Town Mountain – Lines In The Levee – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Als die US-amerikanische Gruppe Town Mountain 2013 den International Bluegrass Music Award erhielt, war sie – 2005 gegründet – schon lange kein Newcomer mehr, benötigte aber noch viele Jahre, um mit ihrem Independent-Band- Status den musikalischen Durchbruch zu erreichen. Dies änderte sich 2018 mit dem sehr erfolgreichen, noch in Eigenregie aufgelegten Longplayer “New Freedom Blues”. Der Wechsel zu New West Records und der dort erschienenen Produktion “Lines In The Levee” ist ein weiterer Schritt zur Stärkung des Bandprojektes.

Die aus Asheville, North Carolina, stammende Formation hat dabei ihre musikalische Entwicklung an der Kreuzung von Classic Country und Bluegrass mit Honkytonk-String Elementen in Richtung Rock’n’Roll und Americana mit Folk Rock und Bluegrass, Roots neu interpretiert. Erstmals ist mit Miles Miller ein erfahrener Drummer dabei und ergänzt die ursprüngliche Besetzung aus Mandoline (Phil Barker), Fiddle (Bobby Britt), Guitar (Robert Greer), Banjo (Jesse Langlais) und Stand-up Bass (Zach Smith).

Die Eigenkompositionen von Greer, Barker und Langlais werden in wechselnden Lead Vocals stilvoll vorgetragen, sodass Erinnerungen an frühere Country- und Bluegrass-Interpreten nicht selten sind. Mit dem Titelsong “Lines In The Levee” bietet das Album gleich zu Beginn Country Rock, der an Stelle einer E-Gitarre, natürlich Fiddle und Banjo in den Vordergrund der Komposition bringt.

Für einen neuen Town Mountain Sound stehen überaus hörenswerte Tracks wie “Firebound Road” (ein in etwa Old School Rock’n’Roll-Bluegrass Rock) oder “American Family” (ein Bluegrass-Rockabilly), und spiegeln die unbändige Spielfreude der Band, auch angetrieben durch den Award-nominierten Produzenten Justin Francis (u. a. Anti-Flag).

“This is the sound we’ve been working towards…” bemerkt hierzu Sänger Robert Greer und meint gleichermaßen neben dem musikalischen Spektrum ebenso die tiefgreifenden Storyteller Fähigkeiten von Town Mountain. In Geschichten erzählenden Stücken (z.B. “Rene”, “Seasons Don’t Change” oder “Lean Into The Blue”) wird mit geschmeidigen Country Folk-Melodien und intensiven Lyrics über Lebensschicksale berichtet. Entsprechende Einflüsse reichen in ihren komplexen Unterschieden über die Stilrichtungen von The Band, Bill Monroe und John Hartford bis Townes van Zandt und vielleicht folkigen Grateful Dead Ansätzen.

Mit dem Americana-Stück “Daydream Quarantina” werden sogar Los Lobos – etwas zaghaft – nachempfunden. Nicht für traditionelle Puristen der Bluegrass Nation, jedoch auch für Anhänger von Springsteen-haften Country Klängen, die in der Konzertversion von “I’m On Fire” (mit selbst kreierten, mittlerweile fast schon berühmten Fiddle-Solo) inzwischen fester Bestandteil von Town Mountain Auftritten geworden sind.

Die in Nashville eingespielte Scheibe “Lines In The Levee” von Town Mountain gestaltet die Palette der Country-Bluegrass Spielwiese mit exzellentem Einfallsreichtum und starken Songtexten als eigenständige Acoustic Rock-Premiere der Band: immer vorne weg, Fiddle, Banjo und Mandoline, die Roots-Instrumente ihrer ursprünglichen musikalischen Herkunft und bleibenden Verbindung zur Heimat. Bluegrass Rock, der auch bei uns jederzeit seine Freunde finden dürfte.

New West Records (2022)
Stil: Alternative Country, Folk Rock, Bluegrass

Tracks:
01. Lines In The Levee
02. Comeback Kid
03. Distant Line
04. Firebound Road
05. Rene
06. Seasons Don’t Change
07. Daydream Quarantina
08. Big Decisions
09. Unsung Heroes
10. American Family
11. Lean Into The Blue

Town Mountain
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Lime Tree Music

Cheap Wine – Yell – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

25 Jahre nach ihrer Gründung hat die italienische Formation Cheap Wine aus Pesaro mit dem Longplayer “Yell” ihr 14. Album vorgelegt und erneut auf die altbewährte Mischung aus Alternative-Country mit Southern-Einflüssen und Blues-Zutaten zurückgegriffen.

Die in der großen Hafenstadt an der Adria beheimatete Band hatte sich nach einem Song der kalifornischen Gruppe “Green On Red” benannt, deren Stilrichtung dem sogenannten Paisley Underground der 80er Jahre erfolgreich zugehörte. Die von Cheap Wine durchweg in Eigenregie eingespielten Titel der neuen Scheibe beginnen mit “Greedy For Life” und starken psychedelischen Guitar- und Keys-Interpretationen, die in ihren Ursprüngen vom Green On Red-Vorbild nicht weit entfernt sind.

Die rasante Rocknummer “No Longer Slave” mausert sich nach kurzem Intro zum fulminanten E-Solo-Abschluss; gitarrengetrieben entwickelt sich der Titelsong “Yell” zum großartigen Wüsten-Rocker – einfach hervorragendes Songwriting. Gleiches gilt für den urtümlichen Southern-Track “Your Fool’s Gold” mit exquisiter Guitar-Work (siehe Neil Young) und dem zwischen Ray Davies Americana und Tom Petty-Country-Rock-Flair entfaltenden Song “Sun Rays Like Magic”, ein Top-Titel.

Durch einen fast “leisen” Country/Folk-Charakter mit feinfühligen Riff-Strukturen imponiert “The Scent Of A Flower” als melodisch getragenes Stück, das z.B. auch gut zu den Jayhawks passen würde. Dass die beiden Gitarristen Marco und Michelle Diamantini ihr Handwerkszeug mehr als meisterlich beherrschen, wird auch bei “Floating” in sechseinhalb Minuten deutlich.

Diesmal in ruhiger, entspannter Song-Atmosphäre: eindeutig als Filmmusik geeignet! Die insgesamt immer wieder bärenstarke Mannschaftsleistung der Band, Alessandro Grazoli am Bass, Alan Giannini (Drums) und Alessio Raffaelli an den Keys, kann ebenfalls beim weiteren, absoluten Top-Stück “The Devil Is Me” grandios überzeugen – ein Titel angesiedelt zwischen den musikalischen Welten von The Feelies und War On Drugs.

Eine außergewöhnliche Vielseitigkeit von Cheap Wine, die in Live-Versionen Dylan und Springsteen ausgiebig interpretieren, lässt neben lautstarken, schnellen Rock-Kunststücken (hier z.B. “Colors”) abschließend gleichermaßen schönes Storytelling in “Last Man On The Planet” als langsam ausklingenden Abgesang beinahe zeitlos wirken.

Bereits 2015 war der damalige Dream Syndicate-Frontman, Steve Wynn, offensichtlich vom musikalischen Potential der Band derart beeindruckt, dass er mit Cheap Wine einen mitreißenden Konzertauftritt in Triest hinlegte – absolut nachvollziehbar. Unverständlich ist hingegen, dass bisher kein großes Label auf die Band von der Adria aufmerksam wurde, denn mit “Yell” ist Cheap Wine erneut eine besonders empfehlenswerte Produktion gelungen. Alles in allem eine wunderbare Scheibe, die internationale Vergleiche spielerisch aushält.

Eigenproduktion (2022)
Stil: Alternative Country, Southern Rock

Tracks:
01. Greedy For Life
02. No Longer Slave
03. Yell
04. Your Fool’s Gold
05. Sun Rays Like Magic
06. The Scent Of A Flower
07. Floating
08. The Devil Is Me
09. Colors
10. The Last Man On The Planet

Cheap Wine
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Mudlow – Bad Turn – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Zehn Jahre nach ihrem letzten CD-Longplayer „Sawyer’s Hope“ (2012) kommt die britische alternativ Country-Blues-Band Mudlow endlich mit dem 3. Full-Length Album „Bad Turn“ aus den Startlöchern. Die aus Brighton stammende Formation besteht seit 2002 und hatte 2019 zuletzt eine Compilation mit dem vielsagenden Titel „Waiting For The Tide To Rise“ veröffentlicht, die laut Mudlow „handpicked tracks“ aus 16 Jahren enthält. Für Insider ist die Band von Tobias Tester (Gitarre, Vocals, Songwriting), Paul Pascoe (Bass, Produktion) und Matt Latcham (Drums) mit ihrem „dreckigen“ Blues-Sound schon seit längerer Zeit ein Geheimtipp.

Die neue Scheibe beginnt dementsprechend auch mit einem Wortspiel auf den Bandnamen. Der Titel „Lower Than Mud“ ist ein eigenwilliges Blues Rock-Konglomerat im Stile des US-Blues Musikers Junior Kimbrough, ergänzt durch Testers herrliche Tom Waits-Stimme und einem typischen E-Solo im Mudlow-Soundtrack der Spitzenklasse. Die Nummer ist ein unbedingter Anspieltipp, ebenso wie das später folgende „Crocodile Man“, das im Storytelling und Boogie-Repertoire eines frühen J.J. Cale sicher erfolgreich gepasst hätte.

Bereits für Mudlows Auftritt beim US-Deep Blues Festival 2008 in Clarksdale, Mississippi, war die Band vom Veranstalter als neue „Nick Cave der Outlaw Music“ angekündigt worden und steht auch 14 Jahre danach für diese Form einer einfach unbestreitbar fesselnden Southern Blues Music. Die „dunkle Wolken treffen auf schmutzige Stiefel“ – Mentalität wird in den Tracks der neuen LP durchweg in den versierten Songlyrics und den ausgefranst driftenden Kompositionen praktiziert; mit weiteren Glanzstücken im Tony Joe White– und J.J. Cale-Format bleiben „Further Down The Road“ (mit Rap-Einlage) und „So Long Lee“ (im stark bluesigen Tom Waits-Jargon) ausgesprochen undergroundig im Gedächtnis.

Ein langsamer Blues-Sprachgesang im Titelstück „One Bad Turn“ und das fast unscheinbar wirkende Country-Folk Stück „Three Crows In A Row“ beweisen die meisterliche Spielweise im cleveren Songaufbau, der auch im letzten Stück „Sundown“ eine akustische Folk Rock-Geschichte brillant erzählt, und wie eine Filmmusik für ein noch nicht produziertes Movie im Raum hängen bleibt! Die Kraft der 10 Tracks von „Bad Turn“ besticht in ihren kleinen Feinheiten mit Rockabilly und Dire Straits-Pointen und einer kräftigen E-Gitarre in rauen Passagen.

Die hierzulande leider bisher kaum bekannten Mudlow haben mit ihrem neuen Longplayer „Bad Turn“ ein Roots Rock Album produziert, das ihren langen Atem und ein unverkennbares Durchhaltevermögen musikalisch eindrucksvoll unter Beweis stellt. Der individuelle Bluessound reflektiert die erdige Verbundenheit der Band mit ihrer Musik und das sichere Gefühl für den „ehrlichen“ Blues. Einen der bei uns seltenen Gigs spielen Mudlow laut Bandseite übrigens beim Orange Blossom Festival im Juni in Beverungen.

Whiskey Preachin‘ Records (2022)
Stil: Roots Rock, Alternative Country, Blues Rock

Tracks:
01. Lower Than Mud
02. Red Rock
03. One Bad Turn
04. Further Down The Road
05. Three Cows In A Row
06. Clean Slate
07. Crocodile Man
08. The Last Rung Down To Hell
09. So Long Lee (Redux)
10. Sundown

Mudlow
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Juke Joint 500 Records

The Flatlanders – Treasure Of Love – CD-Review

cover The Flatlanders - Treasure Of Love 300

Review: Michael Segets

The Flatlanders spielten ihr erstes Album 1972 ein, die Plattenfirma veröffentlichte es aber nicht. Nach diesem Fehlstart löste sich die Band erst einmal auf. In den folgenden Jahren kursierten einige Liveaufnahmen und Bootlegs, durch die das Trio, bestehend aus Joe Ely, Jimmie Dale Gilmore und Butch Hancock, einen legendären Ruf erwarb.

Erst 1990 kam das gemeinsame Debüt in leicht abgewandelter Form heraus und wurde ein kommerzieller Erfolg, an dem die Urheber allerdings keine Beteiligung erfuhren. Mittlerweile hatten die Musiker Solokarrieren eingeschlagen. Den Kontakt verloren die drei Freunde allerdings nie. Sporadisch ergaben sich Kollaborationen und für den Soundtrack zum Film „Der Pferdeflüsterer“ steuerten sie als The Flatlanders einen Track bei.

In der ersten Dekade der 2000er entstanden noch drei gemeinsame Alben. Ein weiteres Werk wurde begonnen, jedoch nicht vollendet, bis die Pandemie die Termin- und Tourkalender leerte. Die Zwangspause nutzten Ely, Gilmore und Hancock, um das Projekt fertigzustellen. Dafür engagierten Sie Lloyd Maines (The Chicks, Wilco, Kris Kristofferson, Loretta Lynn), der „Treasure Of Love“ zusammen mit Ely und dessen Frau Sharon produzierte.

Unter den fünfzehn Songs des Longplayers sind ältere und neuere Eigenkompositionen sowie einige Cover vertreten. The Flatlanders interpretieren „She Belongs To Me” von Bob Dylan, „Snowin‘ on Raton” von Townes Van Zandt, „Give My Love To Rose” von Johnny Cash und „Treasure of Love” von George Jones. Der Klassiker „Sittin‘ On Top Of The World“, mit dem die Band gerne ihre Konzerte beendet, beschließt auch das Album. Das Video zur ersten Single besticht durch die historischen Aufnahmen aus der frühen Bandgeschichte.

„Treasure Of Love“ umweht der Hauch der Siebziger, der bei „Ramblin‘ Man“ besonders deutlich spürbar ist. Das Album ist gradlinig produziert und verzichtet auf Modernisierungen oder Schnörkel. Die Texaner gelten als Mitinitiatoren des Alternative Country und bleiben dessen Ursprüngen in jedem Song verbunden. Die Instrumentierung bewegt sich daher auch in genretypischen Bahnen und setzt bei mehreren Stücken auf ausgiebigen Slide. Beim Opener „Moanin’ Of The Midnight Train” treffen The Flatlanders dabei genau das richtige Maß, zumal das kräftige Schlagzeug eine gelungen Gegenpol liefert.

Das Wimmern der Saiten ist auf manchen Tracks etwas viel, wie bei „The Ballad Of Honest Sam“. „I Don’t Blame You” geht in eine ähnliche Richtung, wenn es auch nicht ganz so süßlich wirkt. Besser gelungen ist die Country-Ballade „Love Oh Love Please Come Home”. Neben den getragenen Stücken präsentieren The Flatlanders einige flotte Nummern wie „Mobile Blue“ oder auch „She Smiles Like A River“. Ordentlichen Swing gibt die Band „Mama Does The Kangaroo” mit. Schließlich finden sich Bluegrass-Elemente („Satin Shoes“) und mehrstimmige Gesangseinlagen („Long Time Gone“) auf dem Album, sodass dessen Linie zwar erhalten bleibt, Variationen im Sound aber einfließen.

Wenn Charley Crockett, Colter Wall oder auch Vincent Neil Emerson als Vertreter des New Traditional Country gehandelt werden, dann vertreten The Flatlanders einen Old Alternative Country. Was vor fünfzig Jahren einen innovativen Schub in die Country-Musik brachte, klingt heute eher altbekannt. Dass die Neuauflage des Alten aber nicht schlecht sein muss, sondern durchaus einen eigenen Charme entwickeln kann, beweisen Ely, Gilmore und Hanock auf „Treasure Of Love“. Schätze liegen ja manchmal längere Zeit verborgen, bis sie wieder ans Tageslicht gehoben werden.

Rack’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Moanin’ Of The Midnight Train
02. Long Time Gone
03. Snowin’ On Raton
04. She Smiles Like A River
05. Love Oh Love Please Come Home
06. Give My Love To Rose
07. Treasure Of Love
08. Satin Shoes
09. The Ballad Of Honest Sam
10. Mama Does The Kangaroo
11. She Belongs To Me
12. I Don’t Blame You
13. Mobile Blue
14. Ramblin’ Man
15. Sittin’ On Top Of The World

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Blitzen Trapper – Holy Smokes Future Jokes – CD-Review

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Review: Jörg Schneider

Als ich die neue CD der Billy Walton Band über Marcus Offermanns von Bertus Musikvertrieb für eine Rezension erhielt, hatte er mir auch das neueste Werk von Blitzen Trapper dazu gepackt. Bislang war die Band für mich völlig unbekannt und ich musste mich also erst einmal ein wenig mit ihr beschäftigen.

Bei der Truppe handelt es sich um ein seit 2000 bestehendes Quintett aus Portland, Oregon, mit Frontmann Eric Earley (Gitarre, Mundharmonika, Gesang, Keyboards), Erik Menteer (Gitarre, Keyboards), Brian Adrian Koch (Drums, Gesang, Mundharmonika), Michael Van Pelt (Bass) und Marty Marquis (Gitarre, Keyboards, Gesang, Melodica). Stilistisch sind sie dem Alternative Country und Folk zu zurechnen.

Die vorliegende CD mit dem etwas kryptisch verschwurbelten Titel „Holy Smokes Future Jokes“ ist das zehnte Album der Band. Beim ersten kurzen Anspielen der zehn Titel dachte ich noch, ok, das hört sich ja nicht schlecht an. Nach dem zweiten aufmerksamen Zuhören bleibt allerdings der Eindruck, dass sich alle Tracks doch recht ähnlich anhören und so vor sich hin plätschern. Die meisten Songs auf dem Album sind im Singer/Songwriter-Stil melodiös und ohne große Aufreger arrangiert. „Baptismal“ und „Bardo‘s Light“ sind recht ähnlich komponiert, wobei Earleys Stimme im ersten Track leicht verhallt ist und „Magical Thinking“ wartet mit einem schönen Gitarrenintro im Fingerpicking-Stil auf.

Das interessanteste und beste Stück ist aber sicherlich „Masonic Temple Microdose #1“. Eine härter gespielte Gitarre mit Slideeinlagen gibt hier den Rhythmus vor und erinnert ein wenig an den Pop-Rock der 60er Jahre. Erwähnenswert sind ansonsten noch „Requiem“, ein Song, der nicht, wie der Titel vermuten lässt, schwermütig ist, sondern fröhlich positiv klingt und natürlich das Titel gebende Stück „Holy Smokes Future Jokes“ mit zu „Holy Smokes …“ passenden, leicht psychedelischen Anleihen.

Die Stücke allein machen das Album allerdings nicht aus. Als Zuhörer sollte man nach Möglichkeit schon auf die Lyrics achten, wobei diese aber zugegebenermaßen nicht immer leicht verständlich sind. Aber die Mühe, die Texte verstehen zu wollen, lohnt. Immerhin geht es in den Songs um ganz existentielle Fragen des menschlichen Daseins.

Die Texte sind von George Saunders Buch „Lincoln in the Bardo“ inspiriert. Dem tibetischen Buddhismus zufolge, beschreibt der Begriff „Bardo“ Bewusstseinszustände im Dies- und Jenseits. Und genau diese Gedanken greifen Blitzen Trapper auf und setzen sie in traumhafte und apokalyptische Szenarien um, womit sich somit auch der kryptisch anmutende Name des Albums erklären lässt.

Musikalisch gesehen ist die Scheibe mit der vor sich hinplätschernden Musik also gut zum Abschalten/Träumen/Meditieren geeignet. Wenn man sich zudem noch auf die Texte einlassen kann, bekommt man aber auch noch eine spannende intellektuell-philosophische Reise gratis dazu.

Yep Roc/Bertus (2020)
Stil: Alternative Country, Folk, Singer/Songwriter

Tracks:
01. Baptismal
02. Bardo‘s Light (Quija, Quija)
03. Don‘t Let Me Run
04. Magical Thinking
05. Masonic Temple Microdose #1
06. Requiem
07. Holy Smokes Future Jokes
08. Sons And Unwed Mothers
09. Dead Billy Jean
10. Hazy Morning

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Yep Roc Records
Bertus

The Jayhawks – XOXO – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Hollywood Town Hall“ zählt zu den Meilensteinen des Alternative Country. Das 1992er Album steht als einziges der Jayhawks in meinem CD-Regal. In manche der nachfolgenden Alben hörte ich nur noch sporadisch rein. The Jayhawks entfernten sich mit den Jahren tendenziell von der Roots Music und gingen in eine poppigere Richtung. „XOXO“ läutet dahingehend keine Wende kein. Neu ist hingegen, dass die Bandmitglieder neben Frontmann und Gitarrist Gary Louris nun mehr in Erscheinung treten.

Karen Grotberg (Keys), Marc Perlman (Bass) und Tim O’Reagan (Drums) sind alle mit eigenen Kompositionen auf dem neuen Werk vertreten und übernehmen auch die Lead Vocals. Grotberg zeichnet für die beiden Balladen „Ruby“ und „Across My Field“ verantwortlich, bei denen dann entsprechend das Klavier die Begleitung dominiert. Perlman steuert den folkorientierten Titel „Down The Farm“ bei.

Für die schnelleren Töne ist O’Reagan („Society Paper“) zuständig. Bei dem straighten „Dogtown Days“ rockt er mit stampfendem Rhythmus los. Neben dem Opener „This Forgotten Town“, bei dem er sich mit Louris am Mikro abwechselt, stellt es das stärkste Stück auf dem Album dar. Die Jayhawks haben die beiden Songs als Singles ausgekoppelt und damit die richtige Entscheidung getroffen.

Ebenfalls auf das Konto von Louris und O‘Reagan geht „Little Victories“, bei dem Louris exzellente Arbeit an der Gitarre leistet. „Living In A Bubble“, das entfernt an die Beatles erinnert, und „Homecoming“ verfasste Louris im Alleingang. Die Songs sind ziemlich poppig geraten und vor allem das letztgenannte Stück fällt mit seinen hohen Gesangseinlagen sowie dem experimentellen Ende ab. Auch mit dem süßlich beginnenden „Illuminate“ kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Die Midtempo-Nummer „Bitter Pill“ und der folkige Abschluss „Looking Up Your Number“ hinterlassen dann aber nochmals einen positiven Eindruck.

The Jayhawks präsentieren sich auf „XOXO“ als Band mit gleichberechtigten Mitgliedern. Durch den wechselenden Leadgesang verfolgen sie ein Konzept, das in dieser Konsequenz bei den US Rails schon bestens funktioniert. Der ausgiebige Einsatz mehrstimmiger Harmonien ist den beiden Truppen ebenso gemeinsam. Vom Sound sind sie aber bei den meisten Titel meilenweit voneinander entfernt.

Die zwei ersten Tracks bilden einen starken, erdigen Einstieg, danach bewegt sich „XOXO“ überwiegend in etwas überladenen Pop-Rock-Gefilden. Dabei finden sich ein paar gelungene Titel, daneben aber auch anstrengendere Arrangements. Beim letzten Song, im Wesentlichen auf die Begleitung durch die akustische Gitarre reduziert, zeigen die Jayhawks dann doch nochmal ihr Händchen für gefühlvolle Melodien. Statt es in Gänze durchlaufen zu lassen, bietet sich das Album also dafür an, sich die Highlights herauszupicken.

Sham Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Rock/Pop

Tracks:
01. This Forgotten Town
02. Dogtown Days
03. Living In A Bubble
04. Ruby
05. Homecoming
06. Society Pages
07. Illuminate
08. Bitter Pill
09. Across My Field
10. Little Victories
11. Down To The Farm
12. Locking Up Your Number

The Jayhawks
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Instant Rivalry – Whiskey And Lead – CD-Review

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Review: Michael Segets

Normalerweise wird, sobald etwas Publicity erworben wurde, schnell ein Produkt nachgeschoben. Die Geschwister Megan und Caleb Hutton haben hingegen mit ihrem Debüt „Whiskey And Lead” auf Qualität gesetzt. Nachdem sie als Instant Rivalry 2015 und 2016 kanadische Country-Preise einheimsten, sammelten sie zunächst als Support für Jefferson Airplane, Tanja Tucker, Corb Lund und The Nitty Gritty Dirt Band einige Live-Erfahrungen, bevor sie sich an die Arbeit an ihr erstes Album begaben.

Im eigenen Studio spielten sie zusammen mit ausgewählten Begleitmusikern fünfzehn selbst komponierte Tracks live ein. Das Ergebnis ist ein handgemachtes Alternative Country-Album, dass sich hören lassen kann. Bei „Ex’s For A Reason“ übernimmt Caleb den Lead-Gesang, ansonsten lässt er seiner Schwester den Vortritt am Mikro.

Der Name der legendären Wild-West-Kunstschützin „Annie Oakley“ dient dem aggressivsten Songs des Albums als Titel. Nach dem Opener geht es mit „If You Can’t Ride“ zwar nochmal country-rockig weiter, aber die meisten Nummern bewegen sich in einem radiotauglichen Midtempo. Als hitverdächtig drängt sich dabei „Heartless“ auf. Aber auch „Rodeo Man“ und „Come And Take It“ sind sehr eingängig.

„Catching Me“ sowie „Slow Motion“ haben einen gefällig poppigen Einschlag. „A Little More Time“ kommt mit einem flotten Country-Rhythmus und Twang daher. Bei dem etwas langsameren „Love With Me“ legt Megan einen rauen Growl in ihren Gesang, den sie auch bei einigen rockigeren Songs anschlägt. Vor allem bei dem staubigen „Ho Down“ kommt er richtig zur Geltung. Die erste Single gehört neben dem frechen „Drink You Pretty“ zu den Highlights der CD.

In der Mitte des Albums streut Instant Rivalry die Ballade „Little Old Farmhouse” ein. Diese folgt ebenso wie „Telluride“ und der Abschluss „Worn Out My Welcome“ den typischen Mustern mit Slide, etwas Geige und mehrstimmigem Harmoniegesang. Mit den Titeln müssen sich Megan und Caleb Hutton nicht vor den Musikern aus Nashville verstecken.

In der Gesamtschau legen die beiden Hutton-Geschwister ein beeindruckendes Debüt vor. „Wiskey And Lead“ besticht durch gutes Songwriting und eine gradlinige Produktion. Gerade im mittleren Tempobereich gelingen Instant Rivalry einige Ohrwürmer, bei denen Chart-Platzierungen durchaus möglich erscheinen. Die harmonischen Melodien erhalten manchmal Ecken und Kanten, mit denen die Songs Konturen gewinnen.

Dass die Huttons nicht auf den schnellen kommerziellen Erfolg schielen, beweist die Auswahl des erdigen „Ho Down“ als erste Auskopplung. Zu hoffen wäre, dass zukünftig weitere Veröffentlichungen folgen, bei denen sich zeigen wird, wie die junge Band den Spagat zwischen Mainstream und eigenem Stil meistert.

Back Forty Productions (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Annie Oakley
02. If You Can’t Ride
03. Heartless
04. Rodeo Man
05. Come And Take It
06. Ex’s For A Reason
07. A Little More Time
08. Little Old Farmhouse
09. Catching Me
10. Slow Motion
11. Drink You Pretty
12. Love With You
13. Telluride
14. Ho Down
15. Worn Out My Welcome

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Back Forty Productions
Two Side Moon Promotions

Paul Cauthen – Interview

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Im Anschluss an das Konzert auf dem Duisburger Dellplatz lud uns Paul Cauthen in seinen Tour-Bus ein. Als vollendeter Gastgeber bot uns der Texaner etwas Obst an und beantwortete die Fragen in entspannter Atmosphäre.

Sounds Of South: Nach Deiner vorerst letzten Show in Deutschland: Was bleibt Dir von Deutschland und Deiner Tour in Erinnerung?
Paul Cauthen: Mich freute, dass die Leute in Deutschland so freundlich waren und sie meine Musik sehr gut aufgenommen haben. Sie haben uns mit offenen Armen und familiär empfangen. Ich spielte eine verrückte Show in der Nähe von Berlin und als wir zurück nach Berlin fuhren, haben wir zu viel getrunken. Berlin hat mich etwas mitgenommen. Aber ja, es gibt wunderbare Leute hier in Deutschland. Nächstes Jahr werde ich wiederkommen. Wir touren durch die Staaten und dann, wahrscheinlich im September oder Oktober, komme ich wieder hierhin zurück.

Sounds Of South: „My Gospel“ hatte bereits einen innovativen Sound, aber auf Deinem neuen Album „Room 41“ schlägst Du mit elektronischen Drums und tanzbaren Beats einen neuen musikalischen Weg ein. Was waren deine Inspirationsquellen?
Paul Cauthen: Weißt Du, ich wollte mit den Sounds experimentieren. Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden, in der ich so oder so klingen muss. Ich will mich cool und frisch anhören – nicht so, wie etwas, das Du jeden Tag im Radio hörst. Ich schloss die Drum-Maschine und andere Dinge an, um den Sound funkier zu machen, weil ich es liebe, wie es sich anfühlt.

Sounds Of South: Hast Du schon Vorstellungen, in welche Richtung Deine Musik zukünftig gehen wird? Wieder „back to the roots“ oder schlägst Du weiter einen experimentelleren Kurs ein?
Paul Cauthen: Die nächste Musik, die ich machen werde, wird ein gutes altes Country-Album, denke ich. Ich höre viele Aufnahmen von Merle Haggard und Waylon Jennings und ich glaube, dass eine Platte mit traditionellem Country gut sein wird – eine, die konsequent Country ist und nicht wirklich Gospel wie meine erste. Sie war Gospel und eine Art R&B.

Sounds Of South: Du hast für „Have Mercy“ und „Room 41“ mit vielen Leuten zusammengearbeitet. Mit wem würdest Du zukünftig gerne Aufnahmen machen?
Paul Cauthen: Ich würde natürlich gerne mit Rick Rubin zusammenarbeiten (lacht) oder mit T-Bone Burnett. Ich würde gerne mit Dan Auerbach von The Black Keys oder Jack White arbeiten – mit Leuten, die anders sind als ich und meine bisherigen Aufnahmen. Ich kann das tun, was ich tue, aber mit welchem Produzenten kann ich arbeiten, der mich dazu bringt, über meine eigenen Grenzen hinauszudenken?

Sounds Of South: Die Texte sind durch schwierige persönliche Erfahrungen geprägt. Gibt es eine Aussage, die für das Album „Room 41“ zentral ist?
Paul Cauthen: Ja, ich und andere Leute hatten uns tief in das Album vergraben. Ich habe für zwei Jahre in einem Hotelraum gelebt, nachdem meine Verlobte und ich uns getrennt hatten. Wir wollten heiraten, aber wir trennten uns kurz vor der Hochzeit. So fand ich mich in diesem Hotel wieder und machte das ganze Album. Die Aussage ist: Egal wie tief du im Leben sinkst, du kannst dich selbst da heraus ziehen mit Hilfe einer guten Familie und Freunden, die bei dir sind. Umgib dich mit guten Leuten! Wir alle haben Höhen und Tiefen. Wir müssen uns durchkämpfen, überleben.
Ich denke, dass ich zur rechten Zeit mit den richtigen Personen zusammen war und dieser Geist war während der Aufnahme lebendig. Wir waren verrückt zu dieser Zeit, sind spät aufgestanden, haben Frauen aufgerissen, wie wahnsinnig Rock ‘n Roll gespielt – aber gleichzeitig waren wir einsam und ängstlich in der Dunkelheit. Wir waren zugleich weinend und fröhlich, traurig und verdammt glücklich. Ich musste ehrlich sein und auf meine Gefühle und Stimmung hören.

Sounds Of South: Gibt es einen Song auf dem Album, der Dir besonders am Herzen liegt?
Paul Cauthen: Ja natürlich. Mein Favorit ist wohl “Give ‘Em Peace”. Das ist meine Botschaft an die ganze Welt, weil jeder einen Bezug zu dieser alten Botschaft hat. Viele Leute sagten dies vor mir – John Lennon und jeder sonst. Normalerweise werden Leute, die das sagen, erschossen (lacht). Aber weißt Du, ich fühle, dass es auf uns ankommt. Zum Beispiel, wenn du auf deinem Weg zur Arbeit jemanden siehst, der Hilfe braucht und du gibst ihm etwas. Wenn du so in deinem täglichen Geschäft tätig bist und wenn das jeder so macht, wird die Welt besser. Wir müssen das zusammen machen, weil keine einzelne Person die Welt verändern kann.

Sounds Of South: Du hast für „Holy Ghost Fire“ ein aufwendiges Video gedreht. Wie wichtig sind Dir Deine Musikvideos?
Paul Cauthen: Ja, der Western. Wir machten das Video draußen in der Wüste. Wir schnitten es in der Nähe von Joshua Tree mit. Wir hatten einen Haufen wunderschöner Frauen aus Los Angeles. Sie kamen rein, als meine Freundin da war. Ich sollte mit diesen Frauen spielen und meine Freundin war „Woaahh“ (lacht). Oh Mann, es war wunderbar. Gute Leute und gute Schauspieler waren dabei. Es schafft eine tolle Zeit, wenn du alle auf eine Wellenlänge bringst, wenn du versuchst, kreativ zu sein und als Einheit zusammenarbeitest. Es fühlt sich an, als wärst du in der Champion League. Du fühlst dich wie ein Champion – wie Freddie Mercury.
Diese Videos sind mir sehr wichtig. Ich glaube, eine visuelle Aussage kann das gesamte Verständnis eines Songs verändern und die Weise, wie jemand über ihn denkt. Als Künstler arbeitet es in einem ganz anderen Bereich des Gehirns. Du kannst eher mit Bildern arbeiten, als Musik zu hören. Es erreicht die jungen Leute über all die Plattformen und Möglichkeiten, die es gibt. Traurig, aber das Radio wird älter und weniger wichtig. Soziale Medien sind schneller.

Sounds Of South: Als Setting für das Video von „Holy Ghost Fire“ wählst Du den Wilden Westen. Magst Du Westernfilme?
Paul Cauthen: Ich liebe alle Westernfilme. Ich liebe John Wayne und “The Good, The Bad and The Ugly” – alle diese Spaghetti-Western. Sie sind schön gemacht, haben gute Stories und es macht Spaß, sie anzuschauen.

Sounds Of South: Wenn Du in einem solchen Film mitspielen würdest, was wäre deine bevorzugte Rolle?
Paul Cauthen: Ich würde in einem Film wahrscheinlich den Helden spielen. Ich will John Wayne sein (lacht)! Der Bösewicht wäre auch cool. Der Schurke zu sein, bringt auch eine Menge Spaß. Aber normalerweise wirst du getötet – hoffentlich (lacht).

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Das Interview in Englisch:

Sounds Of South: It was your last show in Germany today. Which impressions from Germany and your tour will you remember?
Paul Cauthen: I enjoyed that the people in Germany were so kind and their very good reception to the music. They really opened their arms and embraced us as a family when we came over here. I played a crazy show outside Berlin, and then we went to Berlin and we drank too much. Berlin kind of stung me a little bit. But yeah, beautiful people here in Germany. Next year I’ll be back. We do our tour in the States and then, probably September or October of next year I’ll come back here.

Sounds Of South: “My Gospel” already had an innovative sound, but your new album “Room 41” breaks new ground through electronic drums and more danceable beats. What were your sources of inspiration?
Paul Cauthen: Yeah, you know, I wanted to experiment with the sounds. I didn’t want to be put in a box where I have to sound like this or to sound like that. I want to sound cool and fresh – not just like something what you hear every time you turn on the radio. I put a drum-machine on and some other stuff to make it sound funkier. Because I love how this makes me feel.

Sounds Of South: Do you have any ideas in which direction your music will go in the future? Are you going “back to the roots” or are you turning forward to a more experimental course?
Paul Cauthen: I think the next music I’ll make is probably going to be just a good old country record, you know. I am listening to a lot of Merle Haggard and Waylon Jennings records and I think just a good old country record would be good. Something that is strictly country and not really gospel like my first one. It was gospel and kind of R&B.

Sounds Of South: You already worked with a couple of people for “Have Mercy” and for “Room 41”. Who would you like to work with in the future?
Paul Cauthen: Yeah, I would love to work with Rick Rubin (laughs) of course, or with T-Bone Burnett. I’d like to work with Dan Auerbach from the Black Keys or Jack White – people that would be different than just me and my normal records. Cause I can do what I do, but what producer can I work with, that makes me thinking outside of my own box?

Sounds Of South: Your lyrics are characterized by difficult personal experiences. Is there a central statement in your album “Room 41”?
Paul Cauthen: Yeah, me and another couple of people actually had our hands deep into this record. I was in a hotel for two years and I had just broken up with my fiancé. We were gonna get married when we broke up before our wedding. And I ended up living in this hotel and doing this whole record. The message is: No matter how low you might get in life you can always pull yourself out with good family and friends around you. Just surround yourself with good people! You know, we all have our ups and downs. We have to fight through, be a survivor.
I think I was together at the right time with the right people and the spirit was alive during this record. We’ve been crazy at these times – staying up late, hooking up girls, playing rock and roll like crazy – beside being alone in the dark and scared. Crying and happy – sad and hell of glad – all in one. I just had to be honest, listening to my soul and spirit.

Sounds Of South: Is there a song which is particularly important to you?
Paul Cauthen: Yeah of course, my favourite is probably “Give ‘Em Peace”. It is just my message to the whole world, because everybody can relate to this old message. Many people said it before me – John Lennon and everybody else. Usually people that say that get shot (laughs). But you know, I just feel like it’s up to us. Like when you’re on your walk to work and you see somebody that may need some help lending to helping them then. Like, be active in your day to day walk and if everybody does this, the world is better. Because not one person alone can change the world, we have to do it together.

Sounds Of South: You made an ornate video for “Holy Ghost Fire”. How important are your music videos to you?
Paul Cauthen: Yeah, the Western. We made it all out in the desert. We cut the video out near Joshua tree. And we got a bunch of beautiful girls from Los Angeles. They came in and my girlfriend was there. I gonna act with these girls and my girlfriend was like “Woaahh”. Yes, it was beautiful, man. Good people and good artists all around. It just creates a good time when you get everybody on the same level, if you try to be creative and work together as a unit. It kinda feels like you are on a Champions league. You feel like you’re already champions – like Freddie Mercury.
These videos are very important to me. I think visual messages can change the whole comprehension of a song and how somebody thinks about it. And it works in a whole different side of your brain as an artist. You can work on some visuals rather than listening to the music. It reaches the young people, through the platforms and other opportunities you have. It’s sad – but radios getting older and becoming smaller and social medias are faster.

Sounds Of South: The setting of “Holy Ghost Fire” is the Old West. Do you like western movies?
Paul Cauthen: I love western films. Love ‘em all. I love John Wayne and “The Good, The Bad and The Ugly” – all these spaghetti westerns. They are all just beautifully made, good stories and fun to watch.

Sounds Of South: If you would be playing in such a film, which role would you prefer?
Paul Cauthen: If I was playing in a film, probably the hero. I wanna be John Wayne (laughs)! Man, a villain would be cool too, being the bad guy is fun. But you usually end up being killed hopefully (laughs).

Bilder: Gernot Mangold
Interview: Michael Segets
Transkription und Übersetzung: Serafina Segets

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Paul Cauthen – Room 41 – CD-Review

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Review: Michael Segets

Paul Cauthen, ehemaliger Frontmann der Sons Of Fathers, hatte in den letzten Jahren mit physischen und psychischen Problemen zu kämpfen, zog sich aber durch seine Arbeit an „Room 41” aus dem Sumpf. Der Titel des Albums bezieht sich auf das Hotelzimmer, in dem er fast zwei Jahre aus dem Koffer lebte.

Der Kampf mit den inneren Dämonen klingt in den Texten immer wieder an, So auch bei den ersten Auskopplungen „Cocaine Country Dancing“ sowie „Holy Ghost Fire”. Zum letztgenannten gibt es ein sehenswertes narratives Video im Netz, in dem Cauthen in die Rolle eines seelisch zerrissenen Predigers im Wilden Westen schlüpft.

Bei der Auswahl der Singles beweist Cauthen das richtige Gespür. Die Songs sind die stärksten auf dem Werk. Sie weisen in die Richtung, die Cauthen bei circa der Hälfte der Stücke einschlägt. Die Country-basierten Titel werden dort mit einem (tanzbaren) Beat unterlegt und durch Funk- oder R&B-Elemente angereichert. Dieser ungewöhnliche Mix funktioniert. Auch „Big Velvet” oder „Freak” schlagen in diese Kerbe.

Die experimentelle Herangehensweise macht „Room 41“ interessant. Bemerkenswert ist sicherlich auch die Stimme von Cauthen. Sein Bariton wird gelegentlich mit dem von Waylon Jennings verglichen, manchmal hört er sich aber auch nach Johnny Cash oder Colter Wall an. Wenn sich Cauthen richtig in die Brust wirft, schießt er an einzelnen Stellen leicht über das Ziel hinaus, sodass einige Stücke tendenziell in Bombast abgleiten.

„Prayed For Rain“ ist so eins, das mit einer akustischen Gitarre beginnt und dann mit vollem Klangteppich auf den Höhepunkt zusteuert. Das Pathos in Cauthens Stimme liegt hier noch auf der Grenze. Bei „Angel“ überschreitet er diese, indem er die Töne langzieht und zudem zeitweise in die Kopfstimme wechselt.

Der hervorragende Harmonie- und Backgroundchor unterstützt die Dynamik bei mehreren Songs, die nicht mit einem Tanzbeat unterlegt sind. Sehr auffällig ist er bei „Give ‘em Peace“ oder bei „Can’t Be Alone“, das stimmungsvoll durch Klavieranschläge in Moll eröffnet wird. Gegen Ende baut Cauthen in das Stück wimmernde Keys oder Synthesizern ein.

Einige Titel sind also eher gewöhnungsbedürftig arrangiert. Nach mehreren Durchläufen entwickeln die Songs aber einen eigenwilligen Reiz. Sogar die eher kritisch gesehenen Punkte integrieren sich nach mehrmaligem Hören in die jeweiligen Songstrukturen.

Unter den ruhigeren Tracks sind „Slow Down“ sowie „Lay Me Down” meine Favoriten. Dort verzichtet Cauthen auf ausgiebige Experimente. Eine Reduktion hätte vielleicht auch die Eingängigkeit von manch anderen Songs erhöht. Aber dadurch, dass ich die CD nun einige Male durchgehört habe, schwinden meine anfänglichen Bedenken bezüglich der expressiven Stellen immer mehr. Die etwas sperrigen Elemente machen mittlerweile sogar Spaß und steigern den Wiedererkennungswert.

Paul Cauthens „Room 41“ ist ein Longplayer, der zuerst probegehört werden sollte, damit man entscheiden kann, ob man sich auf das Werk einlassen will. Die Singles vermitteln einen guten Eindruck von einem Teil der CD.

Mutige und ungewohnte Klangkombinationen lotet Cauthen ebenfalls bei den anderen Titel aus. Insgesamt gelingen ihm einige innovative Kompositionen, die direkt ins Ohr beziehungsweise ins Tanzbein gehen, den anderen muss man Zeit geben.

New West Records/Pias – Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Holy Ghost Fire
02. Prayed For Rain
03. Cocaine Country Dancing
04. Slow Down
05. Big Velvet
06. Can’t Be Alone
07. Freak
08. Angel
09. Give ‘em Peace
10. Lay Me Down

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New West Records
Oktober Promotion

Paul Cauthen – 30.08.2019, Platzhirsch Festival, Dellplatz, Duisburg – Konzertbericht

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Das Platzhirsch Festival in Duisburg bietet über drei Tage ein vielseitiges Kultur- und Musikprogramm. Dieses Jahr hielt es mit Paul Cauthen einen hochkarätigen Act der Alternative-Country-Szene bereit. Die ihm zugestandene Dreiviertelstunde von 18.45 Uhr bis 19.30 Uhr nutzte Cauthen vor allem, um Titel seines nächste Woche erscheinenden Albums „Room 41“ zu präsentieren.

Zum Einstieg holte er mit „Holy Ghost Fire“ die Besucher des Festivals vor der großen Bühne des Dellplatzes zusammen. Das mitreißende Stück, zu dem es ein tolles Video gibt, war ein gelungener Auftakt des Konzerts. Im Laufe der nächsten Minuten füllte sich dann auch der Platz in Duisburgs Zentrum zusehends.

Mit „Big Velvet“ und „Freak“ spielte Cauthen zwei weitere countrybasierte Songs von seinem aktuellen Longplayer, die mit einem modernen, tanzbaren Beat unterlegt sind. Diese setzten die Menge konsequent in Bewegung. Darüber hinaus heizten die beiden Knaller „Still Drivin‘“ und „Saddle“ von seinem Solo-Debüt „My Gospel“ (2016) den Zuhörern gehörig ein.

Auf der Setlist standen weiterhin „My Cadillac“ und „Everybody Walkin‘ This Land“ seiner EP „Have Mercy“ (2017), sodass Cauthen einen kurzen Überblick über seine Solo-Karriere bot.

Etwas ruhiger angelegt waren „Prayed For Rain“ und „Give ‘em Peace“ – Cauthens persönlichem Favoriten von seiner Scheibe „Room 41“. Die Stücke waren aber dennoch mit einem kräftigen Rhythmus unterlegt, den Matt Pence am Schlagzeug und Ben Barauas am Bass erzeugten.

Die Stimmvarianz in Cauthens Bariton ist beeindruckend. Manchmal hört er sich wie Johnny Cash an, manchmal unternimmt er Ausflüge in ungeahnte Höhen. Gernot kamen gelegentlich Parallelen mit Elvis Presley in den Sinn – ein Vergleich, den Cauthen sehr freute.

Youngster Parker Twomey am Keyboard und Charley Wiles an der Gitarre steuerten vor allem gegen Ende des Konzerts einige kurze, aber gelungene Einlagen bei. Mit „Cocaine Country Dancing“ verabschiedete sich die Band. Der Frontmann verließ die Bühne, während seine Mitstreiter den Song zu ende jammten.

Der lang anhaltende, tosende Applaus holte Cauthen erneut zurück, obwohl das Hauptset bereits das Zeitbudget um einige Minuten überzogen hatte. Bei der Zugabe „Have Mercy“ begleitete er sich selbst mit seiner akustischen Gitarre und brachte so seine Show stimmungsvoll zum Abschluss.

Cauthens Auftritt überzeugte dermaßen, dass etliche Hörer den Merchandise-Stand umlagerten und sich zu Spontankäufen seiner Tonträger und T-Shirts hinreißen ließen. Mit seinem Konzert machte er auf alle Fälle Werbung in eigener Sache.

Ein Kompliment muss ebenfalls an die Veranstalter des Platzhirsch Festivals gehen. Sie bieten Künstlern die Möglichkeit, einem Publikum zu begegnen, dass sonst wenig Kontakt mit hierzulande nicht so populären Musikrichtungen hat.

Für Cauthen geht es nach seiner Stippvisite in Deutschland zurück in die Vereinigten Staaten. Er plant aber, im Herbst des kommenden Jahres wieder durch Europa zu touren.

Nach dem Konzert ergab sich die Gelegenheit, ein Interview mit Paul Cauthen zu führen. Dieses folgt ebenso wie die Besprechung seines neuen Albums in den nächsten Tagen bei SoS.

Bilder: Gernot Mangold
Text: Michael Segets

Line-Up:
Paul Cauthen (lead vocals, guitar)
Charley Wiles (guitar, vocals)
Parker Twomey (keys, vocals)
Ben Barauas (bass, vocals)
Matt Pence (drums)

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