Gary Louris – Dark Country – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach eigener Aussage ist „Dark Country“ ein Liebesbrief an seine Frau und sein bislang persönlichstes Werk. Der Frontmann von The Jayhawks wandelt auf seiner dritten Solo-Veröffentlichung auf Singer/Songwriter-Pfaden und legt ein reduziert instrumentalisiertes Werk vor, bei dem die poppigen Elemente, die zuletzt auf „XOXO“ (2020) der Jayhawks deutlich hervortraten, keinen Platz finden. In Gänze wirkt das neue Album deutlich dunkler, als man es von einer Liebeserklärung erwarten würde. Inhaltlich drehen sich die Songs um Beziehungen und deren Krisen. „Dark Country“ erscheint dabei weniger eingängig als das vorangegangene Solo-Werk „Jump For Joy“ (2021).

Die akustische Gitarre ist das bevorzugte Instrument, mit dem Louris seine Songs begleitet („Redefining Love“, „Better To Walk Than To Run“). Manche Titel sind etwas sperrig („Dead Porcupine”). Bei anderen zeigt sich Louris von einer sanfteren Seite („Living On My Phone“, „Listening To Bobby Charles”, „Helping Hand“). Insgesamt verläuft das Album in ruhigen Bahnen, wobei nur vereinzelt – wie bei „Two Birds“ – etwas mehr Schwung hineinkommt.

Der in Ohio aufgewachsene und mittlerweile in der Nähe von Montreal lebende Songwriter läuft zur Hochform auf, wenn er Klavier und Mundharmonika einsetzt. Das erste Highlight „Getting Older“ eröffnet den Longplayer. Die Single erinnert stellenweise an Neil Young zu „Harvest“-Zeiten. Diese Assoziation kommt auch später bei „Blow’ Em Away” auf. Das zweite Highlight stellt „By Your Side” dar. Hier gelingt es Louris, viel Gefühl zu transportieren, was durch das Streicher-Arrangement von Eleanor Whitmore (The Mastersons) unterstützt wird. Hingegen sind die Streicher auf dem von Pathos getragenen Abschluss des Albums „Perfect Day“ für meine Verhältnisse zu dominant.

Louris hat sich in den letzten Jahrzehnten ein beachtliches Renommee als Songwriter – sei es mit den Jayhawks, mit Golden Smog oder auch solo – erarbeitet. Er schrieb Stücke für The Chicks und die Tedeschi Trucks Band und kollaborierte mit einer Vielzahl von Musikerinnen und Musikern. Das aktuelle Werk ist stringenter als seine letzte Arbeit mit den Jayhawks, reicht aber an sein vorheriges, hoch gelobtes Solo-Werk nicht heran.

Auf „Dark Country“ gibt es ein paar Titel, die das Ansehen, das Gary Louris als Songwriter genießt, rechtfertigen. Nach mehrmaligem Hören des Gesamtwerks springt der Funke aber nicht durchgängig über. Die meisten Titel bleiben nicht länger im Gedächtnis. Das Album bietet sich dafür an, die Sahnehäubchen herauszupicken.

Sham – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Getting Older
02. Couldnt Live A Day Without You
03. Dead Porcupine
04. By Your Side
05. Living On My Phone
06. Blow’ Em Away
07. Redefining Love
08. Better To Walk Than To Run
09. Listening To Bobby Charles
10. Two Birds
11. Helping Hand
12. Perfect Day

Gary Louris
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Thomas Kraft – Americana. Ein zerrissenes Land im Spiegel der Country Music – Buch-Rezension

Review: Michael Segets

Thomas Kraft zieht in „Americana. Ein zerrissenes Land im Spiegel der Country Music“ Verbindungslinien zwischen Country Music und nationaler Identität der Vereinigten Staaten von Amerika. In dem Buch finden viele Musiker_innen Erwähnung, die in der Interpretenskala von Sounds-of-South vertreten sind, sodass es für unsere Leser_innen bereichernd sein könnte. Die Anregung für die erste Buch-Rezension bei SoS gab Andreas Reiffer, in dessen Verlag das Werk am 27.09.2024 erscheint.

Musik muss nicht politisch sein, aber ihre Entstehung ist stets durch den kulturellen und gesellschaftlichen Kontext geprägt. Offensichtlich wird die Verbindung von Musik und Politik, wenn sich die Künstler_innen öffentlich zu politischen oder gesellschaftlichen Problemen äußern oder solche Themen in ihren Texten verarbeiten. Für Politiker_innen wird die Musik interessant, wenn sie deren Popularität für ihre Zwecke instrumentalisieren können. Dass sich die Urheber_innen dagegen wehren, zeigen die zahlreichen Unterlassungsklagen gegen Trump, der ohne Zustimmung Musiktitel in seinem Wahlkampf einsetzt. Kraft zeichnet im ersten Kapitel seines Werks einige Skandale und Kontroversen nach, die im Spannungsfeld von Politik und Musik – speziell der Country Music – in den letzten Jahren aufflammten. Dabei reichen die Beispiele von den Dixie Chicks, den heutigen The Chicks, über Jason Aldeam bis zu Taylor Swift. Gefüllt mit hierzulande kaum wahrgenommenen Hintergrundinformationen bemüht sich Kraft um die Darstellung mehrerer Perspektiven. Deutlich wird dabei, dass die Country-Szene nicht nur in Bezug auf politische Ansichten, sondern auch hinsichtlich der dahinter stehenden Werte gespalten ist.

Eine zentrale Frage wird im zweiten Kapitel, in dem eine Analyse der gesellschaftlichen Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika erfolgt, aufgeworfen: „Hat das Land seinen moralischen Kompass verloren?“ (S. 39) Diese Frage stellt sich nicht erst seit der Präsidentschaft von Trump, tritt seitdem aber immer offener zutage. Eine grundlegende These des Autors ist, dass Brüche in der nationalen Identität der USA bestehen, die historische Wurzeln haben. Obwohl sich die Vereinigten Staaten Freiheit und Demokratie auf die Fahnen schreiben, sieht die gesellschaftliche und soziale Realität anders aus. Der Umgang mit der indigenen Bevölkerung während der Kolonalisierung des Kontinents oder die Sklaverei haben Spuren hinterlassen, die bis heute nachwirken. Wie Kraft diagnostiziert, durchziehen tiefe Gräben die amerikanische Gesellschaft, die unter anderem in der Kluft zwischen arm und reich offensichtlich werden.

In weiten Teilen der Bevölkerung besteht ein Gefühl der Unsicherheit, der Benachteiligung oder gar der Existenzbedrohung sowie das Bedürfnis nach Orientierung in einer komplexen Welt. Damit geht ein Rechtsruck in der Gesellschaft einher. Der Ruf nach einem starker Mann, der Klarheit im Sinne einfacher Wahrheiten schafft und Sicherheit verspricht, wird nachvollziehbar. Kraft kommt zu dem Schluss, dass das Phänomen Trump erst aufgrund der existierenden Polaritäten möglich wurde, die er zugleich schürt. Für den Autor stellen sich die Vereinigten Staaten von Amerika als ein gespaltenes Land dar, dessen Risse sich in mehreren Dimensionen und damit auch in der Musik zeigen.

Vor dem Hintergrund dieser Gesellschaftsanalyse widmet sich Kraft in dem folgenden, umfangreichsten Kapitel des Buches wieder der Country Music. Er unterscheidet mehr als zwei Dutzend Spielarten des Country, die er unter dem Sammelbegriff „Americana“ zusammenfasst. Unabhängig davon, ob man alle angeführten Richtungen der Country Music oder dem Americana zuordnen möchte, verdeutlichen die Ausführungen, dass diese kein homogenes Bild abgibt. Der klassische Country, der in ländlichen Regionen seinen Ursprung fand, ist heute nur noch eine Sparte unter anderen. Er dreht sich thematisch um das Leben der arbeitenden Bevölkerung mit ihren mehr oder weniger alltäglichen Problemen. Als traditionelle Volksmusik ist er „weiß, männlich, patriotisch“ (S. 69).

Indem Kraft den Einfluss einzelner Musiker_innen auf den Country in lebendig geschilderten Episoden und Zitaten schildert, verfolgt er dessen Wandlungen und Entwicklungen. Dabei spannt er einen Bogen beginnend in den 1920ern bis in die Gegenwart. Die Verbindungen zum Rock in den sechziger Jahren sowie gesellschaftliche Faktoren wie die Friedens- und Protestbewegung vor dem Hintergrund des Vietnam-Krieges brachten neue Impulse in die Country Music, sodass sich spätestens seitdem die Frage stellt, was noch Country ist und was nicht. „Die Musiker hat diese Frage meist nicht interessiert. Sie wollen kreativ sein, experimentieren und neue Stilrichtungen ausprobieren.“ (S. 126) Gleiches gilt für Künstler_innen, die eher nicht aus der Country-Ecke kommen, aber deren Tradition aufgreifen und verarbeiten. Die Country Music verliert damit endgültig ihre klaren Abgrenzungen und differenziert sich aus, sodass Kraft den Oberbegriff „Americana“ für angemessen hält, um die Facetten neben dem klassischen Country zu erfassen.

Der Autor geht unterschiedlichen Spielarten nach und weist Verknüpfungen zu anderen Musikrichtungen auf, wobei er diese Entwicklungen unter den jeweiligen sozialen und gesellschaftlichen Aspekten im historischen Kontext beleuchtet. Seine Ausführungen sind gespickt mit vielen Details und Querverbindungen. So enthält das Buch auch eine Vielzahl von Informationen, die für die meisten Leser_innen wohl neu sind. Wer hätte gewusst, dass das „erste offen schwule Country-Album der Welt“ (S. 193) von Lavender Country bereits im Jahr 1973 veröffentlicht wurde?

Die Ausführungen machen deutlich, dass die Country Music nicht per se für ein tradiertes, typisch amerikanisches Wertebewusstsein steht. Sie widmet sich auch kritisch und progressiv gesellschaftspolitischen Fragen. Um die Verbindung zwischen Gesellschaft und musikalischer Offenheit zum Ausdruck zu bringen, wählt Kraft den Begriff „Americana“. Kraft beendet seine Ausführungen mit dem Appell in Richtung der Vereinigten Staaten von Amerika – und vielleicht auch in Richtung sämtlicher Country-Fans –, Co-Existenz und Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen und Freiheit tatsächlich ernst zu nehmen.

Dem weiten Begriff „Americana“ folgend stellt der Verfasser zum Abschluss eine Empfehlungsliste von rund 500 Alben mit Anspieltipps zusammen. Die Liste beginnt mit dem Jahr 1966 und umfasst auch Longplayer, die man vielleicht nicht unmittelbar im Bereich der Country Music verortet hätte. Die meisten Werke werden mit ein bis zwei Sätzen kommentiert. Manchmal fallen die Bemerkungen auch ausführlicher aus. Die Aufstellung bereitet Freude, wenn man bekannte Alben wiederfindet und zudem liefert sie Anregungen zur weiteren Auseinandersetzung und Recherche im weiten Bereich der Country affinen Tonträger. Von den sieben bereits aus dem laufenden Jahr in der Liste verewigten Longplayern sind zumindest zwei – „Chains & Stakes“ von The Death South sowie „Mellow War“ von Taylor McCall – auch bei SoS besprochen. Wünschenswert wäre ein Register über die Musiker_innen und Bands gewesen, um gezielt nachschlagen zu können. Ansonsten gibt es nicht viel an dem Buch auszusetzen. Hervorzuheben sind die vielen Fotographien von Musiker_innen, die den Text begleiten. Sie stammen oft von Helmut Ölschlegel.

Thomas Kraft liefert in seinem flüssig zu lesenden Buch eine Bestandsaufnahme der amerikanischen Gesellschaft und diagnostiziert ihr eine Identitätskrise. Zusammenhänge zwischen Politik, Gesellschaft und Country Music zeichnet er in unterhaltsamer, aber oft nachdenklich stimmender Weise nach. Dabei zeigt sich ein facettenreiches Bild des Country, der eben nicht mehr als die traditionsverbundene Volksmusik der Amerikaner zu betrachten ist. Country Music entwickelt sich, schafft kreative Verbindungen zu anderen Stilrichtungen und greift aktuelle und kontroverse Themen auf. Das Buch regt Musikliebhaber an, den Blick über den Tellerrand zu werfen, und eröffnet eine Perspektive, Country Music als „Americana“ neu zu hören und zu entdecken.

Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Thomas Kreft ging bereits dem Einfluss literarischer Werke auf die Rockmusik nach. „Rock’n Read. Wie Literatur Rockmusik inspiriert“ erschien ebenfalls im Verlag Andreas Reiffer. Das Programm des seit fünfundzwanzig Jahren bestehenden Verlags legt einen Schwerpunkt auf Veröffentlichungen zur Popkultur und berücksichtigt dabei besonders Titel, die um Musik kreisen. Ein Besuch der Website mag sich daher lohnen.

Kraft, Thomas (2024)
Americana. Ein zerrissenes Land im Spiegel der Country Music
Verlag Andreas Reiffer. 320 Seiten.
Hardcover, mit zahlreichen Fotographien von Helmut Ölschlegel und andern
ISBN 978-3-910335-25-7
25,00 €

Thomas Kraft
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Verlag Andreas Reiffer

Patty Griffin – Tape – Home Recordings & Rarities – CD-Review

Review: Michael Segets

Was macht man so, wenn man als Musikerin während einer Pandemie zuhause sitzt? Anscheinend googelt man sich selbst. Patty Griffin jedenfalls durchforstete das Internet, speziell diverse Streaming-Dienste, nach Treffern ihrer Stücke. Vor allem Playlists von raren Tracks weckten ihr Interesse. Was sie dort fand, riss sie zwar nicht vom Hocker, inspirierte sie aber, sich ihr persönliches Archiv vorzunehmen. Dort stieß sie auf einige Songs, die in Vergessenheit geraten waren und von denen sie denkt, dass sie nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. So wurde der Grundstein zu „Tape – Home Recordings & Rarities“ gelegt.

Letztlich schafften es zehn Titel auf das Album. Sie stammen von Heimaufnahmen, teilweise mit Band, und einer Studio-Demosession in Nashville. Die Klangqualität ist vielleicht nicht durchgehend perfekt, aber Griffin kommt es auf das Gefühl an, das die Aufnahmen rüberbringen. Dieses bei einer Performance zu aktivieren, fällt ihr nach eigener Aussage alleine leichter als in einem Studio mit etlichen anderen, technikfixierten Personen. Viele Songs transportieren tatsächlich eine intime Stimmung, unabhängig davon, ob sie sich am Klavier oder der akustischen Gitarre begleitet.

Bei den Stücken, die mit dem Klavier eingespielt wurden, entwickelt „Night“ eine besondere Atmosphäre, wobei „Forever Shall Be“ und „Sundown“ ihm nicht viel nachstehen. Aus meiner Sicht verzichtbar wäre das instrumentelle „Octaves“ gewesen. Soundtechnisch eine Nuance schwächer erscheinen die Tracks mit akustischer Gitarrenbegleitung. Vom Song her gesehen überzeugt vor allem „Get Lucky“ und wurde zu Recht als erster ausgekoppelt. Gelungen ist ebenso die Ballade „Kiss Of A Man“, bei der deutlich wird, warum Griffin als renommierte Folksängerin und Songschreiberin gilt.

Das kurze und flottere „Strip Of The Night“ sowie „One Day We Could“ sorgen dafür, dass sich die Anzahl der durch Gitarre beziehungsweise Klavier begleiteten Titel die Waage hält. Hinzu kommen noch zwei mit Band eingespielte Stücke. „Don’t Mind“ sticht auf dem Album heraus. Der Blues lebt von der Orgel, die den Song dominiert. „Little Yellow House“ passt sich hingegen nahtlos in den Kanon der übrigen Balladen ein.

Die mehrfach ausgezeichnete Musikerin aus Maine arbeitete bereits mit Emmylou Harris, Robert Plant und Buddy Miller zusammen. Mit The Chicks geht Griffin diesen Sommer erneut auf Tour und beteiligt sich ebenso bei Rodney Crowells Songwriting Camp in Nashville. Während der Konzertreise durch die USA verkauft sie eine limitierte Edition von „Tape“ stilecht als Audiocassette. Die europäischen Fans werden es schwer haben, an dieses Sammlerstück zu kommen.

In Ergänzung und zur Komplettierung der Sammlung richtet sich „Tape – Home Recordings & Rarities“ in erster Linie an die langjährigen Fans von Patty Griffin. Aus ihrem Privatarchiv stellt sie zehn, zumeist auf die Begleitung durch Gitarre oder Klavier reduzierte Songs zusammen, die sie unverstellt von ihrer sensiblen Songwriter-Seite zeigen. Für diejenigen, die mit Griffins Werk nicht so vertraut sind, stellt der Griff zu ihrem Debüt „Living With Ghosts“ aus dem Jahr 1996 die bevorzugte Wahl dar.

PGM Recordings/Thirty Tigers-Membran (2021)
Stil: Folk/Americana

Tracks:
01. Get Lucky
02. One Day We Could
03. Strip of Light
04. Don’t Mind
05. Sundown
06. Little Yellow House
07. Night
08. Kiss of a Man
09. Octaves
10. Forever Shall Be

Patty Griffin
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Oktober Promotion

The Flatlanders – Treasure Of Love – CD-Review

cover The Flatlanders - Treasure Of Love 300

Review: Michael Segets

The Flatlanders spielten ihr erstes Album 1972 ein, die Plattenfirma veröffentlichte es aber nicht. Nach diesem Fehlstart löste sich die Band erst einmal auf. In den folgenden Jahren kursierten einige Liveaufnahmen und Bootlegs, durch die das Trio, bestehend aus Joe Ely, Jimmie Dale Gilmore und Butch Hancock, einen legendären Ruf erwarb.

Erst 1990 kam das gemeinsame Debüt in leicht abgewandelter Form heraus und wurde ein kommerzieller Erfolg, an dem die Urheber allerdings keine Beteiligung erfuhren. Mittlerweile hatten die Musiker Solokarrieren eingeschlagen. Den Kontakt verloren die drei Freunde allerdings nie. Sporadisch ergaben sich Kollaborationen und für den Soundtrack zum Film „Der Pferdeflüsterer“ steuerten sie als The Flatlanders einen Track bei.

In der ersten Dekade der 2000er entstanden noch drei gemeinsame Alben. Ein weiteres Werk wurde begonnen, jedoch nicht vollendet, bis die Pandemie die Termin- und Tourkalender leerte. Die Zwangspause nutzten Ely, Gilmore und Hancock, um das Projekt fertigzustellen. Dafür engagierten Sie Lloyd Maines (The Chicks, Wilco, Kris Kristofferson, Loretta Lynn), der „Treasure Of Love“ zusammen mit Ely und dessen Frau Sharon produzierte.

Unter den fünfzehn Songs des Longplayers sind ältere und neuere Eigenkompositionen sowie einige Cover vertreten. The Flatlanders interpretieren „She Belongs To Me” von Bob Dylan, „Snowin‘ on Raton” von Townes Van Zandt, „Give My Love To Rose” von Johnny Cash und „Treasure of Love” von George Jones. Der Klassiker „Sittin‘ On Top Of The World“, mit dem die Band gerne ihre Konzerte beendet, beschließt auch das Album. Das Video zur ersten Single besticht durch die historischen Aufnahmen aus der frühen Bandgeschichte.

„Treasure Of Love“ umweht der Hauch der Siebziger, der bei „Ramblin‘ Man“ besonders deutlich spürbar ist. Das Album ist gradlinig produziert und verzichtet auf Modernisierungen oder Schnörkel. Die Texaner gelten als Mitinitiatoren des Alternative Country und bleiben dessen Ursprüngen in jedem Song verbunden. Die Instrumentierung bewegt sich daher auch in genretypischen Bahnen und setzt bei mehreren Stücken auf ausgiebigen Slide. Beim Opener „Moanin’ Of The Midnight Train” treffen The Flatlanders dabei genau das richtige Maß, zumal das kräftige Schlagzeug eine gelungen Gegenpol liefert.

Das Wimmern der Saiten ist auf manchen Tracks etwas viel, wie bei „The Ballad Of Honest Sam“. „I Don’t Blame You” geht in eine ähnliche Richtung, wenn es auch nicht ganz so süßlich wirkt. Besser gelungen ist die Country-Ballade „Love Oh Love Please Come Home”. Neben den getragenen Stücken präsentieren The Flatlanders einige flotte Nummern wie „Mobile Blue“ oder auch „She Smiles Like A River“. Ordentlichen Swing gibt die Band „Mama Does The Kangaroo” mit. Schließlich finden sich Bluegrass-Elemente („Satin Shoes“) und mehrstimmige Gesangseinlagen („Long Time Gone“) auf dem Album, sodass dessen Linie zwar erhalten bleibt, Variationen im Sound aber einfließen.

Wenn Charley Crockett, Colter Wall oder auch Vincent Neil Emerson als Vertreter des New Traditional Country gehandelt werden, dann vertreten The Flatlanders einen Old Alternative Country. Was vor fünfzig Jahren einen innovativen Schub in die Country-Musik brachte, klingt heute eher altbekannt. Dass die Neuauflage des Alten aber nicht schlecht sein muss, sondern durchaus einen eigenen Charme entwickeln kann, beweisen Ely, Gilmore und Hanock auf „Treasure Of Love“. Schätze liegen ja manchmal längere Zeit verborgen, bis sie wieder ans Tageslicht gehoben werden.

Rack’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Moanin’ Of The Midnight Train
02. Long Time Gone
03. Snowin’ On Raton
04. She Smiles Like A River
05. Love Oh Love Please Come Home
06. Give My Love To Rose
07. Treasure Of Love
08. Satin Shoes
09. The Ballad Of Honest Sam
10. Mama Does The Kangaroo
11. She Belongs To Me
12. I Don’t Blame You
13. Mobile Blue
14. Ramblin’ Man
15. Sittin’ On Top Of The World

The Flatlanders
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Oktober Promotion

The Chicks – Gaslighter – CD-Review

cover The Chicks - Gaslighter_300

Dass es beim Comebackalbum „Gaslighter“ nach satten 14 Jahren Pause der ehemaligen, vielfach Grammy-prämierten Dixie Chicks nicht ohne großes Tamtam in diesen Zeiten einhergehen würde, war so sicher wie das Amen in der Kirche.

Die Ära Trump, #MeToo, Corona und die neu aufkommende Rassendiskussion boten da genügend Zündstoff, um sich als politisch motivierter Act, hochaktuell zu profilieren.

Da wurde zunächst mal das symbolträchtige Wort ‚Dixie‘ als Synonym für den Süden aus dem Bandnamen verbannt und publicity-wirksam neu unter The Chicks firmiert. Ich finde es persönlich ein wenig kurz gedacht. Zum einen hat das Wort die drei Damen, als es gut lief, lange Zeit nicht gestört, zum anderen sollte man, als Menschen, die gelernt haben, differenziert zu denken, Leute nicht anhand von Symboliken über einen Kamm scheren, sondern sie nach ihrem Handeln beurteilen. Viele Arschlöcher, aber auch genügend gute und anständige Menschen  (ich hoffe sogar überwiegend), gibt es überall auf der Welt, auch im Süden der USA.

Der Titel des Albums „Gaslighter“, der in der Psychologie eine Form von psychischer Gewalt bzw. Missbrauch durch Leute bezeichnet, mit der Opfer gezielt desorientiert, manipuliert und zutiefst verunsichert werden, kann natürlich breitgefächert interpretiert werden und bietet der Kritikerschaft, wer da jetzt alles angesprochen sein könnte, Diskussionsstoff en masse.

Das von Jack Antonoff (u. a. Taylor Swift, Lorde, St. Vincent, Lana Del Rey, Kevin Abstract, Carly Rae Jepsen) zusammen mit den Dreien produzierte Werk bietet insgesamt musikalisch eine solide New Countrykost.

Die immer noch etwas jungenhafte Stimme von Natalie Maines (Vater Lloyd ist mit ein paar Steeleinlagen auch vertreten), die man mögen muss, bildet den kräftigen Mittelpunkt, die Kolleginnen Marty Maguire und Emily Strayer sorgen für die obligatorischen Harmoniegesänge und beweisen, dass sie auf ihren Instrumenten (Violine, Viola, bzw. Banjo, Akusikgitarre, Mandoline, Dobro und Ukulele nichts verlernt haben.

Die wohl markantesten Tracks wie das Titellied „Gaslighter“ (eingängiger kräftiger Refrain) und das musikalisch schön swampig gestaltete „March March“ wirken natürlich mit den dazugehörenden plakativen Videos im Hintergrund noch besser.

Ansonsten bieten die restlichen Lieder, recht reduzierten, aber immer genau auf den Punkt gebrachten New Country, der in der zweiten Hälfte phasenweise allerdings auch ein wenig ermüdend wirkt.

Von einem Meisterwerk zu sprechen, halte ich von daher für etwas übertrieben. Im Prinzip ist den Chicks bei ihrer ‚Rückkehr‘ ein ordentliches Album mit ein paar Highlights gelungen, das musikalisch aber nicht viel mehr hergibt, als man es von Acts wie z. B. Little Big Town, The Highwomen oder Mary Gauthier, Lori McKenna, etc. in den letzten Jahren (aber natürlichvon weniger politischer Natur und unglamouröser inszeniert) bereits vielfach geboten bekommen hat.

Monument (Sony) (2020)
Stil: New Country

Tracklist:
01. Gaslighter
02. Sleep at Night
03. Texas Man
04. Everybody Loves You
05. For Her
06. March March
07. My Best Friend’s Weddings
08. Tights on my Boat
09. Julianna Calm Down
10. Young Man
11. Hope It’s Something Good
12. Set Me Free

The Chicks
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Another Dimension