Various Artists – Stoned Cold Country. A 60th Anniversary Tribute Album to The Rolling Stones – CD-Review

Review: Michael Segets

2022 jährte sich die Gründung der Rolling Stones zum sechzigsten Mal. Anlässlich dieses Jubiläums findet sich auf „Stoned Cold Country“ das Who-Is-Who des Country ein, um sich vor der legendären Band zu verneigen. Viele Songs der Stones sind in das kulturelle Bewusstsein eingegangen und gehören zur Sozialisation dazu, egal welche Musikrichtung man favorisiert.

Die Stones prägten nicht ausschließlich den Rock, sondern strahlten mit ihrem Werk in weitere Bereiche der populären Musik aus. Produzent Robert Deaton verfolgte daher die Idee, eine Hommage aus Sicht des Country auf die Beine zu stellen. Dafür versammelte er gestandene und aufstrebende Musikerinnen und Musiker der Szene, die nun mit ihren eigenen Versionen von Stones-Klassikern auf „Stoned Cold Country“ vertreten sind.

Vielleicht überrascht es auf den ersten Blick, dass bei einem Tribute zum Sechzigsten nicht die gesamte Schaffenszeit bei der Songauswahl berücksichtigt wurde. Die neu interpretierten Titel decken lediglich eine Periode von eineinhalb Dekaden ab. Stimmig gewählt ist der Opener des Samplers „(I Can’t Get No) Satisfaction“ – performt von Ashley McBryde – als erster Nummer-1-Hit der Stones in den USA, dem Heimatland des Country. Der Track aus dem Jahr 1965 stellt zugleich das älteste Stück dar, das für den Longplayer ausgewählt wurde. „Miss You“ (1978) ist das jüngste, das von Jimmy Allen gesungen wird.

Das Konzept des Jubiläumsalbums erhebt also nicht den Anspruch einer repräsentativen Werkschau der Stones durch die Brille des Country, sondern verfolgt die Idee, dass die jeweiligen Musiker die Titel aussuchen, die für sie besondere Bedeutung besitzen. Dass dabei überwiegend die Wahl auf die Klassiker der Rolling Stones fiel, verwundert dann schließlich doch nicht. Zugleich wird deutlich, dass die Band vor allem in den sechziger und siebziger Jahren Maßstäbe setzte, die bis heute nachwirken. Ihre Songs dieser Zeit üben einen weitaus größeren Einfluss auf nachfolgende Musikergenerationen aus als die späteren Werke. Besonderen Nachhall findet „Sticky Fingers“ (1971) auf dem Tibute. Marcus King wählt von der Scheibe die aufgekratzte Nummer „Can`t You Hear Me Knocking“, Maren Morris und Little Big Town die Balladen „Dead Flowers“ beziehungsweise „Wild Horses“.

Die Versionen auf der Compilation orientieren sich deutlich an den Originalen, die stets sofort wiederzuerkennen sind. Es wird nicht krampfhaft versucht, die Songs völlig neu zu erfinden. Stattdessen covern die Musiker die Klassiker mit ihren Mitteln und in ihrem Stil. Insgesamt hört man natürlich mehr Slide, Geige oder Mandoline, sodass die Song vom Classic Rock in den Roots Rock übertragen werden.

Newcomer Elvie Shane liefert eine beeindruckende Version von „Sympathy For The Devil“ ab. Weiterhin finden sich eine Handvoll Musiker, die noch nicht in der Interpretenskala von SoS auftauchen. Zu diesen gehört auch Koe Wetzel, der mit „Shine A Light“ das Album beschließt. Zu den weniger bekannten Interpreten zählt The War And Treaty, die zusammen mit den Brothers Osborne die erste Single „It’s Only Rock ’N‘ Roll (But I Like It)“ bestreiten. Vielleicht überrascht die Beteiligung von Elle King („Tumbling Dice“). Ihre ersten Single-Erfolge sind ja nicht unbedingt dem Country zuzuordnen, allerdings zeigt sie mit ihrem aktuellen Longplayer „Come Get Your Wife“ eine beachtenswerte Wendung zum New Country.

Eher zu erwarten war die Mitwirkung von Steve Earle („Angie“). Earle mischt ja gerne bei Tribute-Alben mit, beispielsweise bei denen für Billy Joe Shaver oder Neal Casal. Dabei sind seine Beiträge stets hörenswert. Darüber hinaus finden sich weitere alte Bekannte wie Brooks & Dunn („Honky Tonk Women“) und Eric Church („Gimme Shelter“) für die Zusammenstellung ein.

Da die Qualität der musikalischen Interpretationen durchweg hoch ist, erscheint es unangemessen, einzelne besonders hervorzuheben. Dennoch sei auf die Titel der Zac Brown Band und von Lainey Wilson hingewiesen. Die Version von „Paint It Black“ der Zac Brown Band übertrifft in meinen Ohren das Original. Lainey Wilson gewinnt „You Can’t Always Get What You Want“ eine neue, wunderbar ausgewogene Facette ab.

Eine beachtliche Riege von Country-Musikerinnen und -Musikern nimmt sich den Hits der Rolling Stones aus den sechziger und siebziger Jahren an. Solche Klassiker zu interpretieren, stellt eine Herausforderung dar, die sämtliche Beiträge meistern. Den Musikern gelingen eigenständige Versionen, bei denen der Respekt vor dem Original mitschwingt. Mit genretypischer Instrumentalisierung und erdigem Sound entsteht so eine Hommage, die die Stones-Songs in den Roots Rock transformiert.

Erstklassige Songs und erstklassige Musikerinnen und Musiker – was soll da auf „Stoned Cold Country“ schon schiefgehen? Die Interpreten aus der Country-Szene beweisen, dass sie rocken können. So bleibt das Tribute-Album vielleicht nicht nur eine Retroperspektive und Verneigung vor den Rolling Stones, sondern gibt ihnen einen Impuls, auch zukünftig die Verbindung von Rock und Country zu suchen.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: New Country / Roots Rock 

Tracks:
01. (I Can’t Get No) Satisfaction – Ashley McBryde
02. Honky Tonk Women – Brooks & Dunn
03. Dead Flowers – Maren Morris
04. It’s Only Rock ’N’ Roll (But I Like It) – Brothers Osborne & The War And Treaty
05. Miss You – Jimmy Allen
06. Tumbling Dice – Elle King
07. Can’t You Hear Me Knocking – Marcus King
08. Wild Horses – Little Big Town
09. Paint It Black – Zac Brown Band
10. You Can’t Get Always What You Want – Lainey Wilson
11. Sympathy For The Devil – Elvie Shane
12. Angie – Steve Earle
13. Gimme Shelter – Eric Church
14. Shine A Light – Koe Wetzel

New West Records
Redeye Worldwide
New West Records
Bertus
Oktober Promotion

Various Artists – Live Forever – A Tribute To Billy Joe Shaver – CD-Review

Review: Michael Segets

2020 verstarb Billy Joe Shaver mit 81 Jahren. Über fünf Dekaden hinweg veröffentlichte er Alben, aber breite Anerkennung fand er erst im Rentenalter. Dabei hatte er bereits in den 1970ern Hits für Waylon Jennings geschrieben und auch andere Größen des Musikbusiness wie Elvis Presley, Bob Dylan, Johnny Cash, Kris Kristofferson oder Emmylou Harris nahmen seine Stücke auf.

Der texanische Songwriter prägte den Outlaw Country und so ist es nur folgerichtig, dass es sich namhafte Künstler auf dem Tribute finden, die diesem Subgenre besonders zugeneigt sind. Shavers Songwriting dient aber auch Musikern anderer Spielrichtungen des Genres immer noch als Inspirationsquelle. „Live Forever“ kann als ehrgeiziges Programm gelten, aber Shaver hat seine Spuren hinterlassen, denen die Musiker auf dem Tribute gerne folgen.

Willie Nelson ist gleich mit zwei Beiträgen vertreten. „Live Forever“, der wohl bekannteste Titel von Shaver, wird von ihm im Duett mit Lucinda Williams gesungen und eröffnet das Album. Später folgt noch das flotte „Georgia On A Fast Train“. Während Nelson zu den Urgesteinen gehört, ist mit Steve Earle ein Outlaw der zweiten Generation vertreten. „Ain’t No God In Mexico“ wird von ihm in seiner unverwechselbaren Art performt.

Rodney Crowell und George Strait sind ebenso renomiert, stammen aber aus einer anderen Ecke des Genre. Crowell steuert die reduziert begleitete Ballade „Old Five And Dimers Like Me“ bei. Strait setzt bei dem traditionsverbundenen „Willy The Wandering Gypsy And Me“ ebenfalls auf eine dezente Instrumentalisierung. Neben den bereits angegrauten Recken findet sich eine Riege von jüngeren, aber ebenfalls etablierten Musikern der Szene ein. Nathaniel Rateliff schunkelt mit dem von Waylon Jennings mitverfassten „You Asked Me To“ gemächlich über die Prairie und Miranda Lambert behauptet beschwingt „I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday)”.

Ausgewogen ist die circa hälftige Verteilung von Sängerinnen und Sängern. Edie Brickell („I Couldn’t Be Me Without You“) sowie Allison Russell („Tramp On Your Street”) spiegeln mit ihren gefühlvollen Interpretationen den balladesken Grundtenor des Samplers wider. In diesen passt sich ebenso „Ragged Old Truck“ von Margo Price und Joshua Hedley ein.

Charlie Sexton, Co-Produzent des Albums, begleitet mehrere Songs mit seinen Künsten an der Gitarre. Jason Isbell übernimmt diesen Part bei seiner Frau Amanda Shires. Shires‘ Version des Klassikers „Honky Tonk Heroes“ zählt zu den schwungvolleren Tracks auf dem Tribute. Getoppt wird er noch von dem rauen und kraftvollen „Ride Me Down Easy“, bei dem sich Ryan Bingham und Nikki Lane richtig ins Zeug legen.

Die Hommage an Billy Joe Shaver ist als Mehrgenerationen-Projekt angelegt. Von Willie Nelson über Steve Earle bis hin zu Nikki Lane reicht die Bandbreite der Vertreter des Outlaw Country, die den Songs von Shaver eine Stimme geben. Die Interpretationen auf dem Sampler „Live Forever“ geben einen umfassenden Eindruck, wie Shavers Songs nachwirken und bis heute Country-Musiker sämtlicher Stilrichtungen inspirieren.

New West Records – Redeye/Bertus (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Live Forever – Willie Nelson feat. Lucinda Williams
02. Ride Me Down Easy – Ryan Bingham feat. Nikki Lane
03. Old Five And Dimers Like Me – Rodney Crowell
04. I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday) – Miranda Lambert
05. I Couldn’t Be Me Without You – Edie Brickell
06. You Asked Me To – Nathaniel Rateliff
07. Willy The Wandering Gypsy And Me – George Strait
08. Honky Tonk Heroes – Amanda Shires feat. Jason Isbell
09. Ain’t No God In Mexico – Steve Earle
10. Ragged Old Truck – Marco Price feat. Joshua Hedley
11. Georgia On A Fast Train – Willie Nelson
12. Tramp On Your Street – Allison Russell

New West Records
Redeye Worldwide
Bertus

Charley Crockett – Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley – CD-Review

Review: Michael Segets

Charley Crocketts Veröffentlichungen folgen Schlag auf Schlag, zuletzt im Halbjahresrhythmus. Die Schlagzahl kann er einlegen, da er sich gerne am Fundus der Country- oder Bluesgeschichte bedient und ältere Titel covert. Unter seinem alter ego Lil‘ G. L. greift er auf „Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley” erneut in die Schatzkiste des Countrys aus vergangenen Tagen.

Ähnlich wie Lucinda Williams, die sich in ihrem Coverprojekt Beiträgen des Genres aus den 1960ern zuwandte, gewinnt auch Crockett den Songs einen eigenen Sound vor allem durch seinen Gesang ab. Da seine Arrangements semi-akustisch gehalten sind, wirken sie jedoch in einem stärkeren Maße traditionsverbunden. Mit seinem New Traditional Country schwimmt Crockett zurzeit auf einer Erfolgswelle. Er verzeichnet mittlerweile 155 Millionen Streams – die Hälfte davon im vergangenen Jahr. Sein letztes Album „Music City USA“ hielt sich sechs Wochen auf Platz 1 der Americana-Radio-Charts. Crockett hat also wenig Grund, etwas grundlegend zu ändern.

Bei der Auswahl der Stücke meint Crockett allerdings, ein Risiko eingegangen zu sein, da er auf keine geläufigen Titel setzt. Mit Ausnahme von Willie Nelson („Home Motel“) ist mir die Riege der Songwriter unbekannt. Dies sagt natürlich wenig über die grundsätzliche Qualität der Musik, aber insgesamt bleiben die einzelnen Tracks und Interpretationen tastsächlich kaum im Ohr.

Wie gewohnt setzt Crockett auf Twang und Steel Pedal („Lonely In Person“, „Jukebox Charley“, „Out Of Control“). Etwas Varianz bringt er durch Pfeifen („Where Have All The Honest People Gone”) und Doo Wop im Background („Heartbreak Affair”) ein. Ein paar Balladen („Same Old Situation”) stehen neben den Midtempo-Stücken in herkömmlicher Country-Manier („Battle With The Bottle”, „ Between My House And Town”). Insgesamt stellt „Jukebox Charley” ein unaufgeregtes und unaufregendes Album dar, das sich an Traditionalisten richtet.

Aber Crockett kennt seine Zielgruppe und beweist mit der Auswahl seiner ersten Single einmal mehr ein sicheres Händchen. „I Feel For You” ist der beste Track des Longplayers und spricht mit einem eingängigen Refrain sowie einer souligen Performance nicht allein die Country-Enthusiasten an. Weitere Highlights des Albums sind der lockere Opener „Make Way For A Better Man” sowie das Traditional „Diamond Joe”. Kurz vor Schluss folgt dann noch „Six Foot Under”, das unter den Songs hervorsticht.

Charley Crockett ist ein Arbeitstier. Nicht nur die schnelle Folge seiner Veröffentlichungen, sondern auch sein unermüdliches Touren zeigen dies. Bis Mitte Mai sind 35 Auftritte in den USA angekündigt, dabei supportet er zweimal Willie Nelson. Wann er wieder nach Europa kommt, bleibt noch offen.

Mit „Lil’ G. L. Presents: Jukebox Charley” setzt Charley Crockett seine Reihe von Coveralben fort. Er nimmt sich eher unbekannten Songs aus der Frühzeit des Country an und arrangiert diese gewohnt stilvoll. Neben ein paar Highlights erscheinen die Titel und Interpretationen im Vergleich zu früheren Longplayern etwas schwächer. Crockett revolutioniert das Genre nicht, hält es aber in Erinnerung. Bislang ist das Konzept aufgegangen und so bleibt zu vermuten, dass auch dieses Album seine Hörer findet.

Son Of Davy – Thirty Tigers/Membran (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Make Way For A Better Man
02. I Feel For You
03. Lonely In Person
04. Diamond Joe
05. Where Have All The Honest People Gone
06. Home Motel
07. Jukebox Charley
08. I Hope It Rains At My Funeral
09. Heartbreak Affair
10. Battle With The Bottle
11. Out Of Control
12. Six Foot Under
13. Same Old Situation
14. Between My House And Town

Charley Crockett
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Oktober Promotion

Amos Lee – Dreamland – CD-Review

Review: Michael Segets

Amos Lee hat in der Vergangenheit einige gute Songs veröffentlicht und mit dem Album „Mission Bell“ (2011) in Amerika eine Top-Platzierung in den Charts eingefahren. Nach „Mountains Of Sorrow, Rivers Of Songs“ (2013) habe ich seinen musikalischen Werdegang nicht weiter verfolgt. Zwei Studioalben und knapp zehn Jahren später bietet „Dreamland“ nun die Gelegenheit, den aktuellen Stand des Singers/Songwriters wieder in den Blick zu nehmen.

„Dreamland“ steht wie viele andere Alben, die in dem letzten Jahr auf den Markt gebracht wurden, unter den Eindrücken, die die Pandemiezeit mit sich brachte. Lee thematisiert Isolation und Ängste auf seinem Werk. Dabei versucht er durchaus Optimismus zu versprühen und sich nach eigener Aussage stärker den Mitmenschen zuzuwenden, als er es bisher als Songwriter getan hat.

Mit dem Produzenten Christian Langdon an seiner Seite entstand ein sorgsam, voll arrangiertes Werk, das teilweise in das Pathetische und Bombastische hinübergleitet. Der titelgebende Opener mit sich einbrennenden Klavierlauf und fast hypnotisch gehauchtem Gesang dient mit seinem dramatischen Refrain als Beispiel dafür. „Seeing Ghosts“ bekommt mit dem Einsatz von Streichern einen orchestralen Einschlag. Bei „It’s Real“ wagt sich Lee in stimmliche Höhen, die den schmachtenden Song nicht aufwerten. Sein Gesang überzeugt mich auf „Invisible Oceans“ ebenfalls nicht.

Bei „Hold You“ wird das Gefühl letztlich durch die opulente Instrumentalisierung erdrückt. „Clean“ hält den schmalen Grat gerade noch. Eine schöne Ballade gelingt Lee allerdings mit „Into The Clearing“, bei dem das Arrangement die Atmosphäre des Songs unterstützt. Den Titel als eine Single auszuwählen, war die richtige Wahl. Das dynamische „How You Run“ ist ebenfalls noch auf der Habenseite zu verbuchen.

Während auf „Mission Bell“ Lucinda Williams und Willie Nelson mitwirkten, gibt Lee an, sich in seiner weiteren musikalischen Entwicklung an Norah Jones orientiert zu haben. Mit diesem Vergleich im Hinterkopf lassen sich durchaus Parallelen herausfiltern. Lee bedient sich beim R&B und Soul, was bei der Single „Worry No More“ und bei „See The Light“ zu hören ist. Mit „Shoulda Known Better“ geht er in Richtung eines leicht angejazzten Pop.

Auf „Dreamland“ blitzen die Qualitäten von Amos Lee als Songwriter auf, werden aber durch die üppigen Arrangements überstrahlt. Die meisten Balladen wirken stellenweise überladen. Lee gibt auf anderen Stücken Elementen von R&B, Soul und Pop einigen Raum, sodass diejenigen, die seine älteren Aufnahmen noch im Ohr haben, ihn kaum wiedererkennen. Unter diesen Songs finden sich eingängige Titel, die aber die SoS-Leserschaft wohl eher nicht als Zielgruppe haben.

Dualtone Records – MNRK/Bertus (2022)
Stil: Singer/Songwriter and more

Tracks:
01. Dreamland
02. Worry No More
03. How You Run
04. Into The Clearing
05. Hold You
06. See The Light
07. It’s Real
08. Seeing Ghosts
09. Shoulda Known Better
10. Clean
11. Invisible Oceans

Amos Lee
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Lucinda Williams – You Are Cordially Invited … A Tribute To The Rolling Stones – CD-Review

Review: Michael Segets

Mit der sechsten Ausgabe ihres Coverprojekts Lu’s Jukebox beendet Lucinda Williams diese Serie mit einem Tribute für The Rolling Stones. „You Are Cordially Invited …” stellt dabei neben dem Auftakt zu Ehren von Tom Petty den Höhepunkt der Reihe dar. Die sechzehn Tracks umfassende Scheibe konzentriert sich dabei auf Songs, die die Überväter des Rock zwischen 1965 und 1974 aufnahmen.

Den Schwerpunkt bilden die drei Alben „Out Of Our Heads“ (1965), „Beggars Banquet“ (1968) sowie „Sticky Fingers“ (1971) mit jeweils drei beziehungsweise vier daraus entnommenen Tracks. Anders als bei ihrer Auswahl auf „Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs“ setzt Williams nun auf viele bekannte Songs. Mit „Street Fighting Man“ steigt sie erdig, fast dreckig rockend in das Album ein. Die nächsten drei Songs gehen in dem Stil weiter. „Get Off My Cloud“ hatte ich nicht auf dem Schirm. Ein richtig guter Song, der im Original von „December’s Children“ (1965) stammt. Nach dem Klassiker „Paint It Black“ fährt Williams das Tempo runter. Er findet sich auf dem Album „Aftermath“ (1966), das von Hollis Brown demnächst Track-By-Track adaptiert wird.

Mit „Play With Fire“ beginnt der Mittelteil der CD, in dem sich Williams langsameren Stücken zuwendet. Dabei gehen die Cover meist in Richtung Americana („No Expectations“, „Dead Flowers“, „Moonlight Mile“), aber auch der Blues ist vertreten („You Gotta Move“). Dunkle, intensive Atmosphäre durchzieht die Songs. Neben „Play With Fire“ stellt „Salt Of The Earth” eine besonders gelungene Interpretation dar. Williams singt dabei unkonventionell, trifft aber die richtigen Vibes.

Ab „Time Waits For No One” nimmt das Album wieder Fahrt auf. Über „Sway“ und „Doo Doo Doo Doo Doo (Heartbreaker)” steuert es auf die Superhits „(I Can’t Get No) Satisfaction” und „Sympathy For The Devil” zu. Das Ende markiert „ You Can’t Always Get What You Want”, bei dem Williams Version das Tempo gegenüber der Ursprungsfassung etwas reduziert.

„You Are Cordially Invited … A Tribute To The Rolling Stones” von Lucinda Williams lässt sich leicht auf einen Punkt bringen: tolle Songs, tolle Sängerin. Erneut drückt William den Originalen ihren Stempel auf. Mit ihren rootsrockigen Versionen, die die Kraft der Songs mit ausdrucksstarkem Gesang zur Geltung bringen, setzt Williams ein Ausrufezeichen zum Abschluss ihrer Coverreihe Lu’s Jukebox. Charlie Watts hätte bestimmt seine Freude an der Compilation gehabt.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Street Fighting Man
02. The Last Time
03. Get Off My Cloud
04. Paint It Black
05. Play With Fire
06. No Expectations
07. Dead Flowers
08. Salt Of The Earth
09. You Gotta Move
10. Moonlight Mile
11. Time Waits For No One
12. Sway
13. Doo Doo Doo Doo Doo (Heartbreaker)
14. (I Can’t Get No) Satisfaction
15. Sympathy For The Devil
16. You Can’t Always Get What You Want

Lucinda Williams
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Lucinda Williams – Have Yourself A Rockin’ Little Christmas with Lucinda Williams – CD-Review

Review: Michael Segets

Aus der letztjährigen Konzertreihe, die Lucinda Williams als Alternative zu den Liveauftritten vor Publikum per Video streamte, steht jetzt passend zur nahenden Weihnachtszeit „Have Yourself A Rockin’ Little Christmas with Lucinda Williams” als fünfte Ausgabe von Lu’s Jukebox in den Regalen. Williams pickt sich dabei Weihnachtsstücke heraus, die nicht zum klassischen Repertoire gehören, welches an den Festtagen rauf und runter gespielt wird. Entgegen dem Titel bedient sie dabei eher den Blues als den Rock.

„Merry Christmas (I Don’t Want To Fight Tonight)“ – im Original von den Ramones – geht natürlich ab. „Santa Claus Want’s Some Lovin‘“ von Albert King ist ebenfalls rockig ausgelegt und mit einer funkigen Gitarre versehen. Bei „Run Run Rudolph“ legt Williams Soul in die Performance. Der von Chuck Berry geschriebene Titel erinnert an den James-Bond-Theme. Buck Owens verfasste „Blue Christmas Lights“ und wird von Williams als Bluesrock interpretiert. Damit sind die temporeicheren Tracks auf dem Longplayer aufgezählt.

Den überwiegenden Teil des Albums bestreitet Williams mit langsameren Blues, versehen mit R&B-Elementen. „Christmas Tears“, „Merry Christmas Baby“, „Please Come Home For Christmas“ sowie „Little Red Rooster”, das von Willie Dixon stammt und von Howlin’ Wolf aufgenommen wurde, gehören in diese Kategorie. Komponiert wurden sie in den 1940ern beziehungsweise den 1960er Jahren. Ebenfalls ruhig, aber mit einem leicht poppigen Americana-Sound versehen, ist „If We Make it Through December“.

Drei Titel gehen in Richtung Swing – allen voran Louis Armstrongs „Christmas In New Orleans“. „I’ve Got My Love To Keep Me Warm“ sowie „Have Yourself A Merry Little Christmas“ gleiten dabei tendenziell in den Jazz über. Bei den beiden Songs überzeugt der Gesang von Williams nicht vollständig, obwohl ich sonst ein Fan ihrer stimmlichen Fähigkeiten bin.

Auf ihrem Weihnachtsalbum „Have Yourself A Rockin’ Little Christmas” unternimmt Lucinda Williams einen Streifzug durch die Geschichte der populären Musik und greift vorwiegend in Vergessenheit geratene Songs heraus. Anders als der Titel vermuten lässt, steht dabei der Blues im Fokus ihrer Interpretationen. Daneben finden sich rockige Versionen auf der Scheibe und auch dem Swing wird Raum gegeben. Wem die bereits vorgestellte CD von Brian Fallon zu den Festtagen zu reduziert ist, bekommt mit der von Lucinda Williams eine Alternative angeboten, um die stille Zeit bis Neujahr zu überbrücken.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Christmas Songs

Tracks:
01. Blue Christmas Lights
02. Run Run Rudoph
03. Christmas Tears
04. If We Make It Through December
05. Merry Christmas Baby
06. I’ve Got My Love To Keep Me Warm
07. Santa Claus Want’s Some Lovin’
08. Christmas In New Orleans
09. Please Come Home For Christmas
10. Little Red Rooster
11. Merry Christmas (I Don’t Want To Fight)
12. Have Yourself A Merry Little Christmas

Lucinda Williams
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Various Artists – Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal – CD-Review

Review: Michael Segets

Nicht jeder SoS-Leser besitzt eines der vierzehn Alben von Neal Casal in seiner Sammlung, aber ich würde wetten, dass sich zumindest ein Track, auf dem er mitwirkte, in ihrem jeweiligen Archiv findet.

Casal war Mitglied bei The Cardinals, der Begleitband von Ryan Adams , sowie bei der Chris Robinson Brotherhood. Er spielte bei Beachwood Sparks und GospelbeacH („You Don’t See Me Crying“), Hazy Malaze („Soul Gets Lost“) und Circles Around the Sun („All The Luck In The World”, „Bird With No Name“), die ihn auf dem Tribute würdigen. Auch bei Hard Working Americans – zusammen mit Todd Snider – sowie bei The Skiffle Players war Casal aktiv. Als Sessionmusiker stellte der Multiinstrumentalist seine Fähigkeiten einer Vielzahl von Künstlern zur Verfügung. So arbeitete er unter anderem mit Todd Thibaud , Lucinda Williams, Tift Merritt, Amanda Shires und Willie Nelson zusammen.

Von außen betrachtet, würde man von einer erfüllten Karriere ausgehen. Casal schied allerdings 2019 mit fünfzig Jahren freiwillig aus dem Leben. Sein Freund und Manager Gary Waldman stieß das Tribute-Projekt an. Dave Schools (Widespread Panic) und Jim Scott produzierten das Werk mit, das schnell einen ungeahnten Umfang annahm. Ursprünglich auf achtzehn Songs angelegt, versammelt es in der Endfassung nun 41, die auf drei CDs beziehungsweise fünf LPs festgehalten sind. Als das Vorhaben bekannt wurde, meldeten sich viele Musiker, die mitwirken wollten. Letztlich nahmen 130 an dem Projekt teil.

Darunter sind viele Interpreten vertreten, die bei SoS keine unbekannten sind: Steve Earle & The Dukes („Highway Butterfly“),Shooter Jennings („Maybe California”), Susan Tedeschi & Derek Trucks („Day In The Sun“),Warren Haynes („Free To Go”), The Allman Betts Band („Raining Straight Down”) und Marcus King („No One Above You”).

Daneben steuern viele hierzulande nicht so geläufige Musiker ihre Versionen der Casal-Songs bei und hinterlassen so selbst eine Visitenkarte, um sich mit ihren Werken in Zukunft auseinanderzusetzen. Besonders „Detroit Or Buffalo“, performt von Jonathan Wilson und Hannah Cohen, sticht durch den erdigen Sound auf der ersten CD hervor. Auf der zweiten Scheibe überzeugt das rockige „Willow Jane“, das Britton Buchanan beiträgt, der bei The Voice in Amerika durchstartete. Angie McKenna singt „Fell On Hard Times“, welches in Ergänzung mit dem letzten Stück („I Will Weep No More“ – Robbie Robb) auf der dritten CD die Facetten des Songwritings von Casal eindrucksvoll belegt.

Die Zusammenstellung verdeutlicht Casals Talent. Sein eigener Stil im Bereich harmonischer und melodiöser Americana-Songs scheint auch bei den versammelten Interpretationen der anderen Musiker durch. Einzig der Song „Death Of A Dream“ erhält durch J Mascis (Dinosaur Jr.) eine völlig andere Ausrichtung, indem er ihn in einer Independent Rock-Version präsentiert. Bemerkenswert ist sicherlich auch das Lebenszeichen von Puss N Boots („These Days With You“), dem Alternative Country-Trio mit Nora Jones.

Dass das Projekt so eine große Resonanz gefunden hat, zeugt von dem Ansehen, das Neal Casal unter seinen Kolleginnen und Kollegen genoss. Möglicherweise spielte auch der Umstand eine Rolle, dass die Erlöse der Neal Casal Music Foundation zugutekommen. Die gemeinnützige Organisation unterstützt unter anderem die musikalische Bildung von Schülerinnen und Schüler in New York und New Jersey.

„Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal“ ist ein liebevoll gestaltetes Juwel geworden. Die Vinyl-Ausgabe enthält viele Extras wie die Songtexte, Aufkleber, Poster und unveröffentlichte Fotos. Casal betätigte sich auch als Fotograph, wobei das 48-seitige Booklet einen Einblick in diese Seite seines Schaffens gibt.

Obwohl Neal Casal zu Lebzeiten der ganz große Durchbruch verwehrt blieb, hinterlässt er ein beeindruckendes Werk, das durch eine Vielzahl von Musikern auf dem Tribute „Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal“ ins Gedächtnis gerufen wird. Ehemalige Weggefährten, Größen der Americana-Szene und Newcomer zollen ihm ihren Respekt und zeigen zugleich Casals Gabe, sensible und melodiöse Songs zu verfassen.

Neal Casal Music Foundation – Royal Potato Family (2021)
Stil: Americana

Tracks:
CD 1
01. Traveling After Dark – Aaron Lee Tasjan
02. Need Shelter – Jaime Wyatt
03. You Don’t See Me Crying – Beachwood Sparks & GospelbeacH
04. No One Above You – Marcus King
05. Feathers For Bakersfield – Fruit Bats
06. All The Luck In The World – Billy Strings & Circles Around the Sun
07. Sweeten The Distance – Dori Freeman & Teddy Thompson
08. Time Down The Wind – Hiss Golden Messenger
09. Me & Queen Sylvia – Johnathan Rice
10. Wisest Of The Wise – Mapache
11. Freeway To The Canyon – Phil Lesh & The Terrapin Family Band
12. Feel No Pain – Leslie Mendelson
13. Detroit Or Buffalo – Jonathan Wilson & Hannah Cohen
14. Day In The Sun – Susan Tedeschi & Derek Trucks

CD 2
01. Bird With No Name – Jimmy Herring & Circles Around The Sun
02. Maybe California – Shooter Jennings
03. White Fence Round House – Vetiver
04. December – Todd Sheaffer
05. Grand Island – Courtney Jaye
06. Superhighway – Oteil Burbridge & Nick Johnson & Steve Kimock & John Morgan Kimock & Duane Trucks
07. Willow Jane – Britton Buchanan
08. Too Much To Ask – Kenny Roby & Amy Helm
09. Time And Trouble – Bob Weir & Jay Lane & Dave Schools
10. Death Of A Dream – J Mascis
11. The Cold And The Darkness – Tim Heidecker
12. Free To Go – Warren Haynes

CD 3
01. So Far Astray – Rachel Dean
02. Highway Butterfly – Steve Earle & The Dukes
03. Angel And You’re Mine – Victoria Reed
04. Pray Me Home – Jason Crosby
05. Lost Satellite – Lauren Barth
06. The Losing End Again – Jesse Aycock
07. These Days With You – Puss N Boots
08. Cold Waves – Tim Bluhm & Kyle Field
09. Best To Bonnie – Zephaniah Ohora & Hazeldine
10. Let It All Begin – The Mattson 2
11. You’ll Miss It When It’s Gone – Cass McCombs & Ross James & Joe Russo & Farmer Dave Scher & Dave Schools
12. Fell On Hard Times – Angie McKenna
13. Raining Straight Down – The Allman Betts Band
14. Soul Gets Lost – Hazy Malaze & Jena Kraus
15. I Will Weep No More – Robbie Robb

Neal Casal
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Royal Potato Family
Oktober Promotion

Lucinda Williams – Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs – CD-Review

Review: Michael Segets

Lucinda Williams setzt ihr Projekt Lu’s Jukebox mit der zeitgleichen Veröffentlichung von zwei Alben fort: „Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs“ und „Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics”. Nach Tom Petty widmet Williams nun also Bob Dylan einen Platz in ihrer Coverreihe.

Der Nobelpreisträger feierte dieses Jahr seinen achtzigsten Geburtstag. Da liegt eine musikalische Würdigung nahe. Chrissie Hynde machte bereits einen Aufschlag und Williams folgt nun, wobei die Aufnahmen des Albums aus dem letzten Jahr stammen. Tribute-Alben für Bob Dylan stellen keine Seltenheit dar. Joan Osborne und Willie Nile kommen mir spontan in den Sinn, die seine Songs in eigenen Versionen einspielten. Die Besonderheit von dem Werk, das nun Williams vorlegt, besteht in der Songauswahl: Von Dylans bekanntesten Stücken ist keines von ihr berücksichtigt. Der Titel „Bob’s Back Pages“ deutet ja bereits darauf hin, dass eben nicht seine Hits in neues Licht gerückt werden.

Williams nimmt sich in erster Linie fünf Alben des Großmeisters vor, von denen sie fast vergessene Titel interpretiert. Dabei berücksichtigt sie seine Werke von den 1960ern bis in die 1990er. Von dem Klassiker „Highway 61 Revisited“ (1965) stammen „It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry” sowie „Queen Jane Approximately“. Die siebziger Jahre sind mit „Idiot Wind” und „ Meet Me In The Morning“ vertreten – beide auf „Blood On The Tracks“ (1975) erschienen.

„Man Of Peace“ findet sich im Original auf „Infidels“ (1983), meiner Lieblingsscheibe von Dylan. Desweiteren pickt sich Williams noch Songs von „Oh Mercy“ („Everything Is Broken“, „Political World“) sowie „Time Out Of Mind“ („Not Dark Yet”, „Make You Feel My Love“) heraus. Schließlich rundet „Tryin‘ To Get To Heaven“, das auch von Joan Osborne gecovert wurde, den Longplayer ab.

Die Facetten von Williams Gesang, die Eigenwilligkeit ihrer Stimme und den Mut auch mal nölig oder kratzig zu klingen, mag ich sowieso. Bei ihrer Interpretation der Songs von Dylan passt das natürlich hervorragend. Williams verändert das Material in Richtung Blues oder Rock so weit, dass sich die Stücke nicht mehr spontan als Dylan-Titel identifizieren lassen. Durch die Selektion eher selten gehörter Songs wird der Eindruck verstärkt, etwas Neues zu hören.

Lucinda Williams verweigert sich durch die ungewöhnliche Songauswahl auf „Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs” konsequent dem Mainstream. Sie greift Titel auf, die im Schatten seiner Hits stehen. Mit ihrer Band im Rücken modifiziert sie die Vorlagen in Richtung Blues oder Rock, sodass sie mehr nach einem Williams-Original als nach Bob Dylan klingen. Mit dem Blick durch die Brille von Williams auf die eher unbekannte Seite von Bob Dylan entsteht ein außergewöhnliches Tribute-Album.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Rock, Blues and more

Tracks:
01. It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry
02. Everything Is Broken
03. Political World
04. Man Of Peace
05. Not Dark Yet
06. Meet Me In The Morning
07. Blind Willie Mctell
08. Tryin‘ To Get To Heaven
09. Queen Jane Approximately
10. Idiot Wind
11. Make You Feel My Love

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Lucinda Williams – Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics – CD-Review

Review: Michael Segets

Die vierte Folge von Lucinda Williams Cover-Projekt Lu’s Jukebox „Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics” erscheint gleichzeitig mit der dritten „Bob’s Back Pages: A Night With Bob Dylan Songs“. Wie schon „Southern Soul: From Memphis To Muscle Shoals & More” richtet Williams das neue Album wieder thematisch und nicht an einem Songschreiber aus.

Williams gräbt tief in den Annalen der Country-Geschichte der 1960er Jahre. Herausgekommen ist eine Zusammenstellung, die sich an hartgesottene Liebhaber des Countrys traditioneller Machart wendet. Zwar nimmt die Stimme von Williams den Songs etwas an Süße, aber insgesamt prägt schmachtender Slide der Steel Pedal den Longplayer. „Take Time For The Tears“ ist eine Eigenkomposition, die dessen atmosphärische Ausrichtung ganz gut beschreibt.

Viele Musiker und Songs, auf die Williams zurückgreift, sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten, wenn man kein Faible für den historische Country hat. Mit Tammy Wynette („Apartment #9“), Buck Owens („Together Again“), John Hartfold („Gentle On My Mind”) oder Carl Butler („Don’t Let Me Cross Over“) hatte ich bislang keine Berührungspunkte. Anders sieht es natürlich mit Willie Nelson aus, dessen Stück „Night Life Dig” aus dem Jahr 1960 allerdings ebenfalls vor meiner musikinteressierten Zeit lag.

Zwei Songs der Scheibe wurden auch von Elvis Presley gesungen: „Long Black Limosine“ und „Funny How Time Slips Away“. Sie stammen von Merle Haggard beziehungsweise Billy Walker. Als einziger Songwriter ist Hank Cochran mit zwei Titel vertreten („Make The World Go Away“, I Want To Go With You“). Zwischen den in der Machart sehr ähnlichen Titeln finden sich „First City“ von Loretta Lynn und der oftmals gecoverte Klassiker „I’m Movin‘ On“ von Hank Snow, die nicht nur durch ihr Uptempo herausstechen. Der kratzige, in einzelnen Passagen frech rotzige Gesang von Williams bringt frischen Wind auf die sonst eher gleichförmige Scheibe.

Der vierte Beitrag „Funny How Time Slips Away: A Night Of 60’s Country Classics” in Lucinda Williams Jukebox-Serie fällt gegenüber den bisherigen Alben der Reihe etwas ab. Dies liegt zum einen daran, dass sich die ausgewählten Originale bereits an eine spezielle Fangemeinde richten, zum anderen zeigen die Interpretationen im Gegensatz zu denen auf den vorherigen Werken eine geringere musikalische Variationsbreite. Dennoch reißt Williams mit ihrem Gesang einzelne Titel heraus.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Country

Tracks:
01. Apartment #9
02. Together Again
03. Make The World Go Away
04. Night Life Dig
05. Long Black Limosine
06. First City
07. I Want To Go With You
08. Don’t Let Me Cross Over
09. Gentle On My Mind
10. The End Of The World
11. I‘ Movin‘ On
12. Funny How Time Slips Away
13. Take Time For The Tears

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Colin Linden – bLOW – CD-Review

Review: Michael Segets

Im zarten Alter von elf inspirierte ein Gespräch mit Howlin‘ Wolf den jungen Colin Linden, sich der Musik zu verschreiben. In den letzten fünfundvierzig Jahren hat er dann auch Fußstapfen in der Musikgeschichte hinterlassen. Auf über 500 Longplayern wirkte er als Gitarrist und Sänger mit. Als Produzent kann er auf rund 140 Veröffentlichungen zurückblicken. Er spielte zusammen mit Bruce Cockburn, Bob Dylan, Gregg Allman und John Prine und produzierte Alben von Sue Foley und Keb‘ Mo‘, um nur einige zu nennen. Seit einem Vierteljahrhundert ist Linden als Mitglied von Blackie And The Rodeo Kings aktiv. Mit der Band und auch als Solokünstler heimste er einige Nominierungen und Trophäen der Juno Awards und einen Grammy ein. Unter seinem eigenen Namen liegt nun der vierzehnte Longplayer „bLOW“ vor. (Und nein, mir ist kein Fehler mit der Umstelltaste unterlaufen.)

Auf ihm widmet sich Linden dem Electric Blues, bei dem die E-Gitarren im Vordergrund stehen. Die Stücke orientieren sich teilweise an klassischen Größen wie Bo Diddley („4 Cars“) oder John Lee Hooker („Boogie Let Me Be“), wobei sie modern und zeitgemäß wirken. Aber auch aktuelle Anlässe bilden die Grundlage seiner Songs. Mit dem Titeltrack „Blow“ (diesmal in der konventionelle Schreibweise gelistet) greift er auf seine Erlebnisse während eines Tornados zurück. Schwere Stürme suchen Amerika in den letzten Jahren ja regelmäßig heim. Den Lockdown während der Pandemie bearbeitet Linden auf „Honey On My Tongue“.

Der Bluesrock dominiert die Scheibe. Dabei lässt Linden die Gitarrensaiten ausgiebig vibrieren. „Ain’t No Shame“ ist so ein gitarrengetriebener Beitrag. Daneben setzt er auch gerne die Hammond-B3-Orgel ein wie bei dem mit einem melodiösen Refrain versehenen „When I Get To Galilee“. Ein Piano klimpert auf „Angel Next To Me“ im Hintergrund und bringt so nochmal eine neue Note in den Sound. Linden groovt mal locker („Until The Heat Leaves Town“), mal etwas dunkler – beispielsweise bei dem Roadhouse Blues „Houston”. Straight forward geht „Right Shoe Wrong Foot“, allerdings deutlich erdiger als die anderen Songs, da den kratzigen und expressiven Gitarren weniger Raum gegeben wird. Ganz anders ist da „Change Don’t Come Without Pain“. Hier zelebriert Linden den Blues in Reinform über sieben Minuten und schöpft die Möglichkeiten der elektrischen Gitarre aus.

Linden zeigt eine gewisse Affinität zu Film und Fernsehen. Beim Soundtrack für „O Brother Where Are Thou“ wirkte er ebenso mit wie bei der Fernsehserie „Nashville”. Für ein weiteres Fernsehprojekt, nahm er einige Stücke auf, die dann den Grundstock für „bLOW“ legten. Den Gedanken, ein elektrifiziertes Bluesrock-Album zu machen, trägt Linden schon lange mit sich herum – vielleicht schon seit 1982, dem Jahr aus dem das Foto stammt, das das Cover ziert. Nun war wohl die richtige Zeit für die Realisation des Projekts gekommen, zumal der Longplayer als erste Veröffentlichung auf dem neuen Label Imprint von Lucinda Williams erscheint.

Colin Linden setzt mit „bLOW“ ein lang gehegtes Vorhaben in die Tat um. Er stellt ein kraftvolles Bluesrock-Album vor, das einerseits als Hommage an die Urväter des Blues verstanden werden kann, andererseits bewegt es sich auf der Höhe der Zeit. Seine Erfahrungen ausspielend und mit viel Energie aufspielend unternimmt er einen Streifzug durch die Facetten des Genres. Dabei lässt er nichts anbrennen.

Zuletzt kann das Geheimnis um den Albumtitel noch gelüftet werden: Die Schreibweise geht auf Lindens kleinen Neffen zurück, als dieser einen Entwurf für ein Cover zeichnete.

Highway 20 – Thirty Tigers (2021)
Stil: Blues Rock

Tracks:
01. 4 Cars
02. Ain’t No Shame
03. Until The Heat Leaves Town
04. Angel Next To Me
05. Boogie Let Me Be
06. When I Get To Galilee
07. Blow
08. Change Don’t Come Without Pain
09. Right Shoe Wrong Foot
10. Houston
11. Honey On My Tongue

Colin Linden
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