Joseph Parsons – Holy Loneliness Divine – CD-Review

Review: Michael Segets

Joseph Parsons ist ein Teamplayer, der seine musikalische Kreativität gerne in Kollaborationen einbringt. So begründete er Hardpan, die US Rails und 4 Way Street oder war als Duo Parsons Thibaud mit Todd Thibaud (Water And Sand) produktiv. Mit seiner Begleitband, die sich aus Ross Bellenoit, Freddi Lubitz und Sven Hansen zusammensetzt, legt er nun sein fünfzehntes Album unter seinem Namen vor. Seit dem Doppelalbum „Slaughterhouse Live“ (2009) zählen die drei Mitstreiter zum harten Kern von Parsons‘ Touren und Studioaufnahmen. „Holy Loneliness Divine” ist der letzte Longplayer, der in dieser Konstellation eingespielt wurde. Die Bandmitglieder wollen neue Wege einschlagen und andere Projekte angehen.

Der nun vorliegende Abschluss dieser musikalischen Phase sollte ein ganz besonderer werden, der den charakteristischen Sound früherer Alben weiterhin einfängt und ihn zudem auf eine neue Stufe hebt. In den letzten Jahren habe ich Parsons‘ Veröffentlichungen nicht kontinuierlich verfolgt, zuletzt drehte sich „Digging For Rays“ (2018) in meinem CD-Player. Eine umfassende Einordnung, inwieweit dieser Anspruch eingelöst wurde, kann ich also nicht leisten. Festhalten kann ich aber mit Blick auf die mir bekannten Werke, dass „Holy Loneliness Divine” sein in der Gesamtheit bestes Album der vergangenen Dekade darstellt.

Parson spielt seine Stärke als Songwriter aus. Mit Ausnahme von „My My Caroline“, das er gemeinsam mit Ben Arnold (US Rails) verfasste, stammen alle Stücke alleinig aus seiner Feder. Die melodiösen Songs werden durch Parsons‘ markante Stimme getragen, mit der er seine poetischen Texte vorträgt. Die Lyrics sind introspektiv, berühren aber allgemeingültige Themen. Einzig „Bookshop Mary“ ist in der dritten Person verfasst. Der Track gehört zu den Highlights des Longplayers. Anders als bei früheren Stücken, setzt Parson hier auf einen deutlich abgehoben und eingängigen Refrain. Diesem ist auch der Titel des Albums entnommen.

„Dreams We Dare“ hat ebenfalls einen auffälligen Chorus, dessen Besonderheit darin liegt, dass er durch einen mehrstimmigen Background vervollständigt wird. Die Variabilität der von Parson geschaffenen Songstrukturen tritt vor allem auch bei „Daring To Fall“ mit seiner effektvollen Bridge zutage. Die Arrangements erzeugen einen vollen, komplexen Sound, dabei sind sie nicht überladen und stehen im Dienst der Songs, die ihre Linie nicht verlieren. Während nach meinem Geschmack bei dem Album aus dem Jahr 2018 manche Schlenker in der Produktion zu viel waren, trifft Parson hier genau das richtige Maß.

Auf „Holy Loneliness Divine” schlägt Parsons deutlich rockigere Töne an als auf vorangegangenen Alben. Die Gitarrenpassagen sind teilweise kräftig („Dreaming A Universe“), teilweise filigraner („Invisible“). Die überwiegende Anzahl der Songs bewegt sich in einem mittleren Tempobereich. Vor allem im letzten Drittel finden sich zudem langsamere, atmosphärisch dichte Beiträge („Forever Yours“, „Full Moon Tide“), bei denen Parsons Gesang, dem eine gewisse Schwere anhaftet, voll zur Geltung kommt. „Thankful“ bildet mit dem akzentuierten Schlagzeug und der kraftvoll wimmernden Gitarre den fulminanten Abschluss eines durchgängig gelungenen Albums.

Für diejenigen, die Joseph Parsons Soloveröffentlichungen noch nicht kennen, bietet „Holy Loneliness Divine” einen empfehlenswerten Einstieg, um seinen Backkatalog dann von hinten aufzurollen. Das Album bildet eine weitere Zäsur in Parsons breit gefächertem musikalischen Werk, da es den ambitionierten Abschluss seiner Zusammenarbeit mit seiner langjährigen Begleitband darstellt. Die Joseph Parsons Band zeigt sich dabei nochmal in Hochform.

Erwähnung verdient zudem die hochwertige Gestaltung des Digipacks, wie sie für Veröffentlichungen aus dem Hause Blue Rose üblich sind. Texte, Produktionsinfos und Fotos sind beigefügt. Egal ob man nun auf Vinyl oder CDs zurückgreift, man hat ein haptisches und visuelles Erlebnis, das den Musikgenuss ergänzt und vervollständigt. In Zeiten der Streaming-Dienste wird es gerade für kleinere Labels schwieriger, diese Ausstattungsqualität zu halten, daher ein großes Kompliment an Beate und Edgar Heckmann von Blue Rose.

Meer Music/Blue Rose Records (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. Dreaming A Universe
02. Passengers
03. Invisible
04. My My Caroline
05. Bookshop Mary
06. Dreams We Dare
07. Daring To Fall
08. Forever Yours
09. Full Moon Tide
10. Thankful

Joseph Parsons
Joseph Parsons bei Facebook
Bluerose Records

 

Todd Thibaud – Hill West – CD-Review

Thibaud_300

Review: Michael Segets

Wie die Zeit vergeht! Jetzt sind bereits sechs Jahre ins Land gegangen, seit ich Todd Thibaud im JZ Karo in Wesel live erlebt habe. Damals promotete er seine CD „Waterfall“. Der sympathische Musiker lieferte eine äußerst souveräne Show ab, bei der er auf Zuruf spontan Titel seines umfassenden Backkataloges spielte.

Thibaud hat sich mit seinem neuen Soloalbum Zeit gelassen, war aber in der Zwischenzeit nicht inaktiv. Gemeinsam mit Chris Burroughs, Terry Lee Hale und Joseph Parsons reanimierte er Hardpan, mit letztgenanntem verfolgte er das Duo-Projekt Parsons Thibaud und gründete mit der Songwriterin Kim Taylor Water And Sand.

Während Thibaud auf seinen bisherigen Solowerken durchaus rockige Töne anschlug, konzentriert er sich bei „Hill West“ auf seine Qualitäten als Singer/Songwriter. Dabei verzichtet er auf einen umfassenden Einsatz seiner Begleitband, die aber bei einigen Songs für passende Akzente sorgt. Die Percussion von Chris Anzalones begleitet beispielsweise „Paper Cup“ und „Disappear Instead“ sehr stimmungsvoll. „Into Place“ wird von Sean Staples an der Geige untermalt.

Die erdige E-Gitarre, von Thomas Juliano gespielt, im Zusammenspiel mit Schlagzeug und Mundharmonika lassen „Edge Of Breaking“ rauer klingen als die meisten anderen Songs des Albums. Im Wesentlichen beschränkt sich Thibaud auf eine akustische Gitarrenbegleitung. „Find Your Love“, „Hold Me Down“, „Path Of Us“ und „Life Worth Living” sind solche reduzierten Stücke, die von den Melodien und der weichen Stimme Thibauds getragen werden.

Dass Thibaud nicht nur schöne Melodien komponiert, sondern bei seinen Texten inhaltliche Tiefe erreicht, zeigt „Great Unknown“, in dem er auf die Jugend mit ihrer Sorglosigkeit, ihren Hoffnungen und Träumen zurückblickt. Bei anderen Songs thematisiert er oftmals die Unwägbarkeiten von Liebesbeziehungen.

„Hill West“ ist ein ruhiges Werk ohne Durchhänger geworden, für das man sich Zeit nehmen kann. Besonders das mit eingängigem Refrain versehene und verhältnismäßig flotte „Reckless Heart“ sowie das akustische „4th Of July“ mit toller Mundharmonika sind meine Anspieltipps.

Mit dem homogenen Album folgt Thibaud dem Pfad, den er mit Parsons Thibaud oder Water And Sand eingeschlagen hat. Thibaud profiliert sich mit „Hill West“ weiter als Songwriter, wobei er seinem eigenen Sound treu geblieben ist. Man darf gespannt sein, ob er zukünftig nochmal in Richtung Rock umschwenkt. Wie dem auch sei, es wird mal wieder Zeit, Thibaud live zu genießen. Die nächste Gelegenheit bietet sich im November, wenn er mit Water And Sand nach Wesel kommt.

Blue Rose/Heckmann/Soulfood (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Find Your Love
02. Hold Me Down
03. Paper Cup
04. Great Unknown
05. Disappear Instead
06. Edge Of Breaking
07. Into Place
08. Path Of Us
09. Reckless Heart
10. Life Worth Living
11. 4th Of July

Todd Thibaud
Todd Thibaud bei Facebook
Blue Rose

Todd Snider – Cash Cabin Sessions Vol. 3 – CD-Review

Snider_300

Review: Michael Segets

Back to the roots! Nachdem Todd Snider den Entschluss gefasst hatte, sich auf seine Wurzeln zu besinnen und ein Folkalbum zu machen, hörte er sich die Aufnahmen von Woody Guthrie an und kehrte in das Cash-Cabin-Studio zurück, in dem er bereits 2015 mit Loretta Lynn einen Song aufgenommen hatte. Das Ergebnis präsentiert er nun mit „Cash Cabin Sessions Vol. 3“.

Die Nummerierung bietet Anlass für Spekulationen, bleibt aber erst mal ein Geheimnis, denn ein Vol. 1 oder Vol. 2 brachte Snider nicht heraus. Vielleicht deutet der Titel auf die Einreihung in die musikalische Tradition hin, in die er sein Werk stellt. Da sind einerseits die Einflüsse der Folkmusiker wie Woody Guthrie oder Leadbelly und andererseits die Inspiration durch Johnny Cash zu hören.

Letztgenanntem setzt er ein sehr poetisches Denkmal mit „The Ghost Of Johnny Cash“. Jack Henderson Clement, einem langjährigen Freund von Johnny Cash, gedenkt Snider bei „Cowboy Jack Clements Waltz“.

Mit gefühlvoller Gitarre und starker Stimme reflektiert Todd Snider auf „Working On A Song“ über das Songschreiben und ein wohl nie zu vollendendes Stück, an dem er seit 30 Jahren arbeitet. „Like A Force Of Nature“ ist ebenfalls ein persönlicher und äußerst gelungener Titel, bei dem Jason Isbell den Harmoniegesang übernimmt. Der Klang geht dabei in Richtung Hardpan oder Parsons Thibaud. Thematisch kreist der Song ebenso wie „Watering Flowers In The Rain“ um Freundschaft.

Ein Folkalbum lässt natürlich auch politische oder sozialkritische Töne erwarten. Dieser Erwartung entspricht Snider auf der Hälfte der Titel. Dabei zeigt Snider, dass er das Herz auf dem rechten Fleck hat. Sei es, wenn er einen unreflektierten Patriotismus anprangert, sei es, wenn er feststellt, dass es sich anscheinend nicht immer auszahlt, das Richtige zu tun. Nun melden sich also auch die Musiker, wie gerade erst Ryan Bingham, zur derzeitigen politisch-sozialen Situation in den USA vermehrt zu Wort. Aber die Intellektuellen sind sowieso nicht das Problem in den Staaten.

Eingängig sind „Just Like Overnight“ und das leicht nölig gesungene „Framed“. Sperrig hingegen wirken die mit Sprechgesang vorgetragenen „Talking Relity Television Blues“, „Timeless Response To Current Events“ und „The Blues On Banjo“. Zusammen mit den beiden kurzen Intermezzi „Dedication“ und „Explanation“ erscheint ein großer Teil der CD damit ziemlich sprechlastig.

Snider spielt alle Instrumente, d. h. vor allem akustische Gitarre und Mundharmonika, selbst. Das Werk ist stripped down und tritt damit konsequent in die Fußstapfen der Folksinger und -songwriter. Sieht man von den gesprochenen Bluesstücken ab, die zwar politisch korrekt sind, mich aber musikalisch nicht so mitnehmen, liefert Todd Snider mit „Cash Cabin Sessions Vol. 3“ ein Album mit soliden Folktiteln ab, unter denen der Opener „Working On A Song“, „Like A Force Of Nature“ und „The Ghost Of Johnny Cash“ hervorstechen.

Aimless Rec./Thirty Tigers/Alive (2019)
Stil: Folk

Tracks:
01. Working On A Song
02. Talking Reality Television Blues
03. Like A Force Of Nature
04. Just Like Overnight
05. The Blues On Banjo
06. Framed
07. The Ghost Of Johnny Cash
08. Dedication
09. Cowboy Jack Clements Waltz
10. Explanation
11. Watering Glowers In The Rain
12. A Timeless Response To Current Events

Todd Snider
Todd Snider bei Facebook
Thirty Tigers
Oktober Promotion

Joseph Parsons – Digging For Rays – CD-Review

Parsons_300

Review: Michael Segets

Joseph Parsons erlebte ich 2013 im Essener Grend als Mitglied der US Rails. Mittlerweile ist Parsons aus der Truppe ausgestiegen, verfolgte aber mit Hardpan ein anderes Bandprojekt und war mit Todd Thibaud als Duo Parsons Thibaud unterwegs. Neben diesen Kollaborationen ist er auch solo sehr aktiv. Mit „Digging For Rays“ legt Joseph Parsons nun sein 13. Studioalbum vor, das er mit seiner bewährten Begleitband einspielte: Ross Bellenoit an der elektrischen Gitarre, Freddi Lubitz am Bass und Sven Hansen am Schlagzeug.

Dass Parsons schöne Melodien entwickeln und poetische Texte verfassen kann, stellt er auf seiner neuen CD erneut unter Beweis. Mit seiner markanten, weich und zugleich voll klingenden Stimme drückt er seinen Songs einen eigenen Stempel auf. Die Stimme von Parsons bringt beispielsweise auf „Sad Parade“, von seiner akustischen Gitarre begleitet, Emotionen unmittelbar rüber. Der pure Klang des Stücks macht es zu meinem Favoriten auf der Scheibe.

Als weitere langsamere Songs sind das sphärisch untermale „Long Road”, „Today“ – mit einem schönen Gitarrensolo – und „Piracy“ vertreten. Sie wirken harmonisch und melodiös. „Piracy“ kann live gespielt und weniger opulent arrangiert zu einem hervorragenden Teil von Parsons Repertoire werden. In der vorliegenden Version ist es mir einen Tick zu poppig geraten.

Gleiches gilt für einige andere Titel. Bei einzelnen Stellen von „Beautiful Lie“ kommt mir die englische Band Latin Quarter in den Sinn. Der Song ist eingängig, aber die Klangsphären vor allem am Ende des Stücks gehen schon stark in Richtung Pop. Bei „Come Around“ empfinde ich die gesprochene Passage störend. Der helle Soundteppich und der Klang des Schlagzeugs auf „Living Things“ liegen ebenfalls nicht auf meiner Linie.

Neben den kritischen Anmerkungen lässt sich aber auch positives verzeichnen: „Dreaming” beginnt mit akustischer Gitarre und entwickelt sich nicht zuletzt durch die einsetzende E-Gitarre zu einem spannenden Rocksong. Ein ähnliches Tempo, aber mit etwas dunklerer Atmosphäre, schlägt der Opener „Wide Awake“ an. Er hat von den Titeln des Albums den deutlichsten Wiedererkennungswert. Als Bonustrack gibt es das Stück in deutscher Sprache, mit der Parsons seine derzeitige Wahlheimat würdigt. Parsons‘ Akzent bei „Hellwach“ ist durchaus sympathisch. Seine Betonung erinnert mich an Herman van Veen.

Parsons „Digging For Rays“ ist nicht sein bestes, aber ein solides Album. Die Melodien und Songstrukturen sowie Parsons‘ Stimme bilden dessen Fundament, das bei einigen Songs durch die poppig geratenen Arrangements überlagert wird. Man darf gespannt sein, wie die Stücke live wirken, denn Parsons tourt wieder ausgiebig durch Deutschland, wobei er u. a. am 24. März im JZ Karo in Wesel Station macht.

Meer Music/Blue Rose Records/Soulfood (2018)
Stil: Rock, Pop

Tracks:
01. Wide Awake
02. Come Around
03. Living Things
04. Beautiful Lie
05. Today
06. Piracy
07. Sad Parade
08. Dreaming
09. Long Road
10. Hellwach (Bonus-Track)

Joseph Parsons
Joseph Parsons bei Facebook
Bluerose Records
Soulfood
Oktober Promotion
JZ Karo