Wahnsinn, neun Jahre ist es schon wieder her, seit ich Hannah Aldridges starkes Debütalbum „Razor Wire“ reviewt habe. Wo ist die Zeit geblieben? In der Zwischenzeit konnte die Tochter von Muscle Shoals-Legende Walt Aldridge mit einem weiteren Studiowerk und einer Live-Scheibe auf sich aufmerksam machen.
Nun hat sie mit „Dream Of America“ eine neue CD am Start, die allerdings mit nur neun Tracks (33 Minuten Spielzeit) bedacht wurde, wovon mit „Dream Of America“ und „Catacombs“ auch noch zwei kurze, intonierte Sprachbeiträge integriert sind, die eher Übergangscharakter zu den folgenden Stücken haben. Dazu kommt noch mit „Psycho Killer“ eine jedoch toll und eigenwillig umgesetzte Coverversion des Talking Head-Klassikers.
Die restlichen sechs Songs, allesamt aus der Feder von Hannah, mit Co-Writern wie Ben Glover (beim Leonard Cohen-umwehten „The Fall“ als Gesangs-Duettpartner) und den auch maßgeblich instrumentell beteiligten Lachlan Bryon (Keys, guitars, strings, bgv) und Damian Cafarella (drums, percussion, guitars, keys, strings), wissen vor allem in ihrer Intensität allesamt absolut zu begeistern.
Stilistisch bis auf das Steel-trächtige (gespielt durch Tommy Detamore), im Country eindeutig verwurzelte „Unbeliever“, alles sehr schwer einzutarifierender Stoff. Meist haben Pianotöne, schöne Akustik- und hölzernde Bariton-E-Gitarren, bei dumpfer Rhythmusgebung das Sagen, zu denen sich sphärisch klirrenden Strings, Synthie- und Mellotronklänge gesellen. In Verbindung mit Hannahs lasziv und introvertiert hingehauchtem Gesang, entwickelt sich eine ganz eigenwillige Atmosphäre, verstörend und elektrisierend zugleich, wie man sie sich in schummrigen Nachtlokalitäten gut vorstellen kann.
Stärkster und auch längster Track des Albums ist aus meiner Sicht das schon vom Titel her eindrucksvolle „Portrait Of The Artist As A Middle Aged Man“, das in einer Art „Hotel California“-Narrativ atmosphärisch und packend, fast hypnotisch dargeboten wird.
Die leicht dämonisch wirkende Covergestaltung in Hochglanzoptik mit puppenhaften, in sich gekehrten Abbildungen der Protagonistin, rundet dieses in sich stimmige Werk vollends ab.
Könnte man „Träumst du von Amerika bei Nacht, bist du um den Schlaf gebracht“ als vorwiegende Thematik hinter Hannah Aldridges Longplayer „Dream Of America“ vermuten, geht es hier jedoch in erster Linie um das Seelenleben der Künstlerin. Selbsttherapeutisch reflektiert sie musikalisch ihre inneren Abgründe und lässt ein fasziniertes Publikum daran teilhaben.
Icons Creating Evil Art / Rough Trade (2023)
Stil: Alternative Country
01. Dorero
02. Portrait Of The Artist As A Middle Aged Man
03. Beautiful Oblivion
04. Unbeliever
05. Dream Of America
06. The Fall
07. Psycho Killer
08. Catacombs
09. The Great Divide
Hannah Aldridge
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