Various Artists – Stoned Cold Country. A 60th Anniversary Tribute Album to The Rolling Stones – CD-Review

Review: Michael Segets

2022 jährte sich die Gründung der Rolling Stones zum sechzigsten Mal. Anlässlich dieses Jubiläums findet sich auf „Stoned Cold Country“ das Who-Is-Who des Country ein, um sich vor der legendären Band zu verneigen. Viele Songs der Stones sind in das kulturelle Bewusstsein eingegangen und gehören zur Sozialisation dazu, egal welche Musikrichtung man favorisiert.

Die Stones prägten nicht ausschließlich den Rock, sondern strahlten mit ihrem Werk in weitere Bereiche der populären Musik aus. Produzent Robert Deaton verfolgte daher die Idee, eine Hommage aus Sicht des Country auf die Beine zu stellen. Dafür versammelte er gestandene und aufstrebende Musikerinnen und Musiker der Szene, die nun mit ihren eigenen Versionen von Stones-Klassikern auf „Stoned Cold Country“ vertreten sind.

Vielleicht überrascht es auf den ersten Blick, dass bei einem Tribute zum Sechzigsten nicht die gesamte Schaffenszeit bei der Songauswahl berücksichtigt wurde. Die neu interpretierten Titel decken lediglich eine Periode von eineinhalb Dekaden ab. Stimmig gewählt ist der Opener des Samplers „(I Can’t Get No) Satisfaction“ – performt von Ashley McBryde – als erster Nummer-1-Hit der Stones in den USA, dem Heimatland des Country. Der Track aus dem Jahr 1965 stellt zugleich das älteste Stück dar, das für den Longplayer ausgewählt wurde. „Miss You“ (1978) ist das jüngste, das von Jimmy Allen gesungen wird.

Das Konzept des Jubiläumsalbums erhebt also nicht den Anspruch einer repräsentativen Werkschau der Stones durch die Brille des Country, sondern verfolgt die Idee, dass die jeweiligen Musiker die Titel aussuchen, die für sie besondere Bedeutung besitzen. Dass dabei überwiegend die Wahl auf die Klassiker der Rolling Stones fiel, verwundert dann schließlich doch nicht. Zugleich wird deutlich, dass die Band vor allem in den sechziger und siebziger Jahren Maßstäbe setzte, die bis heute nachwirken. Ihre Songs dieser Zeit üben einen weitaus größeren Einfluss auf nachfolgende Musikergenerationen aus als die späteren Werke. Besonderen Nachhall findet „Sticky Fingers“ (1971) auf dem Tibute. Marcus King wählt von der Scheibe die aufgekratzte Nummer „Can`t You Hear Me Knocking“, Maren Morris und Little Big Town die Balladen „Dead Flowers“ beziehungsweise „Wild Horses“.

Die Versionen auf der Compilation orientieren sich deutlich an den Originalen, die stets sofort wiederzuerkennen sind. Es wird nicht krampfhaft versucht, die Songs völlig neu zu erfinden. Stattdessen covern die Musiker die Klassiker mit ihren Mitteln und in ihrem Stil. Insgesamt hört man natürlich mehr Slide, Geige oder Mandoline, sodass die Song vom Classic Rock in den Roots Rock übertragen werden.

Newcomer Elvie Shane liefert eine beeindruckende Version von „Sympathy For The Devil“ ab. Weiterhin finden sich eine Handvoll Musiker, die noch nicht in der Interpretenskala von SoS auftauchen. Zu diesen gehört auch Koe Wetzel, der mit „Shine A Light“ das Album beschließt. Zu den weniger bekannten Interpreten zählt The War And Treaty, die zusammen mit den Brothers Osborne die erste Single „It’s Only Rock ’N‘ Roll (But I Like It)“ bestreiten. Vielleicht überrascht die Beteiligung von Elle King („Tumbling Dice“). Ihre ersten Single-Erfolge sind ja nicht unbedingt dem Country zuzuordnen, allerdings zeigt sie mit ihrem aktuellen Longplayer „Come Get Your Wife“ eine beachtenswerte Wendung zum New Country.

Eher zu erwarten war die Mitwirkung von Steve Earle („Angie“). Earle mischt ja gerne bei Tribute-Alben mit, beispielsweise bei denen für Billy Joe Shaver oder Neal Casal. Dabei sind seine Beiträge stets hörenswert. Darüber hinaus finden sich weitere alte Bekannte wie Brooks & Dunn („Honky Tonk Women“) und Eric Church („Gimme Shelter“) für die Zusammenstellung ein.

Da die Qualität der musikalischen Interpretationen durchweg hoch ist, erscheint es unangemessen, einzelne besonders hervorzuheben. Dennoch sei auf die Titel der Zac Brown Band und von Lainey Wilson hingewiesen. Die Version von „Paint It Black“ der Zac Brown Band übertrifft in meinen Ohren das Original. Lainey Wilson gewinnt „You Can’t Always Get What You Want“ eine neue, wunderbar ausgewogene Facette ab.

Eine beachtliche Riege von Country-Musikerinnen und -Musikern nimmt sich den Hits der Rolling Stones aus den sechziger und siebziger Jahren an. Solche Klassiker zu interpretieren, stellt eine Herausforderung dar, die sämtliche Beiträge meistern. Den Musikern gelingen eigenständige Versionen, bei denen der Respekt vor dem Original mitschwingt. Mit genretypischer Instrumentalisierung und erdigem Sound entsteht so eine Hommage, die die Stones-Songs in den Roots Rock transformiert.

Erstklassige Songs und erstklassige Musikerinnen und Musiker – was soll da auf „Stoned Cold Country“ schon schiefgehen? Die Interpreten aus der Country-Szene beweisen, dass sie rocken können. So bleibt das Tribute-Album vielleicht nicht nur eine Retroperspektive und Verneigung vor den Rolling Stones, sondern gibt ihnen einen Impuls, auch zukünftig die Verbindung von Rock und Country zu suchen.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: New Country / Roots Rock 

Tracks:
01. (I Can’t Get No) Satisfaction – Ashley McBryde
02. Honky Tonk Women – Brooks & Dunn
03. Dead Flowers – Maren Morris
04. It’s Only Rock ’N’ Roll (But I Like It) – Brothers Osborne & The War And Treaty
05. Miss You – Jimmy Allen
06. Tumbling Dice – Elle King
07. Can’t You Hear Me Knocking – Marcus King
08. Wild Horses – Little Big Town
09. Paint It Black – Zac Brown Band
10. You Can’t Get Always What You Want – Lainey Wilson
11. Sympathy For The Devil – Elvie Shane
12. Angie – Steve Earle
13. Gimme Shelter – Eric Church
14. Shine A Light – Koe Wetzel

New West Records
Redeye Worldwide
New West Records
Bertus
Oktober Promotion

Various Artists – Live Forever – A Tribute To Billy Joe Shaver – CD-Review

Review: Michael Segets

2020 verstarb Billy Joe Shaver mit 81 Jahren. Über fünf Dekaden hinweg veröffentlichte er Alben, aber breite Anerkennung fand er erst im Rentenalter. Dabei hatte er bereits in den 1970ern Hits für Waylon Jennings geschrieben und auch andere Größen des Musikbusiness wie Elvis Presley, Bob Dylan, Johnny Cash, Kris Kristofferson oder Emmylou Harris nahmen seine Stücke auf.

Der texanische Songwriter prägte den Outlaw Country und so ist es nur folgerichtig, dass es sich namhafte Künstler auf dem Tribute finden, die diesem Subgenre besonders zugeneigt sind. Shavers Songwriting dient aber auch Musikern anderer Spielrichtungen des Genres immer noch als Inspirationsquelle. „Live Forever“ kann als ehrgeiziges Programm gelten, aber Shaver hat seine Spuren hinterlassen, denen die Musiker auf dem Tribute gerne folgen.

Willie Nelson ist gleich mit zwei Beiträgen vertreten. „Live Forever“, der wohl bekannteste Titel von Shaver, wird von ihm im Duett mit Lucinda Williams gesungen und eröffnet das Album. Später folgt noch das flotte „Georgia On A Fast Train“. Während Nelson zu den Urgesteinen gehört, ist mit Steve Earle ein Outlaw der zweiten Generation vertreten. „Ain’t No God In Mexico“ wird von ihm in seiner unverwechselbaren Art performt.

Rodney Crowell und George Strait sind ebenso renomiert, stammen aber aus einer anderen Ecke des Genre. Crowell steuert die reduziert begleitete Ballade „Old Five And Dimers Like Me“ bei. Strait setzt bei dem traditionsverbundenen „Willy The Wandering Gypsy And Me“ ebenfalls auf eine dezente Instrumentalisierung. Neben den bereits angegrauten Recken findet sich eine Riege von jüngeren, aber ebenfalls etablierten Musikern der Szene ein. Nathaniel Rateliff schunkelt mit dem von Waylon Jennings mitverfassten „You Asked Me To“ gemächlich über die Prairie und Miranda Lambert behauptet beschwingt „I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday)”.

Ausgewogen ist die circa hälftige Verteilung von Sängerinnen und Sängern. Edie Brickell („I Couldn’t Be Me Without You“) sowie Allison Russell („Tramp On Your Street”) spiegeln mit ihren gefühlvollen Interpretationen den balladesken Grundtenor des Samplers wider. In diesen passt sich ebenso „Ragged Old Truck“ von Margo Price und Joshua Hedley ein.

Charlie Sexton, Co-Produzent des Albums, begleitet mehrere Songs mit seinen Künsten an der Gitarre. Jason Isbell übernimmt diesen Part bei seiner Frau Amanda Shires. Shires‘ Version des Klassikers „Honky Tonk Heroes“ zählt zu den schwungvolleren Tracks auf dem Tribute. Getoppt wird er noch von dem rauen und kraftvollen „Ride Me Down Easy“, bei dem sich Ryan Bingham und Nikki Lane richtig ins Zeug legen.

Die Hommage an Billy Joe Shaver ist als Mehrgenerationen-Projekt angelegt. Von Willie Nelson über Steve Earle bis hin zu Nikki Lane reicht die Bandbreite der Vertreter des Outlaw Country, die den Songs von Shaver eine Stimme geben. Die Interpretationen auf dem Sampler „Live Forever“ geben einen umfassenden Eindruck, wie Shavers Songs nachwirken und bis heute Country-Musiker sämtlicher Stilrichtungen inspirieren.

New West Records – Redeye/Bertus (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Live Forever – Willie Nelson feat. Lucinda Williams
02. Ride Me Down Easy – Ryan Bingham feat. Nikki Lane
03. Old Five And Dimers Like Me – Rodney Crowell
04. I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday) – Miranda Lambert
05. I Couldn’t Be Me Without You – Edie Brickell
06. You Asked Me To – Nathaniel Rateliff
07. Willy The Wandering Gypsy And Me – George Strait
08. Honky Tonk Heroes – Amanda Shires feat. Jason Isbell
09. Ain’t No God In Mexico – Steve Earle
10. Ragged Old Truck – Marco Price feat. Joshua Hedley
11. Georgia On A Fast Train – Willie Nelson
12. Tramp On Your Street – Allison Russell

New West Records
Redeye Worldwide
Bertus