Richard Bargel – Dead Slow Stampede – CD-Review

Review: Michael Segets

Beim ersten Blick auf das Digi-Pack der CD von Richard Bargel gingen mir spontan zwei Dinge durch den Kopf. Bei dem einen Gedanken wundere ich mich über mich selbst, da ich ihn vor zwei Jahren noch nicht gehabt hätte: Auf dem Cover sieht man Bargel, einen älteren weißen Mann mit geflochtenen Zöpfen. Ist das eine Rasta-Frisur? Ist das politisch korrekt oder kulturelle Aneignung? Ich mische mich in die Diskussion nicht ein, sondern konzentriere mich auf die Musik, auf die es hier ja letztlich ankommt.

Bevor ich das tue, aber noch schnell zu meinem zweiten Gedanken: Toll, dass CDs mit einer solchen Ausstattung noch produziert werden! Die aufwendige Gestaltung des Digi-Packs ist sehr gelungen. Wie schon bei „Missing Pieces“ von Henrik Freischlader liegt für jeden Track ein doppelseitig bedrucktes Einzelblatt bei, auf dem sich die jeweiligen Texte finden. Ergänzt werden diese durch Fotos, Credits und Liner Notes.

Fabio Nettekoven verfasste die Liner Notes, in denen er auf seine langjährige Kollaboration mit Richard Bargel zurückblickt. Nettekoven komponierte zwei Stücke mit, arrangierte einige neu und produzierte den Longplayer, der auf seinem neu gegründeten Label Clementine Music erschien. Mit dem Album, das ebenfalls in zwei Vinyl-Versionen erhältlich ist, gelingt der jungen Firma ein formidabler Start.

Bargel, der sich auch als Schauspieler, als Literat und neuerdings als Fotograf betätigt, ist seit den 1970ern fester Bestandteil der deutschen Bluesszene. Seine Werke wurde mehrere Male im Rahmen der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet oder standen auf der Nominierungsliste. Bekanntheit erlangte er darüber hinaus durch die Moderation der Veranstaltungsreihe „Talking Blues“, lokalisiert in Bargels Wahlheimat Köln.

Während seiner Karriere arbeitete er mit diversen Musikern zusammen, so beispielsweise mit Little Willie Littlefield oder Klaus Heuser (BAP). Vor zehn Jahren gründete Bargel das Bandprojekt Dead Slow Stampede. Das nun vorliegende Album spielte er zusammen mit Nettekoven (Gitarre, Keys), Geert Roelofs (Schlagzeug) und Jo Didderen (Bass) ein. Neben dem Blues wendet sich das Quartett auch anderen Musikrichtungen zu. „One Way Ticket“ sowie „The Family“ sind eher im Americana zu verorten, „Risk And Chances“ im Roots Rock. Einen Ausflug in den Country unternehmen Bargel und seine Mitstreiter bei „I Go Blue”. Mit Wurlitzer und Pedal Steel wirkt auch „Heart Shine Girl“ countryfiziert. In Richtung Swing geht „I Will Die For You“.

Bargel und Dead Slow Stampede zeigen also eine große musikalische Bandbreite, bei denen das erdige Arrangement überzeugt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Blues. Einzelne Tracks erinnern dabei an Gurf Morlix oder Tom Waits („Grizzly Bear“). Die Songs drehen sich um Liebesbeziehungen („What A Fool I Am“), die Pandemie („Break The Chain“) oder allgemein um das Leiden an der Welt („Time For Mr. Blues“). Standhaftigkeit und das Rückgrat, eigene Fehler einzugestehen, erweisen sich in den Texten als das adäquate Mittel, um den Widernissen des Lebens zu begegnen. Eigenverantwortung statt Fatalismus! So könnte die die Songs durchziehende Botschaft lauten.

Richard Bargel, ein Urgestein des Blues made in Germany, überschreitet mit „Dead Slow Stampede“ Genregrenzen. Dabei wird deutlich, dass Roots Music weniger eine Frage der Nationalität ist, sondern eher eine des Lebensgefühls. Inhaltlich authentisch und musikalisch auf den Punkt produziert lässt das aufwendig gestaltete Album kaum einen Wunsch offen.

Clementine Music – Timezone Records (2022)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. One Way Ticket
02. Risk And Chances
03. I Go Blue
04. Break The Chain
05. Heart Shine Girl
06. Grizzly Bear
07. I Will Die For You
08. What A Fool I Am
09. The Family
10. Time For Mr. Blues

Richard Bargel
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