Buddy & Julie Miller – In The Throes – CD-Review

Review: Michael Segets

Wenn ich anfangen würde, die Musiker aufzuzählen mit denen Buddy Miller im Laufe seiner Karriere zusammengearbeitet hat, dann müsste ich eine lange Reihe von Verlinkungen zu der Interpretenliste von SoS einfügen. Ich beschränke mich daher auf zwei kurze Hinweise: sein Mitwirken auf der aktuellen Scheibe von Lucinda Williams sowie auf Jim Lauderdale, mit dem er einen gemeinsamen Longplayer aufnahm. Die Veröffentlichung seines sechsten und bislang letzten eigenen Studioalbums liegt allerdings schon ein Dutzend Jahre zurück.

Seine Ehefrau Julie brachte eine Vielzahl von Longplayern heraus und kollaborierte mehrfach mit Patty Griffin und Größen wie John Hiatt oder Shawn Colvin. Sowohl Buddy als auch Julie sind also in der Songwriter-Szene fest verhaftet. Seit Anfang der 2000er treten die Millers als Paar in Erscheinung und scheinen sich mittlerweile auf gemeinsame Werke zu konzentrieren.

Die Songs auf „In The Throes“ schrieb Julie in einem Rutsch. Einzig „Don’t Make Her Cry“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bob Dylan und Regina McCrary, dem sie den letzten Schliff mitgab. Das Ehepaar teilt sich die Gesangparts auf der CD. Die Stimme von Julie schmeichelt sich nicht unmittelbar ein, während Buddys Gesang den Songs einen weicheren Touch mitgibt. Gerade vom Zusammenklang der beiden leben die Stücke, wie beispielsweise das herausragende „Niccolo“.

Harmonisch wirken die ruhigen Tracks, bei denen Buddys Gesang im Vordergrund steht. Neben dem bereits erwähnten „Don’t Make Her Cry“ fallen „Tattooed Tear“ und „I’ll Never Live It Down“ in diese Kategorie. Alle drei Titel sind schöne Balladen, die markanteren Beiträge stellen aber die Tracks dar, auf denen Julie die Lead Voices übernimmt. So bekommt der Opener „You’re My Thrill“ eine leicht angeschrägte Note, die ihn unverwechselbar macht. In Sachen Expressivität legt das rockige Titelstück noch eine Schippe drauf. Stark ist zudem „The Painkillers Ain’t Workin‘“, bei dem Julies Stimme ebenfalls dominiert. Gurf Morlix tritt hier als Gastmusiker auf.

Einhören muss man sich bei dem bluesigen „I Been Around“, das fast schon psychodelische Züge trägt. Eingängig ist hingegen das mehrstimmig angelegte „We’re Leavin‘“ mit Stuart Duncan an der Geige. Der Refrain lädt zum Mitsingen ein, wenn man sich an dem religiös angehauchten Text nicht stört.

Emmylou Harris gibt sich bei „The Last Bridge You Will Cross“ die Ehre. Das Cello von Matt Slocum unterstreicht die getragene Stimmung der Ode an den 2020 verstorbenen Bürgerrechtler John Lewis, dem bereits Willie Nile auf „The Day The Earth Stood Still“ ein musikalisches Denkmal setzte. Die Themen der anderen Songs drehen sich zumeist um Freude und Frustration in einer Beziehung. Wer wie die Millers seit über dreißig Jahren verheiratet ist, wird davon wohl selbst ein Lied singen können. Schön ist, wenn nach dieser Zeit noch ein gegenseitiges „I Love You“ ausgesprochen wird.

Das Gemeinschaftsprojekt von Buddy und Julie Miller „In The Throes“ zeigt erneut, wie gut das Ehepaar harmoniert. Julie liefert das Songmaterial, Buddy arrangiert es kongenial. Ihr Gesang steuert expressive Töne bei, seiner stellt einen ausgeleichenden Gegenpol dar. Dabei kommt eine spannende Mischung zwischen progressiven und traditionsverbundenem Americana heraus. In diesem Genre sichern sich die Millers mit „In The Throes“ einen Platz auf der Bestenliste 2023.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. You’re My Thrill
02. In The Throes
03. Don’t Make Her Cry
04. Niccolo
05. I Love You
06. The Last Bridge You Will Cross
07. The Painkillers Don’t Workin’
08. Tattooed Rose
09. I Been Around
10. I’ll Never Live It Down
11. We’re Leavin’
12. Oh Shout

Buddy & Julie Miller
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Richard Bargel – Dead Slow Stampede – CD-Review

Review: Michael Segets

Beim ersten Blick auf das Digi-Pack der CD von Richard Bargel gingen mir spontan zwei Dinge durch den Kopf. Bei dem einen Gedanken wundere ich mich über mich selbst, da ich ihn vor zwei Jahren noch nicht gehabt hätte: Auf dem Cover sieht man Bargel, einen älteren weißen Mann mit geflochtenen Zöpfen. Ist das eine Rasta-Frisur? Ist das politisch korrekt oder kulturelle Aneignung? Ich mische mich in die Diskussion nicht ein, sondern konzentriere mich auf die Musik, auf die es hier ja letztlich ankommt.

Bevor ich das tue, aber noch schnell zu meinem zweiten Gedanken: Toll, dass CDs mit einer solchen Ausstattung noch produziert werden! Die aufwendige Gestaltung des Digi-Packs ist sehr gelungen. Wie schon bei „Missing Pieces“ von Henrik Freischlader liegt für jeden Track ein doppelseitig bedrucktes Einzelblatt bei, auf dem sich die jeweiligen Texte finden. Ergänzt werden diese durch Fotos, Credits und Liner Notes.

Fabio Nettekoven verfasste die Liner Notes, in denen er auf seine langjährige Kollaboration mit Richard Bargel zurückblickt. Nettekoven komponierte zwei Stücke mit, arrangierte einige neu und produzierte den Longplayer, der auf seinem neu gegründeten Label Clementine Music erschien. Mit dem Album, das ebenfalls in zwei Vinyl-Versionen erhältlich ist, gelingt der jungen Firma ein formidabler Start.

Bargel, der sich auch als Schauspieler, als Literat und neuerdings als Fotograf betätigt, ist seit den 1970ern fester Bestandteil der deutschen Bluesszene. Seine Werke wurde mehrere Male im Rahmen der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet oder standen auf der Nominierungsliste. Bekanntheit erlangte er darüber hinaus durch die Moderation der Veranstaltungsreihe „Talking Blues“, lokalisiert in Bargels Wahlheimat Köln.

Während seiner Karriere arbeitete er mit diversen Musikern zusammen, so beispielsweise mit Little Willie Littlefield oder Klaus Heuser (BAP). Vor zehn Jahren gründete Bargel das Bandprojekt Dead Slow Stampede. Das nun vorliegende Album spielte er zusammen mit Nettekoven (Gitarre, Keys), Geert Roelofs (Schlagzeug) und Jo Didderen (Bass) ein. Neben dem Blues wendet sich das Quartett auch anderen Musikrichtungen zu. „One Way Ticket“ sowie „The Family“ sind eher im Americana zu verorten, „Risk And Chances“ im Roots Rock. Einen Ausflug in den Country unternehmen Bargel und seine Mitstreiter bei „I Go Blue”. Mit Wurlitzer und Pedal Steel wirkt auch „Heart Shine Girl“ countryfiziert. In Richtung Swing geht „I Will Die For You“.

Bargel und Dead Slow Stampede zeigen also eine große musikalische Bandbreite, bei denen das erdige Arrangement überzeugt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Blues. Einzelne Tracks erinnern dabei an Gurf Morlix oder Tom Waits („Grizzly Bear“). Die Songs drehen sich um Liebesbeziehungen („What A Fool I Am“), die Pandemie („Break The Chain“) oder allgemein um das Leiden an der Welt („Time For Mr. Blues“). Standhaftigkeit und das Rückgrat, eigene Fehler einzugestehen, erweisen sich in den Texten als das adäquate Mittel, um den Widernissen des Lebens zu begegnen. Eigenverantwortung statt Fatalismus! So könnte die die Songs durchziehende Botschaft lauten.

Richard Bargel, ein Urgestein des Blues made in Germany, überschreitet mit „Dead Slow Stampede“ Genregrenzen. Dabei wird deutlich, dass Roots Music weniger eine Frage der Nationalität ist, sondern eher eine des Lebensgefühls. Inhaltlich authentisch und musikalisch auf den Punkt produziert lässt das aufwendig gestaltete Album kaum einen Wunsch offen.

Clementine Music – Timezone Records (2022)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. One Way Ticket
02. Risk And Chances
03. I Go Blue
04. Break The Chain
05. Heart Shine Girl
06. Grizzly Bear
07. I Will Die For You
08. What A Fool I Am
09. The Family
10. Time For Mr. Blues

Richard Bargel
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Clementine Music