Nigel Mack – Back In Style – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Der Kanadier und inzwischen in Chicago lebende Nigel Mack bringt mit „Back In Style“ sein inzwischen viertes Album in die Läden. Auch dieses Mal hat er sich mit der Veröffentlichung, wie bei den Vorgängeralben auch, reichlich Zeit gelassen. Sein Debutwerk „High Price To Pay“ stammt aus 1996, „Road Rage“ ist aus 2001, „Devil‘s Secrets“ kam 2011 heraus und nun ganze 12 Jahre später seine neueste Scheibe. Es macht also fast den Eindruck, als ob sein Musikmaterial zunächst einmal auf Tourneen und Livesessions reifen muss, bevor es an die breite Öffentlichkeit gelangt. Wenn es so ist, hat es sich allemal gelohnt.

Nigel Mack wurde mit der Musik der 60er Jahre, mit Bebop-Jazz und mit Bigband-Sound groß und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Meister der Slide-Gitarre und der Mundharmonika. Und singen kann er natürlich auch noch. Mit diesen Talenten ausgestattet und seiner musikalischen Prägung aus den „Roaring sixties“ präsentiert er auf „Back In Style“ zwölf von ihm selbst geschriebene Songs als eine feine Mixtur aus traditionellem Blues, Chicago Blues und R&B, dargeboten mit mehreren Gitarren (Bass, Slide, Steel), Hammondorgel, Piano, Trompete, Saxophon, Schlagzeug und natürlich eigenem Gesang.

Alle Titel auf der Scheibe sind ohne Wenn und Aber handwerklich hervorragend arrangiert und bieten puren Hörgenuss. Trotzdem gibt es da mehrere Tracks die irgendwie einen Tick besser sind als die übrigen. Da sind z. B. die beiden R&B-Stücke „Highway 69“ (mit einem fröhlichen, traditionellen Bluesrhythmus und Slidegitarre) sowie das flotte „Graveyard Gate“, das insbesondere durch seine Bläsersätze, Piano- und Keyboardsequenzen zu überzeugen vermag. Das ruhige Instrumentalstück „Redemption“ hingegen schmeichelt den Gehörgängen durch Nigel Macks famose Künste an der Slidegitarre und zarte Americana-Anleihen tauchen in dem schmissigen „A Place To Call Home“ auf.

Auch „Shangri-La Girl“ ist ein gute Laune verbreitender Shuffle, der mit Saxophonpassagen und Pianogeklimper so richtig in die Beine geht. Im Gegensatz dazu ist „Jalapeño Peppers“ nicht, wie der Titel vermuten lassen könnte, schön pfefferig, sondern plätschert sehr relaxed und von Slidegitarrenklängen begleitet vor sich hin. Mein absoluter Favorit ist allerdings das leicht swampige „Blues Enough For You“. Es kommt ohne Schlagzeug lediglich mit Steel- und Akustikgitarre aus. Klasse!

„Back In Style“ ist eine ziemlich energiegeladene und fröhliche, lebensbejahende Scheibe, die zu Hören einfach nur Spaß macht. Nach dem ersten Durchlauf taucht unweigerlich der Wunsch auf am CD-Spieler die Repeat-Taste zu drücken. Von daher gehört das Teil einfach in jede gut sortierte Bluessammlung. Leider war Nigel Mack mit seiner Band „Blues Attack“ bislang hauptsächlich in den Staaten und in Kanada unterwegs, wobei er in Chicago regelmäßig beim „Chicago Blues Festival“ auftritt. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Kanadier auch mal in unseren Gefilden die Ehre gibt. Der Erfolg wäre ihm bestimmt sicher.

Blues Attack Records (2023)
Stil: Blues

Tracks:
01. Travellin‘ Heavy
02. Highway 69
03. Damn You Mr Bluesman
04. Cold Comfort
05. Graveyard Gate
06. Back In Style
07. Redemption
08. A Place To Call Home
09. Blues Enough For You
10. Shangri-La Girl
11. Jalapeño Peppers
12. Just One Man

Nigel Mack
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Will James – Sundancer – CD-Review

Review: Jörg Schneider

„Sundancer“ ist das bereits im September letzten Jahres erschienene Solo-Debutalbum des Engländers Will James, der als Gitarrist, Sänger und Songwriter in der britischen Bluesszene relativ schnell bekannt geworden ist. In seiner von den 60er und 70er Jahren inspirierten Musik verbindet Will James Elemente des Jazz, Soul und Rock zu einer erfrischend neuen Interpretation des Blues. Sofern man bei einem Newcomer bereits von Markenzeichen sprechen kann, so sind es auf dieser CD sicherlich sein pures, sauberes Gitarrenspiel und seine außergewöhnlich gefühlvolle und modulierende Stimme.

Mit dem ungewöhnlich arrangierten Opener „Shadowman“ stellt Will James gleich zu Beginn seine Fähigkeiten als Gitarrist und Songwriter unter Beweis. Das jazzig angehauchte Stück beginnt mit einem Schlagzeugintro, zu dem sich dann nach und nach die übrigen Instrumente mit kristallklaren Riffs hinzugesellen, begleitet von Will James teils leicht verhalltem Gesang. Jazzig-cool ist auch das nachfolgende „Where‘s My Baby“ mit souligem Keyboard und eingestreuten Bläserschnipseln.

Der Engländer ist aber auch im eher traditionellen Blues zu Hause: das vielschichtige „Still Blue“ ist herrlich verträumt und melodiös, „Prisoner“ erinnert ein wenig an den die soulige Barmusik vergangener Zeiten und mit „Home“ erklingt ein beruhigend warmer Slowblues.

Die übrigen Tracks bestehen aus Songs mit eingängigem Grundrhythmus und kraftvollen Bläsersätzen („Grindstone“), Electric Blues im Chicagostil („6 Up“) und soulig-funkigen Tunes („Pack It Up“). Neben dem Opener „Shadowman“ sind „Q Blues“ und das letzte Stück des Albums „Sundance“ sicherlich die herausragendsten Nummern. Das abwechlungsreiche „Q Blues“ bietet stark verwobene Gitarrenriffs und „Sundance“ wirkt mit seinen gewaltigen und hart schrammelnden Gitarrenriffs im Vergleich mit den anderen Stücken des Album recht aggressiv.

Insgesamt gesehen ist „Sundancer“ für mich ein starkes und inspirierendes Debutalbum des Engländers. Mit seiner erfrischend anderen Art und Weise modernisiert Will James den Blues trotz vieler Retroelemente und hebt ihn auf ein neues Niveau. Wir dürfen gespannt sein auf das was da hoffentlich noch kommen wird. Bis dahin sollten sich Bluesfans dieses Album durchaus gönnen und ihrer Musiksammlung einverleiben.

Eigenproduktion (2022)
Stil: Blues

Tracks:
01. Shadowman
02. Where‘s My Baby
03. Still Blue
04. Grindstone
05. Prisoner
06. 6 Up
07. Pack It Up
08. Q Blues
09. Home
10. Sundance

Will James
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L.A. Edwards – Out Of The Heart Of Darkness – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Für den Singer/Songwriter und Multi-Instrumentalisten Luke Andrew Ewards waren es nur wenige Jahre, um vom ursprünglichen Folk (Rock) über Americana zum traditionellen US-Hard Rock durchzustarten, denn er hat nun mit “Out Of The Heart Of Darkness” und seiner Band L.A. Edwards ein Power-Album vorgelegt. Bereits 2015 hatte Edwards nach seiner Debut-EP “Secrets We’ll Never Know” die Unterstützung von Ron Blair erhalten.

Blair, ehemaliger Bassist bei Tom Petty And The Heartbreakers, produzierte das Album “True Blue” (2018) mit Folk Rock- und Americana-Glanzstücken, wie “Louisiana” und “Leaving Los Angeles”. Auch auf den folgenden EPs “Blessings From Home Vol. 1 and 2” (2020/21) spielen Blair und Band-Kollege Steve Ferrone bei Tom Petty-soundigen Nummern (z. B. “Trouble” – Vol. 1 und “Saint Augustine” – Vol. 2) einen hervorragenden Part, geleitet von Produzent Ryan Hadlock (u. a. The Lumineers).

Mit dem Longplayer “Out Of The Heart Of Darkness”, wird ein super-grandioses Stück West Coast All American Songbook aufgeschlagen. 10 Songs, alle mit Hitpotential, ein Feuerwerk des Rock’n’Roll! Geschickt eröffnet wird “Little Boy Blue” durch eine 30-Sekunden Kinderstimmen-Sequenz (Spoken Wordline), die in eine US-Heartland Episode überleitet und mit gehörigen Volldampf das Interesse weckt. Springsteen-like ist danach mit “Now You Know” ein ruhigerer Topsong und folkigem Charakter gelungen (das Video-Cover von “My Hometown” könnte dem Boss hierzu sehr gefallen!).

Der schnelle Rockrhythmus von “Let It Out” bietet samt Guitar-Solo das nächste Highlight; ein musikalischer Kontrapunkt ist demgegenüber “Surrender”: das starke Riff überragt den ruhigeren Verse-Teil und beeindruckt durch die griffige Struktur des Tracks. Eine klassische Rockhymne im Stadionsound folgt mit “Time To Go” und bildet aber nur die Einleitung für großformatige Topsongs, die mit “Hi Rite Now” und “Stick To You” nicht lange auf sich warten lassen. Sowohl radiotauglich in ihrer Dynamik als auch für große Bühnen in ihrer ohrwurmmäßigen Ausstrahlung bestens geeignet, gänsehauttaugliche Stimmung ist garantiert.

Weitere Dance Floor-Tracks lassen keine Pause aufkommen und werden am Beispiel von “Already Gone”, der 1. Single, plötzlich mit einem Orgel-Intro fantasievoll eingeleitet und zu einem musikalischen Selbstläufer stilisiert. Bei entsprechender Lautstärke sind es gleichfalls die superfeinen Song-Titel “Peace With You” und die Schluss-Hymne “The Lucky One”, mit ihrem emotional getriebenen Lyrics und den typischen Power-Chords, die es ohne Zweifel in die erste Reihe charismatischer Guitar Rock Tracks schaffen.

Songs, die Springsteen, Coldplay, Tom Petty, Wilco und andere groß gemacht haben. “As a songwriter, you are a craftsman, I want my work to stand the test of time”, so Luke Andrew Edwards in einem Interview, der sämtliche Songs und Texte geschrieben, für den eindringlichen Gesang verantwortlich ist und die Scheibe selbst produziert hat. Gemixt vom Grammy-Award-winning Toningenieur Tom Lord-Alge ist dabei ein mitreißendes Studiowerk entstanden.

Die aus Carlsbad, Kalifornien, stammende Familien-Band L.A. Edwards, in der neben Luke Andrew noch seine Brüder Jesse und Jerry mitwirken, hat mir “Out Of The Heart Of Darkness” ein sehr rockendes, abwechslungsreiches und gleichzeitig liebevolles Album veröffentlicht. Dieser frische Rock mit zeitlosen, kreativen Kompositionen und harmonischen Melodien erobert schon beim ersten Hören das Rhythmusgefühl. L.A. Edwards sind zur Zeit noch als Support mit The White Buffalo auf Tournee in Deutschland und Europa.

Bitchin’ Music Group (2023)
Stil: Classic Rock, Americana, Folk

Tracks:
01. Little Boy Blue
02. Now You Know
03. Let It Out
04. Surrender
05. Time To Go
06. Hi Rite Now!
07. Stick To You
08. Already Gone
09. Peace Be With You
10. The Lucky One

L.A. Edwards
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Networking Media

Walk That Walk – Big World Of Trouble – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Die Bostoner Truppe um den Frontmann Poppa C DeSnyder war mir bislang gänzlich unbekannt, und ich muss sagen leider unbekannt! Was die Jungs da auf ihrer inzwischen vierten CD raushauen, ist richtig guter Stoff und ganz nach meinem Geschmack.

„Big World Of Trouble“ kann zwar nur mit neun Songs aufwarten, aber die haben es in sich. DeSnyder und sein Mundharmonika-Mann Tim Hartland bieten, unterstützt von einer famosen Rhythmusgruppe, besten Roots-Blues und Boogie mit viel Slidegitarre und natürlich Bluesharp.

Der Opener „Roof Got A Whole“ und der ruhigere Titelsong „Big World Of Trouble“ sind z. B. solch schöne Rootsstücke, während sich „Boogie Chillen“ als ein kräftig stampfender Boogie im Stile von Canned Heat entpuppt. Aber auch sonst bietet das Album flotte, eingängige musikalische Unterhaltung. „You Can‘t Stay Here“ ist ein zum Tanzen einladender Jive.

Und „Get Up Get Out“, „Mississipi Jukin‘“ sowie der Rausschmeißr „Good Woman“ sind schöne R&B-Nummern, die ihre Wurzeln im Cicagoblues haben. Von ruhigerer Natur geprägt sind eigentlich nur die beiden Songs „See Poppa C“ (rollt und stampft kräftig, aber gemächlich vor sich hin) und der swampige Mississippi-Blues „Still A Fool“.

Mit ihrer ungebändigten Spielfreude haben die Ostküstenjungs von Walk That Walk bereits u. a. mit Bo Diddley als Touring-Band und auch Eric Burdon auf der Bühne gestanden und sind seit Jahren ein fester Act auf dem renommierten Boston Blues Festival. Es bleibt nur zu hoffen, dass es die Band eines Tages auch einmal in unsere Gefilde verschlägt. Bis dahin: macht weiter so Jungs, ihr seid echt klasse!

Eigenproduktion (2023)
Stil: Blues

Tracks:
01. Roof Got A Hole
02. Boogie Chillen
03. Big World Of Trouble
04. Get Up Get Out
05. See Poppa C
06. Mississippi Jukin‘
07. You Can‘t Stay Here
08. Still A Fool
09. Good Woman

Walk That Walk
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Eric Steckel – 20.05.2023, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

Eric Steckel live zu erleben ist eine besondere Nummer. Dass das Piano mit etwa 130 Musikfans überschaubar gefüllt ist, spielt für Steckel keine Rolle. Er hat einfach Bock den Fans seinen BLUZMTL zu präsentieren. So entsteht von Beginn an eine tolle Live Atmosphäre, in der der Funke direkt aufs Publikum überspringt.

Steckels präzises, zuweilen knallhartes E-Gitarrenspiel, ohne großartigen Einsatz von Effekten, lässt dabei den Blues mit Hard- und Southern Rock verschmelzen. Aus einem etwa zweistündigen fulminanten Auftritt ragen an diesem Abend die starke Southern-Songs „When Ignorance Turns To Bliss“, „Can`t You See“ mit feinen Soli und die beiden Cover „Waiting For The Bus“ von ZZ Top und „Voodoo Child“ von Hendrix heraus, wo Steckel den beiden Coversongs eine unglaubliche Härte im Sinne von BluesMetal einhaucht.

Unterstützt wird er bei dem musikalischen Feuerwerk im Dortmunder Musiktheater Piano vom Bassisten Jos Kamps, der ihn schon mehrere Jahre in Europa begleitet und erstmalig von Elia Micheletto, die beide in einigen Soloeinlagen ihre Klasse beweisen können.

Ein zusätzlicher Faktor zu einem gelungenen Abend war der gut differenzierte Sound und eine passend zum Rhythmus der Musik ausgelegte Lightshow, die den Sound visuell unterstützte. In manchen Phasen kann man sich die Frage stellen, ob die Musiker den Lichtmischer antreiben oder sogar der umgekehrte Effekt eintritt.

Direkt nach der Show begeben sich dann alle Musiker bestens gelaunt zum Merchandising-Stand und heimsen so manches Kompliment ein. Steckel hat an diesem Abend auf jedem Fall bewiesen, dass er ein begnadeter Gitarrist, aber auch ein starker Entertainer ist, von dem in Zukunft noch einiges zu erwarten ist.

Line up:
Eric Steckel- vocals, guitar
Elia „the MaD“ Micheletto – drums
Jos Kamps – bass

Text und Bilder: Gernot Mangold

Eric Steckel
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Musiktheater Piano
3Dog Entertainment

Bailey Zimmerman – Religiously – CD-Review

Ich glaube bei jedem interessierten Musikhörer, natürlich auch bei mir, ist es ein natürlicher Reflex, beim Auftauchen des Namen Zimmerman, spontan an Bob Dylan zu denken. Um direkt die Antwort in diesem Fall hier zu geben, bei Bailey Zimmerman handelt es es sich nicht um einen Nachfahren des berühmten Singer/Songwriters, sondern um den Sohn einer Autoverkäuferfamilie aus Louisville, einer Kleinstadt in Illinois.

Baileys Werdegang verlief über einen Job in einer Metzgerei („da habe ich gelernt, Rehe zu häuten“), auf dem Bau einer Gaspipeline und das in die Wiege gelegte Veredeln von Pickup-Fahrzeugen. Also nix mit Vitamin-B-geförderter Karriere, Musik wurde nur mal so nebenbei gemacht. Die befreundete Trucker-Gemeinde (für die er oft auftrat) gab dann den entscheidenden Anstoß für seine Karriere.

Ein ins Netz gestellter Song, geschrieben mit seinem Freund Gavin Lucas, ging mithilfe dieser Trucker-Fans viral, und seitdem überschlugen sich die Ereignisse. Major-Vertrag mit Warner Music, die Debüt-EP „Leave The Light On“ samt erfolgreicher Singles war in den USA 2022  das meist gestreamte Country-Debüt aller Zeiten und genreübergreifend das am häufigsten gestreamte Debüt des Jahres.

Amazon Music erkor ihn im Jahr 2022 zum “Artist to Watch” , YouTube dekorierte ihn 2022 zum “Trending Artist on the Rise” und Billboard zeichnete  ihn mit dem “Country Rookie of the Month” aus. Jetzt gibt es folgerichtig das Debütalbum „Religiously“ mit satten 16 Songs.

Beim Blick in die Credits fällt sofort auf, dass sowohl beim Songwriting (Bailey hat die meisten Stücke mit geschrieben) als auch bei der musikalischen Umsetzung (überragend hier der omnipräsente Tim Galloway – acoustic guitar all tracks;, banjo tracks 1–4, 6, 8, 12, 13, 15, 16; bouzouki  tracks 1, 2, 10, 11, 14, 15; electric guitar tracks 1–5, 9–11, 13, 15, 16; mandolin tracks 3, 10, 14, 15); slide guitar track 3, dobro track 13, bass guitar track 16) viele Namen auftauchen, die man bis dato bei Alben der Nashville-Zunft eher selten wahrgenommen hat, was der Sache allerdings überhaupt keinen Abbruch tut.

Ganz im Gegenteil hier spürt man an allen Ecken und Enden, dass man das bisherige Nashville-Etablissement ordentlich aufmischen möchte. Zimmerman brilliert von Beginn an beim emotional gesungenen Titellied mit seiner ausdrucksstarken rauchigen Stimme, die von Produzent Austin Shawn (wieder so eine eher unbekannte Person) herrlich transparent und klar in Szene gesetzten Instrumente sind eine Wonne für’s Gehör.

Spätestens beim folgenden, mit epischer Note versehenen „Warzone“ (erinnert an Skynyrds „The Last Rebel“) hat man den Protagonisten schon ins Herz geschlossen. „Fix’n To Break“ klingt so, als wenn Bryan Adams ins New Country-Milieu gewechselt wäre. Und so gibt sich ein Track nach dem anderen bis zum finalen Ohrwurm „Is This Really Over?“ die Klinke in die Hand, und man fragt sich nach knapp 53 kurzweiligen Minuten, ob tatsächlich schon Schluss ist.

Am Ende kann man den momentanen Hype um den Youngster absolut nachvollziehen. Eine weitere Auszeichnung, nämlich der des ‚Sounds Of South-Newcomer des Jahres 2023‘, dürfte ihm so gut wie sicher sein. Bailey Zimmerman liefert mit „Religiously“ eine deutliche Kampfanasage an die derzeit dominierenden Kollegen wie Morgan Wallen, Luke Combs, Brantley Gilbert, Jason Aldean & Co. Auch, wenn man es sicher nicht vergleichen kann,  zumindest vom Erfolg her, hat er das damalige Debüt des großen Bob Dylan erstmal klar in die Tasche gesteckt…

Elektra Nashville / Warner (2023)
Stil: New Country

Tracks:
01. Religiously
02. Warzone
03. Fix’n To Break
04. Forget About You
05. Chase Her
06. FallIin Love
07. You Don’t Want That Smoke
08. Found Your Love
09. Rock Aand A Hard Place
10. Other Side Of Lettin‘ Go
11. Pain Won’t Last
12. Where It Ends
13. God’s Gonna Cut You Down
14. Fadeaway
15. Get To Gettin‘ Gone
16. Is This Really Over?

Bailey Zimmerman
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Oktober Promotion

Brandy Clark – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Vermutlich ist es der Rezension des Chefredakteurs zum vorangegangenen Album „Your Life Is A Record“ zu verdanken, dass Brandy Clark die orchestralen Töne auf ihrem neuen Werk deutlich reduziert hat. Die offizielle Version zur Entstehungsgeschichte zum selbstbetitelten Longplayer lautet überraschenderweise anders.

Nicht zuletzt aufgrund mehrerer biographischer Parallelen fanden Clark und Brandi Carlile schnell einen Draht zueinander, nachdem sie über eine gemeinsame Freundin bekannt gemacht wurden. Der zusammen aufgenommene Song „Same Devil“ heimste eine Grammy-Nominierung ein und legte den Grundstein für die weitere Kollaboration. Carlile produzierte das aktuelle Album von Clark und singt einen Part des Duetts „Dear Insecurity“.

Sie arbeitete auch darauf hin, dass Clark ihre Stärken als Sängerin ausspielt. So wurde kaum Overdubs verwendet, wodurch der Sound pur und unverstellt wirkt. Dennoch werden hin und wieder Streicher eingesetzt – so auch auf dem flottesten Stück „Northwest“, bei dem ihnen am Ende viel Raum gegeben wird.

Der Einstieg „Not Enough Rocks“ erinnert anfänglich an Sheryl Crow, für die Clark bereits geschrieben hat. Derek Trucks (Tedeschi Trucks Band) steuert hier seine Gitarrenkünste bei und gibt der Nummer eine rockige Note. Ansonsten finden sich hauptsächlich ruhige Songs im unteren Tempobereich auf der Scheibe. Sehr stimmungsvoll ist „She Smoked In The House“, das neben „Buried“ und dem bereits erwähnten „Northwest“ als Singles herausgegeben wurde.

Zwei starke Stücke sind gegen Ende des Werks platziert: „All Over Again“ entwickelt einen schönen Drive; „Best Ones” wird von einer Mundharmonika begleitet, die nochmal einen anderen Sound in das Album bringt. Die Klavierbegleitung steht bei „Take Mine“ im Vordergrund. Der Titel erscheint ebenso wie „Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)” etwas altbacken. Auffälliger ist „Tell Her You Don’t Love Her”, auf dem Clark von Lucius unterstützt wird.

Selbst wenn nicht jeder Song einen Volltreffer darstellt, beweist Clark erneut, dass sie zu Recht zur führenden Riege der Songwriterinnen im Country- beziehungsweise Americana-Bereich zählt. Nicht umsonst greifen viele Kolleginnen und Kollegen auf ihre Kompositionen zurück. LeAnn Rimes und Kacey Musgraves oder Billy Currington und Toby Keith sind hier exemplarisch zu nennen.

Hat sich Clark bislang primär als Songwriterin verstanden, die auch singt, gewann sie durch die Zusammenarbeit mit Carlile mehr Selbstvertrauen als Sängerin. Dass die Selbstzweifel hinsichtlich ihres Gesangs allerdings unbegründet sind, zeigten schon ihre bisherigen Veröffentlichungen und ihre Duette wie „In The Mean Time“ mit Hayes Carll.

Brandy Clark nimmt auf ihrem vierten Album die instrumentale Unterlegung zurück und legt den Focus auf den Ausdruck der Songs und ihrer Stimme. Mit Brandi Carlile als Produzentin im Rücken sowie den Gastmusikern Derek Trucks und Lucius gelingt ihr ein über weite Strecken überzeugendes Werk, sodass es möglich erscheint, dass Clark nach zahlreichen Nominierungen in der Vergangenheit nun auch mal einen Grammy nachhause trägt.

Warner Records/Warner Music (2023)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Ain’t Enough Rocks (feat. Derek Trucks)
02. Buried
03. Tell Her You Don’t Love Her (feat. Lucius)
04. Dear Insecurity (feat. Brandi Carlile)
05. Come Back To Me
06. Northwest
07. She Smoked In The House
08. Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)
09. All Over Again
10. Best Ones
11. Take Mine

Brandy Clark
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Warner Records
Oktober Promotion

T.G. Copperfield with Ben Forrester – Out In The Desert – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

“Out In The Desert” ist das 10. Solo-Album von Singer/Songwriter und Gitarrist Tilo George Copperfield seit seinem Debut im Jahre 2016 und für ihn, so beschreibt er es im Beiheft, ein Meilenstein seiner Karriere. Die eingängigen und tiefgründigen Eigenkompositionen bewegen sich in der vollen Bandbreite von Roots Rock, Americana und Country, eine Desert Landscape auf dem Cover vermittelt die musikalische Verbundenheit zum Genre.

Der süddeutsche Musiker aus Regensburg hatte zuletzt 2022 mit dem Konzept-Longplayer “Snakes & Dust” ein hoch gelobtes Album veröffentlicht, das sich auch in den Lyrics mit legendären Wild West-Geschichten befasste. Für die neuen Aufnahmen konnte Copperfield den New Yorker Gitarristen Ben Forrester als kongenialen Partner begeistern, Forresters kraftvolle, aber ebenso einfühlsame Solo-Parts verstärken von Beginn an (“Born To Die”) den Soundtrack-Charakter der 11 Titel. Auch auf der Tournee, die schon bis in den Herbst 2023 terminiert ist, wird Ben Forrester mit dabei sein.

Imaginäre, düstere Bilder von atmosphärisch dunklen Western-Movies sind es, die Copperfields abwechslungsreiches Storytelling entstehen lässt, begleitet von melancholischen Songs und arrangiert von Produzent Robert Hoffmann. Entstanden sind phantasievoll in Szene gesetzte Titel, z.B. “The Old Man On The Mountain” oder “Sleeping In A Snakepit”, rauchiger Western-Charme inklusive. Mit “Start To Run” und “The End Of The World” gelingen wieder sehr catchy wirkende Tracks, die ihre Grower-Qualitäten sofort anmelden. Zum Schluß der Scheibe wird das Outlaw-Image im programmatischen Titel-Song noch einmal ausgiebig interpretiert und “ungefilterte Gefühle”, wie Copperfield es zu Recht beschreibt, bestimmen die Klangfarben an melodisch elegante Erinnerungen.

Das Album “Out In The Desert” ist ein hervorragendes Beispiel für die musikalisch sehr gereifte authentische Entwicklung von T.G. Copperfield, der in wenigen Jahren eine weitere, ausgefeilte, Handmade-Produktion eingespielt hat; ein jederzeit spannendes Studiowerk, das sein Stehvermögen auch gerade im internationalen Vergleich mühelos unter Beweis stellt.

Timezone Records (2023)
Stil: Roots Rock, Country, Americana

Tracks:
01. Born To Die
02. The Old Man On The Mountain
03. Jericho
04. Who Reigns The Wild Ones
05. Start To Run
06. Love Fool
07. Where Are You
08. Night Crawler
09. Sleeping In A Snakepit
10. The End Of The World
11. Out In The Desert

T.G. Copperfield
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Brooke-Lynn Promotion

Li’l Andy – The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930) – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Li’l Andy geht mit den Songs von Hezekiah Procter im Juni auf Europa-Tournee. In der Kulturrampe gastiert er am 20.06. Hezekiah Procter wurde um 1900 in Burningtown, Nord-Carolina, geboren. Zwischen 1925 und 1930 nahm er einige Songs auf. Infolge seiner Beteiligung an blutigen Arbeitskämpfen tauchte er unter. Über sein weiteres Leben sind nur Mutmaßungen möglich.

Dass Hezekiah Procters Musik bis dato unbekannt war, liegt darin begründet, dass die Figur und die Biographie vollständig fiktiv sind. Ersonnen hat diese Andrew McClelland alias Li’l Andy. Auch die Musikstücke sind von ihm bis auf wenige Titel geschrieben. Die Idee, eine Erzählung gleichsam als Liner Notes zu verfassen und ihr mit einem Soundtrack zusätzlich den Anschein von Authentizität zu geben, ist originell. Das Gesamtkunstwerk des in Montreal ansässigen Musikers Li’l Andy wurde durch öffentliche Mittel unterstützt und heimste bereits einige Auszeichnungen ein. Neben der digitalen Ausgabe liegt auch eine Deluxe-Edition vor, die neben einer Doppel-LP das gedruckte Buch einschließlich historisch anmutendem Bildmaterial umfasst.

Die Songs zwischen Folk und Country hören sich tatsächlich alt an und könnten durchaus hundert Jahre auf dem Buckel haben. Dieser Effekt wurde durch die Verwendung von historischem Equipment bei den Aufnahmen erzielt. Eine Reihe ungewöhnlicher oder vergessener Instrumente wie Sousaphone oder Kazoo wurde eingesetzt. Einen Einblick in die Darbietung geben die beiden Videos von „When The Fire Comes Down“ und „I See Jesus Comin’ Down The Road“.

Insgesamt verzeichnet das Werk 29 Tracks. Die ersten elf sind dabei in zwei Versionen – Wire Recorder Version und Analog Recorder Version – vorhanden. Die eine Scheibe der Vinyl-Edition enthält die Procter-Songs On Wire, die andere On Tape. Neben Li’l Andy als Hezekiah Procter schlüpfen Teilhard Frost, Sam Allison, Brian Sanderson, Bill Howard, Julia Narveson und Milton Kelly in die Rollen seiner musikalischen Weggefährten.

Auf Dauer stellen sich leichte Ermüdungserscheinungen bei der über achtzigminütigen Spielzeit ein, da die Präsentation der Stücke den heutigen Hörgewohnheiten nicht entgegenkommt. Die Motivation kann auch nicht aus ernsthaftem historischem Interesse entspringen. Stattdessen muss man sich auf die Erzählung einlassen und Freude an der Kreativität der alternativen Geschichtsschreibung empfinden. Auf der Bühne gespielt verspricht das Projekt von Li’l Andy allerdings einen außergewöhnlichen Musikabend.

„The Complete Recordings Of Hezekiah Procter (1925-1930)” von Li’l Andy basiert auf der fiktiven Biographie des Protagonisten. Eine Geschichte, die sich so hätte zutragen können, und Songs, die damals so hätten geschrieben werden können, verbindet Li’l Andy zu einem originellen und stimmigen Gesamtkunstwerk. Musikalisch und tontechnisch versetzt es in die Anfänge der modernen Folk- und Countrymusik und erweist sich daher für die heutige Zeit als etwas sperrig.

Eigenproduktion (2022)
Stil: Country, Folk

Tracks:
01. Dr Kerr’s Ballyhoo (wire recorder version)
02. Crib House Drip (wire recorder version)
03. I’m Gonna Find a New Sweetheart (wire recorder version)
04. I See Jesus Comin’ Down the Road (wire recorder version)
05. Jennie Blythe (wire recorder version)
06. When the Fire Comes Down (wire recorder version)
07. On a Summer Night Like This (wire recorder version)
08. The Palace Theater Fire (wire recorder version)
09. In the Roebuck Catalogue (wire recorder version)
10. In a Gingham Dress (wire recorder version)
11. The Whistle Waltz (wire recorder version)
12. Get Behind the Wheel (of an Auto-mobile!) (wire recorder version)
13. The Testament of Rudy Baron (wire recorder version)
14. O Joys of Joys (wire recorder version)
15. (I’ve Got Those) Lovesick Blues (wire recorder version)
16. The Least of These, My Brothers (wire recorder version)
17. God of My Life (aka “Poland”) (wire recorder version)
18. Now Shall My Inward Joys Arise (aka “Africa”) (wire recorder version)
19. Dr Kerr’s Ballyhoo (analog tape version)
20. Crib House Drip (analog tape version)
21. I’m Gonna Find a New Sweetheart (analog tape version)
22. I See Jesus Comin’ Down the Road (analog tape version)
23. Jennie Blythe (analog tape version)
24. When the Fire Comes Down (analog tape version)
25. On a Summer Night Like This (analog tape version)
26. The Palace Theater Fire (analog tape version)
27. In the Roebuck Catalogue (analog tape version)
28. In a Gingham Dress (analog tape version)
29. The Whistle Waltz (analog tape version)

Li’l Andy
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Off Label Records
JohThema Promotions

Samantha Fish & Jesse Dayton – Death Wish Blues – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Bei “Death Wish Blues” handelt es sich um eine knallharte Mischung aus Blues, Funk, Soul und einem zarten Country-Abschluss, die das Album in ein außergewöhnliches Crossover-Genre katapultiert. Dabei konnten Samantha Fish (z. B. LP “Belle Of The West”) und Jesse Dayton (z. B. LP “On Fire In Nashville”) nicht nur auf ihre musikalischen Erfahrungen im Country-Music Bereich zurückgreifen, um das gemeinsame Full-Length Album einzuspielen.

Schon der prägende Riff des geradeaus blues-rockigen Titelsongs markiert die Richtung des Longplayers, die mit “Down In The Mud” in eine düster-funkige Variante bluesiger Dimensionen abgleitet. Das extravagante Guitar-Playing der beiden Akteure erweitert in einzelnen Titeln die genre typischen Grenzen hin zu experimentell-psychedelischen Soundgefilden (“Trauma”) oder infernoartigen Solo-Parts (“Rippin And Runnin”). Immer außergewöhnlich lebhaft und mitreißend konzipiert von Jon Spencer, dem leidenschaftlichen Produzenten mit visionären Vorstellungen. “He gave the record this kind of live”, so Dayton über Spencer in einem Interview.

Bereits auf ihrer EP “Stardust Sessions” hatten Fish und Dayton 2022 eine Zusammenarbeit erprobt und hierbei den Grundstein für das vorliegende Album gelegt. Die vielversprechende Kooperation reflektiert im weiteren Top-Song “Riders”, im betont groovig-rhythmischen Texas Rock das intensive Tournee-Leben mit täglich wechselnden Venues und im schnellen Rock’n’Roll-Duettgesang den “Lover On The Side”. Zwischendurch wird harter Blues Rock immer wieder Höhepunkt der Scheibe, so z. B. bei “Flooded Love”, deren Intentionen Jesse Dayton damit begründet, dass “…wir alles auf dem Blues basieren lassen, mit einer Menge Inspiration von Leuten, wie Albert King und Magic Slim bei den Leadgitarren-Parts.”

Dass die beiden “Straight up guitars” auch darüber hinaus ihre melodisch souligen Seiten (“No Apology”) dabei hatten oder mit der rasanten Nummer “Supadupabad” zwei Minuten Rock-Vergnügen parodierten, mindert keineswegs den powervollen Longplayer. Zum Abschluss bekommt die Scheibe sogar ein moderates Country-Feeling. “You Know My Heart”, ein Liebeslied mit wechselnden Vocals, erinnert an die musikalische Vergangenheit der beiden Songschreiber.

Das Album “Death Wish Blues” von Samantha Fish und Jesse Dayton serviert superfrischen und überaus lebendigen Gitarren Blues Rock, sowie eine Mixtur hervorragend produzierter, artverwandter Songideen. Die Scheibe ist ein sanfter Weckruf an das zeitgenössische Genre der Blues Rock-Szene und eine experimentierfreudige Zusammenarbeit über diese Stilrichtungsgrenzen hinaus.

Rounder Records (2023)
Stil: Blues, Rock, Soul

Tracks:
01. Deathwish
02. Down In The Mud
03. Riders
04. Settle For Less
05. Trauma
06. No Apology
07. Flooded Love
08. Lover On The Side
09. Rippin And Runnin
10. Dangerous People
11. Supadupabad
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