Bruce Springsteen And The E Street Band – The Legendary 1979 No Nukes Concerts – CD/DVD-Review

Review: Michael Segets

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft wirft Bruce Springsteen ein ansprechend gestaltetes Boxset mit zwei CDs und einer DVD beziehungsweise Blueray-Disc mit dem Titel „The Legendary 1979 No Nukes Concerts“ auf den Markt. Das Cover mit geprägtem silbernen Schriftzug, das 24-seitige Booklet mit Fotos und Liner Notes von Jon Kilk sowie ein Reprint einer Konzertkarte als Gimmick zeigen, dass der Aufmachung viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Aber auch die Ton- und Bildqualität lässt nichts zu wünschen übrig, wenn man bedenkt, dass das Ursprungsmaterial über vierzig Jahre alt ist.

Ein halbes Jahr nach dem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg, Pennsylvania, wurde das Festival No Nukes veranstaltet, dessen Titel eine eindeutige politische Botschaft sendete. Keine sieben Jahre später ereignete sich die Tschernobyl-Katastrophe und Fukushima folgte 2011. Ein Umdenken in der Energie- und Klimapolitik ist ein zäher Prozess, bei dem kritische Stimmen nicht konsequent gehört werden. Damals erhoben viele Musiker die ihre: Bonnie Riatt, James Taylor, Crosby, Stills & Nash, The Doobie Brothers, Jackson Browne, Tom Petty, Bruce Spingsteen und andere mehr.

Am 21. und 22. September 1979 leistete Bruce Springsteen mit der E Street Band seinen Beitrag zu dem Festival und feierte im New Yorker Madison Square Garden so quasi in seinen dreizigsten Geburtstag hinein. Von den Konzerten fanden 13 Songs den Weg auf die CDs. Auf dem Video sind die identischen Songs vertreten, die circa hälftig von den beiden Abenden stammen.

Die erste CD startet mit drei kräftigen Rocker von seinem damals aktuellen Album „Darkness On The Edge Of Town“ („Prove It All Night“, „Badlands“, The Promised Land“). Danach gab es einen Vorgeschmack auf das seinerzeit in den Startlöchern stehende Doppelalbum „The River“ mit dem Titeltrack und „Sherry Darling“. Es folgen drei Klassiker von seinem Durchbruch „Born To Run“ („Born To Run“, „Thunder Road“, „Jungleland“). „Rosalita (Come Out Tonight)“ stammt schließlich von seinem zweiten Longplayer und zählt zu den bewährten Stücken seines Live-Repertoires.

Neben den Eigenkompositionen sind vier Cover vertreten. „Stay“ und „Detroit Medley“ – auch als „Devil With The Blue Dress Medley“ bezeichnet – wurden bereits auf dem allgemeinen No-Nukes-Sampler veröffentlicht, der einen Querschnitt durch die Songs der beteiligten Musiker bot. „Quarter To Three“ sowie das seltener performte „Rave On“ beschließen den zweiten Longplayer beziehungsweise das Video.

Da die Auftritte beider Abende bereits über Springsteens Webseite im Rahmen seiner regelmäßigen erscheinenden Konzertreihe veröffentlicht wurden, bietet „The Legendary 1979 No Nukes Concerts“ für eingefleischte Fans musikalisch nichts Neues. Wenn diese nicht sowieso alles kaufen, was der Boss herausbringt, dann spricht eventuell die optimierte Soundqualität für den Erwerb.

Als Pflichtkauf für Fans erweist sich das Boxset vor allem durch das Video. Mit mehreren Kameras und entsprechend mit oft wechselnden Perspektiven fängt es die energiegeladene Atmosphäre der Show in einer Qualität ein, die für diese Zeit ungewöhnlich ist. Die Bilder steigern das Konzerterlebnis nochmal erheblich und wecken an manchen Stellen auch nostalgische Gefühle, wenn es ein Wiedersehen mit Tom Petty, Clarence Clemons und Danny Federici gibt. Zu sehen, wie Tom Petty bei „Stay“ mit einer Fluppe im Mundwinkel auf die Bühne schlurft, ist einfach cool.

Das Boxset „The Legendary 1979 No Nukes Concerts” versammelt eine Auswahl klassischer Stücke von Springsteen And The E Street Band aus der zweiten Hälfte der 1970er in remasterter Soundqualität. Das wirkliche Highlight der Veröffentlichung stellt die DVD oder Blueray dar, die die damalige Konzertatmosphäre bei den erstklassigen Songs mit abwechslungsreichen Bildern ins Wohnzimmer holt. Dabei schwingt etwas Nostalgie an vergangene Tage mit, aber Musik und Show bleiben zeitlos.

Columbia Records/Sonic Music (2021)
Stil: Rock

Tracks:
01. Prove It All Night
02. Badlands
03. The Promised Land
04. The River
05. Sherry Darling
06. Thunder Road
07. Jungleland
08. Rosalita (Come Out Tonight)
09. Born To Run
10. Stay
11. Detroit Medley
12. Quarter To Three
13. Rave On

Bruce Springsteen
Bruce Springsteen bei Facebook
Columbia/Sony Music

John Hiatt With The Jerry Douglas Band – Leftover Feelings – CD-Review

cover John Hiatt with The Jerry Douglas Band - Leftover Feelings 300

Review: Michael Segets

Als ich las, dass „Leftover Feelings“ von John Hiatt with The Jerry Douglas Band ohne Schlagzeug eingespielt wurde, war mir zum einen klar, keine Rockplatte erwarten zu dürfen, zum anderen stand zu befürchteten, dass Hiatt nun einen Ausflug in Bluegrass-Gefilde unternimmt wie seinerzeit Steve Earle mit der Del McCoury Band. Schon nach dem ersten Reinhören folgte die Entwarnung. John Hiatt legt mit seiner neuen Begleitband ein hörenswertes und abwechslungsreiches Americana-Album vor, bei dem das Fehlen des Schlagzeugs kaum auffällt.

Tatsächlich rockt der Opener „Long Black Electric Cadillac” entgegen den Erwartungen in klassischer Manier und kann als Verneigung vor Elvis Presley gedeutet werden. Ebenfalls traditionell gehalten ist die sanfte Ballade „The Music Is Hot”. Durch Lap Steel und Streicher bekommt sie einen leicht süßlichen Country-Einschlag, den auch „I‘m In Asheville” aufweist. Bei „Mississippi Phone Booth” und „Buddy Boy“ schlägt die Nadel eher in Richtung Blues aus. Mit „All The Lilacs In Ohio” schleicht sich dann doch Bluegrass, die Domäne von Jerry Douglas, auf die Scheibe. Wenn ich mich anfangs despektierlich über diese Musikrichtung geäußert habe, muss ich in diesem Fall das Urteil revidieren. Der flotte Track zählt zu meinen Favoriten auf dem Album und wurde vorab mit Video veröffentlicht. Versteht man Americana als Verschmelzung unterschiedlicher musikalischer Richtungen der Roots-Musik, dann liefert Hiatt dafür ein prototypisches Album, das Blues, Rock und Bluegrass zu einer Einheit verbindet.

Das ruhige, semiakustische „Light Of The Burning Sun” verdeutlicht Hiatts Fähigkeiten als Songwriter, die er seit seinem ersten Album aus dem Jahr 1974 immer wieder unter Beweis stellte. Im Text greift er den Selbstmord seines Bruders auf. Auch sonst sind die Lyrics retroperspektiv angelegt. Ein gewisses Maß an Nostalgie schwingt bei einigen Songs mit, wobei Hiatt überbordende Sentimentalitäten umschifft. Neben weiteren Balladen wie „Sweet Dream“ und „Changes In My Mind”, die die abendliche Atmosphäre südlicher Gefilde einfangen, finden sich durchaus Songs mit einem akzentuierten, groovenden Rhythmus. „Little Goodnight“ und das schnelle „Keen Rambler“ zählen zu dieser Kategorie.

Während Hiatt mit seiner markanten Stimme Akzente setzt, konzentriert sich Douglas, der bislang auf 1.500 Alben – so bei Ray Charles und James Taylor – zu hören ist, auf das Zupfen von Dobro und Lap Steel. Die beiden Nachbarn wohnen außerhalb von Nashville und holten sich Daniel Kimbro (Bass), Mike Seal (Gitarre), Christian Sedelmyer (Geige) und Carmella Ramsey (Background Vocals) mit ins RCA Studio B, um den Longplayer einzuspielen.

Hiatt feiert im nächsten Jahr seinen siebzigsten Geburtstag. Da verwundert es nicht, dass er auf „Leftover Feelings“ selbstreflexive Reminiszenzen versammelt. Insgesamt ist die Scheibe eine runde Sache, die trotz seiner thematischen Rückwärtsgewandtheit Lust auf die zukünftigen Werke von John Hiatt – gerne auch mit Unterstützung von der Jerry Douglas Band – macht.

New West Recordings/PIAS-Rough Trade (2021)
Stil: Americana

Tracks:
01. Long Black Electric Cadillac
02. Mississippi Phone Booth
03. The Music Is Hot
04. All The Lilacs In Ohio
05. I’m In Asheville
06. Light Of The Burning Sun
07. Little Goodnight
08. Buddy Boy
09. Changes In My Mind
10. Keen Rambler
11. Sweet Dream

John Hiatt
John Hiatt bei Facebook
Jerry Douglas
Jerry Douglas bei Facebook
New West Records
Oktober Promotion