Chris Murphy – Two Rivers Crossing – EP-Review

Review: Michael Segets

Fast zwanzig Solo-Alben oder EPs veröffentlichte Chris Murphy bereits und auf ebenso vielen von anderen Musikern wirkte er mit. Dennoch kann ich mich nicht an einen Berührungspunkt mit ihm erinnern. Dass er vor Kurzem bei dem niederländischen Label Friendly Folk Records unterschrieben hat, trägt sicherlich dazu bei, seinen Bekanntheitsgrad in Europa zu steigern. Dort erschien im vergangenen Jahr „Sovereign“, auf dem mehr als zwei Dutzend Musiker mitspielten. „Two Rivers Crossing“ bildet dazu das Kontrastprogramm.

Allein mit seiner Geige präsentiert Murphy auf der EP sechs Tracks und gibt so einen Eindruck von seinen Solo-Shows, die er im Oktober quer durch die Niederlande gibt. Da die Violine nun nicht unbedingt für Soloperformances prädestiniert ist, brachte ich dem Werk zuerst eine gewisse Skepsis entgegen. Murphy beherrscht sein favorisiertes Instrument jedoch perfekt und gewinnt ihm durch Streichen und Zupfen etliche Klangvariationen ab. Auf einzelnen Stücken setzt Murphy ein paar dezente Loops für den Rhythmus ein, ansonsten sind die Songs Gesang und Geige pur – und das funktioniert.

Das witzige, locker gespielte „Early Grave“ thematisiert eine toxische Beziehung und wurde zu Recht als Single gewählt. Dunkler erscheint „Into The Past“. Der Titel der EP ist dem ersten Vers des Songs entnommen. Die angenehme Stimme von Murphy und die eingängigen Refrains tragen die beiden Stücke. In den gestrichenen Passsagen wirkt das folgende „Complete Surprise“ beinahe schon klassisch. Der Rhythmus hingegen rückt den Titel jedoch eher in eine karibische Richtung. Die Mischung ist interessant, liegt aber nicht vollständig auf meiner Linie.

Das getragene „Long Ago“ überzeugt allerdings wieder rundum. „Wolfes Of Laredo“ steht textlich und musikalisch deutlich in der amerikanischen Folk-Tradition. Murphy, der aus der Nähe von New York stammt und sowohl italienische als auch irische Vorfahren hat, schließt sein Werk mit dem instrumentalen „Shantallow“ ab. Hier treten seine keltischen Wurzeln zutage. Als seine Inspirationsquellen, die auf der EP auch an der ein oder anderen Stelle durchscheinen, gibt Murphy den Mississippi Delta Blues, Folk, Bluegrass sowie die Latin Music an. Die 25 Minuten Spielzeit lassen dementsprechend auch keine Langeweile aufkommen.

Chris Murphy unterhält über die gesamte EP hinweg sehr gut. Überraschend abwechslungsreich gestaltet er die sechs Songs auf „Two Rivers Crossing“ nur mit seiner Geige und seiner Stimme. Die Strukturen der Stücke orientieren sich zwar an bewährten Mustern, durch das mutige, minimalistische Arrangement gelingt Murphy allerdings ein außergewöhnliches Werk, das man durchaus in seiner Sammlung haben sollte.

Friendly Folk Records (2022)
Stil: Folk

Tracks:
01. Early Grave
02. Into The Past
03. Complete Surprise
04. Long Ago
05. The Wolves Of Laredo
06. Shantallow

Chris Murphy
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Friendly Folk Records
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Loudon Wainwright III – Lifetime Archievement – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Wunsch etwas zu hinterlassen, das überdauert, trieb Loudon Wainwright III schon in jungen Jahren um. Aus einem heute wohl nicht mehr nachzuvollziehenden Grund dachte er, dass er mit 25 Jahren versterben würde. Es ist zum Glück anders gekommen, aber das Bedürfnis, sich zu verewigen, treibt den nun 76jährigen immer noch an. In dem Bewusstsein, dass „Lifetime Archievement“ sein letztes Album sein könnte, feilte Wainwright III solange an den Songs, bis er dachte, dass er nichts mehr an ihnen verbessern kann. „Lifetime Archievement“ ist eine Reflexion auf den Prozess des Alterns und zugleich eine Momentaufnahme seines derzeitigen musikalischen Stands.

Loudon Wainwright III schaut auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück. Neben seinen musikalischen Ambitionen widmete er sich auch der Schauspielerei und trat in Filmen („28 Tage“, „Aviator“) und im Fernsehen („M.A.S.H.“, „Ally McBeal“) auf. Als Musiker veröffentlichte er fast dreißig Alben, wobei er immer noch denkt, dass er seine Zeit hätte besser nutzen können, um mehr Song zu schreiben. Dafür, dass ihm einige gelungen sind, zeugen ein Grammy für das Album „High Wide & Handsome“ sowie die Tatsache, dass sie von Größen wie Johnny Cash und Bonnie Riatt interpretiert wurden.

Wainwright III wollte ein Album traditioneller Machart vorlegen und so kann „Lifetime Archievment“ als Folkalbum durchgehen, obwohl einige Songs zum Teil mit großer Bandbesetzung eingespielt wurden. Er präsentiert sich – nur mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet – auf dem wortgewaltige „I Been“ als klassischer Singer/Songwriter. Tolstoi und Sartre zitiert er bei „Fam Vac“. Der dort besungene Familienurlaub wird nicht als Urlaub mit, sondern als Urlaub von der Familie ersehnt. Die Texte von Wainwright III sind also nicht durchgängig schwere Kost, sondern tragen durchaus amüsante Züge.

Bei den Folksongs variiert Wainwright III die Begleitung, indem er mal ein Akkordeon hinzufügt („It Takes 2“) oder die Gitarre durch die Ukulele ersetzt („Fun & Free“). Besonders gelungen ist „Hell“, das trotz des Titels durch die Mandolinenbegleitung entspannt wirkt. Mit Banjo und Streichern wurde das getragene „How Old Is 75?” eingespielt. Bei „One Wish“ und „It“ verzichtet Wainwright III gänzlich auf die Instrumente und sing a cappella, bei letztgenanntem unterstützt durch Chaim Tannenbaum.

Ein Highlight stellt der flotte Bluegrass „Little Piece Of Me“ dar. Das sanfte „Back In Your Town” und das rauere „Town & Country” sind weitere. Bei meinem Favoriten „Town & Country” zahlt sich die Ergänzung durch Schlagzeug und Bläsersektion aus. Einzelne Songs, wie das Titelstück, tragen leicht sentimentale Züge, aber diese halten sich im Rahmen und sind für ein Alterswerk ja auch nicht untypisch. Insgesamt hat Wainwright III das Album gemeistert und der Pokal auf dem Cover mag dafür sprechen, dass er dies auch so sieht.

Loudon Wainwright III muss sich nichts mehr beweisen, will es aber immer noch wissen. Er blickt – zum Teil mit einem Augenzwinkern – auf sein bisheriges Leben mit erfüllten und unerfüllten Wünschen sowie mit begründeten und unbegründeten Ängsten zurück. Dies tut er vor allem mithilfe von Folksongs. „Lifetime Archievement“ ist dabei nicht puristisch, sondern unternimmt Ausflüge in Americana und Bluegrass.

Proper Records – H’Art/Bertus (2022)
Stil: Folk/Americana

Tracks:
01. I Been
02. One Wish
03. It Takes 2
04. Fam Vac
05. Hell
06. Little Piece Of Me
07. No Man’s Land
08. Back In Your Town
09. Town & Country
10. Island
11. It
12. Hat
13. Lifetime Archievement
14. How Old Is 75?
15. Fun & Free

Loudon Wainwright III
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Bertus
V2 Records

John McDonough – We’ll Answer The Call – EP-Review

Review: Gernot Mangold

Das neue Album, des in Chicago lebenden John McDonough, „We`ll Answer The Call“, erzählt die wahre Geschichte eines amerikanischen Ruderteams, das 1936 bei den olympischen Spielen in Berlin antrat, Gold zu gewinnen. Dies mag auch der Grund sein, warum es als EP erscheint, da mit den fünf Songs die Geschichte geschrieben ist.

Stilistisch bewegt sich McDonough in den Welten des Americana mit gewissen Folk und New Country-Einflüssen.
Tragendes Element ist die ausdrucksstarke und klare Stimme McDonoughs, welche zuweilen mit der eines Elton Johns oder Van Morrisons verglichen wird.

Aber auch beim Songwriting beweist er ein feines Händchen mit einprägsamen Harmonienund akzentuiert eingesetzten Instrumenten. Wenn die Gitarre bei manchen Soli slidend eingesetzt wird, werden die Songs sogar in mit einem leichten Southern-Flair umhüllt, während der Einsatz von Piano und Violine klare Elemente des Americana und Country/Folk bedienen.

So entstand trotz der eher ruhigen Songs ein sehr abwechslungsreiches Album, das bestätigt, warum McDonough in den letzten Jahren auch für Awards im Bereich Roots und Blues nominiert wurde.

Für Freunde des Americana oder des New Country ist das Album empfehlenswert und es bleibt zu hoffen, dass McDonough auch einmal in Europa touren wird.

John McDonough – vocals, acoustic guitar
Kris Farrow – lead acoustic guitar, electric guitar
Cole Gramling – piano, organ
Steve Bernal – bass, cello
Kevin Butler – drums, percussion
Cody Rathmell – backing vocals
Niamh Fahy – violin

Eigenproduktion (2022)
Stil: Americana, Folk, New Country, Singer/Songwriter

Tracklist:
01. Shooting Star
02. Love You Just For You
03. Among The Stars
04. We`ll Answer The Call
05. Point Me East

John McDonough
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Patty Griffin – Tape – Home Recordings & Rarities – CD-Review

Review: Michael Segets

Was macht man so, wenn man als Musikerin während einer Pandemie zuhause sitzt? Anscheinend googelt man sich selbst. Patty Griffin jedenfalls durchforstete das Internet, speziell diverse Streaming-Dienste, nach Treffern ihrer Stücke. Vor allem Playlists von raren Tracks weckten ihr Interesse. Was sie dort fand, riss sie zwar nicht vom Hocker, inspirierte sie aber, sich ihr persönliches Archiv vorzunehmen. Dort stieß sie auf einige Songs, die in Vergessenheit geraten waren und von denen sie denkt, dass sie nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. So wurde der Grundstein zu „Tape – Home Recordings & Rarities“ gelegt.

Letztlich schafften es zehn Titel auf das Album. Sie stammen von Heimaufnahmen, teilweise mit Band, und einer Studio-Demosession in Nashville. Die Klangqualität ist vielleicht nicht durchgehend perfekt, aber Griffin kommt es auf das Gefühl an, das die Aufnahmen rüberbringen. Dieses bei einer Performance zu aktivieren, fällt ihr nach eigener Aussage alleine leichter als in einem Studio mit etlichen anderen, technikfixierten Personen. Viele Songs transportieren tatsächlich eine intime Stimmung, unabhängig davon, ob sie sich am Klavier oder der akustischen Gitarre begleitet.

Bei den Stücken, die mit dem Klavier eingespielt wurden, entwickelt „Night“ eine besondere Atmosphäre, wobei „Forever Shall Be“ und „Sundown“ ihm nicht viel nachstehen. Aus meiner Sicht verzichtbar wäre das instrumentelle „Octaves“ gewesen. Soundtechnisch eine Nuance schwächer erscheinen die Tracks mit akustischer Gitarrenbegleitung. Vom Song her gesehen überzeugt vor allem „Get Lucky“ und wurde zu Recht als erster ausgekoppelt. Gelungen ist ebenso die Ballade „Kiss Of A Man“, bei der deutlich wird, warum Griffin als renommierte Folksängerin und Songschreiberin gilt.

Das kurze und flottere „Strip Of The Night“ sowie „One Day We Could“ sorgen dafür, dass sich die Anzahl der durch Gitarre beziehungsweise Klavier begleiteten Titel die Waage hält. Hinzu kommen noch zwei mit Band eingespielte Stücke. „Don’t Mind“ sticht auf dem Album heraus. Der Blues lebt von der Orgel, die den Song dominiert. „Little Yellow House“ passt sich hingegen nahtlos in den Kanon der übrigen Balladen ein.

Die mehrfach ausgezeichnete Musikerin aus Maine arbeitete bereits mit Emmylou Harris, Robert Plant und Buddy Miller zusammen. Mit The Chicks geht Griffin diesen Sommer erneut auf Tour und beteiligt sich ebenso bei Rodney Crowells Songwriting Camp in Nashville. Während der Konzertreise durch die USA verkauft sie eine limitierte Edition von „Tape“ stilecht als Audiocassette. Die europäischen Fans werden es schwer haben, an dieses Sammlerstück zu kommen.

In Ergänzung und zur Komplettierung der Sammlung richtet sich „Tape – Home Recordings & Rarities“ in erster Linie an die langjährigen Fans von Patty Griffin. Aus ihrem Privatarchiv stellt sie zehn, zumeist auf die Begleitung durch Gitarre oder Klavier reduzierte Songs zusammen, die sie unverstellt von ihrer sensiblen Songwriter-Seite zeigen. Für diejenigen, die mit Griffins Werk nicht so vertraut sind, stellt der Griff zu ihrem Debüt „Living With Ghosts“ aus dem Jahr 1996 die bevorzugte Wahl dar.

PGM Recordings/Thirty Tigers-Membran (2021)
Stil: Folk/Americana

Tracks:
01. Get Lucky
02. One Day We Could
03. Strip of Light
04. Don’t Mind
05. Sundown
06. Little Yellow House
07. Night
08. Kiss of a Man
09. Octaves
10. Forever Shall Be

Patty Griffin
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Matt Horan – 02.11.2021, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Mein erster Konzertbesuch in der Kulturrampe seit März 2020 ließ die dazwischenliegende Zeit fast vergessen. Obwohl die Location im neuen Look erstrahlt, fühlte ich mich direkt wieder in die alten Zeiten zurückversetzt. Durch die bekannten Gesichter und Markus Peerlings, der es sich wie gewohnt nicht nehmen ließ, den Musiker anzukündigen, stellte sich sofort die frühere Vertrautheit wieder her.

Rampenchef „Pille“ richtete seine einführenden Worte – diesmal allerdings auf dem immer noch schrägen Bühnenrand sitzend – an die circa fünfundzwanzig Musikbegeisterten und unterstich damit die quasi intime Atmosphäre der Veranstaltung. Dass so wenige Leute den Weg in die Rampe gefunden hatten, bleibt wie so oft unverständlich, denn mit Matt Horan trat ein Singer/Songwriter an, um sein erstklassiges Werk „Tears From The Mountain“ vorzustellen. Markus Peerlings schwärmte dann auch von dem rein vokal vorgetragenen Opener „Village Churchyard“, das nach seiner Einschätzung zu den besten Albeneinstiegen der gesamten Musikgeschichte gehört.

Horan brachte den Titel an dem Abend nicht zu Gehör, sondern startete mit „Old Cold Mountain“ und ließ die beiden Stücke seiner aktuelle LP „Dreamed About Mama“ und das Traditional „High On The Mountain“ folgen. Zwischen den beiden Highlights des ersten Sets „Hills Of Mexiko“ sowie „Sorry Pretty Shiori“ zollte er seinem Vorbild Hank Williams mit „Love Sick Blues“ Tribut und schloss den „Fright Train Blues“ direkt an. Nach „Little Birdie“ performte Horan den starken Titeltrack seines Solowerks und beendete mit „Sugar Baby“ den ersten Teil des Auftritts.

Horan wechselte häufig zwischen der akustischen Gitarre und dem Banjo, wodurch er Abwechslung in seine fünfundvierzigminütige Ein-Mann-Show brachte. Vor allem, wenn er das Banjo auspackte, erhielten die Stücke einen Drive, der sich sofort auf das Publikum übertrug. Dessen Stimmung war von Anfang an begeistert, steigerte sich aber beinah ins Frenetische im Verlauf des Abends.

Da ich einen Blick auf die Setlist werfen konnte, fiel mir auf, dass mein absoluter Favorit „Led Me To The Wrong“ von Horan übersprungen wurde. Ich nutzte die Pause daher, um nachzufragen, ob er den Song noch spielt. Horan nahm den Wunsch auf und schob ihn direkt nach der Unterbrechung solo dazwischen, bevor er Alex Atienza für das zweite Set auf die Bühne holte. Atienza begleitete Horan mit akustischer Gitarre oder Mandoline und war für filigrane Zwischentöne verantwortlich. Zurückhaltend und anfänglich introvertiert wirkend, ergänzte er Horan perfekt.

Horan leitete die Stücke oft mit einigen Bemerkungen und kurzen Anekdoten ein. Besonders im zweiten Teil ließ er seiner sarkastischen Ader freien Lauf, was das Publikum honorierte. Die Atmosphäre wurde daher immer ausgelassener.

Während im ersten Set die Songs des aktuellen Albums dominierten, unternahm Horan im zweiten einen Streifzug durch sein bisheriges Werk – ergänzt durch einige Coverstücke. Unter diesen war erneut Hank Williams mit „Long Gone Lonesome Blues“ vertreten. Viele Emotionen legte Horan in „You Never Called Me By My Name“. Nach einer Serie eher getragener und wehmütiger Songs („My Love Is Gone“, „Drinking Alone“) offenbarte Horan augenzwinkernd sein Motto: Let’s make Country music sad again. Um dies zu konterkarieren streute er witzige Nummern („Big City Mama”, „Cocaine Carolina”) ein. Das Publikum ging bei allen Songs mit, selbst wenn Horan einige Jodel-Ausflüge zum Besten gab. Der Versuch, die Anwesenden in die Jodelei einzubinden, zeitigte ein – eigenwilliges – Ergebnis, das zumindest zur weiteren Auflockerung der Stimmung beitrug.

Von den Eigenkompositionen gab es seinen ersten selbstverfassten Country-Song „Take Me Home“ sowie den Soundtrack („Rambling On My Mind“) zu einem Filmprojekt zu hören. Als Frontmann von Dead Bronco besuchte er wiederholt die Kulturrampe. In Erinnerung an diese Zeit spielte er „Hard Liquor Goes Down Quicker“. Während sich Dead Bronco in Richtung Black Folk orientiert, verfolgt Horan ein anderes Bandprojekt, bei dem er sich eher dem traditionellen Country zuwendet. Für Februar ist der erste Longplayer der neuen Formation angekündigt. Als Vorgeschmack präsentierte er „Paid in Blood“. Der kraftvolle Titel gehörte zu den herausragenden Nummern des zweiten Konzertteils und schürte die Erwartungen auf die Veröffentlichung. Die aktuelle stand-alone Single „Appalachia“ brannte sich ebenfalls ins Gedächtnis ein. Atienza, der nun auch bei Dead Bronco eingestiegen ist, schrieb die Murder-Ballade gemeinsam mit Horan.

Nach der ersten Zugabe forderten die Besucher lautstark eine weitere. Sie fabrizierten dabei so viel Lärm, dass der Eindruck entstand, das Haus wäre ausverkauft. Dieser lautstarken Forderung konnte sich Horan natürlich nicht entziehen und setzte noch zwei Titel, darunter „Tennessee Boarder“, drauf.

Peerlings, der anfänglich bemerkte, dass die Konzerte von Musikern, die er klasse findet, oftmals nicht optimal besucht werden, konnte mit dem Verlauf des Abends zufrieden sein. Der Auftritt von Matt Horan mit seinem Sideman Alex Atienza war ein Beweis dafür, dass es weder viele Musiker braucht, um mitzureißen, noch ein ausverkauftes Haus, um brodelnde Konzertatmosphäre zu erleben. An dieser Stelle sei Respekt und Dank von Künstlern und Spartenpublikum an den Veranstalter ausgesprochen.

Line-up:
Matt Horan (vocals, acoustic guitar, banjo)
Alex Atienza (acoustic guitar, mandolin)

Text und Bilder: Michael Segets

Matt Horan
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Kulturrampe Krefeld

Neil Young – Carnegie Hall 1970 – CD-Review

Review: Gernot Mangold

Es gibt viele Bootlegs von Neil Young-Konzerten, zum Teil auch in recht guter Qualität. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht Young Schätze aus seinem Fundus von Livemitschnitten. Das Konzert in der Carnegie Hall war der erste Auftritt des jungen Neil Young in der legendären New Yorker Konzerthalle und spiegelt die Frühwerke des Musikers in seiner erfolgreichen folkigen Phase kurz vor seinem damaligen Meisterwerk „Harvest“.

Die überarbeitenden analogen Tonspuren sind von einer absolut hörenswerten Qualität und so gibt es ein Solokonzert, an dem Young sich am Mikro, an der Akustikgitarre oder am Piano präsentierte. Einzeln auf die Songs einzugehen wäre wie Eulen nach Athen zu tragen.

Die insgesamt 23 Stücke sind ein Querschnitt der ersten Alben „Neil Young“, „Everybody Knows This Is Nowhere“ und „After The Goldrush“ aus den Jahren 1968 bis 1970 sowie seiner Zusammenarbeit mit Stephen Stills bei Buffalo Springfield sowie CSN&Y und es gleicht einem „Greatest Hits“-Live-Album aus der Frühphase des kanadischen Amerikaners, wo den meisten noch gar nicht bewusst war, wie prägend er sich auf die Musikwelt später auswirken würde.

In dieser Form vorgetragen, zeigt sich die unglaubliche Stärke im Songwriting, aber auch die Fingerfertigkeit als Instrumentalist. Um zwei Songs doch namentlich zu zitieren, ist es dem „Old Man“ mit diesem Livealbum gelungen, was ihm in Zeiten von „I Am A Child“ als Grundlage für seine spätere Karriere diente.

Dass er später viele dieser Songs, meist mit Crazy Horse in einem E-Gitarrengewitter erklingen ließ, ist eine Geschichte, die später geschrieben wurde. „Carnegie Hall 1970“ ist für Fans von Folkmusik ein absolut hörenswertes Werk, aber auch für die Neil Young-Anhänger aus der eher rockigen Ära ein absolut empfehlenswertes Album, um manche Songs in ihrem absoluten Ursprung zu hören.

Reprise Records/Warner Music (2021)
Stil: Folk

Tracks:
01. Down By The River
02. Cinnamon Girl
03. I Am A Child
04. Expecting To Fly
05. The Loner
06. Wonderin`
07. Helpless
08. Southern Man
09. Nowadays Clancy Can’t Even Sing
10. Sugar Mountain
11. On The Way Home
12. Tell Me Why
13. Only Love Can Break Your Heart
14. Old Man
15. After The Gold Rush
16. Flying On The Ground Is Wrong
17. Cowgirl In The Sand
18. Don`t Let It Bring You Down
19. Birds
20. Bad Fog Of Loneliness
21. Ohio
22. See The Sky About To Rain
23. Dance Dance Dance

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Brandi Carlile – In These Silent Days – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Für Brandi Carlile wird es diesmal sehr persönlich. Die US-amerikanische Songwriterin und Sängerin blickt mit ihrem neuen Werk „In These Silent Days“ auf die vergangenen, erfolgreichen Jahre zurück und hat dabei textlich emotionale und leidenschaftliche Songs aufgenommen.

Der sechsfachen Grammy-Preisträgerin, u. a. für ihre LP „By The Way I Forgive You“ (2019, Best Americana Album Of The Year) ist erneut eine selbstbewusste Produktion gelungen. Die 1981 geborene Carlile kam in ihrer ländlichen Heimat von Ravensdale, Washington, schon früh mit Country Musik in Berührung und sang bereits als Achtjährige gemeinsam mit ihrer Mutter auf der Bühne. Als sie 17 wurde zog sie nach Seattle, um dort später mit den Musikern Tim und Phil Hanseroth – bis heute – in einer Band zu spielen. Bereits ihr zweites Album „The Story“ erlangte 2007 einen gewissen Kult-Status, weil Songs davon in der bekannten US-Serie „Grey’s Anatomy“ verwendet wurden.

Die neue Scheibe ist wesentlich unter dem Einfluss von Joni Mitchells legendären Meisterwerk „Blue“ entstanden, das vor rund 50 Jahren veröffentlicht wurde und auch von Brandi Carlile bei Konzertabenden regelmäßig gewürdigt wird. Die eigenen Kompositionen, wie der Opener „Right On Time“, zeigen Brandi mit gewaltiger Vocal-Power und jeder Menge Klavier-Begleitung in schöner Balladenstimmung. Auf „You And Me On The Rock“ imponieren akustische Gitarren im Paul Simon-ähnlichen Folk-Rock-Sound, der bei „This Time Tomorrow“ mit der fast zu leisen Botschaft „I’ll always be with you“ liebevoll und folkig flaniert.

Als erfolgreiche Produzenten-Kombination bestreiten Dave Cobb und Shooter Jennings wieder die Aufnahmeleitung im Vintage-mäßigen RCA-Studio in Nashville. Sie performen mit den Hanseroth-Zwillingen (Vocals, Bass, Guitar), sowie Chris Powell (Drums) und Josh Neumann (Strings), so herausragende Songs, wie „Broken Horses“, eine Art Jefferson Airplane-CSN&Y-Rock-Nummer, die auf die ebenso betitelte Carlile-Bestseller-Autobiographie ‚anspielt‘.

Neben musikalischer Stimmen-Dynamik sind die ambitionierten und ‚geradeaus‘-Lyrics maßgeblich verantwortlich für die Wirkung der Songs und beschreiben ausführlich eine Aufarbeitung von Carliles Lebensgeschichte sowie ihre persönlichen Erfahrungen. Zart besaitete, wunderbare Gesangspassagen in „Stay Gentle“ geben dem Akustik-Kleinod eine besondere, individuelle Titel-bezogene Note.

Kaum verblassen diese Harmonien mit den ruhigeren Akkorden, wird bei „Sinners Saints and Fools“ ein famoses Rock-Gebilde auch stimmgewaltig aufgebaut, das schließlich in einem Inferno-Showdown instrumentell kollabiert. Der folgende Relationship-Song „Throwing Good After Bad“ vermittelt zum Schluss nochmals einen versöhnlichen Ausklang durch eine starke Klavier-Ballade, die Brandi meisterlich interpretiert.

Mit ihrem neuen Longplayer „In These Silent Days“ schafft Brandi Carlile ein Award–würdiges Album, zwischen Rock, Folk, Country und etwas Pop, das eine abwechslungsreiche, geschmeidige und bei genauem Hinhören nachdenkliche Wohlfühlatmosphäre hinterlässt. Ihr Idol Joni Mitchell kann stolz auf sie sein.

Low Country Sound-Elektra (2021)
Stil: Country, Folk

Tracks:
01. Right On Time
02. You And Me On The Rock (feat. Lucius)
03. This Time Tomorrow
04. Broken Horses
05. Letter To The Past
06. Mama Werewolf
07. When You’re Wrong
08. Stay Gentle
09. Sinners, Saints and Fools
10. Throwing Good After Bad

Brandi Carlile
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Riddy Arman – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Hatte ich zuletzt mit Blick auf die Newcomer Morgan Wade und Leah Blevins vermutet, dass eine Riege junger Musikerinnen in der Americana-Szene neue Akzente setzt, bestätigt Riddy Arman mit ihrem Debüt diese These. Anders als die vorgenannten Musikerinnen geht Arman im Landleben auf und tradiert im stärkeren Maße den Mythos des amerikanischen Westens. Dies schlägt sich musikalisch in der reduzierten, akustischen Instrumentierung und ihrer größeren Nähe zum Country nieder.

In Ohio aufgewachsen durchstreifte Arman die Vereinigten Staaten, arbeitete auf verschiedenen Ranches und machte Abstecher nach New York und New Orleans. Die Singer/Songwriterin findet ihren Frieden allerdings in der Abgeschiedenheit der Farmen mit Viehzucht und Ackerbau. Dies spiegelt sich in ihren Texten wider, in denen sie die Ambivalenz dieses Lebens auslotet.

Auf der einen Seite steht die Schönheit und Erfüllung, die die Arbeit in der Natur und mit den Tieren bietet. Diesen Aspekt heben „Old Maid’s Draw“ sowie „Herding Song“ in ruhiger Weise hervor. Die belastende Stille und die Isolation, die sich fern der Städte und Mitmenschen breit machen kann, thematisiert Arman auf der anderen Seite. Das mit Streichern begleitete „Both Of my Hands“ transportiert diese eindrucksvoll und auch „Help Me Make It Through The Night“ – ein Titel von Kris Kristofferson – greift die Einsamkeit auf.

Wie Wade und Blevins nutzt Arman ihr Debüt, um ehemalige Beziehungen Revue passieren zu lassen. Auf „Half A Heart Keychain” und dem etwas kräftiger instrumentalisierten „Too Late To Write A Love Song” reflektiert sie deren Scheitern. In die gleiche Kerbe schlägt „Barbed Wire”. Sehr schön entfaltet sie dort den Dualismus des Cowboy-Mythos zwischen Autarkie und sozialen Bindungen. Der Stacheldraht symbolisiert die Grenze dieser beiden Pole. Arman ist wahrscheinlich zu jung, um den Western „Mit stahlharter Faust“ mit Kirk Douglas zu kennen, aber dieser Klassiker kommt mir bei diesem Thema in den Sinn.

Gerahmt wird das Werk durch zwei Titel, die sich mit Familiengeschichten befassen. Den Anfang macht „Spirits, Angels, Or Lies”, der vielleicht emotional am meisten berührt. Der Text beruht auf einer wahren Begebenheit: In der Nacht, in der Johnny Cash verstarb, erschien er Armans Vater am Krankenbett – einen Monat vor seinem eigenen Tod. Am Ende der CD steht „Problems On My Own”. Der Track versinnbildlicht die Emanzipation von der Familie und der Vergangenheit.

Das Erstlingswerk von Arman erscheint auf dem Label La Honda Records, das auch Colter Wall und Vincent Neil Emerson unter Vertrag hat. Arman, deren Songs zwischen Country und Folk changieren, befindet sich dort also in guter Gesellschaft.

Das selbstbetitelte Debütalbum von Riddy Arman reiht sich in eine Folge interessanter Veröffentlichungen ein, die junge Musikerinnen wie Morgan Wade oder Leah Blevins dieses Jahr vorlegen. In der thematischen Ausrichtung ähnlich, zeigen alle drei Künstlerinnen ein selbstständiges Profil. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen setzt Arman weniger auf eingängige Melodien, stattdessen wirken ihre Songs besonders pur und unverstellt. Ihnen haftet eine gewisse Schwere und Sprödigkeit an, die durchaus einen eigenen Charme entwickeln.

La Honda Records – Thirty Tigers (2021)
Stil: Folk/Country

Tracks:
01. Spirits, Angels, Or Lies
02. Half A Heart Keychain
03. Barbed Wire
04. Both Of My Hands
05. Help Me Make It Through The Night
06. Herding Song
07. Old Maid’s Draw
08. Too Late To Write A Love Song
09. Problems On My Own

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Dede Priest & Johnny Clark’s Outlaws – 26.06.2021, Schwarzer Adler, Rheinberg – Konzertbericht

priesthaupt

Gute acht Monate ist es jetzt her, dass ich ein Live-Konzert besucht habe, für den Inhaber eines Rock-Musikmagazins eigentlich eine regelrechte  Horrorvorstellung. Dabei muss ich zugeben, dass es mir nach der langen Pause sogar ein wenig schwer fiel, wieder in Gang zu kommen. Trotzdem überwog natürlich die Freude, dass die Kulturszene, dank der momentan überschaubaren Inzidenzzahlen, endlich aufatmen darf und wieder erste Steps im Hinblick auf eine zukünftige Normalisierung tätigen kann. Trotzdem schwebt ein Bangen vor weiteren Rückschlägen immer noch irgendwie mit.

Der Schwarze Adler war jedenfalls optimal gerüstet. Unkomplizierte Corona-Schnelltests im nebenstehenden kleinen Anbau, eine abstandskonforme, sehr gemütlich, mit kleinen Lampen inszenierte Tischanordnung (gefiel mir sehr gut) mit den entsprechenden Formularen darauf zur Nachverfolgung. Ideal natürlich auch zum Verfassen meiner Konzertnotizen. Ist es da als Adler-Genosse schon legitim, hier von einem Home-Office-Arbeitsplatz zu reden…?

Was für eine Welt?! Ehrlich gesagt, würde ich alles lieber, wie früher, eng stehend, kaum was sehend im Dunklen, mit dem einen oder anderen Ellbogen von vorne, der Seite oder im Rücken, in kaum lesbarer Schrift festhalten. Sicherheitstechnisch gesehen, passte aber alles somit auf den Punkt! Kompliment an das Adler-Team für die perfekte Organisation!

Zu Gast war mit Dede Priest & Johnny Clark’s Outlaws ein mit unserem Magazin eng verbundenes und geschätztes Quartett, dessen Debüt-Auftritt in der hiesigen Blues-Kultstätte nach zwei Verschiebungen, jetzt im dritten Anlauf endlich realisiert werden konnte. Und auch hier stieg die charismatische Texanerin Dede Priest mit ihrem niederländischen Begleittrio in Form von Johnny Clark (alias Hans Klerken), Leon Toonen und Ray Oostenrijk, absolut pünktlich um 20:00 Uhr nach kurzer Begrüßung durch Ernst Barten auf die Bühne und fügte mit ihrem stürmischen „Texas Hurricane“, dem ausgeklügelten Adler-Lüftungssystem zum Auftakt mit einer wahren Stoßlüftung eine weitere vorbeugende Komponente hinzu.

Klasse direkt hier Dedes Hendrix-angelehntes Wah-Wah-E-Gitarrenspiel mit Hilfe ihres Cry Baby Pedal-Effektgerätes, das sich als eines ihrer fortlaufenden Trademarks (für Nichtkenner der Band) herauskristallisierte, ebenso wie die mimisch-gesangliche Begleitung eines jeden ihrer Soli. Ein weiteres unabdingbares Musik-Utensil ist natürlich ihre Violine, passend zu ihrem gypsy-mäßigem Kleidungsstil an diesem Abend (dazu die gewohnten schwarzen fingerlosen Handschuhe), die dann beim folgenden Stomper „Vermillion Allure“ ihren ersten Einsatz fand.

Ihr Counterpart, Johnny Clark, der schon beim aktuellen Album „When Birds Were Snakes“ gefühlt etwas präsenter erscheint, durfte seine knochige Stimme zum ersten Mal am Ende von „Mudslide“ einbringen. Neben Leadgesangseinsätzen bei „Superlovely“, „Make That Double A Double“, „Alaska“ und der Merle Travis Country-Folk-Klassiker-Adaption von 1947 „16 Tons“ (im Wechselgesang mit Dede zum Abschluss des Hauptteils), beschränkte er sich überwiegend auf das Zuspiel mit seinen beiden Les Paul- und Stratocaster-E-Gitarren, wobei sein Faible für Creedence Clearwater Revival-typische Klänge öfter zum Ausdruck kamen. Aber auch das eine oder andere Solo (konventionell oder geslidet) ließ er sich natürlich nicht nehmen. Guter Mann!

Drummer Leon Toonen war die Freude, sein Hand-Fuß-Koordinierungsvermögen am Schlagzeug endlich wieder vor Publikum präsentieren zu können, am deutlichsten anzumerken, sein Gesicht strahlte über den gesamten Verlauf des Gigs, während sich sein immer sehr introvertiert wirkender Rhythmuskollege Ray Oostenrijk, lieber der hochkonzentrierten Tieftönerarbeit widmete.

Am Ende standen zwei tolle Parts (samt kurzer Zwischenpause) mit über 20 Songs zu Buche, wobei sich neben dem oben erwähnten Opener „Texas Hurricane“, noch die beiden balladesken Ohrwürmer „Hyssop Blossoms (I Could Lie But I Won’t)“, „It’s Getting Late“ sowie der Titeltrack ihres ersten Albums „Flowers Under The Bridge“, der gegen Ende in eine wahre Wah-Wah-E-Gitarren-Orgie mündete und dem folkigen „Whisper & Whistle“ (Johnny mit Akustikgitarre und Dede an der Violine nur im Duett als erste von drei Zugaben), als meine persönlichen Favoriten eines hochwertigen Abends herauskristallisierten.

Schade, dass durch die Pandemie-bedingten Vorgaben samt der anfangs erwähnten Gemütlichkeit dem typischen Adler-Hexenkessel, der sich bei solch starken Gigs üblicherweise entwickelt, quasi ein imaginärer Riegel vorgeschoben wurde. Unter normalen Voraussetzungen hätte das texanisch-niederländische Quartett die Vierbaumer Kultstätte sicherlich im Sturm erobert.

So blieb es zunächst bei viel anerkennendem Applaus der zufriedenen Anwesenden und der Hoffnung, dass Dede Priest & Johnny Clark’s Outlaws demnächst mal vor voller Hütte samt brodelnder Atmosphäre, in unbeschwerten Zeiten, ihre Klasse offerieren können. Die Visitenkarte, die von der Band hinterlassen wurde, war jedenfalls auf ganzer Linie überzeugend.

Line-up:
Dede Priest (lead vocals, electric guitar, fiddle, voclas, percussion)
Johnny Clark (electric guitar, acoustic guitar, vocals, lead vocals)
Ray Oostenrijk (bass)
Leon Toonen (drums)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Dede Priest
Johnny Clark & The Outlaws
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Schwarzer Adler Rheinberg

Neil Young – Young Shakespeare – CD-Review

cover Neil Young - Young Shakespeare

Review: Gernot Mangold

Neil Young hat mal wieder in seinem Archiv gekramt und den Mitschnitt eines Solo-Akustik-Konzertes gefunden. Historisch ist der Livemitschnitt aus dem Shakespeare Theater in Stratfort, Connecticut, etwas besonderes. Er entstand wenige Monate nach der Veröffentlichung des wegweisenden Erfolgsalbums „After The Goldrush“, das Young zur Folkikone machte. Young spielte neben Stücken des aktuellen Albums und Frühwerken einige Songs, die erst knapp ein Jahr später auf dem Megaseller „Harvest“ veröffentlicht werden sollten.

Die intime Atmosphäre des Konzertes wird auch dadurch deutlich, dass im Mitschnitt nicht die Ansagen zwischen den Songs weggeschnitten wurden, sondern einen recht redeseligen Neil Young zeigen, was nicht immer der Fall war.

Die instrumental bis auf ein Minimum reduzierten Stücke zeigen die Fähigkeiten Youngs im Songwriting und die Soundqualität lässt wenig zu wünschen übrig, da die analogen Bänder, die digital aufgearbeitet worden sind, auch für einen geplanten Musikfilm gemacht worden sind.

Die Songauswahl zeigt den damaligen musikalischen Stand Neil Youngs, wo Material von CSN&Y und mit Crazy Horse im Mittelpunkt steht. Dass mit „Dance Dance Dance“ sogar ein von Crazy Horse herausgebrachtes Stück gespielt wurde, zeigt seine schon damals bestehende Verbundenheit mit seiner Begleitband, die ihn fast seine ganze Karriere begleitete.

Das Livewerk lebt neben der Atmosphäre, die zuweilen zum besinnlichen Träumen einlädt, von den Emotionen der Stücke, in denen Young auch zur Protestikone der damaligen Zeit aufstieg, den er im Prinzip bis heute nicht verlassen sollte.

Das eindringliche klagende „Ohio“ nimmt den Zuhörer in seinen Bann und kann auch textlich heute noch als aktuell gesehen werden, es müssten nur einige Namen ausgetauscht werden (was ich dann selbst bei einem späteren Neil Young- Konzert mal erleben durfte).

Das emotionalste Stück ist das ein Jahr später auf „Harvest“ veröffentlichte „The Needle And The Demaged Done“, in dem er den Weg von Künstlern beschreibt, die ein Opfer der Heroinsucht wurden. Namentlich wurde Danny Whitten, der Gitarrist von Crazy Horse nicht benannt, aber etwa ein Jahr später musste dieser wegen seiner Sucht die Band verlassen und starb wenig später an einem Mix aus Drogen und Medikamenten. So wie Young den Song spielte, kann der Zuhörer das Gefühl bekommen, dass sich Young, in der Ahnung was passieren würde, schon zu dem Zeitpunkt von seinem damaligen Freund verabschiedet hätte.

Gelungen ist auch, wie Neil Young die erst später veröffentlichten Tracks „A Man Needs A Maid“ und „Heart Of Gold“ träumerisch miteinander thematisch verschmelzen lässt und zeigt, dass sich Letztgenanntes auch gut auf dem Piano begleiten lässt.

Das Album ist für Neil Young-Fans fast schon als Pflicht anzusehen, da es einen guten Überblick über eine frühe Phase des Künstlers gibt und es schöne akustische Versionen von Stücken wie „Down By The River“ oder „Cowgirl In The Sand“ beinhaltet, die auf diesen schon eine gewisse Härte aufweisen, und erahnen ließen, in welche Richtung sich Neil Young später insbesondere mit Crazy Horse entwickeln sollte.

Für Freunde der akustischen Musik oder des Folkrocks ist das Album ebenfalls lohnend, da es auch eine Art „Greatest Hits“, live eingespielt darstellt und das durch seine Zeitlosigkeit immer noch aktuell ist.

Band:
Neil Young: Vocals & Guitar, Piano

Reprise Records/Warner Music (2021)
Stil: Folk

Tracks:
01. Tell Me Why
02. Old Man
03. The Needle And The Demage Done
04. Ohio
05. Dance Dance Dance
06. Cowgirl In The Sand
07. A Man Needs A Maid / Heart Of Gold
08. Journey Through The Past
09. Don’t Let It Bring Down
10. Helpless
11. Down By The River
12. Sugar Mountain

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