausstellung der Country Music Hall of Fame. Warum also umsatteln? Crockett reitet sein Pferd weiter, ganz nach dem Motto „Run Horse Run“, seiner Single von „Welcome To Hard Times“ (2019). Seine Fans werden daher von „Music City USA“ nicht enttäuscht.

Wenn Crockett nicht im Studio aufnimmt, tourt er unermüdlich und tritt bei Festivals auf. Ein Live-Album von ihm steht allerdings noch aus. Das rastlose Umherreisen durchzieht thematisch seine Lieder. Sobald er angekommen ist, packt ihn die Sehnsucht und er zieht weiter. Filmisch setzt Crockett dies in der Videotrilogie seiner ersten Singles „I Need Your Love”, „Round This World“ und „I Won’t Cry“ gekonnt in Szene. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand, aber in stilvollen Bildern, erzählt er dort seine Geschichten.

Dem Country ist das romantische Fernweh und der Aufbruch zu neuen Ufern inhärent, daher wundert es nicht, dass Crockett hier seine Domäne setzt. Verschiedentlich als New Traditional Country bezeichnet, verwendet Crockett selbst den Ausdruck Gulf & Western für seine Musik. In melodiösen und oft unaufgeregten Bahnen zelebriert Crockett seine Songs. Dabei bedient er sich auch anderer Musikstile als dem Country. „This Foolish Game” ist ein Blues, bei dem Bläser eingesetzt werden. Diese fallen auch bei „I Won’t Cry” auf, der wie „I Need Your Love“ in Richtung Soul oder R&B geht.

Die meisten Stücke folgen aber in ihrer Machart mit Slide, Twang, Steel Pedal und gelegentlicher Geige traditionellen Pfaden der Country-Musik. Sie sind fast durchgängig im mittleren Tempobereich mit minimalen Variationen angesiedelt, wodurch sich auf Dauer leichte Ermüdungserscheinungen einstellen, obwohl die Titel für sich genommen durchaus gelungene Genrebeiträge darstellen. Rhythmische Abwechslung bringen das flotte „Round This World“, der Walzer „Just So You Know” und das im Sprechgesang vorgetragene „Only Game In Town”. „Skip A Rope” hebt sich durch den tiefen Gesang von den anderen Tracks ab und setzt so einen bemerkenswerten Schlusspunkt.

Mit „Music City USA“ festigt Charley Crockett sein Image als von Sehnsucht getriebener Vagabund. Seine Ader für den Country klassischer Machart lebt er ausgiebig aus. Die Mehrzahl der Songs kann einen so durch die endlos erscheinenden Weiten des mittleren Westens begleiten. Interessanter sind die Stücke, bei denen Crockett den Rhythmus und die stilistische Ausrichtung variiert. Dann läuft er erneut zu Hochform auf, wie die Singles beweisen.

Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Country

Tracks:
01. Honest Fight
02. I Need Your Love
03. The World Just Broke My Heart
04. Are We Lonesome Yet
05. This Foolish Game
06. Round This World
07. Music City USA
08. Just So You Know
09. Lies And Regret
10. I Won’t Cry
11. Smoky
12. Muddy Water
13. 518
14. Only Game In Town
15. Hanger On
16. Skip A Rope

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Vincent Neil Emerson– Same – CD-Review

cover Vincent Neal Emerson - Vincent Neal Emerson 300

Review: Michael Segets

Der zweite Longplayer von Vincent Neil Emerson ist im Vergleich zu seinem Debüt „Fried Chicken & Evil Women“ (2019) eine ruhigere Scheibe geworden, die zwischen Americana und Country changiert. Neben der Bluegrass-Nummer „High On The Mountain“ und dem beschwingten „Saddle Up And Tamed“ stößt lediglich der Opener “Texas Moon” in eine Midtempo-Region vor. Die übrigen Tracks sind balladesk gehalten.

Der Sound der Scheibe klingt handgemacht, was zum einen an der akustischen Instrumentierung liegt. zum anderen an dem unaufgeregten Gesang, der deutlich im Vordergrund steht. Bei der Begleitung dominiert oftmals die Geige, während beispielsweise bei „Deptor‘s Blues“ eine Orgel den Hintergrund ausfüllt. Gelegentlich treten Flöten („White Horse Saloon“) oder Harmoniegesänge („Durango“) hinzu.

Die Stücke wirken im besten Sinne klassisch: Beim folkigen „High On Gettin‘ By“ schwingt etwas von Townes van Zandt mit, „Ripplin‘ And Wild“ erinnert an Guy Clark. Emerson reiht sich mit seinen Songs nahtlos in die Singer/Songwriter-Tradition des Country ein. Er selbst zählt Steve Earle zu seinen Inspirationsquellen.

Wirkliche Geniestreiche gelingen Vincent Neil Emerson mit der Single „Learnin‘ To Drown“ und mit „The Ballard Of The Choctaw-Apache“. Beim ersten kommt BJ Barham als Vergleich hinsichtlich des Songwritings und beim zweiten – aufgrund der thematischen Nähe und der Intensität der Performance – Jason Ringenberg in den Sinn. In den Texten beider Songs greift Emerson auf seine Familiengeschichte zurück.

In „Learning To Drown“ schildert er die Lebenssituation nach dem Selbstmord seines Vaters. In „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ prangert er die Enteignungen von Indianergebieten in den 1960ern an. In seinem Stammbaum finden sich mütterlicherseits indigene Wurzeln. Der Song ist der einzige mit einer politischen oder gesellschaftlichen Aussage auf dem Longplayer, ansonsten kreisen seine Themen um autobiographische Erlebnisse oder persönliche Gefühlslagen.

Emersons Texte zeugen von einer hohen Sensibilität für literarische Gestaltungen. In Verbindung mit der klaren Struktur seiner Songs erzielt er so ein hohes Maß an Authentizität. Die Stücke sind während der Pandemie entstanden, in der er die Zeit nutzte, um Stationen seiner Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Das Album ist daher nach eigener Aussage weitaus persönlicher als sein Debüt.

Bevor das Konzertleben zum erliegen kam, tourte Emerson ausgiebig, u. a. mit seinem Freund Colter Wall, mit den Turnpike Troubadours oder Charley Crockett. Crockett coverte für die CD „The Valley“ (2019) Emersons „7 Come 11“, das dort zu den beeindruckenden Titeln zählt. Emerson bereichert mit seinen Songs die New Traditional Country-Szene und reiht sich dort in die Riege der bereits etablierten Musiker ein.

Dabei unterschiedet er sich von Crockett dadurch, dass seine Songs weniger retro erscheinen. Im Gegensatz zu Wall bleibt Emerson auf seinem zweiten Album in geringerem Maße den Country-Rhythmen verhaftet. Als Produzenten für seinen Longplayer konnte er Rodney Cowell (Emmylou Harris, Rosanne Cash) gewinnen.

Mit Vincent Neil Emerson gewinnt die aktuelle Generation der Texas Singer/Songwriter einen weiteren kreativen Kopf, dem es gelingt, Traditionen authentisch fortzuschreiben ohne in diesen gefangen zu sein. Auf seinem zweiten Album gewährt Emerson einen tieferen Einblick in seine Gedankenwelt als zuvor und kleidet diesen in ausdrucksstarke Texte. Als Anspieltipps seien „Learnin’ To Drown“ und „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ empfohlen.

La Honda Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana, Country

Tracks:
01. Texas Moon
02. Debtor’s Blues
03. High On The Mountain
04. Learnin’ To Drown
05. Ripplin’ And Wild
06. Durango
07. The Ballard Of The Choctaw-Apache
08. White Horse Saloon
09. High On Gettin’ By
10. Saddled Up And Tamed

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