The Flatlanders – Treasure Of Love – CD-Review

cover The Flatlanders - Treasure Of Love 300

Review: Michael Segets

The Flatlanders spielten ihr erstes Album 1972 ein, die Plattenfirma veröffentlichte es aber nicht. Nach diesem Fehlstart löste sich die Band erst einmal auf. In den folgenden Jahren kursierten einige Liveaufnahmen und Bootlegs, durch die das Trio, bestehend aus Joe Ely, Jimmie Dale Gilmore und Butch Hancock, einen legendären Ruf erwarb.

Erst 1990 kam das gemeinsame Debüt in leicht abgewandelter Form heraus und wurde ein kommerzieller Erfolg, an dem die Urheber allerdings keine Beteiligung erfuhren. Mittlerweile hatten die Musiker Solokarrieren eingeschlagen. Den Kontakt verloren die drei Freunde allerdings nie. Sporadisch ergaben sich Kollaborationen und für den Soundtrack zum Film „Der Pferdeflüsterer“ steuerten sie als The Flatlanders einen Track bei.

In der ersten Dekade der 2000er entstanden noch drei gemeinsame Alben. Ein weiteres Werk wurde begonnen, jedoch nicht vollendet, bis die Pandemie die Termin- und Tourkalender leerte. Die Zwangspause nutzten Ely, Gilmore und Hancock, um das Projekt fertigzustellen. Dafür engagierten Sie Lloyd Maines (The Chicks, Wilco, Kris Kristofferson, Loretta Lynn), der „Treasure Of Love“ zusammen mit Ely und dessen Frau Sharon produzierte.

Unter den fünfzehn Songs des Longplayers sind ältere und neuere Eigenkompositionen sowie einige Cover vertreten. The Flatlanders interpretieren „She Belongs To Me” von Bob Dylan, „Snowin‘ on Raton” von Townes Van Zandt, „Give My Love To Rose” von Johnny Cash und „Treasure of Love” von George Jones. Der Klassiker „Sittin‘ On Top Of The World“, mit dem die Band gerne ihre Konzerte beendet, beschließt auch das Album. Das Video zur ersten Single besticht durch die historischen Aufnahmen aus der frühen Bandgeschichte.

„Treasure Of Love“ umweht der Hauch der Siebziger, der bei „Ramblin‘ Man“ besonders deutlich spürbar ist. Das Album ist gradlinig produziert und verzichtet auf Modernisierungen oder Schnörkel. Die Texaner gelten als Mitinitiatoren des Alternative Country und bleiben dessen Ursprüngen in jedem Song verbunden. Die Instrumentierung bewegt sich daher auch in genretypischen Bahnen und setzt bei mehreren Stücken auf ausgiebigen Slide. Beim Opener „Moanin’ Of The Midnight Train” treffen The Flatlanders dabei genau das richtige Maß, zumal das kräftige Schlagzeug eine gelungen Gegenpol liefert.

Das Wimmern der Saiten ist auf manchen Tracks etwas viel, wie bei „The Ballad Of Honest Sam“. „I Don’t Blame You” geht in eine ähnliche Richtung, wenn es auch nicht ganz so süßlich wirkt. Besser gelungen ist die Country-Ballade „Love Oh Love Please Come Home”. Neben den getragenen Stücken präsentieren The Flatlanders einige flotte Nummern wie „Mobile Blue“ oder auch „She Smiles Like A River“. Ordentlichen Swing gibt die Band „Mama Does The Kangaroo” mit. Schließlich finden sich Bluegrass-Elemente („Satin Shoes“) und mehrstimmige Gesangseinlagen („Long Time Gone“) auf dem Album, sodass dessen Linie zwar erhalten bleibt, Variationen im Sound aber einfließen.

Wenn Charley Crockett, Colter Wall oder auch Vincent Neil Emerson als Vertreter des New Traditional Country gehandelt werden, dann vertreten The Flatlanders einen Old Alternative Country. Was vor fünfzig Jahren einen innovativen Schub in die Country-Musik brachte, klingt heute eher altbekannt. Dass die Neuauflage des Alten aber nicht schlecht sein muss, sondern durchaus einen eigenen Charme entwickeln kann, beweisen Ely, Gilmore und Hanock auf „Treasure Of Love“. Schätze liegen ja manchmal längere Zeit verborgen, bis sie wieder ans Tageslicht gehoben werden.

Rack’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Moanin’ Of The Midnight Train
02. Long Time Gone
03. Snowin’ On Raton
04. She Smiles Like A River
05. Love Oh Love Please Come Home
06. Give My Love To Rose
07. Treasure Of Love
08. Satin Shoes
09. The Ballad Of Honest Sam
10. Mama Does The Kangaroo
11. She Belongs To Me
12. I Don’t Blame You
13. Mobile Blue
14. Ramblin’ Man
15. Sittin’ On Top Of The World

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Steve Earle & The Dukes – J. T. – CD-Review

Steve Earle JT 300x300

Review: Michael Segets

Wirft man am Anfang des Jahres einen Blick zurück in das vergangene, dann brachte dieses gravierende Veränderungen und selbstverständlich Erscheinendes wurde plötzlich infrage gestellt. Steve Earle hatte mit dem Tod seines Sohnes Justin Townes Earle zusätzlich einen schweren persönlichen Verlust zu beklagen. Seine Trauer verarbeitet er auf dem Album „J. T.“. Das Werk erscheint digital am vierten Januar, dem Tag an dem Justin Townes 39 Jahre alt geworden wäre. Im März werden die CD und LP herauskommen.

Im Andenken an seinen Sohn, der im August vermutlich an einer Drogen-Überdosis verstarb, covert Steve Earle zehn Stücke, die die musikalische Karriere von Justin Townes abbilden. Ergänzt wird diese Auswahl durch die Eigenkomposition „Last Words“.

Den Auftakt macht „I Don’t Care“, das im Original von Justin Townes Debüt-EP „Yuma“ stammt. Auf das flotte Folkstück mit feiner Fidel folgt „Ain’t Glad I’m Leaving“ vom ersten Longplayer „The Good Life“ (2007). Diesem entnommen sind ebenfalls das stimmungsvolle, mit sanften E-Gitarren-Tupfern versehene „Far Away In Another Town“ und die besonders starke Uptempo-Nummer „Lone Pine Hill“.

Aus der frühen musikalischen Schaffenszeit seines Sohnes greift Steve Earle noch „Turn Out My Lights“ und „They Killed John Henry“ heraus. Mit dem letztgenannten Titel zeigte Justin Townes, dass er sowohl musikalisch als auch thematisch in der Singer/Songwriter-Tradition steht. Die Legende um John Henry durchzieht die amerikanische Musikgeschichte bis heute (Charly Crockett, Colter Wall) und auch Steve Earle selbst hat diese auf seiner vorangegangenen CD „Ghost Of West Virginia“ bearbeitet. Eine musikalische Nähe zwischen Vater und Sohn ist also nicht zu leugnen.

2010 feierte Justin Townes mit „Harlem River Blues” seinen größten Erfolg, der im darauffolgenden Jahr als bester Song des Jahres mit einem Americana Music Award ausgezeichnet wurde. Der Titel fand quasi selbstverständlich seinen Weg in die Auswahl von Steve Earle. Eleanor Whitmore steuert hier und auf anderen Stücken den Harmonie- und Backgroundgesang bei.

Steve Earle kann sich bei der Performance auf die Qualität seiner Dukes verlassen – egal, ob die Stücke Elemente von Gospel, Country oder Blues einbauen. Mit seiner rauen, markanten Stimme interpretiert Steve die Songs seines Sohnes auf die ihm eigene Weise. Der nölige Gesang in Kombination mit eingängigen Melodie zündet, wie beispielsweise bei „Maria“.

Neben diesem Song entstand der Boogie „Champagne Corolla“ und das bluesige „The Saint Of Lost Causes” in der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts. Das Titelstück des achten und letzten Albums aus 2019 zählt zu meinen Favoriten unter den Kompositionen von Justin Townes. Lyrisch stellt es sicherlich einen Höhepunkt in seinem Werk dar. Sein Vater liefert eine intensive Interpretation ab, erreicht aber nicht ganz die atmosphärische Dichte des Originals.

Steve Earle sagt, dass er alle Platten für sich gemacht habe, dabei wirken seine Songs über ihn hinaus. Auch wenn er politische Aussagen macht, scheint in ihnen ein tiefes Verständnis und eine Sensibilität für seine Figuren durch. Bei seinen Werken, die er ihm wichtigen Menschen gewidmet hat, seinen Mentoren Towens Van Zandt („Townes“) sowie Guy Clark („Guy“ ) und nun seinem Sohn Justin Townes, kommt die Wertschätzung, die er ihnen und ihrem Werk entgegenbringt, zum Ausdruck.

Anders als auf den beiden vorherigen Cover-Alben ergänzt Steve Earle „J. T.“ um eine Eigenkomposition, in der er „Last Words“ an seinen Sohn richtet. Die Erinnerung an das letzte Telefongespräch durchzieht den Text. In ihm wird deutlich, dass die Beziehung von Vater und Sohn trotz aller Konflikte von einer engen Bindung und Liebe getragen wurde.

In seiner unverkennbaren Art transformiert Steve Earle die Songs seines Sohnes auf behutsame Art, sodass er sie sich zu eigen macht und dennoch ein tiefer Respekt vor Justin Townes‘ Werk in jeder Note durchscheint. Die Auswahl der Stücke zeigt die Bandbreite und verdeutlicht die Qualität von Justin Townes‘ Kompositionen. „J. T.” ist ein persönlicher und bewegender Rückblick Steve Earles auf den Menschen und Musiker Justin Townes Earle – auf ein Leben, das zu früh endete.

Alle Künstlertantiemen fließen an Etta St. James Earle, der dreijährigen Tochter von Justin Townes.

New West Records/Pias-Rough Trade (2020)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. I Don’t Care
02. Ain’t Glad I’m Leaving
03. Maria
04. Far Away In Another Town
05. They Killed John Henry
06. Turn Out My Lights
07. Lone Pine Hill
08. Champagne Corolla
09. The Saint Of Lost Causes
10. Harlem River Blues
11. Last Words

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