Drake Milligan – Jukebox Songs – EP-Review

Mit dem aus Arlington, Texas, stammenden Drake Milligan funktc seit geraumer Zeit in der Country-Neo-Traditionalisten-Szene Nashvilles ein weiterer interessanter Akteur dazwischen. Milligan, der bis dato mit Elvis Presley-Verkörperungen (in der CMT-Serie „Sun Records“) und im Film „Nobody“ Bekanntheitsgrad erlangt hat, konnte sich trotz bescheidener Erfolge in Kontests wie „American Idol“ und „America’s Got Talent“, immerhin einen Plattenvertrag bei Stoney Creek Records, dem beliebten Unterlabel der BBR Music Group, für sich verbuchen.

Nach seinem Debüt-Album „Dallas/Forth Worth“ schickt man ihn jetzt wieder mit einer Kurz-EP „Jukebox Songs“ ins Rennen, die vier Stücke umfasst und gerade mal gute 12 Minuten dauert. Wie Künstler dieses Stils es so an sich haben, erhält man hier den bewährten, zwischen Charisma und Pathos pendelnden angenehmen (Bariton-) Gesang und die typisch traditionell basierte Instrumentalisierung, die sich auf schönen Gitarren (Akustik- und E-), Fiddle, Steel und Keys aufbaut.

Der herrlich fluffige und melodische Opener „What I Couldn’t Forget“ wirkt dabei sofort als Eisbrecher und mündet über den etwas flachen Schunkler „I Got A Problem“ und das atmosphärische „Don’t Leave Me Loving You“ am Ende in einen launigen Barsong in „Friends in Low Places“-Manier, der so einfach wie treffend die Intention eines Kneipenbesuchs charakterisiert: „The Reason we’re all here, Jukebox Songs and Barstool Beers„!

Nach nicht einmal einer Viertelstunde ist der nette Quickie mit Drake Milligan schon wieder vorbei. Ein ausbaufähiges Talent hat der Bursche ohne Zweifel. Stoff für Freunde von Blake Shelton, Garth Brooks, George Strait & Co. Nicht umsonst hat der diesem Countrytypus nahe stehende Trent Willmon produziert.

Stoney Creek Records (2024)
Stil: New Country

Tracklist:
01. What I Couldn’t Forget
02. I Got A Problem
03. Don’t Leave Me Loving You
04. Jukebox Songs and Barstool Beers

Drake Milligan
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Lime Tree Music

Melissa Carper – Ramblin‘ Soul – CD-Review

Hätte ich ohne Vorabinformationen tippen müssen, aus welchem Jahrzehnt „Ramblin‘ Soul“ stammt, läge ich mindestens sechzig Jahre daneben. Klingt beispielsweise Charley Crockett mit seinem New Traditional Country und seinen Bluesinterpretationen schon Old School, dann toppt Melissa Carper dies bei weitem. Die totale Rückwärtsgewandtheit und die Weigerung irgendwelche Modernismen zu integrieren, beweist Mut und Konsequenz.

Aufgewachsen mit der Musik von Hank Williams, Patsy Cline, Loretta Lynn, Ray Charles, Elvis Presley und Jimmie Rodgers, setzte sich Carper später mit den Werken von Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Frank Sinatra, Nat King Cole oder auch Lead Belly auseinander. Entsprechend vielfältig sind die musikalischen Stile, die auf „Ramblin‘ Soul“ mitlaufen: Blues, Soul, Jazz und Swing. Demgegenüber spielt beispielsweise der Country eine untergeordnete Rolle. Das Artwork des Covers führt daher leicht in die Irre.

Die Stücke am Anfang des Longplayers sind tendenziell stärker als die folgenden. Diese Einschätzung kann aber auch damit zusammenhängen, dass sich bei mir leichte Ermüdungserscheinungen beim Durchhören einstellen. Das Album erscheint insofern zwar homogen, dass die Songs durchweg sorgfältig arrangiert und durchaus rund sind, aber Titel, die Aufhorchen lassen, sind eher rar gesät.

Dabei sprechen mich die Uptempo-Nummern stärker an als die langsameren. „Ramblin‘ Soul“, „Zen Buddha“ und „1980 Dodge Van“ gehören daher zu meinen Favoriten. Den meiner Ansicht nach besten Song stellt „I Do What I WANNA“ dar, der vom frühen Rock’n Roll inspiriert ist. Der Western-Swing „Texas, Texas, Texas“ zählt ebenso wie das lockere „Boxers On Backwards“ zu den schnelleren Beiträgen.

Die Balladen sind oft von Doo Wop, Slide, Geige geprägt, die einen etwas süßlich schmachtenden Eindruck hinterlassen. In den Toleranzbereich fallen noch „Ain’t A Day Goes By“ und „Hit Or Miss“. „Hanging On To You” hat einen sanften Soul-Einschlag, den man mitgehen kann. Die vom Jazz beeinflussten „Holding All The Cards“ und „From What I Recall“ liegen hingegen nicht auf meiner Linie.

Wenn hier etwas kritischere Töne angeschlagen wurden, dann täuschen diese darüber hinweg, dass die Platte durchaus einen Retro-Charme versprüht und ein schlüssiges Konzept verfolgt. Auch wenn nicht alle Tracks fesseln, so sind doch einige dabei, die in ihrer quasi antiken Machart erfrischend sind.

Melissa Carper bringt mit „Ramblin’ Soul” ein für heutige Tage ungewöhnliches Album heraus, das sich an Nostalgiker richtet. Gute Musik ist zeitlos und manche Songs auf dem Werk hören sich nach alten Klassikern an. Auf Dauer fehlen dem Longplayer aber überraschende Impulse, obwohl Carper Elemente unterschiedlicher Stile, von Blues, Soul, Swing und Jazz aufnimmt.

Mae Music – Thirty Tigers (2022)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Ramblin’ Soul
02. Zen Buddha
03. Ain’t A Day Goes By
04. 1980 Dodge Van
05. Texas, Texas, Texas
06. That’s My Only Regret
07. Boxers On Backwards
08. I Do What I WANNA
09. Hit Or Miss
10. I Don’t Need To Cry
11. Holding All The Cards
12. From What I Recall
13. Hanging On To You

Melissa Carper
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Lucinda Williams – Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics – CD-Review

Review: Michael Segets

Die vierte Folge von Lucinda Williams Cover-Projekt Lu’s Jukebox „Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics” erscheint gleichzeitig mit der dritten „Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs“. Wie schon „Southern Soul: From Memphis To Muscle Shoals & More” richtet Williams das neue Album wieder thematisch und nicht an einem Songschreiber aus.

Williams gräbt tief in den Annalen der Country-Geschichte der 1960er Jahre. Herausgekommen ist eine Zusammenstellung, die sich an hartgesottene Liebhaber des Countrys traditioneller Machart wendet. Zwar nimmt die Stimme von Williams den Songs etwas an Süße, aber insgesamt prägt schmachtender Slide der Steel Pedal den Longplayer. „Take Time For The Tears“ ist eine Eigenkomposition, die dessen atmosphärische Ausrichtung ganz gut beschreibt.

Viele Musiker und Songs, auf die Williams zurückgreift, sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten, wenn man kein Faible für den historische Country hat. Mit Tammy Wynette („Apartment #9“), Buck Owens („Together Again“), John Hartfold („Gentle On My Mind”) oder Carl Butler („Don’t Let Me Cross Over“) hatte ich bislang keine Berührungspunkte. Anders sieht es natürlich mit Willie Nelson aus, dessen Stück „Night Life Dig” aus dem Jahr 1960 allerdings ebenfalls vor meiner musikinteressierten Zeit lag.

Zwei Songs der Scheibe wurden auch von Elvis Presley gesungen: „Long Black Limosine“ und „Funny How Time Slips Away“. Sie stammen von Merle Haggard beziehungsweise Billy Walker. Als einziger Songwriter ist Hank Cochran mit zwei Titel vertreten („Make The World Go Away“, I Want To Go With You“). Zwischen den in der Machart sehr ähnlichen Titeln finden sich „First City“ von Loretta Lynn und der oftmals gecoverte Klassiker „I’m Movin‘ On“ von Hank Snow, die nicht nur durch ihr Uptempo herausstechen. Der kratzige, in einzelnen Passagen frech rotzige Gesang von Williams bringt frischen Wind auf die sonst eher gleichförmige Scheibe.

Der vierte Beitrag „Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics” in Lucinda Williams Jukebox-Serie fällt gegenüber den bisherigen Alben der Reihe etwas ab. Dies liegt zum einen daran, dass sich die ausgewählten Originale bereits an eine spezielle Fangemeinde richten, zum anderen zeigen die Interpretationen im Gegensatz zu denen auf den vorherigen Werken eine geringere musikalische Variationsbreite. Dennoch reißt Williams mit ihrem Gesang einzelne Titel heraus.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Country

Tracks:
01. Apartment #9
02. Together Again
03. Make The World Go Away
04. Night Life Dig
05. Long Black Limosine
06. First City
07. I Want To Go With You
08. Don’t Let Me Cross Over
09. Gentle On My Mind
10. The End Of The World
11. I‘ Movin‘ On
12. Funny How Time Slips Away
13. Take Time For The Tears

Lucinda Williams
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Thirty Tigers
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John Hiatt With The Jerry Douglas Band – Leftover Feelings – CD-Review

cover John Hiatt with The Jerry Douglas Band - Leftover Feelings 300

Review: Michael Segets

Als ich las, dass „Leftover Feelings“ von John Hiatt with The Jerry Douglas Band ohne Schlagzeug eingespielt wurde, war mir zum einen klar, keine Rockplatte erwarten zu dürfen, zum anderen stand zu befürchteten, dass Hiatt nun einen Ausflug in Bluegrass-Gefilde unternimmt wie seinerzeit Steve Earle mit der Del McCoury Band. Schon nach dem ersten Reinhören folgte die Entwarnung. John Hiatt legt mit seiner neuen Begleitband ein hörenswertes und abwechslungsreiches Americana-Album vor, bei dem das Fehlen des Schlagzeugs kaum auffällt.

Tatsächlich rockt der Opener „Long Black Electric Cadillac” entgegen den Erwartungen in klassischer Manier und kann als Verneigung vor Elvis Presley gedeutet werden. Ebenfalls traditionell gehalten ist die sanfte Ballade „The Music Is Hot”. Durch Lap Steel und Streicher bekommt sie einen leicht süßlichen Country-Einschlag, den auch „I‘m In Asheville” aufweist. Bei „Mississippi Phone Booth” und „Buddy Boy“ schlägt die Nadel eher in Richtung Blues aus. Mit „All The Lilacs In Ohio” schleicht sich dann doch Bluegrass, die Domäne von Jerry Douglas, auf die Scheibe. Wenn ich mich anfangs despektierlich über diese Musikrichtung geäußert habe, muss ich in diesem Fall das Urteil revidieren. Der flotte Track zählt zu meinen Favoriten auf dem Album und wurde vorab mit Video veröffentlicht. Versteht man Americana als Verschmelzung unterschiedlicher musikalischer Richtungen der Roots-Musik, dann liefert Hiatt dafür ein prototypisches Album, das Blues, Rock und Bluegrass zu einer Einheit verbindet.

Das ruhige, semiakustische „Light Of The Burning Sun” verdeutlicht Hiatts Fähigkeiten als Songwriter, die er seit seinem ersten Album aus dem Jahr 1974 immer wieder unter Beweis stellte. Im Text greift er den Selbstmord seines Bruders auf. Auch sonst sind die Lyrics retroperspektiv angelegt. Ein gewisses Maß an Nostalgie schwingt bei einigen Songs mit, wobei Hiatt überbordende Sentimentalitäten umschifft. Neben weiteren Balladen wie „Sweet Dream“ und „Changes In My Mind”, die die abendliche Atmosphäre südlicher Gefilde einfangen, finden sich durchaus Songs mit einem akzentuierten, groovenden Rhythmus. „Little Goodnight“ und das schnelle „Keen Rambler“ zählen zu dieser Kategorie.

Während Hiatt mit seiner markanten Stimme Akzente setzt, konzentriert sich Douglas, der bislang auf 1.500 Alben – so bei Ray Charles und James Taylor – zu hören ist, auf das Zupfen von Dobro und Lap Steel. Die beiden Nachbarn wohnen außerhalb von Nashville und holten sich Daniel Kimbro (Bass), Mike Seal (Gitarre), Christian Sedelmyer (Geige) und Carmella Ramsey (Background Vocals) mit ins RCA Studio B, um den Longplayer einzuspielen.

Hiatt feiert im nächsten Jahr seinen siebzigsten Geburtstag. Da verwundert es nicht, dass er auf „Leftover Feelings“ selbstreflexive Reminiszenzen versammelt. Insgesamt ist die Scheibe eine runde Sache, die trotz seiner thematischen Rückwärtsgewandtheit Lust auf die zukünftigen Werke von John Hiatt – gerne auch mit Unterstützung von der Jerry Douglas Band – macht.

New West Recordings/PIAS-Rough Trade (2021)
Stil: Americana

Tracks:
01. Long Black Electric Cadillac
02. Mississippi Phone Booth
03. The Music Is Hot
04. All The Lilacs In Ohio
05. I’m In Asheville
06. Light Of The Burning Sun
07. Little Goodnight
08. Buddy Boy
09. Changes In My Mind
10. Keen Rambler
11. Sweet Dream

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New West Records
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The Mavericks – Play The Hits – CD-Review

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Review: Michael Segets

The Mavericks greifen tief in die Mottenkiste und entstauben eine Auswahl von alten Country- und Rock-‘n-Roll-Titeln, die zumeist aus den fünfziger und sechziger Jahre stammen. Die Tracklist von „Play The Hits“ bietet daher Coverversionen, deren Vorlagen oftmals nur noch Insidern bekannt sein dürften.

Ausnahmen bilden „Once Upon The Time”, bei dem Martina McBride, Raul Malo beim Gesang begleitet, sowie „Don’t Be Cruel” von Elvis Presley. Vielleicht wurden ebenfalls die Interpretationen von „Before The Next Teardrop Falls“ oder „Blue Eyes Crying In The Rain“ durch Dolly Parton beziehungsweise Willie Nelson oder Hank Williams schon mal gehört.

Das jüngste Stück „Swingin’”, mit dem John David Anderson 1982/83 Erfolg hatte, wird wie die anderen ganz im Stil der Frühzeit des Rock ‘n Rolls dargeboten, als dessen Abgrenzung zum Country noch fließender war. Schwerpunkt der Scheibe sind die Kompositionen von Country-Urgesteinen wie Harlan Howard, Hank Cochran, Don Harris und Dewey Steven Terry, die auf ihr zu neuen Ehren kommen.

Mit „Hungry Heart“ von Bruce Springsteen sowie mit „Are You Shure Hank Done It This Way” von Waylon Jennings spielen The Mavericks dann doch noch zwei modernere Klassiker. Der Titel von Springsteen bekommt eine andere, sanfte Atmosphäre, der von Jennings erhält eine Prise Soul. Die beiden Stücke stellen die Highlights des Albums dar, wobei allerdings bereits die Originale mehr auf meiner musikalischen Linie liegen als die anderen.

Mit vollem Bandeinsatz, Akkordeon und Bläsern erzeugen The Mavericks einen Retro-Sound, der zwischen Rock ’n Roll, Country, Soul und Swing liegt. Dabei lässt die Band auch gelegentlich ihren typischen Tejano- beziehungsweise Latino-Einfluss („Blame It On Your Heart“, „Before The Next Teardrop Falls“) durchscheinen.

Insgesamt dominieren langsame, schmachtende Tracks. „Don’t You Ever Get Tired (Of Hurting Me)”, „Why Can’t She Be You” und „I’m Leaving It Up To You” zählen zu diesen durcharrangierten Titeln, für die man in einer speziellen Stimmung sein muss.

In den neunziger Jahren hatten The Mavericks hohe Verkaufszahlen und erhielten einige Auszeichnungen. Nach der zwischenzeitlichen Auflösung der Band folgte 2012 die Reunion. Von den Gründungsmitgliedern sind Frontmann Raul Malo und Schlagzeuger Paul Deakin noch dabei und auch Jerry Dale McFadden ist an den Keys wieder vertreten. Als Gitarrist stieß Eddie Perez hinzu.

Zum dreißigjährigen Bandjubiläum feiern The Mavericks die Musik, die dreißig Jahre vor ihrer Gründung aktuell war. „Play The Hits“ enthält eine Auswahl von Songs, zu denen die Band eine besondere Bindung hat. Das Album lädt zum Schwelgen in der Vergangenheit ein und ist in seiner konsequenten Ausrichtung am Sound der fünfziger/sechziger Jahre ungewöhnlich und mutig. Ob The Mavericks damit den Zeitgeist treffen ist fraglich und ein kommerzieller Erfolg erscheint eher unwahrscheinlich.

Mono Mundo Recordings/Thirty Tigers (2019)
Stil: Country, Rock ’n Roll

Tracks:
01. Swingin’
02. Are You Sure Hank Done It This Way
03. Blame It On Your Heart
04. Don’t You Ever Get Tired (Of Hurting Me)
05. Before The Next Teardrop Falls
06. Hungry Heart
07. Why Can’t She Be You
08. Once Upon A Time (feat. Martina McBride)
09. Don’t Be Cruel
10. Blue Eyes Crying In The Rain
11. I’m Leaving It Up To You

The Mavericks
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Thirty Tigers
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Paul Cauthen – Interview

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Im Anschluss an das Konzert auf dem Duisburger Dellplatz lud uns Paul Cauthen in seinen Tour-Bus ein. Als vollendeter Gastgeber bot uns der Texaner etwas Obst an und beantwortete die Fragen in entspannter Atmosphäre.

Sounds Of South: Nach Deiner vorerst letzten Show in Deutschland: Was bleibt Dir von Deutschland und Deiner Tour in Erinnerung?
Paul Cauthen: Mich freute, dass die Leute in Deutschland so freundlich waren und sie meine Musik sehr gut aufgenommen haben. Sie haben uns mit offenen Armen und familiär empfangen. Ich spielte eine verrückte Show in der Nähe von Berlin und als wir zurück nach Berlin fuhren, haben wir zu viel getrunken. Berlin hat mich etwas mitgenommen. Aber ja, es gibt wunderbare Leute hier in Deutschland. Nächstes Jahr werde ich wiederkommen. Wir touren durch die Staaten und dann, wahrscheinlich im September oder Oktober, komme ich wieder hierhin zurück.

Sounds Of South: „My Gospel“ hatte bereits einen innovativen Sound, aber auf Deinem neuen Album „Room 41“ schlägst Du mit elektronischen Drums und tanzbaren Beats einen neuen musikalischen Weg ein. Was waren deine Inspirationsquellen?
Paul Cauthen: Weißt Du, ich wollte mit den Sounds experimentieren. Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden, in der ich so oder so klingen muss. Ich will mich cool und frisch anhören – nicht so, wie etwas, das Du jeden Tag im Radio hörst. Ich schloss die Drum-Maschine und andere Dinge an, um den Sound funkier zu machen, weil ich es liebe, wie es sich anfühlt.

Sounds Of South: Hast Du schon Vorstellungen, in welche Richtung Deine Musik zukünftig gehen wird? Wieder „back to the roots“ oder schlägst Du weiter einen experimentelleren Kurs ein?
Paul Cauthen: Die nächste Musik, die ich machen werde, wird ein gutes altes Country-Album, denke ich. Ich höre viele Aufnahmen von Merle Haggard und Waylon Jennings und ich glaube, dass eine Platte mit traditionellem Country gut sein wird – eine, die konsequent Country ist und nicht wirklich Gospel wie meine erste. Sie war Gospel und eine Art R&B.

Sounds Of South: Du hast für „Have Mercy“ und „Room 41“ mit vielen Leuten zusammengearbeitet. Mit wem würdest Du zukünftig gerne Aufnahmen machen?
Paul Cauthen: Ich würde natürlich gerne mit Rick Rubin zusammenarbeiten (lacht) oder mit T-Bone Burnett. Ich würde gerne mit Dan Auerbach von The Black Keys oder Jack White arbeiten – mit Leuten, die anders sind als ich und meine bisherigen Aufnahmen. Ich kann das tun, was ich tue, aber mit welchem Produzenten kann ich arbeiten, der mich dazu bringt, über meine eigenen Grenzen hinauszudenken?

Sounds Of South: Die Texte sind durch schwierige persönliche Erfahrungen geprägt. Gibt es eine Aussage, die für das Album „Room 41“ zentral ist?
Paul Cauthen: Ja, ich und andere Leute hatten uns tief in das Album vergraben. Ich habe für zwei Jahre in einem Hotelraum gelebt, nachdem meine Verlobte und ich uns getrennt hatten. Wir wollten heiraten, aber wir trennten uns kurz vor der Hochzeit. So fand ich mich in diesem Hotel wieder und machte das ganze Album. Die Aussage ist: Egal wie tief du im Leben sinkst, du kannst dich selbst da heraus ziehen mit Hilfe einer guten Familie und Freunden, die bei dir sind. Umgib dich mit guten Leuten! Wir alle haben Höhen und Tiefen. Wir müssen uns durchkämpfen, überleben.
Ich denke, dass ich zur rechten Zeit mit den richtigen Personen zusammen war und dieser Geist war während der Aufnahme lebendig. Wir waren verrückt zu dieser Zeit, sind spät aufgestanden, haben Frauen aufgerissen, wie wahnsinnig Rock ‘n Roll gespielt – aber gleichzeitig waren wir einsam und ängstlich in der Dunkelheit. Wir waren zugleich weinend und fröhlich, traurig und verdammt glücklich. Ich musste ehrlich sein und auf meine Gefühle und Stimmung hören.

Sounds Of South: Gibt es einen Song auf dem Album, der Dir besonders am Herzen liegt?
Paul Cauthen: Ja natürlich. Mein Favorit ist wohl “Give ‘Em Peace”. Das ist meine Botschaft an die ganze Welt, weil jeder einen Bezug zu dieser alten Botschaft hat. Viele Leute sagten dies vor mir – John Lennon und jeder sonst. Normalerweise werden Leute, die das sagen, erschossen (lacht). Aber weißt Du, ich fühle, dass es auf uns ankommt. Zum Beispiel, wenn du auf deinem Weg zur Arbeit jemanden siehst, der Hilfe braucht und du gibst ihm etwas. Wenn du so in deinem täglichen Geschäft tätig bist und wenn das jeder so macht, wird die Welt besser. Wir müssen das zusammen machen, weil keine einzelne Person die Welt verändern kann.

Sounds Of South: Du hast für „Holy Ghost Fire“ ein aufwendiges Video gedreht. Wie wichtig sind Dir Deine Musikvideos?
Paul Cauthen: Ja, der Western. Wir machten das Video draußen in der Wüste. Wir schnitten es in der Nähe von Joshua Tree mit. Wir hatten einen Haufen wunderschöner Frauen aus Los Angeles. Sie kamen rein, als meine Freundin da war. Ich sollte mit diesen Frauen spielen und meine Freundin war „Woaahh“ (lacht). Oh Mann, es war wunderbar. Gute Leute und gute Schauspieler waren dabei. Es schafft eine tolle Zeit, wenn du alle auf eine Wellenlänge bringst, wenn du versuchst, kreativ zu sein und als Einheit zusammenarbeitest. Es fühlt sich an, als wärst du in der Champion League. Du fühlst dich wie ein Champion – wie Freddie Mercury.
Diese Videos sind mir sehr wichtig. Ich glaube, eine visuelle Aussage kann das gesamte Verständnis eines Songs verändern und die Weise, wie jemand über ihn denkt. Als Künstler arbeitet es in einem ganz anderen Bereich des Gehirns. Du kannst eher mit Bildern arbeiten, als Musik zu hören. Es erreicht die jungen Leute über all die Plattformen und Möglichkeiten, die es gibt. Traurig, aber das Radio wird älter und weniger wichtig. Soziale Medien sind schneller.

Sounds Of South: Als Setting für das Video von „Holy Ghost Fire“ wählst Du den Wilden Westen. Magst Du Westernfilme?
Paul Cauthen: Ich liebe alle Westernfilme. Ich liebe John Wayne und “The Good, The Bad and The Ugly” – alle diese Spaghetti-Western. Sie sind schön gemacht, haben gute Stories und es macht Spaß, sie anzuschauen.

Sounds Of South: Wenn Du in einem solchen Film mitspielen würdest, was wäre deine bevorzugte Rolle?
Paul Cauthen: Ich würde in einem Film wahrscheinlich den Helden spielen. Ich will John Wayne sein (lacht)! Der Bösewicht wäre auch cool. Der Schurke zu sein, bringt auch eine Menge Spaß. Aber normalerweise wirst du getötet – hoffentlich (lacht).

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Das Interview in Englisch:

Sounds Of South: It was your last show in Germany today. Which impressions from Germany and your tour will you remember?
Paul Cauthen: I enjoyed that the people in Germany were so kind and their very good reception to the music. They really opened their arms and embraced us as a family when we came over here. I played a crazy show outside Berlin, and then we went to Berlin and we drank too much. Berlin kind of stung me a little bit. But yeah, beautiful people here in Germany. Next year I’ll be back. We do our tour in the States and then, probably September or October of next year I’ll come back here.

Sounds Of South: “My Gospel” already had an innovative sound, but your new album “Room 41” breaks new ground through electronic drums and more danceable beats. What were your sources of inspiration?
Paul Cauthen: Yeah, you know, I wanted to experiment with the sounds. I didn’t want to be put in a box where I have to sound like this or to sound like that. I want to sound cool and fresh – not just like something what you hear every time you turn on the radio. I put a drum-machine on and some other stuff to make it sound funkier. Because I love how this makes me feel.

Sounds Of South: Do you have any ideas in which direction your music will go in the future? Are you going “back to the roots” or are you turning forward to a more experimental course?
Paul Cauthen: I think the next music I’ll make is probably going to be just a good old country record, you know. I am listening to a lot of Merle Haggard and Waylon Jennings records and I think just a good old country record would be good. Something that is strictly country and not really gospel like my first one. It was gospel and kind of R&B.

Sounds Of South: You already worked with a couple of people for “Have Mercy” and for “Room 41”. Who would you like to work with in the future?
Paul Cauthen: Yeah, I would love to work with Rick Rubin (laughs) of course, or with T-Bone Burnett. I’d like to work with Dan Auerbach from the Black Keys or Jack White – people that would be different than just me and my normal records. Cause I can do what I do, but what producer can I work with, that makes me thinking outside of my own box?

Sounds Of South: Your lyrics are characterized by difficult personal experiences. Is there a central statement in your album “Room 41”?
Paul Cauthen: Yeah, me and another couple of people actually had our hands deep into this record. I was in a hotel for two years and I had just broken up with my fiancé. We were gonna get married when we broke up before our wedding. And I ended up living in this hotel and doing this whole record. The message is: No matter how low you might get in life you can always pull yourself out with good family and friends around you. Just surround yourself with good people! You know, we all have our ups and downs. We have to fight through, be a survivor.
I think I was together at the right time with the right people and the spirit was alive during this record. We’ve been crazy at these times – staying up late, hooking up girls, playing rock and roll like crazy – beside being alone in the dark and scared. Crying and happy – sad and hell of glad – all in one. I just had to be honest, listening to my soul and spirit.

Sounds Of South: Is there a song which is particularly important to you?
Paul Cauthen: Yeah of course, my favourite is probably “Give ‘Em Peace”. It is just my message to the whole world, because everybody can relate to this old message. Many people said it before me – John Lennon and everybody else. Usually people that say that get shot (laughs). But you know, I just feel like it’s up to us. Like when you’re on your walk to work and you see somebody that may need some help lending to helping them then. Like, be active in your day to day walk and if everybody does this, the world is better. Because not one person alone can change the world, we have to do it together.

Sounds Of South: You made an ornate video for “Holy Ghost Fire”. How important are your music videos to you?
Paul Cauthen: Yeah, the Western. We made it all out in the desert. We cut the video out near Joshua tree. And we got a bunch of beautiful girls from Los Angeles. They came in and my girlfriend was there. I gonna act with these girls and my girlfriend was like “Woaahh”. Yes, it was beautiful, man. Good people and good artists all around. It just creates a good time when you get everybody on the same level, if you try to be creative and work together as a unit. It kinda feels like you are on a Champions league. You feel like you’re already champions – like Freddie Mercury.
These videos are very important to me. I think visual messages can change the whole comprehension of a song and how somebody thinks about it. And it works in a whole different side of your brain as an artist. You can work on some visuals rather than listening to the music. It reaches the young people, through the platforms and other opportunities you have. It’s sad – but radios getting older and becoming smaller and social medias are faster.

Sounds Of South: The setting of “Holy Ghost Fire” is the Old West. Do you like western movies?
Paul Cauthen: I love western films. Love ‘em all. I love John Wayne and “The Good, The Bad and The Ugly” – all these spaghetti westerns. They are all just beautifully made, good stories and fun to watch.

Sounds Of South: If you would be playing in such a film, which role would you prefer?
Paul Cauthen: If I was playing in a film, probably the hero. I wanna be John Wayne (laughs)! Man, a villain would be cool too, being the bad guy is fun. But you usually end up being killed hopefully (laughs).

Bilder: Gernot Mangold
Interview: Michael Segets
Transkription und Übersetzung: Serafina Segets

Paul Cauthen
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Paul Cauthen – 30.08.2019, Platzhirsch Festival, Dellplatz, Duisburg – Konzertbericht

Cauthen-haupt

Das Platzhirsch Festival in Duisburg bietet über drei Tage ein vielseitiges Kultur- und Musikprogramm. Dieses Jahr hielt es mit Paul Cauthen einen hochkarätigen Act der Alternative-Country-Szene bereit. Die ihm zugestandene Dreiviertelstunde von 18.45 Uhr bis 19.30 Uhr nutzte Cauthen vor allem, um Titel seines nächste Woche erscheinenden Albums „Room 41“ zu präsentieren.

Zum Einstieg holte er mit „Holy Ghost Fire“ die Besucher des Festivals vor der großen Bühne des Dellplatzes zusammen. Das mitreißende Stück, zu dem es ein tolles Video gibt, war ein gelungener Auftakt des Konzerts. Im Laufe der nächsten Minuten füllte sich dann auch der Platz in Duisburgs Zentrum zusehends.

Mit „Big Velvet“ und „Freak“ spielte Cauthen zwei weitere countrybasierte Songs von seinem aktuellen Longplayer, die mit einem modernen, tanzbaren Beat unterlegt sind. Diese setzten die Menge konsequent in Bewegung. Darüber hinaus heizten die beiden Knaller „Still Drivin‘“ und „Saddle“ von seinem Solo-Debüt „My Gospel“ (2016) den Zuhörern gehörig ein.

Auf der Setlist standen weiterhin „My Cadillac“ und „Everybody Walkin‘ This Land“ seiner EP „Have Mercy“ (2017), sodass Cauthen einen kurzen Überblick über seine Solo-Karriere bot.

Etwas ruhiger angelegt waren „Prayed For Rain“ und „Give ‘em Peace“ – Cauthens persönlichem Favoriten von seiner Scheibe „Room 41“. Die Stücke waren aber dennoch mit einem kräftigen Rhythmus unterlegt, den Matt Pence am Schlagzeug und Ben Barauas am Bass erzeugten.

Die Stimmvarianz in Cauthens Bariton ist beeindruckend. Manchmal hört er sich wie Johnny Cash an, manchmal unternimmt er Ausflüge in ungeahnte Höhen. Gernot kamen gelegentlich Parallelen mit Elvis Presley in den Sinn – ein Vergleich, den Cauthen sehr freute.

Youngster Parker Twomey am Keyboard und Charley Wiles an der Gitarre steuerten vor allem gegen Ende des Konzerts einige kurze, aber gelungene Einlagen bei. Mit „Cocaine Country Dancing“ verabschiedete sich die Band. Der Frontmann verließ die Bühne, während seine Mitstreiter den Song zu ende jammten.

Der lang anhaltende, tosende Applaus holte Cauthen erneut zurück, obwohl das Hauptset bereits das Zeitbudget um einige Minuten überzogen hatte. Bei der Zugabe „Have Mercy“ begleitete er sich selbst mit seiner akustischen Gitarre und brachte so seine Show stimmungsvoll zum Abschluss.

Cauthens Auftritt überzeugte dermaßen, dass etliche Hörer den Merchandise-Stand umlagerten und sich zu Spontankäufen seiner Tonträger und T-Shirts hinreißen ließen. Mit seinem Konzert machte er auf alle Fälle Werbung in eigener Sache.

Ein Kompliment muss ebenfalls an die Veranstalter des Platzhirsch Festivals gehen. Sie bieten Künstlern die Möglichkeit, einem Publikum zu begegnen, dass sonst wenig Kontakt mit hierzulande nicht so populären Musikrichtungen hat.

Für Cauthen geht es nach seiner Stippvisite in Deutschland zurück in die Vereinigten Staaten. Er plant aber, im Herbst des kommenden Jahres wieder durch Europa zu touren.

Nach dem Konzert ergab sich die Gelegenheit, ein Interview mit Paul Cauthen zu führen. Dieses folgt ebenso wie die Besprechung seines neuen Albums in den nächsten Tagen bei SoS.

Bilder: Gernot Mangold
Text: Michael Segets

Line-Up:
Paul Cauthen (lead vocals, guitar)
Charley Wiles (guitar, vocals)
Parker Twomey (keys, vocals)
Ben Barauas (bass, vocals)
Matt Pence (drums)

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Platzhirsch Festival