Joanne Shaw Taylor – Nobody‘s Fool – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Seit Joanne Shaw Taylor vor zwanzig Jahren im zarten Alter von ‚Sweet Sixteen‘ von Dave Stewart entdeckt wurde, hat es die Britin geschafft, sich zu einer der besten Gitarristinnen im Rockbusiness zu entwickeln. Nach ihrem 2021‘er „The Blues Album“ und dem im gleichen Jahr erschienenen Livealbum „Blues From The Heart“ steht nun ihr neuestes Werk in den Startlöchern.

Auch „Nobody‘s Fool“ wurde, genau wie die Vorgängerscheibe, von Joe Bonamassa und Josh Smith produziert und erscheint am 28. Oktober auf Bonamassas Plattenlabel KTBA Records. Diesmal wieder als ein reines Studioalbum, das mit elf exquisiten Tracks glänzt. Fast alle Songs hat sie selbst komponiert. Nur „Missionary Man“ (Dave Stewart, The Eurythmics) stammt nicht aus ihrer Feder und bei ein paar anderen Songs haben u. a. Josh Smith und Joe Bonamassa zumindest mitgewirkt.

Überraschenderweise hebt sich aber Joannes neue Scheibe in musikalischer Hinsicht deutlich von ihren Alben zuvor ab. Klar, immer noch ist ihre soulige, teils leicht heisere, Altstimme für den Sound mitbestimmend und auch ihre kraftvollen Gitarrenriffs und Hooklines sind so, wie man sie kennt. Trotzdem kommen viele der elf Albumtracks recht poppig und durchaus mit Radioqualitäten versehen rüber. Der Titelsong „Nobody‘s Fool“ liefert gleich ein Beispiel dafür. Da ist ihre einzigartige Stimme, verpackt in einen leicht fluffigen Popsong, bei man sogar ganz zarte Americanaelemente herauszuhören glaubt.

In eine ähnliche mainstreamige Richtung geht auch das gut tanzbare „Won‘t Be Fooled Again“ mit Joe Bonamassa als Gastgitarrist. Zuvor liefert Joanne allerdings noch einen Tune ab („Bad Blood“), dessen dumpfes Intro glatt für einen Krimi geschrieben worden sein könnte, der schließlich aber auch ins Poppige abdrifted, um mit der wiederkehrenden Eingangssequenz einen musikalischen Kontrast zu bilden. Ganz anders „Just No Getting Over You“. Der Song erhält durch eine Bläsersektion einen leicht soulig-funkigen Touch.

Dass Joanne Shaw Taylor auch besinnlich kann, zeigt sie mit gleich zwei Liedern. Da sind zum Einen der einfühlsam vorgetragene Slowblues „Fade Away“ mit Klavierbegleitung und Tina Guo am Cello und zum Anderen gegen Ende der Scheibe „The Leaving Kind“ an dessen Entstehung Joe Bonamassa mitgewirkt hat. Mit „Then There‘s You“ gibt‘s dann auch ’ne richtig hart treibende Blues Rock-Nummer auf die Ohren, die aber umgehend von „Runaway“, einer poppig-fröhlichen Melodie im Singer-Songwriter-Stil, abgelöst wird.

Wo sonst als bei „Missionary Man“ kann Dave Stewart endlich als Gastgitarrist einsteigen. Und dennoch unterscheidet sich der Track erheblich vom Eurythmics-Original. Bei der Neuinterpretation verzichtet Joanne allerdings auf das Harp- unterstützte Intro und gesanglich ist ihre Stimme auch nicht so hart wie die von Annie Lennox. Gastgitarristin Carmen Vandenberg (Bones UK) darf sich in „Figure It Out“ die Ehre geben, einem Track, der mit gefühlten mehr als 100 beats per Minute hektisch nach vorn schießt. Der bereits erwähnte Slowblues „The Leaving Kind“ holt den Hörer letztendlich wieder runter, bevor das Album mit dem fröhlichen und lebensfrohen „New Love“ versöhnlich endet.

Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob sich Joanne Shaw Taylor mit ihrem neuen Album musikalisch weiterentwickelt hat oder ob sie sich lediglich auf einen kommerzielleren Pfad begeben möchte. Musikalisches Neuland ist das Album auf jeden Fall. Bitte nicht falsch verstehen, die Scheibe ist einerseits auf ihre Art wirklich gut, aber eben ganz anders als Joannes Vorgängeralben und dürfte daher den Geschmack von Hardcore-Bluesfans nicht so ganz treffen.

Für alle anderen, die gern mal über den Bluestellerrand blicken möchten, ist der Kauf des Silberlings sicherlich eine Überlegung wert. Und auch für diejenigen, die eher einen etwas poppigeren Sound bevorzugen, ohne dabei auf Blueselemente verzichten zu wollen, ist „Nobody‘s Fool“ bestimmt eine gute Anschaffung.

KTBA Records (2022)
Stil: Blues Rock, Pop

Tracks:
01. Nobody‘s Fool
02. Bad Blood
03. Won‘t Be Fooled Again (feat. Joe Bonamassa)
04. Just No Getting Over You (Dream Cruise)
05. Fade Away (feat. Tina Guo)
06. Then There‘s You
07. Runaway
08. Missionary Man (feat. Dave Stewart)
09. Figure It Out (feat. Carmen Vandenberg)
10. The Leaving Kind
11. New Love

Joanne Shaw Taylor
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Another Dimension

Richard Marx – Songwriter – CD-Review

Richard Marx ist eine der großen Ikonen der Pop-Rockmusik der 80er und 90er-Jahre. Der Grammy ausgezeichnete Sänger, Songwriter, Produzent und Bestsellerautor trat in mein musikalisches Leben mit dem Song „Satisfied“ von seinem US-Nr.1-Album „Repeat Offender“.  Nach und nach legte ich mir dann seine Alben zu. 

Marx besitzt eine Stimme, die man unter hunderttausenden sofort heraushört. Somit ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Nach seinen Anfangserfolgen zog er sich ziemlich aus der Öffentlichkeit zurück. Das letzte und einzige Mal , dass ich mich mit ihm auch review-technisch auseinandersetzen durfte, war, als er 2004 mit „My Own Best Enemy“ ein starkes Zwischencomeback ablieferte.

Mittlerweile sind tatsächlich schon wieder fast zwanzig Jahre vergangen. Auf dem neuen Album „Songwriter“ gibt es gleich satte zwanzig neue Stücke zu hören. Der aus Chicago, Illinois stammende Musiker, ist die erste im meiner CD-Musiksammlung, der die Stücke direkt auf dem Cover-Artwork tarifiert. Es gibt jeweils fünf Stücke aus den Bereichen Pop, Rock, (New) Country und Balladen. Mit involviert sind auch seine Söhne Lucas und Jesse.

Nach dem Durchhören stellt man allerdings fest, dass die Übergänge quasi fließend in einander übergreifen, ja zum Teil auch mit den anderen Gruppierungen verschwimmen. Der Popbereich enthält sehr schöne melodische, meist rhythmische Tracks, die zur damaligen Zeit allesamt Nr.1-Potential gehabt hätten. Wenn es den Ukraine-Krieg derzeit nicht gegeben hätte, würde „Moscow Calling“ sicher hier die größte Chance besitzen.

Im Rockbereich werden die E-Gitarren und poltrigen Drums präsenter, die Songs  gehen im weitesten Sinne in eine Art Bon Jovi-/Mr. Big-/Nickelback-Light-Schiene, getragen von Marx‘ unverwechselbarer Stimme.

Für mich ist natürlich der Countrybereich der spannendste auf dem Longplayer. Hier assistierten Richard beim Songwriting klingende Namen der Szene wie u. a. Keith Urban, Darius Rucker oder Randy Houser, die allesamt auch in unserem Magazin bereits thematisiert sind.

Na ja, Country, ich würde die Songs eher als modernen New Country einstufen, mit klassischem Country hat das natürlich nur wenig bis garnichts zu tun. Auch hier gibt es durch die etwas andere Spielart der E-Gitarren (zum Teil mit Slide) und dem Einsatz von Akustikgitarren und dezentem Banjo nur marginale Unterschiede zum Pop-Rock-Gefilde.  Nichtsdestotrotz machen sie richtig Laune. Das knackig-swampige „Everything I’ve Got“ (Richtung Brantley Gilbert) und das flockige „Misery Loves Company“, aber auch die anderen drei Sachen beweisen, dass sich Marx im Genre nicht zu verstecken braucht, beziehungsweise kompatibel ist.

Mitglieder der Schmusefraktion werden dann mit den letzten fünf Liedern belohnt. Hier rückt das Piano (dazu Synthie-Streicher) dann in Kombination mit Marx typischer Stimme mehr in den Fokus. Liebesfilmproduzenten, die den nächsten Blockbuster im Auge haben, dürfen gerne mal in „Still In My Heart“ oder „As If We’ll Never Love Again“ hineinhören. Hier finden sie mit hoher Sicherheit potentielle Aspiranten für den Soundtrack.

Mir persönlich gefallen in diesem Bereich allerdings die beiden Stücke „Maybe“ und „Never After“, die eher auf Akustik- und E-Gitarre mit ergänzendem Piano basieren, letztgenannter Song ist ein Mega-Ohrwurm (herrliche E-Gitarrenarbeit vom Marx-Langzeitweggefährten Michael Landau) und meines Erachtens das beste Stück, ein krönender Abschluss also.

Richard Marx meldet sich mit „Songwriter“ eindrucksvoll zurück. Das Album macht genre-übergreifend von vorne bis hinten Spaß, weckt alte Erinnerungen und lässt erhoffen, dass es von Richard Marx und Nachkommenschaft irgendwann mal, vielleicht in nicht ganz so langem Abstand, weiteren guten Stoff zu hören geben wird. Sehr gelungen, dieses erneute Comeback als Musiker, Sänger und Songwriter!

Label: Shelter Records – BMG (2022)
Stil: Pop, Rock, New Country

Tracks:
POP
01. Same Heartbreak Different Day
02. Only A Memory
03. Anything
04. Moscow Calling
05.Believe In Me
ROCK
06. Shame On You
07. My Love, My Enemy
08. Just Go
09. One More Yesterday
10. We Are Not Alone
COUNTRY
11. Everything I’ve Got
12. Misery Loves Company
13. One Day Longer
14. Breaking My Heart
15. We Had It All
BALLADS
16. Always
17. Still In My Heart
18. Maybe
19. As If We’ll Never Love Again
20. Never After

Richard Marx
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Netinfect Promotion

LeAnn Rimes – God’s Work – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Sechs Jahre nach ihrem regulären Album “Remnants” (2016) veröffentlicht die US-amerikanische Schauspielerin, Autorin und Singer/Songwriterin LeAnn Rimes den neuen Longplayer “God’s Work”. Die seit 1996 mit einer ganzen Reihe von Grammy- und Country Music Awards ausgezeichnete Sängerin hat nach 3-jähriger Arbeit nun ein Studiowerk vorgelegt, das von ihrer ursprünglichen Musikrichtung weit entfernt im Pop- und Crossover-Bereich angesiedelt ist.

Mit einer symphonisch arrangierten Klavierballade (“Spaceship”) eröffnet Rimes die übergreifenden Kompositionen, die für ihre stimmlichen Fähigkeiten ebenso weitreichende Assoziationen schaffen. Lyrisch tiefgehende Texte, die häufig im Vordergrund stehen, befassen sich mit der Dualität des Lebens, die in ihren Höhen und Tiefen auf der Schöpfung basiert; im Titeltrack “God’s Work” auch entsprechend durch immer wieder kraftvolle Guitar-Riffs, sowie eine vielseitige Songausgestaltung: unterstützt durch musikalische Gäste, wie den Funk & Soul Interpreten Robert Randolph, die afro-amerikanische Country-Sängerin Mickey Guyton und die bemerkenswerte Vocalistin Tata Vega.

Diese klangliche Vielfalt auf neuen Wegen beschreitet LeAnn Rimes weiterhin mit dem ansprechenden Reggae-Stück “The Only”, gemeinsam mit Ziggy Marley, der R&B-Sängerin Ledisi und Pedal Steel Gitarrist Ben Harper, sowie bei “The Wild”, einem Percussion-orientierten Dance-Floor-Song, verfeinert von Sheila E. und Mickey Guyton.

Die große Bandbreite außergewöhnlich intensiver und gleichzeitig lebendiger Titel wird jedoch bestimmt durch sehr persönliche Kompositionen, wie etwa “Awakening” oder “Innocent” oder “Imagined With Love”, die in ihrer komplexen Perfektion mit der stimmgewaltigen Interpretin verschmelzen und dies teilweise sogar A-Capella im minimal-instrumentierten “There Will Be A Better Day”.

LeAnn Rimes, die sämtliche 12 Songs von “God’s Work” zusammen mit ihrem langjährigen Arrangeur Darrell Brown geschrieben und produziert hat, gelingt mit dem neuen Album nicht nur eine musikalische Transformation gegenüber früheren Recordings, sondern das Genre-verbindende Werk vermittelt für jeden Titel einen eigenständigen Sound, eine betont unterschiedliche Klangfarbe. Die 39-jährige bemerkt hierzu, dass alle “mixing, recording and mastering works” ausschließlich von Frauen ausgeführt wurden. Weitere, ausgelassen tanzbare Tracks (“Throw My Arms Around The World” und “Something Better’s Coming”) runden die vielfältigen Aufnahmen gekonnt ab. Für das letztendlich absolut gediegene Songwriting spricht das Rap-Duett “I Do” mit Aloe Blacc zum emotionalen Abschluss des Longplayers.

Zu ihrem 25-jährigen Bühnenjubiläum hat LeAnn Rimes mit “God’s Work” ein sicher einflussreiches Crossover Album vorgelegt, dessen authentische musikalische Überzeugungskraft bereits nach den ersten Songs entsteht. Ein großartiges Studiowerk einer grandios talentierten Künstlerin, mit Chancen auf den Longplayer des Jahres.

EverLe Records (2022)
Stil: Pop, Crossover

Tracks:
01. Spaceship
02. The Only
03. Awakening
04. How Much A Heart Can Hold
05. Throw My Arm Around The World
06. The Wild
07. Innocent
08. God’s Work
09. Something Better’s Coming
10. Imagined With Love
11. There Will Be A Better Day
12. I Do

LeAnn Rimes
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Oktober Promotion

Lola Kirke – Lady For Sale – CD-Review

Just in dem Moment, wo sich die üblichen gesellschaftlichen Teile unseres Landes, mal wieder über ein harmloses Ballermann-Feier-Liedchen namens „Layla“ echauffieren (was am Ende nur wieder dazu führt, dass sich die Komponisten, dank der medialen Aufmerksamkeit, maximal ins Fäustchen lachen), hat auch Sounds Of South seinen ersten Riesenskandal!

Das ‚Corpus Delicti‘ heißt diesmal Lola, beziehungsweise Lola Kirke (der Name klingt ja schon fast Pornostarmäßig), in Wirklichkeit ist sie aber die Tochter von Bad Company-Drummer Simon Kirke), die auf dem Cover ihres Albums, um das es geht, mit sehr luftigem Oberteil, an das Dollarzeichen geheftet sind, ziemlich freizügig posiert, und das provokanter Weise auch noch mit „Lady For Sale“ betituliert ist. Und es kommt noch schlimmer, im Innenteil präsentiert die langmähnige Protagonistin ihre Rückansicht nur mit ein paar Cowboystiefel an den überkreuzten Beinen bekleidet, ansonsten aber so, wie sie von ihren Erzeugern erschaffen wurde. Ich bin total erschüttert!

Wenn es sich bei Lola Kirke nicht um eine britische Amerikanerin handeln würde, hätte ich jetzt spontan die Tagesthemen, das heute-journal, Anne Will, Maischberger, und wie sie alle heißen, gebeten, sofort zu übernehmen. Darf man solch ein offensichtlich sexistisches Werk in diesem Magazin überhaupt besprechen, bzw. promoten?

Ich meine ja, zumal man merkt, wenn man sich mit den Texten der Lieder etwas intensiver befasst (alle im Einsteckbooklet der CD enthalten), dass es sich bei diesem Werk nicht um niedere Motive handelt, sondern eher um Provokation als Mittel zum aufrichtigen Diskurs.

Über die von Lola Kirke überwiegend mit Austin Jenkins (der hat auch die Instrumente eingespielt und produziert) kreierten Songs ist musikalisch schnell geschrieben. Im Prinzip ist das eingängiger Pop im Stile der Achtziger/Neunziger Jahre (sie hat dafür die typische Stimme), zum Teil in Discofox-Manier tanzbar (u. a. „If I Win“, „Lady For Sale“), mit polternden Drums und gluckernden Synthies, aber auch mit Bariton-E-Gitarren-Hooks, Dobro  und leiernden Steelgitarren und sogar einmal mit etwas unterschwelligem TexMex-Flair („The Crime“). Das gibt dem Gesamtkontext eine dezente ironische Note.

Im Prinzip kommt die gesamte Scheibe so, als wenn sich die Sternchen der damaligen Zeit wie Cyndie Lauper, Pat Benatar oder Madonna, aus einer Sektlaune heraus, mal  eine Countrypopplatte gewagt hätten. Als Blaupause dafür steht für mich der Song „Better Than Any Drug“ den man sich unter dem verlinkten Video anhören, bzw. ansehen kann. Wenn man einen gewissen Humor und eine Portion Gelassenheit sein Eigen nennen kann, wird man dieser fast skurril anmutenden CD am Ende auf jeden Fall etwas abgewinnen. Lola Kirke – ein echtes Countrypop-Luder oder tatsächlich doch eine ernsthafte Frauenaktivistin?

Label: Third Man Records
Stil: (Country) Pop

Tracklist:
01. Broken Families
02. If I Win
03. Better Than Any Drug
04. Lady For Sale
05. Pink Sky
06. Stay Drunk
07. The Crime
08. Fall In Love Again
09. No Secrets
10. By Your Side

Lola Kirke
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V2 Records

Jimmie Allen – Tulip Drive – CD-Review

Jimmie Allen ist nicht nur ein in der Country- und Pop-Szene gut vernetzter Musiker, sondern auch auch ein sehr familiärer Mensch. Erkennen kann man das an den bisherigen Titeln seiner zuvor veröffentlichten Alben.  Sein Debüt „Mercury Lane“ hebt den Namen der Straße hervor, in der er aufgewachsen ist. Der Nachfolger „Bettie James“ zollt seinen Großeltern Tribut (Bettie hieß seine Großmutter, James hieß sein Großvater), die für ihn eine immens wichtige Rolle im Leben gespielt zu haben scheinen.

Denn auch das aktuelle Album „Tulip Drive“, hat mit diesen zu tun, dort lebten diese nämlich bis zu ihrem Tode. Und zu guter Letzt beinhaltet das neue Werk auch noch mit der aktuellen Single „Down Home“ eine emotionale Aufarbeitung seiner Beziehung zu seinem verstorbenen Vater vor und nach dessen Tod. Seine TV-Premiere feierte die in den Medien hochgelobte Single in der „The Late Late Show“ bei US-Talkmaster James Corden.

Satte 17 Stücke umfasst der neue Longplayer, alle von Allen mit diversen aus dem Pop- und Nashville-Umfeld bekannten Co-Writern  wie u. a. Ashley Gorley, Zach Crowell,  Jesse Frasure, Brandon Day, Matt Jenkins, Jon Nite, Ross Copperman, geschrieben, und einer ebenso so großen Armada von Leuten wie Jason Evigan, Gian Stone, Ash Bowers , Vinny Venditto, Vic “BillboardKiller” Martin, Jesse Frasure, Keith Hetrick, Ilya Toshinskiy und Eric Torres zum Teil mit ihm selbst produziert.

Die Countrynote wird nur noch durch fein gespielte E-Gitarren (mit diversen schönen Kurz-Soli) und ein paar Alibi-Steel-Eingaben hochgehalten, der Hauptfokus ist mittlerweile klar in Richtung Pop mutiert. Das kann man auch klar an den Gastpräsenzen bei den Duetten ablesen, die sich ausschließlich aus dieser Sparte mit Interpreten CeeLo Green & T Pain, Katie Ohh, Aadyn und last but not least Superstar und Latino-Diva Jennifer Lopez beim, von beiden inbrünstig gesungenen „​On My Way““ rekrutieren.

Alle Songs bestechen durch eine gewisse sommerliche Leichtigkeit und eine angenehm ins Ohr fließende Melodik, so dass eine durchgehende Radiotauglichkeit attestiert werden kann. Fans von Acts wie u. a. Thomas Rhett, Old Dominion oder Brett Young & Co. sind hier an der richtigen Adresse.

Aus dem Rahmen fällt dabei „Pesos“, das die typische südamerikanische Lebensfreude im Samba-Manier (mit Mariachi-Trompeten im Hintergrund) perfekt widerspiegelt. Alle anderen Tracks von Jimmie Allens neuer CD laden geradezu zum relaxten Cruisen in einem Cabriolet bei seichten Temperaturen ein, und dabei muss man sich keinesfalls nur auf den „Tulip Drive“ beschränken…

Stoney Creek Records / BBR Music Group / BMG (2022)
Stil: New Country (Pop)

Tracklist:
01. Be Alright
02. What I’m Talkin Bout
03. Kissin You
04. ​Down Home
05. Settle On Back
06. Pesos (feat. CeeLo Green & T Pain)
07. Love In The Living Room
08. ​On My Way (feat. Jennifer Lopez)
09.Broken Hearted (feat. Katie Ohh)
10. Habits & Hearts
11. Right Now
12. Wouldn’t Feel Like Summer
13. Undo
14. Get You a Girl
15. Keep Em Coming
16. Every Time I Say Amen
17. You Won’t Be Alone (feat. Aadyn)

Jimmie Allen
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Networking Media

Eric Krasno – Always – CD-Review

Ich bin ja ein ausgesprochener Fan von Musik, bei der man gemütlich auf der Couch im heimischen Wohnzimmer relaxen kann. Die neue Scheibe „Always“ vom zweifachen Grammy-Gewinner Eric Krasno ist so ein typischer Fall. Der hat sich für seinen vierten Longplayer, wo er neun der insgesamt zehn Tracks selbst oder mithilfe von einigen Co-Writern kreiert hat, mit dem Multiinstrumentalisten Otis McDonald zusammengetan.

Beide haben gemeinsam produziert und auch die meisten Instrumente bedient: Krasno das Mikro und den saitentechnischen Part, McDonald Drums, alles, was Tasten hat und Harmoniegesänge. Bei einzelnen Songs kommt dann immer mal punktuelle Verstärkung dazu (Bläser, weibliche und männliche BGVs).

Der Hörer bekommt einen überwiegend entspannt verlaufenden souligen Blues geboten, wobei Krasnos E-Gitarrenkünste und -Soli die Palette großer Blueskoryphäen wie Peter Green, Eric Clapton & Ben Poole oder Laurence Jones als Vertreter der jüngeren Generation (bei deren souligeren Stücken), aber auch von Leuten wie David Gilmour, Walter Becker oder Artisten, die im southern-souligen Bereich aktiv sind, abdeckt. Letzteres ist vermutlich ein Resultat seiner Zusammenarbeit mit Acts wie der Tedeschi Trucks Band und der Marcus King Band.

Gerade Krasnos Stimme, die aus meiner Sicht irgendwo zwischen Sting und Steve Winwood zu verorten ist, passt hervorragend zu dem dem lässigen Konvolut aus Soul, Pop, Rock und Blues. Beeindruckend ist vor allem die Umsetzung von Bob Dylans „The Man In Me“ von einem 70er-geprägten, sperrigen Folksong zu einer warmen Southern Soul-Nummer. Kaum wiederzuerkennen. Insgesamt ist Eric auf einer ähnlichen musikalischen Schiene unterwegs, wie zur Zeit der ihm vom Typ her ähnelnde Doyle Bramhall II.

Ein wenig aus dem Rahmen fällt das abschließende „Always With You“ mit seinem spirituell-esoterischen Touch, bei dem Victoria Canal ihre Stimme mit einhaucht. Ein guter Song zum Runterkommen, könnte glatt zu einem Hit in den Yoga-Charts avancieren.

Nicht passieren sollte es bei einem namhaften Label wie Provogue Records und einem Künstler von Krasnos Kaliber, dass zwei Songs in der Covergestaltung durchgehend in der falschen Reihenfolge benannt werden: „Where I Belong“ kommt als 6. Lied, „Leave Me Alone“ als siebter Track und nicht umgekehrt. Hier wurde scheinbar beim Korrekturleser gespart.

Apropos Coverartwork: Was die nackte, braungebrannte und scheinbar schwangere Schönheit unter sonniger Palmenkulisse im Zusammenhang mit dem CD-Titel „Always“ symbolisiert, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht eine Kausalität zwischen einer Wohlfühlatmosphäre und einem andauernden Drang zur Fortpflanzung, oder ‚immer lockt das Weib‘? Echt – keine Ahnung, der Hobbypsychologe macht jetzt erstmal ein Nickerchen auf der dem Sofa…

Label: Provogue Records
Stil: Blues, Soul

Tracks:
01. Silence
02. So Cold
03. Lost Myself
04. The Man In Me
05. Always Together
06. Leave Me Alone
07. Where I Belong
08. Good Thing
09. Hold Tight
10. Always With You (feat. Victoria Canal)

Eric Krasno
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Taylor Swift – Red (Taylor’s Version) – Do-CD-Review

Manchmal könnte man glatt meinen, ich hätte richtig Ahnung von New Country-Musik. Als einer der Review-Pioniere dieses Genres hatte ich schon damals dem bis dato noch ziemlich unbekannten Keith Urban bei seinem Debüt bereits eine große Zukunft vorausgesagt, gleiches gilt auch für Taylor Swift, wie ich es jetzt nach langer Zeit beim Nachlesen, ebenfalls zu ihrem Erstwerk, feststellen konnte.

Ok, dass sie in einer derartigen Weise, bis sogar hin in den Pop-Olymp, zu einem der größten Stars der heutigen Zeit, durchschießen würde, hätte ich natürlich nicht vermutet. Anders als bei Urban, habe ich, aus Mangel an Gelegenheiten, ihren Weg nur noch in den Medien verfolgt. Jetzt hat es durch die bei Universal für sie zuständige Person Simone Geldmacher (was für ein passender Name in Zusammenhang mit Swift… lol) dankenswerter Weise wieder mal geklappt und ihr neu veröffentlichtes Re-Release  von „Red“ liegt mir zur Besprechung vor.

Ob die ursprünglich aus Reading, Pennsylvania stammende Swift schon damals im Rahmen der Streitigkeiten über die Verfügungsrechte mit ihrem früheren Label Big Machine Records (die haben unter der Regie des neuen Besitzers Scooter Brown die Rechte an den Mastertapes immer noch inne) rot gesehen hat, ist nicht überliefert (danach wechselte sie jedenfalls zur Universal Republic-Sparte). Fakt ist jedenfalls, dass sie jetzt ihre Alben in eigener Version (wie schon geschehen mit „Fearless“ und jetzt mit „Red“) nochmals, neu eingespielt und, ergänzt um Stücke, die es nicht auf das Werk geschafft haben, veröffentlicht.

So gibt es jetzt satte 30 Tracks, verteilt auf zwei CDs, von der CD1 sehr ’nah‘ an das Ursprungswerk gelehnt ist und nur mit marginalen Veränderungen versehen worden ist. Noch deutlicher kommt hier auf „Red“, was meine Person betrifft, die erheblich größere Ausrichtung in Richtung massentauglichem Pop zum Vorschein, als es noch bei ihrem Debüt der Fall war.

Mir gefallen die Sachen am besten, wo die Akustikgitarre etwas dominanter zum Vorschein kommt und diese dementsprechend zurückgenommener wirken. Mein Favorit ist hier das finale melancholische „Begin Again“ mit eingeflochtener Mandoline und Steel Guitar. Für zusätzlichen Stardom sorgen Ed Sheeran bei „Everything Has Changed“ und Snow Patrol-Sänger Gary Lightbody bei „The Last Time“. 

Den eigentlichen Mehrwert gibt es aber mit dem zweiten Silberling, der die Outtakes enthält und mit „All Too Well“ eine zehn-minütige ‚Drittversion‘ bereithält. Sehr schön ist bei den nicht verwendeten Gastpräsenzen das Duett beim Indie-mäßigen „Nothing New“ mit Phoebe Bridgers. Chris Stapleton kann sich mit den untergeordneten Harmoniegesängen bei „I Bet You Think About Me“ nicht so richtig entfalten und auch das zweite mit Ed Sheeran performte Stück „Run“ wurde aus meiner Sicht richtiger Weise, zugunsten des markanteren „Everything Has Changed“ unter den Tisch fallen gelassen.

„Red“ von Taylor Swift offeriert eindrucksvoll die Entwicklung einer talentierten jungen Musikerin, die ihre Lehre im Country gemacht hat und sich mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks in Richtung angesagtem massenkompatiblen Mainstream-Pop entwickelt hat, der allerdings sehr geschmackvoll eingespielt ist und auf Effekthaschereien überwiegend verzichtet.  Zu Gute halte muss man ihr in jedem Fall auch die Kreativität, sie schreibt alle Tracks selbst und ist nicht auf fremdes Material angewiesen. Hier reiht sie sich mittlerweile mühelos in die Megastarriege von Interpretinnen wie Beyoncé, Lady Gaga, Rihanna & Co. ein, ohne deren Konkurrenz wirklich fürchten zu brauchen.

Republic / Universal (2021)
Stil: New Country Pop

Tracks:
CD1
01. State Of Grace (Taylor’s Version)
02. Red (Taylor’s Version)
03. Treacherous (Taylor’s Version)
04. I Knew You Were Trouble (Taylor’s Version)
05. All Too Well (Taylor’s Version)
06. 22 (Taylor’s Version)
07. I Almost Do (Taylor’s Version)
08. We Are Never Ever Getting Back Together (Taylor’s Version)
09. Stay Stay Stay (Taylor’s Version)
10. The Last Time (Taylor’s Version) [feat. Gary Lightbody]
11. Holy Ground (Taylor’s Version)
12. Sad Beautiful Tragic (Taylor’s Version)
13. The Lucky One (Taylor’s Version)
14. Everything Has Changed (Taylor’s Version) [feat. Ed Sheeran]
15. Starlight (Taylor’s Version)
16. Begin Again (Taylor’s Version)

CD2
17. The Moment I Knew (Taylor’s Version)
18. Come Back..Be Here (Taylor’s Version)
19. Girl At Home (Taylor’s Version)
20. State Of Grace (Acoustic Version) (Taylor’s Version)
21. Ronan (Taylor’s Version)
22. Better Man (Taylor’s Version) (From The Vault)
23. Nothing New (feat. Phoebe Bridgers) (Taylor’s Version) (From The Vault)
24. Babe (Taylor’s Version) (From The Vault)
25. Message In A Bottle (Taylor’s Version) (From The Vault)
26. I Bet You Think About Me (feat. Chris Stapleton) (Taylor’s Version) (From The Vault)
27. Forever Winter (Taylor’s Version) (From The Vault)
28. Run (feat. Ed Sheeran) (Taylor’s Version) (From The Vault)
29. The Very First Night (Taylor’s Version) (From The Vault)
30. All Too Well – Extended Version (Taylor’s Version) (From The Vault)

Taylor Swift
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Universal Music

Old Dominion – Time, Tequila & Therapy – CD-Review

Zwei Jahre nach ihrem großartigen, nach sich selbst betitelten dritten Album (zu der Zeit hatten wir auch in Köln das Vergnügen, sie live zu erleben) sind Old Dominion zurück mit neuem Stoff. „Time, Tequila & Therapy“ heißt das neue Werk und knüpft in seiner Art an die bewährten Erfolgsrezepte der Vergangenheit an. Trotzdem verlief die Corona-Zeit alles andere als gut für das in allen Belangen hochprämierte Quintett, wenn man den Worten von Sänger Matthew Ramsey Glauben schenkt. Ja, das Fortbestehen soll sogar auf dem Spiel gestanden haben. Vor allem die monatelange physische Trennung hatte der Band wohl hart zu schaffen gemacht.

Die Lösung fand man im Song “Make It Sweet” des Vorgängerwerkes. Der wurde erstmalig direkt im Studio geschrieben und direkt danach aufgenommen. So entschied man sich, zusammen mit ihren beiden Produzenten und Co-Writern Shane McAnally und Josh Osbourne, in Ashville, North Carolina, in ein Studio einzumieten und das Schreiben und Aufnehmen dem spontanen dortigen Lauf der Dinge unterzuordnen. Morgens aufstehen, einen Song im ganzen Team ohne jegliche Vorbehalte kreieren, nachmittags dann einspielen und aufnehmen, so der Plan.

Und es hat funktioniert! Leadsänger Matthew Ramsey, Multiinstrumentalist Trevor Rosen, Gitarrist Brad Tursi, Bassist Geoff Sprung und Drummer Whit Sellers samt Osbourne und McAnally haben wieder diese wunderschöne Balance gefunden, diese unwiderstehlichen eingängigen Melodien samt guter und humorvoller Texte, mit der sanft-rauen Stimme Ramseys, vielen Band-Harmoniegesängen und einer fein akzentuierten Instrumentalisierung perfekt in Einklang zu bringen, der man sich einfach nicht entziehen kann.

Rosens Tastenspiel (Piano, Synthie, E-Piano, Orgel), teilweise mit herrlichem Akkordeon (beim Veranda-mäßigen „I Was On A Boat That Day“ und „Ain’t Nothing Wrong With Love“), Tursis E-Kurzgitarreneinlagen (manchmal auch Southern-gefärbt wie bei „I Wanna Live In A House With You Forever“ oder „Ain’t Nothing Wrong With Love“, lässig-stonesk bei „Drinking My Feelings“), klare Akustikgitarren, hier und da etwas Mandoline (klasse beim karibisch-sommerlichen „Hawaii“, „No Hard Feelings“), Dobro (bei „I Was On A Boat That Day“), mal eingestreutes Slide („I Wanna Live In A House With You Forever“) und vor allem diese oft integrierten, gut-gelaunten Harmoniegesänge aller Beteiligten, sprechen eindeutig dafür, dass in Ashville die Chemie bestens gestimmt hat.

Grandios der atmosphärisch groovende Ohrwurm „Walk On Whiskey“ (Fleetwood Mac-Note) als auch das Motown-umwehte „Lonely Side Of Town“, bei der die in Ashville lebende und kurzfristig ins Studio eigeladene Soul-Ikone Gladys Knight neben Ramsey zu vokaler Höchstform aufläuft, als auch die leicht folkig-angehauchten Gute-Launenummern „I Was On A Boat That Day“und „I Wanna Live In A House With You Forever“.

Old Dominion haben mit der Entscheidung, sich für Wochen komplett in ein Studio zurückzuziehen und die dort entstehende kreativen Kräfte walten zu lassen, alles richtig gemacht. Die Band wirkt auf „Time, Tequila & Therapy“ geschlossen wie nie, das entstandene Songmaterial ist frisch und flockiger denn je. Am Ende hinterlässt man sogar die Hypothese, dass viel Tequila zu absolut günstigen Therapieergebnissen beitragen kann. Medizin-Nobelpreis-verdächtig!

RCA Records Nashville/Sony Music(2021)
Stil: New Country

01. Why Are You Still Here
02. Hawaii
03. Walk On Whiskey
04. All I Know About Girls
05. Blue Jeans
06. No Hard Feelings
07. Lonely Side of Town (feat. Gladys Knight)
08. I Was On A Boat That Day
09. Drinking My Feelings
10. Something’s The Same About You
11. I Wanna Live In A House With You Forever
12. Don’t Forget Me
13. Ain’t Nothing Wrong With Love

Old Dominion
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Sony Music

Samantha Fish – Faster – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Manchmal ist das Streben nach musikalischer Vielseitigkeit eine Verlockung, um die künstlerischen Möglichkeiten bis an die Grenzen des Genres auszudehnen. Diesen Eindruck vermittelt die US-amerikanische Blues-Rockerin Samantha Fish auf ihrem neuen Album „Faster“. Nachdem sie für ihr Debüt „Runaway“ (2012) mit dem Blues-Music Award ausgezeichnet wurde, hat die Musikerin aus Kansas City in den letzten 10 Jahren eine Reihe abwechslungsreicher Longplayer vorgelegt. Die Bandbreite der wesentlich im Blues und Rock’n’Roll beheimateten 32-jährigen Gitarristin, Sängerin und Songschreiberin reichte dabei vom Rhythm and Blues, über Soul, Delta-Country bis zum Blues, wie u. a. auf dem letzten Album aus „Kill Or Be Kind“ (2019).

Die Fortsetzung der Blues-Rock Ambitionen wird auf der neuen Scheibe durch den Titelsong „Faster“ gleich zu Beginn kräftig vorangetrieben. Ein Gitarren-Stück mit groovendem Beat – ein strammer Opener, der anschließend mit „All Ice, No Whiskey“ ohne Abstriche ein funkiges Pendant bekommt. Die in diesem Zuge gleichermaßen bluesrockig nachfolgende Single „Twested Ambition“ reiht sich hervorragend in diesen Abschnitt der LP ein. Überhaupt hat die erstmalige Zusammenarbeit von Samantha Fish und Starproduzent Martin Kierszenbaum (u.a. Lady Gaga, Sting) tiefgreifende Pop-Spuren hinterlassen.

Nach diesem heftigen Einstieg in den Longplayer wird jedoch mit dem vierten Song „Hypnotic“ die weitere Erwartungshaltung arg strapaziert. Dieses funk-orientierte Sound-Experiment markiert offen einen Bruch der bisherigen Stilrichtung, auch getrieben von Samanthas angelehnten Vocals, erinnert an frühere Prince-Klassiker im Pop-Bereich. Die temporeichen Songs „Forever Together“, „Crowd Control“ und „Imaginary War“ können jedoch trotz der stimmlichen Ausdrucksstärke von Samantha Fish und der Guitar-Energie, nur bedingt die Erwartungen erfüllen, die das Vorgänger-Album ausgelöst hat.

Samanthas selbstbewusste Kommentierung „I try to do something different with every album“ wird nicht zuletzt in Form der Guest-Performance von Rapper Tech N9ne beim folgenden Song „Loud“ deutlich. Einer Komposition, die als großartige Mischung von Keyboards und Guitar plus Rapp-Einlage gewertet werden kann. Die reife Blues Rock-Nummer „Better Be Lonely“ und der starke Rock’n’Roll „So Called Lover“ versöhnen Blues-Fans zum Ende hin. Die als Final-Track und Kontrastpunkt zum Albumtitel abschließende Ballade „All The Words“ ist symbolträchtig und grenzüberschreitend: nur Gitarre, Bass und Klavier begleiten Samanthas tiefgründige Interpretation.

Samantha Fish hat in ihrer bisher sehr erfolgreichen Karriere häufig neue Elemente aus Jazz, Country, Soul und Blues in ihre Musik aufgenommen. Sie bewegt sich mit ihrem neuen Longplayer „Faster“ neben altbekannten Stilmotiven aus Blues und Rock teilweise auf dem Terrain von Funk, Dance und Pop ohne ihre eigentliche Herkunft hinter sich zu lassen. „Faster“ ist ein Album, das Intuition, Spielfreude und Vielfalt anzubieten hat und über einen reinen Pop-Entertainment-Charakter weit hinaus geht.

Concord Records (2021)
Stil: Blues Rock and more

Tracks:
01. Faster
02. All Ice No Whiskey
03. Twisted Ambition
04. Hypnotic
05. Forever Together
06. Crowd Control
07. Imaginary War
08. Loud (featuring Tech N9ne)
09. Better Be Lonely
10. So Called Lover
11. Like A Classic
12. All The Words

Samantha Fish
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Dan + Shay – Good Things – CD-Review

Die Dinge laufen gut für Dan + Shay alias Dan Smyers und Shay Mooney. Eigentlich schon von Beginn an. Das Duo setzte seit Beginn seiner Gründung und dem Gang nach Nashville konsequent auf eine doppelgleisige Country- und Pop-Strategie in Verbindung mit einem gewissen Boygroup-Charme.

Als der Plattenvertrag mit Warner unterzeichnet war, die Single „19 You + Me“ sowohl in den Country- als auch in den allgemeinen Charts einschlug, dazu noch das Debüt-Album „Where It All Began“ 2014 Platz 1 und 6 erreichte, geriet alles Folgende quasi zum Selbstläufer, auch wenn das nächste Werk „Obsessed“ 2016 ’nur‘ Platz 2 bzw. 8 erbrachte.

Immerhin rückte 2018 ihr, nach sich selbst betitelter Silberling „Dan + Shay“ mit den Grammy-gekrönten Nr.1-Singles „Tequila“ und „Speechless“ die Dinge wieder ins Lot (Platz 1/6). 2019 folgte mit der Single „10,000 Hours“ und Kooperation mit Justin Bieber der nächste Nr.-1 Streich und Streaming-Superlativ. Der R&B-trächtige Song ist auf diesem, gerade frisch erschienenen Longplayer „Good Things“ natürlich auch vertreten.

Das neue, zunächst erstmal digital veröffentlichte Werk (CD ab 17. September) beinhaltet, wie nicht anders zu erwarten, nach dem Motto ‚Never change a winning team‘, eine rigorose Fortführung ihres Erfolgsrezeptes mit eingängigem Pop und ganz dezenten Country-Tüpfelchen (eigentlich mit der ‚Lupe‘ zu suchen), natürlich serviert von der Supergarde der Country-Studio-Musiker-Szene wie u. a. Bryan Sutton, Gordon Mote, Jimmie Lee Sloas, Ilya Toshinsky, Derek Wells, Nir Z, Charlie Judge, und Aubrey Haynie. Der formulierte Anspruch dürfte diesmal auch das Knacken der Pole-Marke in den allgemeinen Album-Charts implizieren.

Immerhin muss den beiden Protagonisten attestiert werden, dass sie es nicht, trotz ihres mittlerweiligen Status, wie so manche Kollegen, leicht machen, sondern weiterhin ihre Erfolgssongs aus der eigenen Feder (mit diversen Co-Writern) generieren. Toll in jedem Fall natürlich auch der passende Gesang (vornehmlich von Mooney) und die perfekt sitzenden Vokalharmonien (ergänzt noch von weiteren Klasse-Leuten wie Vicki Hampton, Robert Bailey oder Wendy Moten).

Vom eröffnenden Titelsong „Good Things„, über das mit leichtem Reggae-Teint versehene „Steal My Love“ (mit Steel-ähnlichen Drums…), dem smooth-souligen „You“ (mit gospeligen Harmonies, mein Lieblingstrack), vielen, mit prägnanten Refrains versehenen Stücken wie „Body Language“ (schön hier die Tracy Chapman-mäßige Akustikgitarren-Eröffnung), „Irresponsible“ (mit Mandoline und Violinen), „Lying“ (mit zarter Dobro), „Glad You Exist“ (Akustikgitarren- und Piano-geführter Schunkler), dem bereits erwähnten Bieber-Kracher „10,000 Hours“ gipfelt das ganze, schön zu hörende Pop-Konglomerat im abschließenden „I Should Probably Go To Bed„, wo es mit beatlesken, Queen- und ELO-verdächtigen Ingredienzien, ziemlich auf die Spitze getrieben wird.

Am Ende fragt man sich wie so oft bei solch vergleichbaren 99-prozentigen Pop-Scheiben, was solche Musik eigentlich für die Country-Charts autorisiert? Gibt es da eigentlich konkrete Regeln? Oder reicht es einfach nur in Nashville zu produzieren und die dortigen Musiker einzubeziehen? Müssen typische Instrumente vertreten sein? Wer entscheidet das überhaupt? Fragen über Fragen…

Ich glaube, bevor ich mir jetzt stundenlang bis in die Nacht hinein darüber den Kopf zermartere, folge ich lieber dem genannten Abschluss-Titel „I Should Probably Go To Bed“ von Dan + Shay zu ihrem nächsten mutmaßlichen neuen Nr.1-Album und sollte dann wohl doch besser zu Bett gehen…

Warner Music (2021)
Stil: New Country

01. Good Things
02. Steal My Love
03. You
04. Body Language
05. Give In To You
06. Irresponsible
07. Lying
08. One Direction
09. Let Me Go Over Her
10. Glad You Exist
11. 10,000 Hours (feat. Justin Bieber)
12. I Should Probably Go To Bed

Dan + Shay
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