Lucinda Williams – Sings The Beatles From Abbey Road – CD-Review

Review: Michael Segets

Ob man eher der Fraktion der Stones- oder der Beatles-Hörer zugehört, war in meiner Generation noch eine Glaubensfrage. Mir steht die Musik der Rolling Stones näher. Heute werden nicht mehr so tiefe Gräben zwischen den Lagern gezogen – sofern sie überhaupt noch eine Rolle in der popkulturellen Alltagswelt der Jugend spielen. Die musikgeschichtliche Bedeutung beider Bands dürfte unbestritten sein und professionelle Musikerinnen und Musiker finden in deren Musik immer noch Inspiration.

In ihrer Lu’s Jukebox-Reihe widmete sich Lucinda Williams bereits Tom Petty, Bob Dylan und eben auch den Rolling Stones. Bei ihnen sind die Verbindungen zu Williams Musik offensichtlicher als bei den Beatles. Dass sie sich nun deren Songs vornimmt, mag etwas überraschen. Vielleicht ist der Gedanke, sich dieser Band zuzuwenden, der Erinnerung an ihre Zeit als Teenager geschuldet. Egal, ob diese Spekulation stimmt: Das Experiment gelingt. Williams reduziert die poppigen Anteile der Originale und erdet die Songs, sodass man kaum merkt, dass diese zum Teil sechzig Jahre auf dem Buckel haben. Ich mag Williams Stimme und Gesang. Die Eigenheiten kommen bereits beim Opener „Don’t Let Me Down“ zum Ausdruck. Bei manchen ihrer Longplayer können ihre Interpretationen etwas anstrengend wirken, was aufgrund des eingängigen Materials auf „Lucinda Williams Sings The Beatles From Abbey Road“ aber nicht der Fall ist.

Williams wählt neben einigen Hits auch weniger bekannte Stücke aus. Sehr schöne Versionen liefert sie von „Can’t Buy Me Love“ und „Let It Be“. Als weiteren Klassiker spielt Williams „With A Little Help From My Friends“. Dem ursprünglich von Ringo Starr gesungene Titel gibt Williams zwar ihre individuelle Note, das Cover nimmt mich aber nicht ganz so mit, wie die vorher genannten. Die Songs stammen in der Regel von Paul McCartney und John Lennon. Eine Ausnahme bildet „While My Guitar Gently Weeps“, das von George Harrison geschrieben und gesungen wurde. Der Track findet sich ebenso wie „Yer Blues“, das bei Williams zum wunderbaren Swamp-Blues mutiert, auf dem „Weißén Album“ (1968).

Mit vier Tracks ist der Longplayer „Let It Be“ (1970) der Fab Four am stärksten berücksichtigt. Von diesem stammt auch „I’ve Got A Feeling“, dem Williams ein bluesrockiges Gewand gibt. Hier setzt Williams phasenweise auf einen kräftigen Harmoniegesang wie bei anderen Stücken („I’m Looking Through You“, „Rain“) auch. Dort geht er aber stärker in die Richtung, wie man es von den Engländern kennt. Dennoch transformiert die Musikern alle Songs in ihren eigenen Stil, sodass man nicht unbedingt auf die Idee kommt, dass es sich um Werke der Beatles handelt – wenn man es nicht wüsste.

Williams begab sich für die Sessions eigens nach London in The Abbey Road Studios, wo The Beatles ihre Meilensteine aufnahmen. Aus einer Randnotiz der Pressemitteilung geht hervor, dass Williams bislang als einzige namhafte Künstlerin dort Songs von den Beatles einspielte – außer natürlich die Band selbst. Vielleicht kann dies auch als Zeichen dafür gedeutet werden, dass es ein gewisses Risiko darstellt, sich an die Titel der Kultband heranzuwagen. Williams meistert die Herausforderung problemlos, indem sie die Stücke zu ihren eigenen macht.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Rock

Tracks:
01. Don’t Let Me Down
02. I’m Looking Through You
03. Can’t Buy Me Love
04. Rain
05. While My Guitar Gently Weeps
06. Let It Be
07. Yer Blues
08. I’ve Got A Feeling
09. I’m so Tired
10. Something
11. With A Little Help From My Friends
12. The Long And Winding Road

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Dwight Yoakam – Brighter Days – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Country-Star Dwight Yoakam muss hier wohl nicht eigens vorgestellt werden. Zuletzt fiel er mir als Schauspieler in „Cry Macho“ von Clint Eastwood auf. Mit rund vierzig Auftritten in Film- und Fernsehproduktionen fährt Yoakam also auf zwei künstlerischen Schienen. Seine größten musikalischen Erfolge feierte er in den 1980ern und 1990ern. 2022 war er mit Lucinda Williams und Steve Earle auf Tour, ansonsten ist es in den letzten Jahren deutlich stiller um ihn geworden. Sein vorangegangenes Studioalbum liegt nun schon acht Jahre zurück. An den Songs für „Brighter Days“ mit zwölf Originalbeiträgen und zwei Covern arbeitete er drei Jahre.

Yoakam muss nichts mehr beweisen und macht das, wofür er steht: New Traditional Country. Am Anfang seiner Karriere fasste er in Nashville nicht Fuß, da er sich mit den Pop-Einflüsse, die in der dortigen Country-Szene Einzug hielten, nicht anfreunden konnte. Der in Kentucky geborene Yoakam zog daher nach Los Angeles weiter. In seiner neuen Heimat perfektionierte er seinen eigenen Stil, der sich an den Bakersfield-Sound anlehnt. „California Sky“ atmet dann auch den Hauch der Westküste. „A Dream That Never Ends“ passt zu einem Sonnenuntergang über dem Pazifik. Der Song erinnert an The Traveling Wilburys, auch wenn der Harmoniegesang nicht so dominant ist wie bei der Supergroup.

Die meisten Beiträge auf „Brighter Days“ schwofen im Midtempo. Sie sind eingängig und radiotauglich, wirken aber rückwärtsgewandt. Überraschungen bleiben aus und auch wenn Yoakam sich bei „I Don’t Know How To Say Goodbye (Bang Bang Boom Boom)“ Post Malone ins Studio holt, kann kaum von einer Verjüngungskur gesprochen werden. Das Stück bleibt eine traditionsverbundene Nummer und passt sich so in das Album ein, das wenig Höhen und Tiefen kennt. Gelegentlich schlägt Yoakam gemäßigt rockende Töne an („If Only“), mal lässt er es ruhiger angehen („Hand Me Down Heart“). Unaufgeregt folgt Yoakam bekannten Pfaden.

Abwechslung bringt Yoakam auf die Scheibe, wenn er sich dem Rock ‘n Roll zuwendet. Dies tut er bei „Every Night“ und „Can’t Be Wrong“. Letztgenannter Track zählt neben dem Opener „Wide Open Heart“ zu den Songs, die mich am meisten mitnehmen. Gelungen ist auch die Country-Rock-Version von „Keep On The Sunny Side“ der Carter Family. Demgegenüber fällt das Cover „Bound Away“ im Vergleich mit dem Original von Cake ziemlich glatt aus.

Dwight Yoakam meldet sich mit „Brighter Days“ zurück. Professionell produziert, wie man es von ihm kennt, reiht sich das Album in die Liste seiner Veröffentlichungen ein. Yoakam bleibt seinem Stil treu und so werden die neuen Songs bei den Traditionalisten unter den Country-Fans und seinen 1.3 Millionen Facebook-Followern sicherlich positive Resonanz erzeugen. Im November promotet Yoakam sein Werk mit Konzerten in Florida und Texas, bei denen er mit The Mavericks, Gary Allen und Joshua Ray Walker unterwegs ist.

Via Records – Thirty Tigers (2024)
Stil: Country

Tracks:

01. Wide Open Heart
02. I’ll Pay The Price
03. Bound Away
04. California Sky
05. Can’t Be Wrong
06. I Spell Love
07. A Dream That Never Ends
08. Brighter Days
09. I Don’t Know How To Say Goodbye (Bang Bang Boom Boom) (feat. Post Malone)
10. If Only
11. Hand Me Down Heart
12. Time Between
13. Keep On The Sunny Side
14. Every Night

Dwight Yoakam
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Oktober Promotion

Various Artists – Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers – CD-Review

Review: Michael Segets

Letztes Jahr feierte die Radioshow „Mountain Stage“ ihr vierzigstes Jubiläum. Aus diesem Anlass erscheint ein Querschnitt der dort aufgetretenen Musiker: „Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers”. Die von Larry Groce ins Leben gerufene, wöchentlich ausgestrahlte Sendung ist nach Grand Ole Oprey die landesweite Radioshow mit der längsten Laufzeit in den USA. Sie wird normalerweise im Culture Center Theater in Charleston, West Virginia, vor Publikum aufgenommen. Im Herzen der Appalachen gelegen verschreibt sich die Show der Roots-Musik. Seit 2021 moderiert Kathy Mattea die zweistündige Sendung. Sie steuert das sanfte „Red-Winged Blackbird” dem Album bei.

Die Compilation entstand in Zusammenarbeit mit Oh Boy Records, sodass ein Beitrag des verstorbenen Labelgründers John Prine („Souvenirs”) obligatorisch ist. Daneben geben sich einige namhafte Musikerinnen und Musiker ein Stelldichein, die sich in der SoS-Interpretenskala wiederfinden: Lucinda Williams („Joy”), Eric Church
(„Sinners Like Me”), Margo Price („Hurtin’ (On The Bottle)”), Steve Earle
(„You Know The Rest”), James McMurtry („Canola Fields”) und Jason Isbell („Traveling Alone”). Besonders bemerkenswert ist der Beitrag von Wilco mit dem David-Bowie-Cover „Space Oddity“. Ebenfalls geläufig dürften The Indigo Girls sowie Alison Krauss sein, die mit „Closer To Fine” beziehungsweise „Let Me Touch You For A While” zwei Highlights des Longplayers abliefern. Die Fans der jeweiligen Musikerinnen oder Musiker kommen also in den Genuss einer höchstwahrscheinlich unbekannten Live-Performance.

Darüber hinaus bieten Various-Artist-Sampler oftmals die Möglichkeit neue Bands zu entdecken und „Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers” bildet da keine Ausnahme. Die markante Stimme von Andrew Martin des Duos Watchhouse („The Wolves“) lässt aufhorchen. Bei der Auswahl der Titel wurde eine ausgewogene Verteilung von weiblichen und männlichen Lead Vocals berücksichtigt. Einen Akzent setzen Bela Fleck und Abigail Washburn mit ihrem Beitrag banjogetriebenen „What’cha Gonna Do”.

Die meisten Stücke sind dem bodenständigen Americana mit fließenden Übergängen zum Folk oder Bluegrass zuzuordnen. Sie kommen ohne technische Spielereien aus und spiegeln in diesem Rahmen Varianten der traditionellen Roots-Musik wider. Tyler Childers sticht mit dem rockigen „Going Home” dabei heraus. Zwei bis drei Songs liegen nicht auf meiner Linie, aber das verwundert bei einundzwanzig Titeln unterschiedlicher Musikern nicht wirklich.

Insgesamt feiert die Radioshow Mountain Stage mit „Outlaws And Outliers“ ihr Vierzigjähriges angemessen mit einer bunten Mischung an etablierten und weniger bekannten Interpretinnen und Interpreten. Die Zusammenstellung bietet so eine Fundgrube für rare Liveaufnahmen und Neuentdeckungen. Die Palette handgemachter Musik bewegt sich vorwiegend im Americana mit einer Nähe zum Folk oder Bluegrass.

Oh Boy Records – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Americana

Tracks:
01 Wilco – „Space Oddity”
02 Watchhouse – „The Wolves”
03 Molly Tuttle – „You Didn’t Call My Name”
04 Tyler Childers – „Going Home”
05 Lucinda Williams – „Joy”
06 Eric Church – „Sinners Like Me”
07 Margo Price – „Hurtin’ (On The Bottle)”
08 Gillian Welch and David Rawlings – „One More Dollar”
09 Birds of Chicago – „Lodestar”
10 Kathy Mattea – „Red-Winged Blackbird”
11 The Indigo Girls – „Closer To Fine”
12 John Prine – „Souvenirs”
13 Steve Earle – „You Know The Rest”
14 Bela Fleck and Abigail Washburn – „What’cha Gonna Do”
15 Sierra Ferrell – „I’d Do It Again”
16 Tim O’Brien – „Cup of Sugar”
17 Rhiannon Giddens – „Black Is The Color”
18 Alison Krauss – „Let Me Touch You For A While”
19 James McMurtry – „Canola Fields”
20 Jason Isbell – „Traveling Alone”
21 Sam Baker – „Isn’t Love Great”

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Oktober Promotion

Buddy & Julie Miller – In The Throes – CD-Review

Review: Michael Segets

Wenn ich anfangen würde, die Musiker aufzuzählen mit denen Buddy Miller im Laufe seiner Karriere zusammengearbeitet hat, dann müsste ich eine lange Reihe von Verlinkungen zu der Interpretenliste von SoS einfügen. Ich beschränke mich daher auf zwei kurze Hinweise: sein Mitwirken auf der aktuellen Scheibe von Lucinda Williams sowie auf Jim Lauderdale, mit dem er einen gemeinsamen Longplayer aufnahm. Die Veröffentlichung seines sechsten und bislang letzten eigenen Studioalbums liegt allerdings schon ein Dutzend Jahre zurück.

Seine Ehefrau Julie brachte eine Vielzahl von Longplayern heraus und kollaborierte mehrfach mit Patty Griffin und Größen wie John Hiatt oder Shawn Colvin. Sowohl Buddy als auch Julie sind also in der Songwriter-Szene fest verhaftet. Seit Anfang der 2000er treten die Millers als Paar in Erscheinung und scheinen sich mittlerweile auf gemeinsame Werke zu konzentrieren.

Die Songs auf „In The Throes“ schrieb Julie in einem Rutsch. Einzig „Don’t Make Her Cry“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bob Dylan und Regina McCrary, dem sie den letzten Schliff mitgab. Das Ehepaar teilt sich die Gesangparts auf der CD. Die Stimme von Julie schmeichelt sich nicht unmittelbar ein, während Buddys Gesang den Songs einen weicheren Touch mitgibt. Gerade vom Zusammenklang der beiden leben die Stücke, wie beispielsweise das herausragende „Niccolo“.

Harmonisch wirken die ruhigen Tracks, bei denen Buddys Gesang im Vordergrund steht. Neben dem bereits erwähnten „Don’t Make Her Cry“ fallen „Tattooed Tear“ und „I’ll Never Live It Down“ in diese Kategorie. Alle drei Titel sind schöne Balladen, die markanteren Beiträge stellen aber die Tracks dar, auf denen Julie die Lead Voices übernimmt. So bekommt der Opener „You’re My Thrill“ eine leicht angeschrägte Note, die ihn unverwechselbar macht. In Sachen Expressivität legt das rockige Titelstück noch eine Schippe drauf. Stark ist zudem „The Painkillers Ain’t Workin‘“, bei dem Julies Stimme ebenfalls dominiert. Gurf Morlix tritt hier als Gastmusiker auf.

Einhören muss man sich bei dem bluesigen „I Been Around“, das fast schon psychodelische Züge trägt. Eingängig ist hingegen das mehrstimmig angelegte „We’re Leavin‘“ mit Stuart Duncan an der Geige. Der Refrain lädt zum Mitsingen ein, wenn man sich an dem religiös angehauchten Text nicht stört.

Emmylou Harris gibt sich bei „The Last Bridge You Will Cross“ die Ehre. Das Cello von Matt Slocum unterstreicht die getragene Stimmung der Ode an den 2020 verstorbenen Bürgerrechtler John Lewis, dem bereits Willie Nile auf „The Day The Earth Stood Still“ ein musikalisches Denkmal setzte. Die Themen der anderen Songs drehen sich zumeist um Freude und Frustration in einer Beziehung. Wer wie die Millers seit über dreißig Jahren verheiratet ist, wird davon wohl selbst ein Lied singen können. Schön ist, wenn nach dieser Zeit noch ein gegenseitiges „I Love You“ ausgesprochen wird.

Das Gemeinschaftsprojekt von Buddy und Julie Miller „In The Throes“ zeigt erneut, wie gut das Ehepaar harmoniert. Julie liefert das Songmaterial, Buddy arrangiert es kongenial. Ihr Gesang steuert expressive Töne bei, seiner stellt einen ausgeleichenden Gegenpol dar. Dabei kommt eine spannende Mischung zwischen progressiven und traditionsverbundenem Americana heraus. In diesem Genre sichern sich die Millers mit „In The Throes“ einen Platz auf der Bestenliste 2023.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. You’re My Thrill
02. In The Throes
03. Don’t Make Her Cry
04. Niccolo
05. I Love You
06. The Last Bridge You Will Cross
07. The Painkillers Don’t Workin’
08. Tattooed Rose
09. I Been Around
10. I’ll Never Live It Down
11. We’re Leavin’
12. Oh Shout

Buddy & Julie Miller
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Lucinda Williams – Stories From A Rock N Roll Heart – CD-Review

Review: Michael Segets

Dass mit fortschreitendem Alter manche Dinge nicht mehr so wie früher von der Hand gehen, gehört zu den natürlichen Erfahrungen derer, denen ein längeres Leben vergönnt ist. Tragisch ist, wenn das Schicksal zuschlägt und von einem Moment zum anderen plötzlich alles anders wird. Lucinda Williams erlitt vor drei Jahren einen Schlaganfall, der ihr das Gitarrenspielen nicht mehr ermöglichte.

Da sie ihre Songs auf der Gitarre komponierte, war nun ein Umdenken notwendig. Williams macht auf „Stories From A Rock N Roll Heart” aus der Not eine Tugend. Sie entdeckt neue, kooperative Formen der Songentwicklung. Ihr Ehemann und Manager Tom Overby wurde nun stärker in den Entstehungsprozess der Songs eingebunden. Zusätzliche Unterstützung suchte Williams bei ihrem Roadmanager Travis Stephens, der an neun Tracks mitwirkte. Darüber hinaus beteiligte sich Jesse Malin an drei Songs.

Auf Kooperation setzt William ebenso bei der Umsetzung der Stücke. Sie holte sich eine Vielzahl namhafter Musiker für die Background Vocals ins Studio. Das wäre wahrscheinlich nicht notwendig gewesen, denn gesanglich präsentiert sich Williams wie eh und je. Das Album profitiert aber dennoch davon. Zudem konnte sie sich auf ihre routinierten Bandmitglieder verlassen, zu denen Stuart Mathis, Steve Ferrone, Reese Wynans, Steve Mackey und Doug Pettibone gehören.

In Williams schlägt ein Rock ’n‘ Roll-Herz, was sie erneut mit dem Opener „Let’s Get The Band Back Together” unter Beweis stellt. Im Background mischen unter anderem Margo Price und Buddy Miller mit. Price begleitet Williams ebenfalls auf dem expressiven „This Is Not My Town”. Der außergewöhnliche Gesang von Williams ist sicherlich nicht jedermanns Sache, auf Dauer mag er zugegebenermaßen leicht anstrengend wirken, wie kritischere Stimmen als meine bei ihrem Tribute für die Rolling Stones anmerkten. Ich mag ihn. Auf dem neuen Album sind die kantigen Passagen dosiert, sodass es auf ihm auch im Vergleich zu „Good Souls Better Angels” (2020), dem Vorgänger mit selbstkomponierten Songs, insgesamt harmonischer zugeht.

Den Höhepunkt der drei wirklich rockenden Titel des aktuellen Longplayers stellt das gradlinige „Rock N Roll Heart“ dar, das von Bruce Springsteen stammen könnte. Geschrieben hat der Boss den Song nicht, aber er und Patti Scialfa singen ihn mit. Das Ehepaar unterstützt Williams ebenfalls auf der ersten Single „New York Comeback“, die direkt ins Ohr geht und ebenfalls zu meinen Favoriten zählt.

Mit der zweiten Single „Stolen Moments“ gedenkt Williams Tom Petty. Der Titel wurde bereits auf „Runnin‘ Down A Dream“ im Rahmen ihrer Reihe „Lu’s Jukebox“ vorgestellt. Petty sowie Bob Stinson (The Replacements), mit dessen Bruder Tommy sie „Hum’s Liquor“ performt, ist ihr aktuelles Werk gewidmet.

Die dritte Single „Where The Song Will Find Me” steht stellvertretend für die langsameren Tracks des Longplayers. Zu diesen Beiträgen gehört „Jukebox“, auf dem Angel Olsen am Ende mit dezenten Harmonien im Hintergrund zu hören ist. Doug Pettibone legt sich hier mit der Pedal Steel mächtig ins Zeug. Auf „Last Call For The Truth” ist sie ebenfalls präsent, nimmt aber nicht so viel Raum ein. Der Song verdient unter den ruhigeren Tracks nochmal ein Ausrufezeichen und dies nicht nur, weil die Ballade von einer kraftvollen Gitarrenpassage aufgefrischt wird.

Zum Abschluss reflektiert Williams den Kampf beim Songwriting und zeigt sich mit „Never Gonna Fade Away“ dem Schicksal trotzend. Wer mehr über Williams und ihr Leben erfahren möchte, kann ihre kürzlich erschienene Autobiographie „Don’t Tell Anybody The Secrets I Told You“ zurate ziehen.

Dass Lucinda Williams gezwungen war, ihre Routinen im Prozess Songwritings aufzubrechen, merkt man „Stories From A Rock N Roll Heart“ nicht an. Vielleicht erscheinen die Songs insgesamt nicht so experimentierfreudig wie bei „Good Souls Better Angels“, auf dem aktuellen Werk sind aber typische Balladen und starke Rockstücke vorhanden, die Williams mit ihrem ausdrucksvollen Gesang meistert. Zusätzlich veredelt wird die Scheibe durch Gastbeiträge zahlreicher Kolleginnen und Kollegen wie Margo Price oder Bruce Springsteen.

Highway 20 – Thirty Tigers (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Let’s Get The Band Back Together (feat. Margo Price, Jeremy Ivey, Siobhan Maher Kennedy, Buddy Miller, Sophie Gault)
02. New York Comeback (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
03. Last Call For The Truth
04. Jukebox (feat. Angel Olsen)
05. Stolen Moments
06. Rock N Roll Heart (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
07. This Is Not My Town (feat. Margo Price)
08. Hum’s Liquor (feat. Tommy Stinson)
09. Where The Song Will Find Me
10. Never Gonna Fade Away

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Lucinda Williams – Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special – Doppel-Vinyl-Review und Gewinnspiel

Dass sich Lucinda Williams von Zeit zu Zeit dem Liedgut geschätzter Koryphäen des Musikbusiness gerne annimmt und ihnen Tribut zollt, ist hinlänglich bekannt und kann auch in diesem Magazin mehrfach nachvollzogen werden. Diesmal hat sie sich nun dem Songkatalog von 38 Special gewidmet.

Besonders gefreut hat uns, dass wir, auf Anfrage ihres Managements, ein Bild von ihr, das im Rahmen eine SoS-Konzertberichtes aufgenommen wurde, für das Frontcoverbild (gerne) beisteuern durften. Auf Nachfrage, warum es nicht die vermeintlichen Platzhirsche Lynyrd Skynyrd geworden sind, antwortete sie uns, dass deren Klassiker schon immer überbewertet seien und 38 Special aus ihrer Sicht die eigentlichen Könige des Southern Rocks wären.

Gerade die Phase mit Max Carl als Sänger und Keyboarder, mit dem sie gut befreundet ist und der heute bei Grand Funk Railroad agiert (der deutsche Star-Musiker Peter Maffay coverte übrigens 1985 mal deren Song „A Thousand Nights“ und veröffentlichte die deutsche Version „Für Immer“) und den Alben „Rock And Roll Stragedy“ als auch „Bone Against Steel“, zählt für sie definitiv zu den innovativsten und essentiellsten Meilensteilen des Genres.

Carl singt demnach auf diesem Werk auch ihren größten kommerziellen Hit „Second Chance“ mit Lucinda zusammen im Duett. Klasse finde ich persönlich, dass auch Donnie Van Zant (trotz weiterhin währender Stimmprobleme) für zwei Titel zur Verfügung stand. Zum Einen beim überragenden Rausschmeißer „Rebel To Rebel“ und bei „Money Honey“. Da läuft es allerdings genau anders herum als beim Original: Hier übernimmt Lucinda die Leads von Donnie und Donnie die von Dale Krantz zu damaliger Zeit.

Da ließ sich auch Don Barnes nicht lumpen und macht bei „Hold On Loosely“ in gleicher Hinsicht gesanglich Nägel mit Köpfen. Als schöne Abrundung ist auch  der unvergessene Gitarrist Jeff Carlisi bei diversen Tracks hier wieder mit aktiv.

Den besonderen Charme des Scheibe macht natürlich die Verschmelzung von Southern Rock mit Williams-typischem Americana-Roots Rock-Style aus und natürlich ihre eigenwillige und unverwechselbare Stimme, die den Tracks im Zusammenwirken ganz neue Facetten abgewinnt. Sie ist Gott sei Dank nicht von ihrem, vor zwei Jahren erlittenen Schlaganfall beeinträchtigt. Neben Carlisi, Doug Pettibone (Steel) und Gitarrist Stuart Mathis sind zusätzlich viele prominente Musiker aus der Nashville-Studio-Szene vertreten und sorgen für entsprechend hohe instrumentelle Qualität.

Aus oben angeführten Gründen konnten wir vorab fünf Doppel-Vinyl-Exemplare der limitierten Auflage von „Lu’s Jukebox – You Defenitely Got Me – A Tribute To 38 Special“ aushandeln, wovon wir drei an unsere Leser weitergeben möchten. Bitte sende eine Email an dan@sounds-of-south.de und schreibe uns, welche Band Lucinda Williams, und warum, beim nächsten Mal in ihre Jukebox-Reihe aufnehmen sollte. Die drei originellsten Beiträge werden mit der Scheibe belohnt.

Die Platte kann von Nichtgewinnern gerne auch für 18,90 Euro bei uns geordert werden (bitte Namen und Adresse angeben), wir reichen dann die Bestellungen weiter.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Southern Rock, Roots, Americana

Tracklist:

LP 1 – Seite A:
01. Rock And Roll Stragedy
02. You Got The Deal
03. Gypsy Belle
04. Second Chance (feat. Max Carl)
05. Wild Eyed Southern Boys

LP 1 – Seite B:
01. One In A Million
02. Chattahoochee
03. Turn It On
04. Bone Against Steel
05. You Defenitely Got Me

LP 2 – Seite A:
01. Long Time Gone
02. Jimmy Gillum
03. Has There Ever Been A Good Goodbye
04. The Love That I’ve Lost
05. Hold On Loosely (feat. Don Barnes)

LP 2 – Seite B:
01. Money Honey (feat. Donnie Van Zant)
02. Caught Up in You
03. Take Me Back
04. Sombody Like You
05. Rebel To Rebel (feat. Donnie Van Zant)

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Various Artists – Stoned Cold Country. A 60th Anniversary Tribute Album to The Rolling Stones – CD-Review

Review: Michael Segets

2022 jährte sich die Gründung der Rolling Stones zum sechzigsten Mal. Anlässlich dieses Jubiläums findet sich auf „Stoned Cold Country“ das Who-Is-Who des Country ein, um sich vor der legendären Band zu verneigen. Viele Songs der Stones sind in das kulturelle Bewusstsein eingegangen und gehören zur Sozialisation dazu, egal welche Musikrichtung man favorisiert.

Die Stones prägten nicht ausschließlich den Rock, sondern strahlten mit ihrem Werk in weitere Bereiche der populären Musik aus. Produzent Robert Deaton verfolgte daher die Idee, eine Hommage aus Sicht des Country auf die Beine zu stellen. Dafür versammelte er gestandene und aufstrebende Musikerinnen und Musiker der Szene, die nun mit ihren eigenen Versionen von Stones-Klassikern auf „Stoned Cold Country“ vertreten sind.

Vielleicht überrascht es auf den ersten Blick, dass bei einem Tribute zum Sechzigsten nicht die gesamte Schaffenszeit bei der Songauswahl berücksichtigt wurde. Die neu interpretierten Titel decken lediglich eine Periode von eineinhalb Dekaden ab. Stimmig gewählt ist der Opener des Samplers „(I Can’t Get No) Satisfaction“ – performt von Ashley McBryde – als erster Nummer-1-Hit der Stones in den USA, dem Heimatland des Country. Der Track aus dem Jahr 1965 stellt zugleich das älteste Stück dar, das für den Longplayer ausgewählt wurde. „Miss You“ (1978) ist das jüngste, das von Jimmy Allen gesungen wird.

Das Konzept des Jubiläumsalbums erhebt also nicht den Anspruch einer repräsentativen Werkschau der Stones durch die Brille des Country, sondern verfolgt die Idee, dass die jeweiligen Musiker die Titel aussuchen, die für sie besondere Bedeutung besitzen. Dass dabei überwiegend die Wahl auf die Klassiker der Rolling Stones fiel, verwundert dann schließlich doch nicht. Zugleich wird deutlich, dass die Band vor allem in den sechziger und siebziger Jahren Maßstäbe setzte, die bis heute nachwirken. Ihre Songs dieser Zeit üben einen weitaus größeren Einfluss auf nachfolgende Musikergenerationen aus als die späteren Werke. Besonderen Nachhall findet „Sticky Fingers“ (1971) auf dem Tibute. Marcus King wählt von der Scheibe die aufgekratzte Nummer „Can`t You Hear Me Knocking“, Maren Morris und Little Big Town die Balladen „Dead Flowers“ beziehungsweise „Wild Horses“.

Die Versionen auf der Compilation orientieren sich deutlich an den Originalen, die stets sofort wiederzuerkennen sind. Es wird nicht krampfhaft versucht, die Songs völlig neu zu erfinden. Stattdessen covern die Musiker die Klassiker mit ihren Mitteln und in ihrem Stil. Insgesamt hört man natürlich mehr Slide, Geige oder Mandoline, sodass die Song vom Classic Rock in den Roots Rock übertragen werden.

Newcomer Elvie Shane liefert eine beeindruckende Version von „Sympathy For The Devil“ ab. Weiterhin finden sich eine Handvoll Musiker, die noch nicht in der Interpretenskala von SoS auftauchen. Zu diesen gehört auch Koe Wetzel, der mit „Shine A Light“ das Album beschließt. Zu den weniger bekannten Interpreten zählt The War And Treaty, die zusammen mit den Brothers Osborne die erste Single „It’s Only Rock ’N‘ Roll (But I Like It)“ bestreiten. Vielleicht überrascht die Beteiligung von Elle King („Tumbling Dice“). Ihre ersten Single-Erfolge sind ja nicht unbedingt dem Country zuzuordnen, allerdings zeigt sie mit ihrem aktuellen Longplayer „Come Get Your Wife“ eine beachtenswerte Wendung zum New Country.

Eher zu erwarten war die Mitwirkung von Steve Earle („Angie“). Earle mischt ja gerne bei Tribute-Alben mit, beispielsweise bei denen für Billy Joe Shaver oder Neal Casal. Dabei sind seine Beiträge stets hörenswert. Darüber hinaus finden sich weitere alte Bekannte wie Brooks & Dunn („Honky Tonk Women“) und Eric Church („Gimme Shelter“) für die Zusammenstellung ein.

Da die Qualität der musikalischen Interpretationen durchweg hoch ist, erscheint es unangemessen, einzelne besonders hervorzuheben. Dennoch sei auf die Titel der Zac Brown Band und von Lainey Wilson hingewiesen. Die Version von „Paint It Black“ der Zac Brown Band übertrifft in meinen Ohren das Original. Lainey Wilson gewinnt „You Can’t Always Get What You Want“ eine neue, wunderbar ausgewogene Facette ab.

Eine beachtliche Riege von Country-Musikerinnen und -Musikern nimmt sich den Hits der Rolling Stones aus den sechziger und siebziger Jahren an. Solche Klassiker zu interpretieren, stellt eine Herausforderung dar, die sämtliche Beiträge meistern. Den Musikern gelingen eigenständige Versionen, bei denen der Respekt vor dem Original mitschwingt. Mit genretypischer Instrumentalisierung und erdigem Sound entsteht so eine Hommage, die die Stones-Songs in den Roots Rock transformiert.

Erstklassige Songs und erstklassige Musikerinnen und Musiker – was soll da auf „Stoned Cold Country“ schon schiefgehen? Die Interpreten aus der Country-Szene beweisen, dass sie rocken können. So bleibt das Tribute-Album vielleicht nicht nur eine Retroperspektive und Verneigung vor den Rolling Stones, sondern gibt ihnen einen Impuls, auch zukünftig die Verbindung von Rock und Country zu suchen.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: New Country / Roots Rock 

Tracks:
01. (I Can’t Get No) Satisfaction – Ashley McBryde
02. Honky Tonk Women – Brooks & Dunn
03. Dead Flowers – Maren Morris
04. It’s Only Rock ’N’ Roll (But I Like It) – Brothers Osborne & The War And Treaty
05. Miss You – Jimmy Allen
06. Tumbling Dice – Elle King
07. Can’t You Hear Me Knocking – Marcus King
08. Wild Horses – Little Big Town
09. Paint It Black – Zac Brown Band
10. You Can’t Get Always What You Want – Lainey Wilson
11. Sympathy For The Devil – Elvie Shane
12. Angie – Steve Earle
13. Gimme Shelter – Eric Church
14. Shine A Light – Koe Wetzel

New West Records
Redeye Worldwide
New West Records
Bertus
Oktober Promotion

Various Artists – Live Forever – A Tribute To Billy Joe Shaver – CD-Review

Review: Michael Segets

2020 verstarb Billy Joe Shaver mit 81 Jahren. Über fünf Dekaden hinweg veröffentlichte er Alben, aber breite Anerkennung fand er erst im Rentenalter. Dabei hatte er bereits in den 1970ern Hits für Waylon Jennings geschrieben und auch andere Größen des Musikbusiness wie Elvis Presley, Bob Dylan, Johnny Cash, Kris Kristofferson oder Emmylou Harris nahmen seine Stücke auf.

Der texanische Songwriter prägte den Outlaw Country und so ist es nur folgerichtig, dass es sich namhafte Künstler auf dem Tribute finden, die diesem Subgenre besonders zugeneigt sind. Shavers Songwriting dient aber auch Musikern anderer Spielrichtungen des Genres immer noch als Inspirationsquelle. „Live Forever“ kann als ehrgeiziges Programm gelten, aber Shaver hat seine Spuren hinterlassen, denen die Musiker auf dem Tribute gerne folgen.

Willie Nelson ist gleich mit zwei Beiträgen vertreten. „Live Forever“, der wohl bekannteste Titel von Shaver, wird von ihm im Duett mit Lucinda Williams gesungen und eröffnet das Album. Später folgt noch das flotte „Georgia On A Fast Train“. Während Nelson zu den Urgesteinen gehört, ist mit Steve Earle ein Outlaw der zweiten Generation vertreten. „Ain’t No God In Mexico“ wird von ihm in seiner unverwechselbaren Art performt.

Rodney Crowell und George Strait sind ebenso renomiert, stammen aber aus einer anderen Ecke des Genre. Crowell steuert die reduziert begleitete Ballade „Old Five And Dimers Like Me“ bei. Strait setzt bei dem traditionsverbundenen „Willy The Wandering Gypsy And Me“ ebenfalls auf eine dezente Instrumentalisierung. Neben den bereits angegrauten Recken findet sich eine Riege von jüngeren, aber ebenfalls etablierten Musikern der Szene ein. Nathaniel Rateliff schunkelt mit dem von Waylon Jennings mitverfassten „You Asked Me To“ gemächlich über die Prairie und Miranda Lambert behauptet beschwingt „I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday)”.

Ausgewogen ist die circa hälftige Verteilung von Sängerinnen und Sängern. Edie Brickell („I Couldn’t Be Me Without You“) sowie Allison Russell („Tramp On Your Street”) spiegeln mit ihren gefühlvollen Interpretationen den balladesken Grundtenor des Samplers wider. In diesen passt sich ebenso „Ragged Old Truck“ von Margo Price und Joshua Hedley ein.

Charlie Sexton, Co-Produzent des Albums, begleitet mehrere Songs mit seinen Künsten an der Gitarre. Jason Isbell übernimmt diesen Part bei seiner Frau Amanda Shires. Shires‘ Version des Klassikers „Honky Tonk Heroes“ zählt zu den schwungvolleren Tracks auf dem Tribute. Getoppt wird er noch von dem rauen und kraftvollen „Ride Me Down Easy“, bei dem sich Ryan Bingham und Nikki Lane richtig ins Zeug legen.

Die Hommage an Billy Joe Shaver ist als Mehrgenerationen-Projekt angelegt. Von Willie Nelson über Steve Earle bis hin zu Nikki Lane reicht die Bandbreite der Vertreter des Outlaw Country, die den Songs von Shaver eine Stimme geben. Die Interpretationen auf dem Sampler „Live Forever“ geben einen umfassenden Eindruck, wie Shavers Songs nachwirken und bis heute Country-Musiker sämtlicher Stilrichtungen inspirieren.

New West Records – Redeye/Bertus (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Live Forever – Willie Nelson feat. Lucinda Williams
02. Ride Me Down Easy – Ryan Bingham feat. Nikki Lane
03. Old Five And Dimers Like Me – Rodney Crowell
04. I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday) – Miranda Lambert
05. I Couldn’t Be Me Without You – Edie Brickell
06. You Asked Me To – Nathaniel Rateliff
07. Willy The Wandering Gypsy And Me – George Strait
08. Honky Tonk Heroes – Amanda Shires feat. Jason Isbell
09. Ain’t No God In Mexico – Steve Earle
10. Ragged Old Truck – Marco Price feat. Joshua Hedley
11. Georgia On A Fast Train – Willie Nelson
12. Tramp On Your Street – Allison Russell

New West Records
Redeye Worldwide
Bertus

Charley Crockett – Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley – CD-Review

Review: Michael Segets

Charley Crocketts Veröffentlichungen folgen Schlag auf Schlag, zuletzt im Halbjahresrhythmus. Die Schlagzahl kann er einlegen, da er sich gerne am Fundus der Country- oder Bluesgeschichte bedient und ältere Titel covert. Unter seinem alter ego Lil‘ G. L. greift er auf „Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley” erneut in die Schatzkiste des Countrys aus vergangenen Tagen.

Ähnlich wie Lucinda Williams, die sich in ihrem Coverprojekt Beiträgen des Genres aus den 1960ern zuwandte, gewinnt auch Crockett den Songs einen eigenen Sound vor allem durch seinen Gesang ab. Da seine Arrangements semi-akustisch gehalten sind, wirken sie jedoch in einem stärkeren Maße traditionsverbunden. Mit seinem New Traditional Country schwimmt Crockett zurzeit auf einer Erfolgswelle. Er verzeichnet mittlerweile 155 Millionen Streams – die Hälfte davon im vergangenen Jahr. Sein letztes Album „Music City USA“ hielt sich sechs Wochen auf Platz 1 der Americana-Radio-Charts. Crockett hat also wenig Grund, etwas grundlegend zu ändern.

Bei der Auswahl der Stücke meint Crockett allerdings, ein Risiko eingegangen zu sein, da er auf keine geläufigen Titel setzt. Mit Ausnahme von Willie Nelson („Home Motel“) ist mir die Riege der Songwriter unbekannt. Dies sagt natürlich wenig über die grundsätzliche Qualität der Musik, aber insgesamt bleiben die einzelnen Tracks und Interpretationen tastsächlich kaum im Ohr.

Wie gewohnt setzt Crockett auf Twang und Steel Pedal („Lonely In Person“, „Jukebox Charley“, „Out Of Control“). Etwas Varianz bringt er durch Pfeifen („Where Have All The Honest People Gone”) und Doo Wop im Background („Heartbreak Affair”) ein. Ein paar Balladen („Same Old Situation”) stehen neben den Midtempo-Stücken in herkömmlicher Country-Manier („Battle With The Bottle”, „ Between My House And Town”). Insgesamt stellt „Jukebox Charley” ein unaufgeregtes und unaufregendes Album dar, das sich an Traditionalisten richtet.

Aber Crockett kennt seine Zielgruppe und beweist mit der Auswahl seiner ersten Single einmal mehr ein sicheres Händchen. „I Feel For You” ist der beste Track des Longplayers und spricht mit einem eingängigen Refrain sowie einer souligen Performance nicht allein die Country-Enthusiasten an. Weitere Highlights des Albums sind der lockere Opener „Make Way For A Better Man” sowie das Traditional „Diamond Joe”. Kurz vor Schluss folgt dann noch „Six Foot Under”, das unter den Songs hervorsticht.

Charley Crockett ist ein Arbeitstier. Nicht nur die schnelle Folge seiner Veröffentlichungen, sondern auch sein unermüdliches Touren zeigen dies. Bis Mitte Mai sind 35 Auftritte in den USA angekündigt, dabei supportet er zweimal Willie Nelson. Wann er wieder nach Europa kommt, bleibt noch offen.

Mit „Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley” setzt Charley Crockett seine Reihe von Coveralben fort. Er nimmt sich eher unbekannten Songs aus der Frühzeit des Country an und arrangiert diese gewohnt stilvoll. Neben ein paar Highlights erscheinen die Titel und Interpretationen im Vergleich zu früheren Longplayern etwas schwächer. Crockett revolutioniert das Genre nicht, hält es aber in Erinnerung. Bislang ist das Konzept aufgegangen und so bleibt zu vermuten, dass auch dieses Album seine Hörer findet.

Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Make Way For A Better Man
02. I Feel For You
03. Lonely In Person
04. Diamond Joe
05. Where Have All The Honest People Gone
06. Home Motel
07. Jukebox Charley
08. I Hope It Rains At My Funeral
09. Heartbreak Affair
10. Battle With The Bottle
11. Out Of Control
12. Six Foot Under
13. Same Old Situation
14. Between My House And Town

Charley Crockett
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Amos Lee – Dreamland – CD-Review

Review: Michael Segets

Amos Lee hat in der Vergangenheit einige gute Songs veröffentlicht und mit dem Album „Mission Bell“ (2011) in Amerika eine Top-Platzierung in den Charts eingefahren. Nach „Mountains Of Sorrow, Rivers Of Songs“ (2013) habe ich seinen musikalischen Werdegang nicht weiter verfolgt. Zwei Studioalben und knapp zehn Jahren später bietet „Dreamland“ nun die Gelegenheit, den aktuellen Stand des Singers/Songwriters wieder in den Blick zu nehmen.

„Dreamland“ steht wie viele andere Alben, die in dem letzten Jahr auf den Markt gebracht wurden, unter den Eindrücken, die die Pandemiezeit mit sich brachte. Lee thematisiert Isolation und Ängste auf seinem Werk. Dabei versucht er durchaus Optimismus zu versprühen und sich nach eigener Aussage stärker den Mitmenschen zuzuwenden, als er es bisher als Songwriter getan hat.

Mit dem Produzenten Christian Langdon an seiner Seite entstand ein sorgsam, voll arrangiertes Werk, das teilweise in das Pathetische und Bombastische hinübergleitet. Der titelgebende Opener mit sich einbrennenden Klavierlauf und fast hypnotisch gehauchtem Gesang dient mit seinem dramatischen Refrain als Beispiel dafür. „Seeing Ghosts“ bekommt mit dem Einsatz von Streichern einen orchestralen Einschlag. Bei „It’s Real“ wagt sich Lee in stimmliche Höhen, die den schmachtenden Song nicht aufwerten. Sein Gesang überzeugt mich auf „Invisible Oceans“ ebenfalls nicht.

Bei „Hold You“ wird das Gefühl letztlich durch die opulente Instrumentalisierung erdrückt. „Clean“ hält den schmalen Grat gerade noch. Eine schöne Ballade gelingt Lee allerdings mit „Into The Clearing“, bei dem das Arrangement die Atmosphäre des Songs unterstützt. Den Titel als eine Single auszuwählen, war die richtige Wahl. Das dynamische „How You Run“ ist ebenfalls noch auf der Habenseite zu verbuchen.

Während auf „Mission Bell“ Lucinda Williams und Willie Nelson mitwirkten, gibt Lee an, sich in seiner weiteren musikalischen Entwicklung an Norah Jones orientiert zu haben. Mit diesem Vergleich im Hinterkopf lassen sich durchaus Parallelen herausfiltern. Lee bedient sich beim R&B und Soul, was bei der Single „Worry No More“ und bei „See The Light“ zu hören ist. Mit „Shoulda Known Better“ geht er in Richtung eines leicht angejazzten Pop.

Auf „Dreamland“ blitzen die Qualitäten von Amos Lee als Songwriter auf, werden aber durch die üppigen Arrangements überstrahlt. Die meisten Balladen wirken stellenweise überladen. Lee gibt auf anderen Stücken Elementen von R&B, Soul und Pop einigen Raum, sodass diejenigen, die seine älteren Aufnahmen noch im Ohr haben, ihn kaum wiedererkennen. Unter diesen Songs finden sich eingängige Titel, die aber die SoS-Leserschaft wohl eher nicht als Zielgruppe haben.

Dualtone Records – MNRK/Bertus (2022)
Stil: Singer/Songwriter and more

Tracks:
01. Dreamland
02. Worry No More
03. How You Run
04. Into The Clearing
05. Hold You
06. See The Light
07. It’s Real
08. Seeing Ghosts
09. Shoulda Known Better
10. Clean
11. Invisible Oceans

Amos Lee
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