Lucinda Williams – Sings The Beatles From Abbey Road – CD-Review

Review: Michael Segets

Ob man eher der Fraktion der Stones- oder der Beatles-Hörer zugehört, war in meiner Generation noch eine Glaubensfrage. Mir steht die Musik der Rolling Stones näher. Heute werden nicht mehr so tiefe Gräben zwischen den Lagern gezogen – sofern sie überhaupt noch eine Rolle in der popkulturellen Alltagswelt der Jugend spielen. Die musikgeschichtliche Bedeutung beider Bands dürfte unbestritten sein und professionelle Musikerinnen und Musiker finden in deren Musik immer noch Inspiration.

In ihrer Lu’s Jukebox-Reihe widmete sich Lucinda Williams bereits Tom Petty, Bob Dylan und eben auch den Rolling Stones. Bei ihnen sind die Verbindungen zu Williams Musik offensichtlicher als bei den Beatles. Dass sie sich nun deren Songs vornimmt, mag etwas überraschen. Vielleicht ist der Gedanke, sich dieser Band zuzuwenden, der Erinnerung an ihre Zeit als Teenager geschuldet. Egal, ob diese Spekulation stimmt: Das Experiment gelingt. Williams reduziert die poppigen Anteile der Originale und erdet die Songs, sodass man kaum merkt, dass diese zum Teil sechzig Jahre auf dem Buckel haben. Ich mag Williams Stimme und Gesang. Die Eigenheiten kommen bereits beim Opener „Don’t Let Me Down“ zum Ausdruck. Bei manchen ihrer Longplayer können ihre Interpretationen etwas anstrengend wirken, was aufgrund des eingängigen Materials auf „Lucinda Williams Sings The Beatles From Abbey Road“ aber nicht der Fall ist.

Williams wählt neben einigen Hits auch weniger bekannte Stücke aus. Sehr schöne Versionen liefert sie von „Can’t Buy Me Love“ und „Let It Be“. Als weiteren Klassiker spielt Williams „With A Little Help From My Friends“. Dem ursprünglich von Ringo Starr gesungene Titel gibt Williams zwar ihre individuelle Note, das Cover nimmt mich aber nicht ganz so mit, wie die vorher genannten. Die Songs stammen in der Regel von Paul McCartney und John Lennon. Eine Ausnahme bildet „While My Guitar Gently Weeps“, das von George Harrison geschrieben und gesungen wurde. Der Track findet sich ebenso wie „Yer Blues“, das bei Williams zum wunderbaren Swamp-Blues mutiert, auf dem „Weißén Album“ (1968).

Mit vier Tracks ist der Longplayer „Let It Be“ (1970) der Fab Four am stärksten berücksichtigt. Von diesem stammt auch „I’ve Got A Feeling“, dem Williams ein bluesrockiges Gewand gibt. Hier setzt Williams phasenweise auf einen kräftigen Harmoniegesang wie bei anderen Stücken („I’m Looking Through You“, „Rain“) auch. Dort geht er aber stärker in die Richtung, wie man es von den Engländern kennt. Dennoch transformiert die Musikern alle Songs in ihren eigenen Stil, sodass man nicht unbedingt auf die Idee kommt, dass es sich um Werke der Beatles handelt – wenn man es nicht wüsste.

Williams begab sich für die Sessions eigens nach London in The Abbey Road Studios, wo The Beatles ihre Meilensteine aufnahmen. Aus einer Randnotiz der Pressemitteilung geht hervor, dass Williams bislang als einzige namhafte Künstlerin dort Songs von den Beatles einspielte – außer natürlich die Band selbst. Vielleicht kann dies auch als Zeichen dafür gedeutet werden, dass es ein gewisses Risiko darstellt, sich an die Titel der Kultband heranzuwagen. Williams meistert die Herausforderung problemlos, indem sie die Stücke zu ihren eigenen macht.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Rock

Tracks:
01. Don’t Let Me Down
02. I’m Looking Through You
03. Can’t Buy Me Love
04. Rain
05. While My Guitar Gently Weeps
06. Let It Be
07. Yer Blues
08. I’ve Got A Feeling
09. I’m so Tired
10. Something
11. With A Little Help From My Friends
12. The Long And Winding Road

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Douwe Bob – Where Did All The Cool Kids Go? – CD-Review

Review: Michael Segets

In den Niederlanden ist Douwe Bob eine Hausnummer. 2012 gewann er eine Castingshow und startete 2016 für sein Heimatland beim Eurovision Song Contest in Stockholm. Alle seine Alben belegten einen Top-Ten-Platz in den niederländischen Charts und seine Singles stehen dem kaum nach. Die beiden Auskopplungen „This World Is Our Home” und „Nothing To Lose” seines aktuellen Albums „Where Did All The Cool Kids Go?“ setzten sich ebenfalls in den nationalen Rankings fest.

Seine musikalischen Grundlagen sieht der in Amsterdam geborene Songwriter im Country und Americana der 1950er bis 1970er Jahre. Während sein Album „Born To Win, Born To Lose“ (2021) diese Spuren noch deutlicher verfolgte, wendet sich Douwe Bob auf seinem neuen Longplayer stärker dem Pop zu. Die Scheibe ist sehr klar und glatt produziert. Dass Douwe Bob gute Songs schreiben kann, beweist er weiterhin, die Arrangements kommen jedoch ohne Ecken und Kanten aus, sodass Überraschungen weitgehend ausbleiben. Das Titelstück wäre beispielsweise als Roots Rocker sicherlich cooler geworden. So bleibt die Uptempo-Nummer eher flach. Ebenso hätte „Nothing To Lose“ das Potential zu einem richtig guten Beitrag, wenn es mit etwas mehr Biss präsentiert würde. Als Rock-Pop-Song setzt er sich hingegen nicht in meinen Gehörgängen fest. Angesichts des Erfolgs der Single hören das die Niederländer wohl anders.

„Feel It Coming“ stellt für mich den besten Song des Longplayers dar. Das sanfte und semi-akustisch performte Stück geht in Richtung Americana. Die Anleihen an seine musikalischen Inspirationsquellen scheinen bei „Chase My Heart Away (Hero)“ und „You Got Me“ ebenfalls durch. Bei seinen Kompositionen tritt immer wieder zutage, dass Douwe Bob nicht nur als Songwriter, sondern auch als Sänger durchaus etwas zu bieten hat. Vor allem bei den langsameren Songs („Light Of My Life“, „Nights In Tokyo“, „Nothing At All“) oder bei dem Duett mit Jennifer Ewbank („Sailing“) kommt seine angenehme Stimme zum Tragen. Die Arrangements sind eingängig, wirken aber vor allem bei den Titeln im Midtempo „Step Outside“ harmlos.

Die enge Verbindung zum Musikbusiness wurde Douwe Bob Posthuma, so der Geburtsname, in die Wiege gelegt. Er ist der Sohn von Designer Simon Posthuma. Dieser gründete die Designergruppe The Fool, die Kostüme für die Hollies und die Beatles entwarf. Vor allem mit der Bemalung der Instrumente von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Eric Clapton und Jack Bruce verewigte sich Simon Posthuma in der Popgeschichte.

Douwe Bob führt mit seinem aktuellen Album „Where Did All The Cool Kids Go?” seine Erfolgsgeschichte in den Niederlanden fort. Die radiotauglichen Songs sind gefällig, aber die poppigen Arrangements verdecken das Potential der Stücke. Die Scheibe ermöglicht so einen leichten Genuss, der kaum nachhaltig in Erinnerung bleibt.

V2 Records – Bertus (2024)
Stil: Pop

Tracks:
01. Where Did All The Cool Kids Go?
02. Chase My Heart Away (Hero)
03. Light Of My Life
04. Step Outside
05. Nights In Tokyo
06. You Got Me
07. This World Is Our Home
08. Sailing (ft. Jennifer Ewbank)
09. Nothing To Lose
10. Feel It Coming
11. Long Way Home
12. Nothing At All

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Bertus
V2 Records

The Jayhawks – XOXO – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Hollywood Town Hall“ zählt zu den Meilensteinen des Alternative Country. Das 1992er Album steht als einziges der Jayhawks in meinem CD-Regal. In manche der nachfolgenden Alben hörte ich nur noch sporadisch rein. The Jayhawks entfernten sich mit den Jahren tendenziell von der Roots Music und gingen in eine poppigere Richtung. „XOXO“ läutet dahingehend keine Wende kein. Neu ist hingegen, dass die Bandmitglieder neben Frontmann und Gitarrist Gary Louris nun mehr in Erscheinung treten.

Karen Grotberg (Keys), Marc Perlman (Bass) und Tim O’Reagan (Drums) sind alle mit eigenen Kompositionen auf dem neuen Werk vertreten und übernehmen auch die Lead Vocals. Grotberg zeichnet für die beiden Balladen „Ruby“ und „Across My Field“ verantwortlich, bei denen dann entsprechend das Klavier die Begleitung dominiert. Perlman steuert den folkorientierten Titel „Down The Farm“ bei.

Für die schnelleren Töne ist O’Reagan („Society Paper“) zuständig. Bei dem straighten „Dogtown Days“ rockt er mit stampfendem Rhythmus los. Neben dem Opener „This Forgotten Town“, bei dem er sich mit Louris am Mikro abwechselt, stellt es das stärkste Stück auf dem Album dar. Die Jayhawks haben die beiden Songs als Singles ausgekoppelt und damit die richtige Entscheidung getroffen.

Ebenfalls auf das Konto von Louris und O‘Reagan geht „Little Victories“, bei dem Louris exzellente Arbeit an der Gitarre leistet. „Living In A Bubble“, das entfernt an die Beatles erinnert, und „Homecoming“ verfasste Louris im Alleingang. Die Songs sind ziemlich poppig geraten und vor allem das letztgenannte Stück fällt mit seinen hohen Gesangseinlagen sowie dem experimentellen Ende ab. Auch mit dem süßlich beginnenden „Illuminate“ kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Die Midtempo-Nummer „Bitter Pill“ und der folkige Abschluss „Looking Up Your Number“ hinterlassen dann aber nochmals einen positiven Eindruck.

The Jayhawks präsentieren sich auf „XOXO“ als Band mit gleichberechtigten Mitgliedern. Durch den wechselenden Leadgesang verfolgen sie ein Konzept, das in dieser Konsequenz bei den US Rails schon bestens funktioniert. Der ausgiebige Einsatz mehrstimmiger Harmonien ist den beiden Truppen ebenso gemeinsam. Vom Sound sind sie aber bei den meisten Titel meilenweit voneinander entfernt.

Die zwei ersten Tracks bilden einen starken, erdigen Einstieg, danach bewegt sich „XOXO“ überwiegend in etwas überladenen Pop-Rock-Gefilden. Dabei finden sich ein paar gelungene Titel, daneben aber auch anstrengendere Arrangements. Beim letzten Song, im Wesentlichen auf die Begleitung durch die akustische Gitarre reduziert, zeigen die Jayhawks dann doch nochmal ihr Händchen für gefühlvolle Melodien. Statt es in Gänze durchlaufen zu lassen, bietet sich das Album also dafür an, sich die Highlights herauszupicken.

Sham Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Rock/Pop

Tracks:
01. This Forgotten Town
02. Dogtown Days
03. Living In A Bubble
04. Ruby
05. Homecoming
06. Society Pages
07. Illuminate
08. Bitter Pill
09. Across My Field
10. Little Victories
11. Down To The Farm
12. Locking Up Your Number

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Oktober Promotion

US Rails – Mile By Mile – CD-Review

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Review: Michael Segets

Vor einigen Jahren sah ich die US Rails in Essen noch als Quintett auf der Bühne. Nach dem Ausstieg von Joseph Parsons, machten die übrigen Bandmitglieder fleißig weiter. Sie tourten regelmäßig auch durch unsere Region, wo Sound-Of South sie zweimal in Wesel besuchte, und veröffentlichten Alben in hoher Taktzahl. Ein Freund, mit dem ich seinerzeit das Konzert in Essen erlebte, machte mich auf das sechste Studioalbum „Mile By Mile“ der US Rails aufmerksam.

Auf der vorangegangenen Scheibe „We All Been Here Before“ coverte die Truppe unter anderem Kompositionen von Jackson Browne, Neil Young, Warren Zevon, Fleetwood Mac, den Beatles und den Stones. In dem Spannungsfeld diesen Musik tummelt sich die Band seit ihrer ersten Veröffentlichung vor zehn Jahren. Besondere Markenzeichen der US Rails sind wechselnde Leadstimmen sowie mehrstimmige Harmoniegesänge.

Ben Arnold, Scott Bricklin, Tom Gillam und Matt Muir funktionieren als Team und obwohl jeder mindestens einen Song verfasste, kommt bei „Mile By Mile“ wieder ein Gesamtpaket ohne Brüche heraus. Im Vergleich zu den früheren Scheiben ist die neue etwas rockiger ausgerichtet und hat anders als „Ivy“, dem 2016er Album mit Eigenkompositionen, einen direkteren und erdigeren Sound.

Vor allem bei den ersten drei Stücke rocken die US Rails locker und unverkrampft los. Den Anfang macht Bassist Scott Bricklin mit „Take You Home“, gefolgt von Tom Gilliams „Mile By Mile“ und Ben Arnolds „Trash Truck“. Eine erste Verschnaufpause bietet dann „Water In The Well”, das aus der Feder von Matt Muir stammt. Der Schlagzeuger steuert selten Songs bei, legt hier aber eine sehr schöne, dynamische Ballade vor. Aufgepeppt wird sie durch einen gospelig-souligen Chor, Gilliams elektrische Gitarre sowie den Keys von Ben Arnold.

Ben Arnolds angeraute Stimme hebt sich von denen seiner Mitstreiter ab. Sie gibt sowohl Balladen („Slow Dance”) als auch schnelleren Nummern („What You Mean To Me“) einen gewissen Touch. Besonders der erdige Roots Rocker „Tombstones & Tumbleweeds” profitiert von dem mitschwingenden Blues seiner Stimme. Dem herausstechenden Song folgt „See The Dream”, der zwar etwas weniger rockig angelegt ist, dafür aber eine wunderbar eingängige Melodie hat. Er stammt ebenso wie „Hard Headed Woman” von Scott Bricklin.

Nach dem eingangs erwähnten Titelsong kommt Tom Gilliam noch zweimal mit seinen Ideen zu Wort. Neben dem routinierten Midtempo-Rock „Fooling Around” performt der humorvolle Aktivposten der Live-Shows „Easy On My Soul” mit herrlichem Westcoast-Ambiente inklusive Slide-Passagen.

Die US Rails zeigen keine Ermüdungserscheinungen. Seit einer Dekade unterhalten sie auf Bühne und Tonträgern hervorragend. Ihrem Stil bleiben sie weiterhin treu, der etwas rockigere Einschlag von „Mile By Mile“ steht ihnen dabei gut zu Gesicht. Das Album ist insgesamt das stärkste des Quartetts. Die melodischen Songs passen atmosphärisch prima zu einem geselligen Sommerabend.

BlueRose Records (2020)
Stil: Rock, Americana/

Tracks:
01. Take You Home
02. Mile By Mile
03. Trash Truck
04. Water In The Well
05. What You Mean To Me
06. Hard Headed Woman
07. Easy On My Soul
08. Tombstones & Tumbleweeds
09. See The Dream
10. Fooling Around
11. Slow Dance

US Rails
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BlueRose Records