Bart Ryan – Messenger – CD-Review

Review: Michael Segets

Bart Ryan machte sich einen Namen als Produzent, Film- und Sessionmusiker in Nashville. Auf seinem bisherigen Solo-Output, einer EP und fünf Longplayern, widmet er sich hauptsächlich dem Rock beziehungsweise dem Blues Rock. Mit „Messenger“ schlägt er nun einen anderen Weg ein. Die Stücke sind akustisch gehalten und changieren zwischen Blues und Americana.

Ryan geht aber auch hier nicht puristisch vor, sondern setzt weiterhin auf die Bandbegleitung und lässt seine Fähigkeiten an den Saiten freien Lauf. Dabei ist Ryans Arbeit an der Gitarre nie aufdringlich oder ausufernd, sondern setzt immer wieder Akzente, die sich in die Songs einpassen. Lap Steel, Dobro, Resonator erzeugen einen Sound, der durchgängig erdig wirkt. Die neue Richtung wird bei dem veränderten Arrangement von bereits bekannten Songs augen- beziehungsweise ohrenfällig. Die ursprünglichen Versionen des rockigen „Healer“ und des souligen „Wanna Be“, diesmal ohne Bläser, finden sich auf der vorherigen Scheibe „Starlight And Tall Tales“ (2020). Neu interpretiert wird zudem „One World“, das von „Temptation“ (2009) stammt.

Die restlichen sieben Tracks dürften aktuelle Kompositionen sein, sofern ich das richtig im Blick habe. Das Album beginnt folkig mit „All Go Home“, einem rhythmisch interessanten Track mit eingängigen Chorus, der mit harmonischen Backgroundgesang unterlegt ist. Nach dem gelungenen Einstieg folgt die flotte Fabel „Balled Of The Lizard And The Frog“. Der witzige Song stellt einen Seitenhieb auf einen US-amerikanischen Ex-Präsidenten dar, beispielsweise indem er dessen Parole umformuliert: Let’s make the swamp great again.

Im weiteren Verlauf des Longplayers dominieren Stücke im gemäßigten Tempo, denen Ryan eine Bluesnote mitgibt. „I Am A King“, „Who Do You Think You Are“ und „Stronger Still“ fallen in diese Kategorie. Vor allem der letztgenannte Titel ist atmosphärisch dicht und lädt zum mitträumen ein. Er erinnert an die US Rails – dort besonders an die Beiträge von Ben Arnold. Daneben liefert Ryan ein paar schnellere Nummern ab. Das mittig platzierte „Street Corner Angel“ lockert den Longplayer zum richtigen Zeitpunkt auf. Mit „Working On A Dream“ groovt Ryan zum Abschluss, sodass ein positiver Gesamteindruck des Werks haften bleibt.

Bart Ryan verändert auf „Messenger“ seinen bisherigen Sound. Das Album bietet mit neuen und bereits in anderen Versionen veröffentlichten Titeln handgemachten Blues und Americana ohne große Schnörkel. Das Songwriting bewegt sich zwischen unaufgeregten, bluesinfiltrierten Tracks und gemäßigtem Folkrock. Auf dem insgesamt homogenen Album stechen „Stronger Still“ als stimmungsvolle Introspektion sowie „Balled Of The Lizard And The Frog“ als politisches Statement hervor.

Im April und Mai tourt Ryan durch Frankreich, Dänemark, Deutschland und die Niederlande.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Americana/Blues

Tracks:
01. All Go Home
02. Balled Of The Lizard And The Frog
03. Healer
04. I Am A King
05. One World
06. Street Corner Angel
07. Stronger Still
08. Wanna Be
09. Who Do You Think You Are
10. Working On A Dream

Bart Ryan
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US Rails – Live For Another Day – CD-Review

Review: Michael Segets

Wer hätte 2010 gedacht, dass die US Rails ein so langlebiges Bandprojekt von Ben Arnold, Scott Bricklin, Tom Gillam und Matt Muir werden? Und wer hätte gedacht, dass die US Rails noch besser werden? Schon bei dem vorangegangenen „Mile By Mile“ (2020) zeichnete sich ab, dass die Band vermehrt rockige Töne anschlägt. Diesen Trend setzt sie auf „Live For Another Day“ fort, ohne die melodiöse Seite bei ihren Songs zu vernachlässigen.

Oftmals lösen sich die Bands, die aus mehreren gestandenen Solomusikern bestehen, nach zwei oder drei Alben wieder auf. Der bisherige Output der US-Rails bewegt sich mittlerweile im zweistelligen Bereich. Dieser Umstand deutet bereits darauf hin, dass die Musiker die US Rails nicht als Side-Projekt ansehen, sondern quasi nebenher ihre Solokarrieren verfolgen. Lediglich Gründungsmitglied Joseph Parsons verließ die Band und setzte andere musikalische Schwerpunkte.

Vor allem die Live-Präsenz der US Rails in Europa ist deutlich höher als die der einzelnen Bandmitglieder. Von den Tourneen 2016 und 2018 berichtete SoS aus dem Karo in Wesel. Die für 2020 geplanten Konzerte fielen dann aus den bekannten Gründen ins Wasser. Die Freude der Akteure zusammen auf der Bühne zu stehen, ist bei den Auftritten zu spüren, sodass es nicht wundert, dass die US Rails – nachdem die Live-Vorstellung des Albums „Mile After Mile“ pandemiebedingt ausfiel – nun wieder intensiv loslegen.

Zwischen Februar und April gastieren sie mit fast vierzig Shows in Europa. Die obligatorische Station im Karo (20.03.2023) ist selbstredend eingeplant. Ansonsten sind der Niederrhein und das Ruhrgebiet als SoS-Kerngebiet, abgesehen von zwei privaten Veranstaltungen, leicht unterrepräsentiert. Aber auch längere Anfahrten sollten in Kauf genommen werden, um die Band zu sehen. Vor allem das Material der letzten beiden CDs verspricht mitreißende Konzertabende.

Die Besonderheit der US Rails besteht darin, dass es keinen Bandleader gibt. Sowohl das Songwriting als auch der Leadgesang verteilen sich gleichmäßig auf Arnold, Bricklin und Gillam. Jeder steuert drei Tracks zu „Live For Another Day” bei. Muir setzt meist nur einzelne Akzente mit seinen Eigenkompositionen, so auch auf der neuen Scheibe mit dem straighten „Walk Away“. Der Drummer übernahm allerdings die Tontechnik und Abmischung. Der Teamgeist zeigt sich ebenfalls in den typischen, ausgiebigen Harmoniegesängen, die sicherlich zu einem zentralen Erkennungsmerkmal der Band gehören.

Arnold eröffnet mit dem Titeltrack das Album und beschließt es mit „End Of Time“. Auf den beiden im mittleren Tempobereich angesiedelten Stücken kommt Arnolds Gesang voll zur Geltung. Seine markante, von denen seiner Mitstreiter gut zu unterscheidende Stimme prägt auch das soulige „No Better Love“. An den Keys setzt Arnold zudem bei manch anderem Stück Akzente.

Bricklin legt seine drei Songs unterschiedlich an. „Can’t Let It Go“ wird bei der Ankündigung der Veröffentlichung durch Blue Rose Records in die Nähe der Hooters gerückt. Tatsächlich sind Parallelen zu hören. Bricklin, seines Zeichens Bassist der Band, greift hier zur Mandoline. Die gefühlvolle Ballade „What Did I Do” überzeugt auf ganzer Linie. Gillam unterlegt den ruhigen Song im richtigen Maß mit seiner Slide-Gitarre. Weiterhin steuert Bricklin („Lay Your Head On Me”) – ebenso wie Gillam („Feels Like A Heartache”) – eine eingängige Midtempo-Nummer dem Longplayer bei.

Gillam vertritt meist die stärker am Rock orientierten Tracks auf den Alben. Auch diesmal liefert er mit dem gradlinigen Rock’n Roll „The Road To Hell” sowie dem besonders starken „Too Much Is Never Enough“ erneut in dieser Richtung ab. Beim letztgenannten Stück schwingt vielleicht etwas von den Georgia Satellites mit. Jedenfalls hat Gillam einen wunderbaren, runden Song geschaffen, der Genreklassikern in nichts nachsteht.

Die US Rails stecken die Corona-Unterbrechung locker weg. Mit frischen Songs melden sie sich zurück. Unverändert besinnt sich die Band auf ihre Stärken als Team. Der Wechsel der Leadsänger und Songwriter sorgen wie gewohnt für Abwechslung. Dabei wirkt „Live For Another Day“ homogener und noch stimmiger als die vorangegangenen Alben. Die Songs ergänzen sich hervorragend, ohne dass sich ein Schwachpunkt ausmachen ließe.

Blue Rose Records (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Live For Another Day
02. Can’t Let It Go
03. Too Much Is Never Enough
04. Walk Away
05. What Did I Do
06. No Better Love
07. Feels Like A Heartache
08. Lay Your Head On Me
09. The Road To Hell
10. End Of Time

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Blue Rose Records

Joseph Parsons – Holy Loneliness Divine – CD-Review

Review: Michael Segets

Joseph Parsons ist ein Teamplayer, der seine musikalische Kreativität gerne in Kollaborationen einbringt. So begründete er Hardpan, die US Rails und 4 Way Street oder war als Duo Parsons Thibaud mit Todd Thibaud (Water And Sand) produktiv. Mit seiner Begleitband, die sich aus Ross Bellenoit, Freddi Lubitz und Sven Hansen zusammensetzt, legt er nun sein fünfzehntes Album unter seinem Namen vor. Seit dem Doppelalbum „Slaughterhouse Live“ (2009) zählen die drei Mitstreiter zum harten Kern von Parsons‘ Touren und Studioaufnahmen. „Holy Loneliness Divine” ist der letzte Longplayer, der in dieser Konstellation eingespielt wurde. Die Bandmitglieder wollen neue Wege einschlagen und andere Projekte angehen.

Der nun vorliegende Abschluss dieser musikalischen Phase sollte ein ganz besonderer werden, der den charakteristischen Sound früherer Alben weiterhin einfängt und ihn zudem auf eine neue Stufe hebt. In den letzten Jahren habe ich Parsons‘ Veröffentlichungen nicht kontinuierlich verfolgt, zuletzt drehte sich „Digging For Rays“ (2018) in meinem CD-Player. Eine umfassende Einordnung, inwieweit dieser Anspruch eingelöst wurde, kann ich also nicht leisten. Festhalten kann ich aber mit Blick auf die mir bekannten Werke, dass „Holy Loneliness Divine” sein in der Gesamtheit bestes Album der vergangenen Dekade darstellt.

Parson spielt seine Stärke als Songwriter aus. Mit Ausnahme von „My My Caroline“, das er gemeinsam mit Ben Arnold (US Rails) verfasste, stammen alle Stücke alleinig aus seiner Feder. Die melodiösen Songs werden durch Parsons‘ markante Stimme getragen, mit der er seine poetischen Texte vorträgt. Die Lyrics sind introspektiv, berühren aber allgemeingültige Themen. Einzig „Bookshop Mary“ ist in der dritten Person verfasst. Der Track gehört zu den Highlights des Longplayers. Anders als bei früheren Stücken, setzt Parson hier auf einen deutlich abgehoben und eingängigen Refrain. Diesem ist auch der Titel des Albums entnommen.

„Dreams We Dare“ hat ebenfalls einen auffälligen Chorus, dessen Besonderheit darin liegt, dass er durch einen mehrstimmigen Background vervollständigt wird. Die Variabilität der von Parson geschaffenen Songstrukturen tritt vor allem auch bei „Daring To Fall“ mit seiner effektvollen Bridge zutage. Die Arrangements erzeugen einen vollen, komplexen Sound, dabei sind sie nicht überladen und stehen im Dienst der Songs, die ihre Linie nicht verlieren. Während nach meinem Geschmack bei dem Album aus dem Jahr 2018 manche Schlenker in der Produktion zu viel waren, trifft Parson hier genau das richtige Maß.

Auf „Holy Loneliness Divine” schlägt Parsons deutlich rockigere Töne an als auf vorangegangenen Alben. Die Gitarrenpassagen sind teilweise kräftig („Dreaming A Universe“), teilweise filigraner („Invisible“). Die überwiegende Anzahl der Songs bewegt sich in einem mittleren Tempobereich. Vor allem im letzten Drittel finden sich zudem langsamere, atmosphärisch dichte Beiträge („Forever Yours“, „Full Moon Tide“), bei denen Parsons Gesang, dem eine gewisse Schwere anhaftet, voll zur Geltung kommt. „Thankful“ bildet mit dem akzentuierten Schlagzeug und der kraftvoll wimmernden Gitarre den fulminanten Abschluss eines durchgängig gelungenen Albums.

Für diejenigen, die Joseph Parsons Soloveröffentlichungen noch nicht kennen, bietet „Holy Loneliness Divine” einen empfehlenswerten Einstieg, um seinen Backkatalog dann von hinten aufzurollen. Das Album bildet eine weitere Zäsur in Parsons breit gefächertem musikalischen Werk, da es den ambitionierten Abschluss seiner Zusammenarbeit mit seiner langjährigen Begleitband darstellt. Die Joseph Parsons Band zeigt sich dabei nochmal in Hochform.

Erwähnung verdient zudem die hochwertige Gestaltung des Digipacks, wie sie für Veröffentlichungen aus dem Hause Blue Rose üblich sind. Texte, Produktionsinfos und Fotos sind beigefügt. Egal ob man nun auf Vinyl oder CDs zurückgreift, man hat ein haptisches und visuelles Erlebnis, das den Musikgenuss ergänzt und vervollständigt. In Zeiten der Streaming-Dienste wird es gerade für kleinere Labels schwieriger, diese Ausstattungsqualität zu halten, daher ein großes Kompliment an Beate und Edgar Heckmann von Blue Rose.

Meer Music/Blue Rose Records (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. Dreaming A Universe
02. Passengers
03. Invisible
04. My My Caroline
05. Bookshop Mary
06. Dreams We Dare
07. Daring To Fall
08. Forever Yours
09. Full Moon Tide
10. Thankful

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Bluerose Records

 

The Jayhawks – XOXO – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Hollywood Town Hall“ zählt zu den Meilensteinen des Alternative Country. Das 1992er Album steht als einziges der Jayhawks in meinem CD-Regal. In manche der nachfolgenden Alben hörte ich nur noch sporadisch rein. The Jayhawks entfernten sich mit den Jahren tendenziell von der Roots Music und gingen in eine poppigere Richtung. „XOXO“ läutet dahingehend keine Wende kein. Neu ist hingegen, dass die Bandmitglieder neben Frontmann und Gitarrist Gary Louris nun mehr in Erscheinung treten.

Karen Grotberg (Keys), Marc Perlman (Bass) und Tim O’Reagan (Drums) sind alle mit eigenen Kompositionen auf dem neuen Werk vertreten und übernehmen auch die Lead Vocals. Grotberg zeichnet für die beiden Balladen „Ruby“ und „Across My Field“ verantwortlich, bei denen dann entsprechend das Klavier die Begleitung dominiert. Perlman steuert den folkorientierten Titel „Down The Farm“ bei.

Für die schnelleren Töne ist O’Reagan („Society Paper“) zuständig. Bei dem straighten „Dogtown Days“ rockt er mit stampfendem Rhythmus los. Neben dem Opener „This Forgotten Town“, bei dem er sich mit Louris am Mikro abwechselt, stellt es das stärkste Stück auf dem Album dar. Die Jayhawks haben die beiden Songs als Singles ausgekoppelt und damit die richtige Entscheidung getroffen.

Ebenfalls auf das Konto von Louris und O‘Reagan geht „Little Victories“, bei dem Louris exzellente Arbeit an der Gitarre leistet. „Living In A Bubble“, das entfernt an die Beatles erinnert, und „Homecoming“ verfasste Louris im Alleingang. Die Songs sind ziemlich poppig geraten und vor allem das letztgenannte Stück fällt mit seinen hohen Gesangseinlagen sowie dem experimentellen Ende ab. Auch mit dem süßlich beginnenden „Illuminate“ kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Die Midtempo-Nummer „Bitter Pill“ und der folkige Abschluss „Looking Up Your Number“ hinterlassen dann aber nochmals einen positiven Eindruck.

The Jayhawks präsentieren sich auf „XOXO“ als Band mit gleichberechtigten Mitgliedern. Durch den wechselenden Leadgesang verfolgen sie ein Konzept, das in dieser Konsequenz bei den US Rails schon bestens funktioniert. Der ausgiebige Einsatz mehrstimmiger Harmonien ist den beiden Truppen ebenso gemeinsam. Vom Sound sind sie aber bei den meisten Titel meilenweit voneinander entfernt.

Die zwei ersten Tracks bilden einen starken, erdigen Einstieg, danach bewegt sich „XOXO“ überwiegend in etwas überladenen Pop-Rock-Gefilden. Dabei finden sich ein paar gelungene Titel, daneben aber auch anstrengendere Arrangements. Beim letzten Song, im Wesentlichen auf die Begleitung durch die akustische Gitarre reduziert, zeigen die Jayhawks dann doch nochmal ihr Händchen für gefühlvolle Melodien. Statt es in Gänze durchlaufen zu lassen, bietet sich das Album also dafür an, sich die Highlights herauszupicken.

Sham Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Rock/Pop

Tracks:
01. This Forgotten Town
02. Dogtown Days
03. Living In A Bubble
04. Ruby
05. Homecoming
06. Society Pages
07. Illuminate
08. Bitter Pill
09. Across My Field
10. Little Victories
11. Down To The Farm
12. Locking Up Your Number

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

US Rails – Mile By Mile – CD-Review

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Review: Michael Segets

Vor einigen Jahren sah ich die US Rails in Essen noch als Quintett auf der Bühne. Nach dem Ausstieg von Joseph Parsons, machten die übrigen Bandmitglieder fleißig weiter. Sie tourten regelmäßig auch durch unsere Region, wo Sound-Of South sie zweimal in Wesel besuchte, und veröffentlichten Alben in hoher Taktzahl. Ein Freund, mit dem ich seinerzeit das Konzert in Essen erlebte, machte mich auf das sechste Studioalbum „Mile By Mile“ der US Rails aufmerksam.

Auf der vorangegangenen Scheibe „We All Been Here Before“ coverte die Truppe unter anderem Kompositionen von Jackson Browne, Neil Young, Warren Zevon, Fleetwood Mac, den Beatles und den Stones. In dem Spannungsfeld diesen Musik tummelt sich die Band seit ihrer ersten Veröffentlichung vor zehn Jahren. Besondere Markenzeichen der US Rails sind wechselnde Leadstimmen sowie mehrstimmige Harmoniegesänge.

Ben Arnold, Scott Bricklin, Tom Gillam und Matt Muir funktionieren als Team und obwohl jeder mindestens einen Song verfasste, kommt bei „Mile By Mile“ wieder ein Gesamtpaket ohne Brüche heraus. Im Vergleich zu den früheren Scheiben ist die neue etwas rockiger ausgerichtet und hat anders als „Ivy“, dem 2016er Album mit Eigenkompositionen, einen direkteren und erdigeren Sound.

Vor allem bei den ersten drei Stücke rocken die US Rails locker und unverkrampft los. Den Anfang macht Bassist Scott Bricklin mit „Take You Home“, gefolgt von Tom Gilliams „Mile By Mile“ und Ben Arnolds „Trash Truck“. Eine erste Verschnaufpause bietet dann „Water In The Well”, das aus der Feder von Matt Muir stammt. Der Schlagzeuger steuert selten Songs bei, legt hier aber eine sehr schöne, dynamische Ballade vor. Aufgepeppt wird sie durch einen gospelig-souligen Chor, Gilliams elektrische Gitarre sowie den Keys von Ben Arnold.

Ben Arnolds angeraute Stimme hebt sich von denen seiner Mitstreiter ab. Sie gibt sowohl Balladen („Slow Dance”) als auch schnelleren Nummern („What You Mean To Me“) einen gewissen Touch. Besonders der erdige Roots Rocker „Tombstones & Tumbleweeds” profitiert von dem mitschwingenden Blues seiner Stimme. Dem herausstechenden Song folgt „See The Dream”, der zwar etwas weniger rockig angelegt ist, dafür aber eine wunderbar eingängige Melodie hat. Er stammt ebenso wie „Hard Headed Woman” von Scott Bricklin.

Nach dem eingangs erwähnten Titelsong kommt Tom Gilliam noch zweimal mit seinen Ideen zu Wort. Neben dem routinierten Midtempo-Rock „Fooling Around” performt der humorvolle Aktivposten der Live-Shows „Easy On My Soul” mit herrlichem Westcoast-Ambiente inklusive Slide-Passagen.

Die US Rails zeigen keine Ermüdungserscheinungen. Seit einer Dekade unterhalten sie auf Bühne und Tonträgern hervorragend. Ihrem Stil bleiben sie weiterhin treu, der etwas rockigere Einschlag von „Mile By Mile“ steht ihnen dabei gut zu Gesicht. Das Album ist insgesamt das stärkste des Quartetts. Die melodischen Songs passen atmosphärisch prima zu einem geselligen Sommerabend.

BlueRose Records (2020)
Stil: Rock, Americana/

Tracks:
01. Take You Home
02. Mile By Mile
03. Trash Truck
04. Water In The Well
05. What You Mean To Me
06. Hard Headed Woman
07. Easy On My Soul
08. Tombstones & Tumbleweeds
09. See The Dream
10. Fooling Around
11. Slow Dance

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Joseph Parsons – Digging For Rays – CD-Review

Parsons_300

Review: Michael Segets

Joseph Parsons erlebte ich 2013 im Essener Grend als Mitglied der US Rails. Mittlerweile ist Parsons aus der Truppe ausgestiegen, verfolgte aber mit Hardpan ein anderes Bandprojekt und war mit Todd Thibaud als Duo Parsons Thibaud unterwegs. Neben diesen Kollaborationen ist er auch solo sehr aktiv. Mit „Digging For Rays“ legt Joseph Parsons nun sein 13. Studioalbum vor, das er mit seiner bewährten Begleitband einspielte: Ross Bellenoit an der elektrischen Gitarre, Freddi Lubitz am Bass und Sven Hansen am Schlagzeug.

Dass Parsons schöne Melodien entwickeln und poetische Texte verfassen kann, stellt er auf seiner neuen CD erneut unter Beweis. Mit seiner markanten, weich und zugleich voll klingenden Stimme drückt er seinen Songs einen eigenen Stempel auf. Die Stimme von Parsons bringt beispielsweise auf „Sad Parade“, von seiner akustischen Gitarre begleitet, Emotionen unmittelbar rüber. Der pure Klang des Stücks macht es zu meinem Favoriten auf der Scheibe.

Als weitere langsamere Songs sind das sphärisch untermale „Long Road”, „Today“ – mit einem schönen Gitarrensolo – und „Piracy“ vertreten. Sie wirken harmonisch und melodiös. „Piracy“ kann live gespielt und weniger opulent arrangiert zu einem hervorragenden Teil von Parsons Repertoire werden. In der vorliegenden Version ist es mir einen Tick zu poppig geraten.

Gleiches gilt für einige andere Titel. Bei einzelnen Stellen von „Beautiful Lie“ kommt mir die englische Band Latin Quarter in den Sinn. Der Song ist eingängig, aber die Klangsphären vor allem am Ende des Stücks gehen schon stark in Richtung Pop. Bei „Come Around“ empfinde ich die gesprochene Passage störend. Der helle Soundteppich und der Klang des Schlagzeugs auf „Living Things“ liegen ebenfalls nicht auf meiner Linie.

Neben den kritischen Anmerkungen lässt sich aber auch positives verzeichnen: „Dreaming” beginnt mit akustischer Gitarre und entwickelt sich nicht zuletzt durch die einsetzende E-Gitarre zu einem spannenden Rocksong. Ein ähnliches Tempo, aber mit etwas dunklerer Atmosphäre, schlägt der Opener „Wide Awake“ an. Er hat von den Titeln des Albums den deutlichsten Wiedererkennungswert. Als Bonustrack gibt es das Stück in deutscher Sprache, mit der Parsons seine derzeitige Wahlheimat würdigt. Parsons‘ Akzent bei „Hellwach“ ist durchaus sympathisch. Seine Betonung erinnert mich an Herman van Veen.

Parsons „Digging For Rays“ ist nicht sein bestes, aber ein solides Album. Die Melodien und Songstrukturen sowie Parsons‘ Stimme bilden dessen Fundament, das bei einigen Songs durch die poppig geratenen Arrangements überlagert wird. Man darf gespannt sein, wie die Stücke live wirken, denn Parsons tourt wieder ausgiebig durch Deutschland, wobei er u. a. am 24. März im JZ Karo in Wesel Station macht.

Meer Music/Blue Rose Records/Soulfood (2018)
Stil: Rock, Pop

Tracks:
01. Wide Awake
02. Come Around
03. Living Things
04. Beautiful Lie
05. Today
06. Piracy
07. Sad Parade
08. Dreaming
09. Long Road
10. Hellwach (Bonus-Track)

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US Rails – Support: Mark Olson – 11.03.2018, Wesel, Karo – Konzertbericht

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Wie bei fast jeder Tour der letzten Jahre, war auch 2018 das Jugendzentrum Karo wieder Veranstaltungsort für die US Rails.

Im Vergleich zum letzten Besuch der Truppe hatte sich einiges getan und die gesamten Bühnenwände waren mit schwarzen Theatervorhängen verkleidet, was ich zunächst als sehr positiv empfand. Allerdings hätte dann etwas mehr Beleuchtung gut getan, da die meist spärliche Bühnenausleuchtung so fast vollends geschluckt wurde. Dies war auch der einzige Makel, in einem ansonsten schönen Konzertabend, der mehr Zuschauer verdient gehabt hätte. Besonders hervorzuheben ist, dass es dem Soundmixer gelungen ist, einen wunderbar transparenten Klang in den Ort des Geschehens zu transportieren.

Zu Beginn spielte Mark Olson, bekannt von den Jayhawks zusammen mit Ingunn Ringvold einen etwa 50 minütigen Set, mit meist neuen Sachen und nur zwei alten Jayhawks-Songs, welche aber, in ein neues Gewand gesetzt, kaum als solche erkennbar waren. Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der von den beiden eingesetzten Instrumente, und der gelungene zweistimmige Gesang, der zum Teil als Kanon eingesetzt wurde

Ingunn Ringvold spielte bei einigen Songs auf einer armenische Harfe, Olson neben seiner Fender E-Gitarre einen Dulcimer, sodass sich ein keltischer, dezent psychedelischer Einschlag, durch den Act zog. Olson moderierte gut gelaunt und humorvoll durch die Stücke und das Publikum lauschte fast staunend den zum Teil unkonventionell eingesetzten Instrumenten.

Auch hier wäre mehr Licht schön gewesen, um die Handarbeit der Künstler besser beobachten zu können. Selbst Ringvold fragte nach etwas mehr Helligkeit, da sie zu wenig sehen würde. Nach einer frenetisch geforderten Zugabe zogen sich die beiden Protagonisten zurück, um den US Rails die Bühne zu übergeben, welche diese, nach einer angenehm kurzen Umbauphase, auch betraten.

Im Gepäck hatte die Band die neue CD „We Have All Been Here Before“, auf der Coversongs von ihnen favorisierter Bands in ein US Rails-Kostüm gesteckt wurden. Diese sorgten, bei dem einen oder anderen Zuhörer, sogar für etwas Wehmut. Unterstützt wurde das Quartett um Tom Gillam, Matt Muir an den Drums, Scott Bricklin (Gitarre und Keyboards) und Ben Arnold (Keyboards und Gitarre) von Cliff Hillis am Bass. Zudem wechselten sich alle vier im Lead-, mehrstimmigen und Background-Gesang ab, was durch die unterschiedlichen Tonlagen, jedem Song einen eigenständigen Charakter gab.

Zum Teil fühlte man sich an die Eagles mit deren Harmoniegesängen erinnert. Schön war, dass alle 4 Hauptprotagonisten gleichberechtigt ihre Anteile sowohl in der Anmoderation, wie auch als Hauptakteur der Songs hatten und so ein etwa zweistündiges, sehr abwechselungsreiches Konzert die Folge war.

Neben den eingestreuten Coversongs „Train in Vain“ von The Clash, „Second Hand News“ der legendären Fleetwood Mac (hier besonders hervorzuheben der mehrstimmige Harmoniegesang, der bewies, dass der Song auch ohne Stevie Nicks funktionieren kann) „Poor Poor Pitiful Me“ von Warren Zevon und „Running On Empty“ von Jackson Browne, spielte die Band eine bunte Mischung von Tracks aus den letzten 8 Jahren.

Besonders hervorzuheben sind dabei „Lucky Stars“ und „Rainwater“ vom 2010er-Album “US Rails”, “Colorado” und „Declaration“ vom 2016er-Werk “Ivy” sowie “Don’t Take Me Now” und der Raußschmeißer “Old Song On The Radio” von “Southern Canon”.

Den gelungenen Konzertabend rundete die Band ab, in dem alle Bandmitglieder sich die Zeit für Autogrammwünsche und Unterhaltungen mit den Fans nahmen. Gillam bat mich, die Fotos doch so auszuwählen, dass er darauf jung aussieht. Wenn man von der erfrischenden Musik auf das Alter der Musiker schließen sollte, hätte sich, meiner Ansicht nach, eine Bearbeitung über Photoshop eh erübrigt.

Wer auf authentische Westcoast-Musik mit inspirierten Akteuren steht, dem sei angeraten, zu schauen, ob die US Rails in der Nähe auftreten. So hat man mit einem Konzertbesuch die Gelegenheit,  sowohl die Liveclubs, als auch die Band zu unterstützen.

Line-up: Mark Olson
Mark Olson (lead vocals, guitars)
Ingunn Ringvold (lead vocals, harp, mellotron, percussion)

Line-up:
Tom Gillam (lead vocals, guitars, bgv)
Ben Arnold (lead vocals, keys, acoustic guitar, bgv)
Scott Bricklin (lead vocals, acoustic and electric guitar, keys, bgv)
Matt Muir (lead vocals, drums, bgv)
Cliff Hillis (bass)

Text und Bilder: Gernot Mangold

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US Rails – 30.10.2016, Wesel, Karo – Konzertbericht

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Nach der wunderbaren Einstimmung durch Water And Sand gaben nach fixer Umbaupause die musikalischen Schwergewichte der US Rails dann ihre beeindruckenden Westcoast-umwehten Roots Rock-Künste zum Besten. Die Band um Spaßvogel Tom Gillam, Scott Bricklin, Ben Arnold und Matt Muir hatte ja den, von nicht unerheblicher Dimension begleiteten Ausstieg von Joseph Parsons zu verkraften. Der wurde jedoch mit Jungspund Felix Beguin recht fließend über die Bühne gebracht und demnach angemessen kompensiert.

Auch die US Rails hatten mit „Ivy“ brandneues Liedgut am Start, das es im voll besetzten Weseler Kultclub einzuweihen galt. Los ging es jedoch mit dem allseits bekannten, von Ben Arnold besungenen flotten „Heartbreak Superstar“. Scott Bricklin (erinnerte vom Gesang ganz stark an Don Henley) war dann bei „Drag Me Down“ zur Stelle. Pfundskerl (in allen Belangen) Tom Gillam stieg mit dem Southern Soul Stück „Colorado“ an der Gesangsfront in den Set ein.

Nach Sachen wie „Lucky Man“ (Bricklin), „I’ve Got Dreams“ (Arnold), dem Stampfer „Everywhere I Go“ (Bricklin, Southern Twin-Solo) durfte dann auch Schlagzeuger Matt Muir, bei „Follow The Lights“ seine Multitasking-Fähigkeiten am Haupt-Mikro ins Licht stellen. Gillam übernahm wieder bei „He’s Still In Love“ (klasse Slide-Solo von ihm, HT-Piano-Einlagen von Arnold). Scott Bricklin führte anschließend durch den launig schunkelnden ‚Drinkin‘ Song‘ „Good Times“. Beim „Old Song On The Radio“ testete Tom zum ersten Mal die Mitsingbereitschaft seiner Audienz.

Für „You’re My Home“ wechselten Bricklin und Arnold die Instrumente, Erstgenannter beeindruckte mit Boogie-ähnlichen Klimper- sowie den typischen Hin- und Her-Streicheinlagen über die Tastatur. Muir war unter zu Hilfenahme von Pinsel Drums bei „Don’t Take Me Now“ wieder Gesangs-Leader. Nach „Heaven Right Now“ (Bricklin, schöne Twin-E-Gitarren-Passage) gab es bei „Way Of Love“ ein munteres ‚Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel‘. Bassist Beguin wechselte ans Piano, Bricklin streifte seinen Viersaiter über und Ben Arnold schulterte die Akustische und übernahm auch die Lead vocals. Er gefiel mir mit seiner rauchigen Stimme im vokalen Bereich am besten.

Scott Bricklin glänzte dafür als ‚Hans Dampf in allen Gassen, Matt Muir mit den erwähnten Multitasking-Fähigkeiten, der junge Beguin mit stetem Körpereinsatz (der schmale Bursche schwitzte dabei unter den ‚alten‘ Männern am meisten) und der schlitzohrige Gillam mit seiner charismatischen Aura und unzweifelhaften Entertainer-Qualitäten, sowie seinem E-Gitarren-Können. So hatte man wirklich nie das Gefühl, dass irgendein Akteur mehr im Vorder- oder Hintergrund stand. Tom war dann auch wieder bei „Declaration“ vom neuen Werk zur Stelle.

„Do What You Love“ diente sowohl zur Vorstellung der Band als auch mit seinem launigen Finish zum Abschluss des Hauptteils. Das klasse mitgehende Weseler Publikum ließ das Quintett natürlich nicht ohne weitere zusätzliche Tracks in den Feierabend. Mit dem Jackson Brown-Cover „Running On Empty“, dem herrlichen „Shine Your Light“ (furioses gospeliges Ende) und dem Mega-Ohrwurm „Lucky Stars“ (mein Favorit des Abends) legten die US Rails dann nochmal drei richtige Knaller nach, sodass wirklich keine Wünsche mehr offen blieben.

Auch der zweite Part dieses grandiosen Konzert-Pakets war eine Augen- und Ohrenweide. Die US Rails, die ich übrigens zum ersten Mal live gesehen habe, eroberten mein Southern-verwöhntes Musikherz sofort im Sturm. Genau meine Kragenweite. Auch Fotograf Gernot, für den die Band absolutes Neuland war, zeigte sich höchst beeindruckt, vor allem, was die herrlichen Satz-Gesänge anging. Danke an die Beteiligten für einen durchgehend tollen Abend und explizit auch an Karo-Leiter Mathias Schüller für die schnelle und unproblematische Akkreditierung.

Line-up:
Tom Gillam (lead vocals, guitars, bgv)
Ben Arnold (lead vocals, keys, acoustic guitar, bgv)
Scott Bricklin (lead vocals, acoustic and electric guitar, bass, bgv)
Matt Muir (lead vocals, drums, bgv)
Felix Beguin (bass, keys, bgv)

Bilder: Gernot Mangold
Video: Gudi Bodenstein
Text: Daniel Daus

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