Charley Crockett – Live From The Ryman Auditorium– CD-Review

Review: Michael Segets

2019 sah ich Charley Crockett mit circa fünfzig anderen Besuchern in der Kulturrampe live. Seinerzeit hatte er bereits erste Erfolge in den USA zu verzeichnen. Seitdem ging seine Karriere allerdings steil bergauf. Ein Traum, den wohl jeder Musiker in und um Nashville hegt, ist ein Auftritt im Ryman Auditorium, das 2500 Zuschauer fasst. Crockett verwirklichte ihn durch unermüdliche Präsenz in Medien und Öffentlichkeit, die er sich nicht zuletzt durch die hohe Schlagzahl von Veröffentlichungen verdiente. Vor ausverkauftem Haus spielte der Texaner im letzten Jahr ein souveränes Konzert, dessen Mitschnitt 23 Titel umfasst und nun als sein erstes Live-Album erscheint.

Crockett performt – wie es auch für seine Longplayer typisch ist – eine Mischung aus eigenen Songs und Covern, denen er seine spezielle Note mitgibt. Den Schwerpunkt bei der Titelauswahl legt er auf sein aktuelles Studio-Album „The Man From Waco“. Die Eröffnung des Auftritts bestreitet Crockett mit fünf Tracks dieses Werks. Neben eingängigen Country-Schwofern wie „Time Of The Cottonwood Trees“ berücksichtigt er staubige Balladen („The Man From Waco“) und flottere Midtempo-Stücke („Black Sedan“). Später folgen dann mit „Odessa“, „Name On A Billboard“ und „I’m Just A Clown“ weitere Songs des Longplayers.

Crockett und seine fünfköpfige Begleitband zeigen sich glänzend aufeinander abgestimmt. Die Songs wirken etwas erdiger als die Studio-Versionen, entfernen sich aber nicht allzu weit von diesen. Die Nuancen die Crockett in die sorgsam arrangierten Interpretationen einbringt, sorgen aber dafür, dass mir die meisten Stücke live noch besser gefallen.

In der ersten Hälfte des Konzerts folgt eine Reihe von Honky Tonk-Titeln, die mit viel Twang versehen sind. „Between The House And Town“, „The Valley“, „Jukebox Charley“ und „Music City USA“ bleiben hier zu nennen. Wie Crockett berichtet, gab es nach dem Titelstück seines Albums aus dem Jahr 2021 wohl minutenlange Standing Ovations, die vernünftigerweise für die Veröffentlichung herausgeschnitten wurden.

Den Auftritt setzt Crockett dann mit einer Würdigung seines verstorbenen Freundes James Hand fort. Er spielt ein Medley von dessen „Midnight Run“ sowie „Lesson In Depression“ und schiebt „Don’t Tell Me That“ nach. Anschließend unternimmt Crockett einen Streifzug durch sein bisheriges musikalisches Schaffen. Von fast jede seiner Veröffentlichungen stellt er mindestens einen Track vor. Der einzige Beitrag, der sich nicht auf einem seiner Alben findet, stammt von Townes Van Zandt („Tecumseh Valley“).

Von seinem Debüt „A Stolen Jewell“ ist „Trinity River“ entnommen, das er für „The Man From Waco“ erneut eingespielte. Der Song wurde ebenso wie das wunderschön harmonische „Jamestown Ferry“ vor der Veröffentlichung des Albums herausgegeben. In den Videos sieht man die Gestaltung der Bühne und bekommt einen Eindruck von dessen dezenter Ausleuchtung. Crockett orientierte sich dabei nach eigener Aussage an dem Auftritt von Johnny Cash am selben Ort. Die Veröffentlichung eines Konzertfilms zur gesamten Show steht in den Startlöchern und soll Ende September über YouTube zugänglich sein.

Bei der Songauswahl in der zweiten Hälfte liegt der Fokus auf dem New Traditional Country, für den Crockett mittlerweile als ein Hauptvertreter gelten kann. Bei „I Feel For You“, das weniger intensiv als die Studioversion wirkt, mischt sich etwas Soul hinein. Mit „Travelin‘ Blues“ bringt Crockett nochmal eine neue, bluesige Facette in seinen Sound. Insgesamt deckt das Konzert die Bandbreite seines musikalischen Schaffens ab. Das eine oder andere Highlight seiner Scheiben, wie „Borrowed Time“ oder „Run Horse Run“ hätte ich mir noch auf der Setlist gewünscht, aber so bleibt noch genug Material für ein weiteres Live-Album.

Mit „Live From The Ryman Auditorium“ liefert Charley Crockett einen Beweis für die Qualität seiner Songinterpretationen, die live nichts von ihrer Kraft einbüßen. Zum Kennenlernen des aufstrebenden Country-Stars eignet sich die CD oder Doppel-LP hervorragend, da sie das Spektrum seiner Musik widerspiegelt. Die Fans von Crockett werden die alternativen und ersten offiziellen Live-Versionen seiner Stücke sowieso nicht missen wollen.

Mitte September besuchte Crockett im Rahmen seiner Europa-Tour Hamburg, Frankfurt und Berlin. Die gebuchten Säle fassten zwischen 800 und 1500 Besucher. Die Zeiten, in denen Crockett in Deutschland vor einer Handvoll Leuten spielte, sind nun endgültig vorbei. Im Oktober und November supportet er Chris Stapleton und Dwight Yoakam in den USA. Im Dezember plant er zusammen mit Ryan Bingham ein Konzert.

Son Of Davy – Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Cowboy Candy
02. Time Of The Cottonwood Trees
03. Just Like Honey
04. Black Sedan
05. The Man From Waco
06. Between The House And Town
07. Odessa
08. The Valley
09. Jukebox Charley
10. Music City USA
11. Midnight Run & Lesson In Depression
12. Don’t Tell Me That
13. Welcome To Hard Times
14. Name On A Billboard
15. Jamestown Ferry
16. I Feel For You
18. Travelin’ Blues
19. Trinity River
20. I’m Just A Clown
21. Goin’ Back To Texas
22. Tecumseh Valley
23. Paint It Blue

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Alex Williams – Waging Peace – CD-Review

Review: Michael Segets

Alex Williams hält mit seinem zweiten Album „Waging Peace“ die Fahne des Outlaw Country hoch. Waylon Jennings hätte sicher seine Freude an der Scheibe gehabt. Die Stimme von Williams ist für den Country gemacht. In dem Genre bewegen sich dann folglich die meisten Songs. Dabei überschreitet Williams mehrmals die Grenze zum Rock und gibt gelegentlich einem Southern-Flair Raum. Gelegentlich mit Chris Stapleton oder Sturgill Simpson verglichen, reichen die Inspirationsquellen von Townes Van Zandt oder Guy Clark bis zu Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers. In diesem Rahmen bietet „Waging Peace“ eine variable Kost.

Die Hälfte der Stücke folgen den Pfaden, die im Country der siebziger Jahre gelegt wurden. Topoi des modernen Cowboys, die ständig auf den Straßen unterwegs sind und ihr Leben am Rande gesellschaftlicher Konventionen führen, durchziehen die Texte. „Old Before My Time“ und „Double Nickel“ sind dabei Vertreter der schnelleren Spielart. Beide Songs werden mit ordentlichem Twang versehen und finden in der Trucker-Szene bestimmt viel Anklang.

Einen Gang runter schalten „Rock Bottom“ und „A Higher Road“. Der zuletzt genannte Titel entwickelt dennoch Druck im Refrain, der von dem Gitarrensolo zum Ausklang weitergetragen wird. „The Best Thing“ hat den größten Retro-Charme unter den Songs. Mit einem wimmernden Slide der Steel Pedal wandelt er auf traditionellen Bahnen, so erinnert der Beginn an Songs von Willie Nelson. Bemerkenswert ist die kurze Mundharmonika-Passage, die sich in den gefälligen Song einfügt. „The Struggle“ stellt für mich den Favoriten unter den langsameren Country-Stücken dar. Williams Gesang steht bei dem reduzierten und klaren Midtempo-Beitrag im Vordergrund.

„Fire“ erscheint mit seinen Riffs kräftiger und zeigt Williams Affinität zum Rock. Diese tritt auch bei der ersten Single „No Reservations“ zutage, die den Longplayer zugleich eröffnet. Während der Song mich direkt für Williams eingenommen hat, springt der Funke bei dem gleichförmigen „Conspiracy“ nicht so recht über. Hingegen prägt eine ansteigende Dynamik das Titelstück „Waging Peace“. Nach dem Intro durch eine staubige Gitarre, bekommt es in seinem Verlauf einen hymnischen Charakter. Zu den Highlights zählt auch „Confession“. Der Track weist ebenso wie das abschließende „The Vice“ deutliche Anleihen beim Southern auf.

Alex Williams gibt dem Outlaw Country eine aktuelle Stimme. Er tradiert dabei bekannte Spielarten dieser Country-Richtung, stellt ihre Verbindung zum Rock heraus und würzt sie mit einer gelegentlichen Prise Southern. So führt „Waging Peace“ eine hierzulande wenig beachtete Linie des Country fort und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdient.

Lightning Rod Records – New West Records (2022)
Stil: Outlaw Country

Tracks:
01. No Reservations
02. Old Before My Time
03. Rock Bottom
04. Fire
05. A Higher Road
06. Waging Peace
07. Conspiracy
08. The Best Thing
09. Double Nickel
10. Confession
11. The Struggle
12. The Vice

Alex Williams
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Steve Earle & The Dukes – Jerry Jeff – Digital Album-Review

Review: Michael Segets

Steve Earle, selbst schon längst eine Ikone, würdigt mit seiner neuen Veröffentlichung Jerry Jeff Walker, einen Wegbereiter des Outlaw-Country. Inklusive „Jerry Jeff“ brachte Earle bislang vier Tribute-Alben heraus, die er verstorbenen Musikern widmete, die seinen Lebensweg prägten. Seine enge Verbindung zu diesen kommt dadurch zum Ausdruck, dass er die Longplayer stets mit deren Vornamen betitelt. Den Anfang machte „Townes“ (2009) für Townes van Zandt. Zehn Jahre später folgte „Guy“ in Erinnerung an Guy Clark. Im vergangenen Jahr erschien „J. T.“ als Abschied von seinem Sohn Justin Townes Earle.

Earle lernte noch vor seiner musikalischen Karriere Jerry Jeff Walker in Nashville kennen und arbeitete als dessen Fahrer. Er sieht in Walker seinen ersten Lehrmeister und erst später folgte die Freundschaft mit seinen Mentoren Van Zandt und Clark. „Jerry Jeff“ bildet daher den Abschluss seiner Verneigung vor seinen frühen Förderern. Anders als Van Zandt und Clark wird Walker oft nur mit einem Song in Verbindung gebracht: „Mr. Bojangles“ ist sein einziger großer und oft gecoverte Hit. Earle interpretiert diesen Titel ebenfalls, will mit dem Longplayer aber zugleich die Erinnerung an Walker als Songwriter wach halten, der mehr war als ein One-Hit-Wonder.

An den Opener „Gettin‘ By“, bei dem Earle den Text abwandelt und ihm so eine persönliche Wendung gibt, schließt sich „Gypsy Songman“, eine weitere flotte Country-Nummer an. Später schlägt der Dancehall-Stampfer „Makes Money (Money Don’t Make Me)“ mit fideler Geige in eine ähnliche Kerbe. Dass in Earles eigenen Kompositionen Elemente von Walkers Musik einflossen, bleibt dabei unverkennbar. Während „Charlie Dunn“ noch klar im Country-Genre verhaftet ist, geht „Hill Country Lane“ in Richtung Americana. Neben diesen Midtempo-Songs finden sich ein paar langsame Stücke („Little Bird“, „My Old Man“) auf dem Longplayer.

Besonders bemerkenswert sind die beiden letzten Titel des Albums. „Wheel“ ist eine gefühlvolle Americana-Ballade, auf der Earle ungewohnt sanft wirkt. Auch das funktioniert und der Funke springt über. Während sich Earle hier auf seine Dukes verlassen kann, die ihn souverän bei den leiseren Tönen unterstützen, verlässt er sich bei „Old Road“ ganz auf die Kraft seiner Stimme. Die Solo-Performance, lediglich mit Mundharmonika begleitet, verströmt Intensität pur. Bereits bei „Heaven Ain’t Goin‘ Nowhere“, das „Ghost Of West Virginia“ (2020) eröffnet, ist ein ähnlich reduziertes, gospelnahes Stück zu finden.

Mit „Jerry Jeff“ als posthume Hommage an Jerry Jeff Walker setzt Steve Earle mit seinen Dukes die Reihe von Tribute-Alben fort, mit der er seine persönliche Bindung zu den jeweiligen Musikern aufarbeitet. Wie bereits auf den vorangegangenen Werken sind Earles Versionen der Songs von einem tiefen Respekt vor den Originalen geprägt. Auch im Fall von Walker, dessen Musik im Country und Americana angesiedelt ist, tritt der Einfluss, den sie auf Earles eigene Kompositionen hatte, deutlich zutage. Earle ruft so eine Traditionslinie in Erinnerung, die er mit seinen eigenen Songs weiterführt und oftmals auch überflügelt.

Wie zuvor bei „J. T.“ sind digitale Veröffentlichung und die Herausgabe von LPs beziehungsweise CDs zeitlich auseinandergezogen. Während damals diese Veröffentlichungspolitik noch einen symbolischen Sinn machte, da die digitale Version zum Geburtstag von Justin Townes Earle erschien, bleiben die Gründe dunkel, warum die Hardcopies von „Jerry Jeff“ erst im August erhältlich sind. Vielleicht hängt die vorgezogene digitale Publikation mit der ausgiebigen Tour zusammen, die für den Sommer durch die Vereinigten Staaten angekündigt ist.

New West Records (2022)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Gettin’ By
02. Gypsy Songman
03. Little Bird
04. Makes Money (Money Don’t Make Me)
05. Mr. Bojangles
06. Hill Country Rain
07. Charlie Dunn
08. My Old Man
09. Wheel
10. Old Road

 

 

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The Flatlanders – Treasure Of Love – CD-Review

cover The Flatlanders - Treasure Of Love 300

Review: Michael Segets

The Flatlanders spielten ihr erstes Album 1972 ein, die Plattenfirma veröffentlichte es aber nicht. Nach diesem Fehlstart löste sich die Band erst einmal auf. In den folgenden Jahren kursierten einige Liveaufnahmen und Bootlegs, durch die das Trio, bestehend aus Joe Ely, Jimmie Dale Gilmore und Butch Hancock, einen legendären Ruf erwarb.

Erst 1990 kam das gemeinsame Debüt in leicht abgewandelter Form heraus und wurde ein kommerzieller Erfolg, an dem die Urheber allerdings keine Beteiligung erfuhren. Mittlerweile hatten die Musiker Solokarrieren eingeschlagen. Den Kontakt verloren die drei Freunde allerdings nie. Sporadisch ergaben sich Kollaborationen und für den Soundtrack zum Film „Der Pferdeflüsterer“ steuerten sie als The Flatlanders einen Track bei.

In der ersten Dekade der 2000er entstanden noch drei gemeinsame Alben. Ein weiteres Werk wurde begonnen, jedoch nicht vollendet, bis die Pandemie die Termin- und Tourkalender leerte. Die Zwangspause nutzten Ely, Gilmore und Hancock, um das Projekt fertigzustellen. Dafür engagierten Sie Lloyd Maines (The Chicks, Wilco, Kris Kristofferson, Loretta Lynn), der „Treasure Of Love“ zusammen mit Ely und dessen Frau Sharon produzierte.

Unter den fünfzehn Songs des Longplayers sind ältere und neuere Eigenkompositionen sowie einige Cover vertreten. The Flatlanders interpretieren „She Belongs To Me” von Bob Dylan, „Snowin‘ on Raton” von Townes Van Zandt, „Give My Love To Rose” von Johnny Cash und „Treasure of Love” von George Jones. Der Klassiker „Sittin‘ On Top Of The World“, mit dem die Band gerne ihre Konzerte beendet, beschließt auch das Album. Das Video zur ersten Single besticht durch die historischen Aufnahmen aus der frühen Bandgeschichte.

„Treasure Of Love“ umweht der Hauch der Siebziger, der bei „Ramblin‘ Man“ besonders deutlich spürbar ist. Das Album ist gradlinig produziert und verzichtet auf Modernisierungen oder Schnörkel. Die Texaner gelten als Mitinitiatoren des Alternative Country und bleiben dessen Ursprüngen in jedem Song verbunden. Die Instrumentierung bewegt sich daher auch in genretypischen Bahnen und setzt bei mehreren Stücken auf ausgiebigen Slide. Beim Opener „Moanin’ Of The Midnight Train” treffen The Flatlanders dabei genau das richtige Maß, zumal das kräftige Schlagzeug eine gelungen Gegenpol liefert.

Das Wimmern der Saiten ist auf manchen Tracks etwas viel, wie bei „The Ballad Of Honest Sam“. „I Don’t Blame You” geht in eine ähnliche Richtung, wenn es auch nicht ganz so süßlich wirkt. Besser gelungen ist die Country-Ballade „Love Oh Love Please Come Home”. Neben den getragenen Stücken präsentieren The Flatlanders einige flotte Nummern wie „Mobile Blue“ oder auch „She Smiles Like A River“. Ordentlichen Swing gibt die Band „Mama Does The Kangaroo” mit. Schließlich finden sich Bluegrass-Elemente („Satin Shoes“) und mehrstimmige Gesangseinlagen („Long Time Gone“) auf dem Album, sodass dessen Linie zwar erhalten bleibt, Variationen im Sound aber einfließen.

Wenn Charley Crockett, Colter Wall oder auch Vincent Neil Emerson als Vertreter des New Traditional Country gehandelt werden, dann vertreten The Flatlanders einen Old Alternative Country. Was vor fünfzig Jahren einen innovativen Schub in die Country-Musik brachte, klingt heute eher altbekannt. Dass die Neuauflage des Alten aber nicht schlecht sein muss, sondern durchaus einen eigenen Charme entwickeln kann, beweisen Ely, Gilmore und Hanock auf „Treasure Of Love“. Schätze liegen ja manchmal längere Zeit verborgen, bis sie wieder ans Tageslicht gehoben werden.

Rack’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Moanin’ Of The Midnight Train
02. Long Time Gone
03. Snowin’ On Raton
04. She Smiles Like A River
05. Love Oh Love Please Come Home
06. Give My Love To Rose
07. Treasure Of Love
08. Satin Shoes
09. The Ballad Of Honest Sam
10. Mama Does The Kangaroo
11. She Belongs To Me
12. I Don’t Blame You
13. Mobile Blue
14. Ramblin’ Man
15. Sittin’ On Top Of The World

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Vincent Neil Emerson– Same – CD-Review

cover Vincent Neal Emerson - Vincent Neal Emerson 300

Review: Michael Segets

Der zweite Longplayer von Vincent Neil Emerson ist im Vergleich zu seinem Debüt „Fried Chicken & Evil Women“ (2019) eine ruhigere Scheibe geworden, die zwischen Americana und Country changiert. Neben der Bluegrass-Nummer „High On The Mountain“ und dem beschwingten „Saddle Up And Tamed“ stößt lediglich der Opener “Texas Moon” in eine Midtempo-Region vor. Die übrigen Tracks sind balladesk gehalten.

Der Sound der Scheibe klingt handgemacht, was zum einen an der akustischen Instrumentierung liegt. zum anderen an dem unaufgeregten Gesang, der deutlich im Vordergrund steht. Bei der Begleitung dominiert oftmals die Geige, während beispielsweise bei „Deptor‘s Blues“ eine Orgel den Hintergrund ausfüllt. Gelegentlich treten Flöten („White Horse Saloon“) oder Harmoniegesänge („Durango“) hinzu.

Die Stücke wirken im besten Sinne klassisch: Beim folkigen „High On Gettin‘ By“ schwingt etwas von Townes van Zandt mit, „Ripplin‘ And Wild“ erinnert an Guy Clark. Emerson reiht sich mit seinen Songs nahtlos in die Singer/Songwriter-Tradition des Country ein. Er selbst zählt Steve Earle zu seinen Inspirationsquellen.

Wirkliche Geniestreiche gelingen Vincent Neil Emerson mit der Single „Learnin‘ To Drown“ und mit „The Ballard Of The Choctaw-Apache“. Beim ersten kommt BJ Barham als Vergleich hinsichtlich des Songwritings und beim zweiten – aufgrund der thematischen Nähe und der Intensität der Performance – Jason Ringenberg in den Sinn. In den Texten beider Songs greift Emerson auf seine Familiengeschichte zurück.

In „Learning To Drown“ schildert er die Lebenssituation nach dem Selbstmord seines Vaters. In „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ prangert er die Enteignungen von Indianergebieten in den 1960ern an. In seinem Stammbaum finden sich mütterlicherseits indigene Wurzeln. Der Song ist der einzige mit einer politischen oder gesellschaftlichen Aussage auf dem Longplayer, ansonsten kreisen seine Themen um autobiographische Erlebnisse oder persönliche Gefühlslagen.

Emersons Texte zeugen von einer hohen Sensibilität für literarische Gestaltungen. In Verbindung mit der klaren Struktur seiner Songs erzielt er so ein hohes Maß an Authentizität. Die Stücke sind während der Pandemie entstanden, in der er die Zeit nutzte, um Stationen seiner Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Das Album ist daher nach eigener Aussage weitaus persönlicher als sein Debüt.

Bevor das Konzertleben zum erliegen kam, tourte Emerson ausgiebig, u. a. mit seinem Freund Colter Wall, mit den Turnpike Troubadours oder Charley Crockett. Crockett coverte für die CD „The Valley“ (2019) Emersons „7 Come 11“, das dort zu den beeindruckenden Titeln zählt. Emerson bereichert mit seinen Songs die New Traditional Country-Szene und reiht sich dort in die Riege der bereits etablierten Musiker ein.

Dabei unterschiedet er sich von Crockett dadurch, dass seine Songs weniger retro erscheinen. Im Gegensatz zu Wall bleibt Emerson auf seinem zweiten Album in geringerem Maße den Country-Rhythmen verhaftet. Als Produzenten für seinen Longplayer konnte er Rodney Cowell (Emmylou Harris, Rosanne Cash) gewinnen.

Mit Vincent Neil Emerson gewinnt die aktuelle Generation der Texas Singer/Songwriter einen weiteren kreativen Kopf, dem es gelingt, Traditionen authentisch fortzuschreiben ohne in diesen gefangen zu sein. Auf seinem zweiten Album gewährt Emerson einen tieferen Einblick in seine Gedankenwelt als zuvor und kleidet diesen in ausdrucksstarke Texte. Als Anspieltipps seien „Learnin’ To Drown“ und „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ empfohlen.

La Honda Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana, Country

Tracks:
01. Texas Moon
02. Debtor’s Blues
03. High On The Mountain
04. Learnin’ To Drown
05. Ripplin’ And Wild
06. Durango
07. The Ballard Of The Choctaw-Apache
08. White Horse Saloon
09. High On Gettin’ By
10. Saddled Up And Tamed

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Steve Earle & The Dukes – J. T. – CD-Review

Steve Earle JT 300x300

Review: Michael Segets

Wirft man am Anfang des Jahres einen Blick zurück in das vergangene, dann brachte dieses gravierende Veränderungen und selbstverständlich Erscheinendes wurde plötzlich infrage gestellt. Steve Earle hatte mit dem Tod seines Sohnes Justin Townes Earle zusätzlich einen schweren persönlichen Verlust zu beklagen. Seine Trauer verarbeitet er auf dem Album „J. T.“. Das Werk erscheint digital am vierten Januar, dem Tag an dem Justin Townes 39 Jahre alt geworden wäre. Im März werden die CD und LP herauskommen.

Im Andenken an seinen Sohn, der im August vermutlich an einer Drogen-Überdosis verstarb, covert Steve Earle zehn Stücke, die die musikalische Karriere von Justin Townes abbilden. Ergänzt wird diese Auswahl durch die Eigenkomposition „Last Words“.

Den Auftakt macht „I Don’t Care“, das im Original von Justin Townes Debüt-EP „Yuma“ stammt. Auf das flotte Folkstück mit feiner Fidel folgt „Ain’t Glad I’m Leaving“ vom ersten Longplayer „The Good Life“ (2007). Diesem entnommen sind ebenfalls das stimmungsvolle, mit sanften E-Gitarren-Tupfern versehene „Far Away In Another Town“ und die besonders starke Uptempo-Nummer „Lone Pine Hill“.

Aus der frühen musikalischen Schaffenszeit seines Sohnes greift Steve Earle noch „Turn Out My Lights“ und „They Killed John Henry“ heraus. Mit dem letztgenannten Titel zeigte Justin Townes, dass er sowohl musikalisch als auch thematisch in der Singer/Songwriter-Tradition steht. Die Legende um John Henry durchzieht die amerikanische Musikgeschichte bis heute (Charly Crockett, Colter Wall) und auch Steve Earle selbst hat diese auf seiner vorangegangenen CD „Ghost Of West Virginia“ bearbeitet. Eine musikalische Nähe zwischen Vater und Sohn ist also nicht zu leugnen.

2010 feierte Justin Townes mit „Harlem River Blues” seinen größten Erfolg, der im darauffolgenden Jahr als bester Song des Jahres mit einem Americana Music Award ausgezeichnet wurde. Der Titel fand quasi selbstverständlich seinen Weg in die Auswahl von Steve Earle. Eleanor Whitmore steuert hier und auf anderen Stücken den Harmonie- und Backgroundgesang bei.

Steve Earle kann sich bei der Performance auf die Qualität seiner Dukes verlassen – egal, ob die Stücke Elemente von Gospel, Country oder Blues einbauen. Mit seiner rauen, markanten Stimme interpretiert Steve die Songs seines Sohnes auf die ihm eigene Weise. Der nölige Gesang in Kombination mit eingängigen Melodie zündet, wie beispielsweise bei „Maria“.

Neben diesem Song entstand der Boogie „Champagne Corolla“ und das bluesige „The Saint Of Lost Causes” in der zweiten Dekade dieses Jahrhunderts. Das Titelstück des achten und letzten Albums aus 2019 zählt zu meinen Favoriten unter den Kompositionen von Justin Townes. Lyrisch stellt es sicherlich einen Höhepunkt in seinem Werk dar. Sein Vater liefert eine intensive Interpretation ab, erreicht aber nicht ganz die atmosphärische Dichte des Originals.

Steve Earle sagt, dass er alle Platten für sich gemacht habe, dabei wirken seine Songs über ihn hinaus. Auch wenn er politische Aussagen macht, scheint in ihnen ein tiefes Verständnis und eine Sensibilität für seine Figuren durch. Bei seinen Werken, die er ihm wichtigen Menschen gewidmet hat, seinen Mentoren Towens Van Zandt („Townes“) sowie Guy Clark („Guy“ ) und nun seinem Sohn Justin Townes, kommt die Wertschätzung, die er ihnen und ihrem Werk entgegenbringt, zum Ausdruck.

Anders als auf den beiden vorherigen Cover-Alben ergänzt Steve Earle „J. T.“ um eine Eigenkomposition, in der er „Last Words“ an seinen Sohn richtet. Die Erinnerung an das letzte Telefongespräch durchzieht den Text. In ihm wird deutlich, dass die Beziehung von Vater und Sohn trotz aller Konflikte von einer engen Bindung und Liebe getragen wurde.

In seiner unverkennbaren Art transformiert Steve Earle die Songs seines Sohnes auf behutsame Art, sodass er sie sich zu eigen macht und dennoch ein tiefer Respekt vor Justin Townes‘ Werk in jeder Note durchscheint. Die Auswahl der Stücke zeigt die Bandbreite und verdeutlicht die Qualität von Justin Townes‘ Kompositionen. „J. T.” ist ein persönlicher und bewegender Rückblick Steve Earles auf den Menschen und Musiker Justin Townes Earle – auf ein Leben, das zu früh endete.

Alle Künstlertantiemen fließen an Etta St. James Earle, der dreijährigen Tochter von Justin Townes.

New West Records/Pias-Rough Trade (2020)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. I Don’t Care
02. Ain’t Glad I’m Leaving
03. Maria
04. Far Away In Another Town
05. They Killed John Henry
06. Turn Out My Lights
07. Lone Pine Hill
08. Champagne Corolla
09. The Saint Of Lost Causes
10. Harlem River Blues
11. Last Words

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Pias – Rough Trade
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Tennessee Jet – The Country – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Ich bin mit Outlaw Country aufgewachsen“, sagt Tennessee Jet und dieser schwingt bei seiner Musik immer – zumindest hintergründig – mit. Dabei verlässt Tennessee Jet mehrfach die vertrauten Regionen dieses Genres, um seine Grenzen auszuloten und einen eigenen Sound weiterzuentwickeln.

Sein dritter Longplayer „The Country“ erscheint nun bei dem renommierten Label Thirty Tigers. Spielte Tennessee Jet seine beiden ersten Alben quasi im Alleingang ein, holte er sich nun einige Musiker aus der einschlägigen Szene ins Studio. So verpflichtete er die Tour-Band von Dwight Yoakam, den er ebenso wie Willie Nelson bereits auf Konzertreisen begleitete. Für das sehr gelungene Cover von Townes Van Zandt „Pancho & Lefty“ gewann er Elizabeth Cook, Cody Jinks und Paul Cauthen, die ihn am Mikro unterstützen. Zusätzliche Würze erhält der Klassiker durch die Mundharmonika von Mickey Raphael (Willie Nelson) sowie die Trompete von Brian Newman (Lady Gaga).

Darüber hinaus finden sich mit „She Talks To Angels“ ein weiterer Song auf der Scheibe, der nicht aus der Feder von Tennessee Jet stammt. Den Titel der Black Crows performt er als flotten Bluegrass.

Der Opener „Stray Dogs“ ist eine schnelle Country-Nummer. Bei ihr erinnert sich Tennessee Jet an die Zeit, als er ständig unterwegs war und zusammen mit seiner Frau von einem Auftritt zum nächsten jagte. Mit „The Raven & The Dove“ unterstreicht der Musiker sein Faible für den Country und überzeugt dort auch im Midtempo besonders durch den eingängigen Refrain.

Die Spannweite des Genres deckt Tennessee Jet weiterhin mit den Balladen „Sparklin’ Burnin’ Fuse’“ sowie „Someone To You“ ab. Vor allem beim letztgenannten Stück kommt sehr viel Slide zum Einsatz, wodurch es etwas schwülstig gerät. Mit „The Country“ läuft Tennessee Jet aber wieder zur Hochform auf. Die in einzelnen Passagen einsetzende Geige begleitet den getragenen Song sehr stimmungsvoll.

Wie der Titelsong ist auch das dylaneske „Off To War“ dezent und akustisch instrumentalisiert. Neben der Geige sorgt bei dem Song eine Mundharmonika für Atmosphäre. Als Kontrastprogramm lässt es Tennessee Jet bei zwei Stücken ordentlich scheppern. Bei „Johnny“ arbeitet er sogar mit Rückkopplungen, wobei Reminiszenzen an den Grunge-Sound in den Sinn kommen. Der Track ist als Hommage auf den Country-Musiker Johnny Horton gedacht, der 1960 bei einem Autounfall ums Leben kam. Schließlich findet sich noch der kraftvolle Roots-Rocker „Hands On You“ auf dem Longplayer, den ich zu meinem Favoriten erkoren habe.

Tennessee Jet kann nicht nur Country. In diesem Genre bietet „The Country“ bereits eine breite Palette unterschiedlicher Spielarten. Selbstbewusst richtet Tennessee Jet seinen Blick darüber hinaus in Richtung Folk und Rock und offenbart dort ebenfalls großes Potential. Mit dieser Spannbreite sorgt er für ein äußerst abwechslungsreiches Album. Zudem darf man also gespannt sein, welchen Weg er zukünftig einschlägt und wie weit er sich dabei von seinen Wurzeln entfernt.

Tennessee Jet Music – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Country, Folk, Rock

Tracks:
01. Stray Dogs
02. The Raven & The Dove
03. Johnny
04. Pancho & Lefty
05. Off To War
06. Hands On You
07. Someone To You
08. The Country
09. She Talks To Angels
10. Sparklin’ Burnin’ Fuse’

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Shiregreen – References – CD-Review

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Review: Michael Segets

Das erste, was auffällt, wenn man das Digipack von „References” in Händen hält, ist das umfangreiche und sehr schön gestaltete Booklet. Beim Durchblättern erschließt sich direkt die originelle Idee, die hinter dem Konzeptalbum steht: Shiregreen, alias Klaus Adamascheck, huldigt seinen musikalischen Heroen, die ihn Zeit seines Lebens begleiteten.

Jedem Musiker ist eine Doppelseite gewidmet, auf der neben Bemerkungen zur persönlichen Bedeutung des Künstlers für Adamascheck auch der Text des Songs in Englisch sowie dessen deutsche Übersetzung abgedruckt sind. Dabei covert Shiregreen keine Titel der jeweiligen Songwriter, sondern er schreibt eigene Stücke, die er ganz im Stil der Vorbilder sowie mit Bezug zu deren Leben oder Werk präsentiert.

Beim erstmalen Hören der CD machte ich das Experiment und versuchte zu erraten, welcher Künstler jeweils als Referenzpunkt diente. Dies gelang mir bei der überwiegenden Zahl der Stücke problemlos. Bei manchen fiel die Zuordnung schwerer, was aber vermutlich daran lag, dass ich die Musik der Vorbilder nicht im Ohr hatte.

Obwohl Shiregreen eine Dekade älter ist als ich, überschneidet sich doch der Musikgeschmack an mehreren Stellen. Tom Petty und John Fogerty rangieren bei mir ebenfalls ganz oben auf der Liste der Musiker, deren Lieder mich prägten. Mit „The Last Goodbye“ sowie „Stolen Songs“ würdigt Shiregreen die Rocklegenden.

Durch den Einbau von Versatzstücken – sowohl hinsichtlich der Texte als auch der Melodien – aus bekannten Songs der Künstler und einem ähnlichen Klang der Gitarren ist der Wiedererkennungswert sehr hoch. Obwohl die Stimme von Shiregreen weich und eher tief ist, womit sie sich von denen von Petty oder Fogerty deutlich unterscheidet, werden die Assoziationen zu den beiden unmittelbar geweckt.

Auch bei den anderen Stücken baut Shiregreen typische Elemente der jeweiligen Musiker ein. Da sind der mehrstimmige Gesang bei „Between The River And The Railroad Tracks“ als Bezugspunkt zu Crosby, Stills, Nash & Young, die Mundharmonika auf „One More Song“ für Bob Dylan oder eine Gitarre à la Mark Knopfler bei „From That Day On“. Neil Young scheint deutlich bei „When The Last Buffalo Is Gone“ durch.

Beeindruckend ist, wie es Shiregreen gelingt, die charakteristischen Sounds der Referenzmusiker nachzubilden. Vor allem Tom Eriksen an unterschiedlichen Gitarren sowie Morris Kleinert mit Pedal Steel und Dobro haben daran großen Anteil. Insgesamt wirken acht Begleitmusiker mit, so dass eine Vielzahl an Instrumenten zum Einsatz kommt. Hinsichtlich der Instrumentierung mit Akkordeon, Querflöte und Geige sticht der Titel „In Barbara’s Room“ hervor, der sich an Leonard Cohen anlehnt.

Marisa Linss übernimmt den Lead-Gesang bei dem Joan Baez gewidmeten „Here’s To Joan“ und bei dem Duett „Under Joshuah Trees“ für Emmylou Harris und Gram Parsons. Bei anderen Stücken steuert sie den Background-Gesang bei, wie bei der Reminiszenz an Townes Van Zandt „Townes And Me“.

Die Musik der anderen gewürdigten Songwriter Mike Batt („All Along The Atlas Mountains“), Ralph McTell („Every Town Is Worth A Song“) und Robert Earl Keen („Down The Endless Road“) ist mir nicht gegenwärtig. Die ihnen zugedachten Titel fügen sich aber nahtlos in das Album ein. Gleiches gilt für „References“ und „References Reprise“, mit denen Adamascheck die Bedeutung alter Lieder als Weggefährten besingt.

Den versammelten Americana-Songs schwingt ein melancholischer Grundton mit, der das gesamte Werk als Konstante durchzieht. Shiregreen erinnert mit „References“ daran, was für großartige Musik es gibt und wie diese das Leben bereichert. Ähnlich sozialisierte Musikliebhaber werden ihre Freude an der Hommage haben. Ich nehme die Anregung auf alle Fälle auf, meine Klassiker, die ich schon viel zu lange nicht mehr gehört habe, nochmal aus dem Regal zu ziehen.

NIWO Music/DMG Germany/cmm-consulting (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Between The River And The Railroad Tracks
02. Stolen Songs
03. In Barbaras Room
04. References
05. Under Joshuah Trees
06. All Along The Atlas Mountains
07. Every Town Is Worth A Song
08. From That Day On
09. One More Song
10. Down The Endless Road
11. When The Last Buffalo Is Gone
12. Here’s To Joan
13. Townes And Me
14. The Last Good Bye
15. References Reprise

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NIWO Music/DMG Label
cmm-consulting for music and media

Steve Earle & The Dukes – Guy – CD-Review

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Review: Michael Segets

Steve Earle, mittlerweile selbst eine Ikone, hatte zu Beginn seiner Karriere zwei Freunde und Mentoren, die ihn sowohl künstlerisch inspirierten als auch Türen öffneten: Townes Van Zandt und Guy Clark. Dem 1997 verstorbenen Townes Van Zandt setzte Earle mit „Townes“ einen musikalischen Gedenkstein. Drei Jahre nach dem Tod von Guy Clark verneigt sich Earle nun mit „Guy“ vor dem Singer/Songwriter.

Obwohl das Vorhaben mal im Raum stand, dass Earle und Clark sich gemeinsam ans Songschreiben begeben, ist es nie zu einem gemeinsamen Werk gekommen. Ein Umstand, den Earle heute bereut. Für „Guy“ griff Earle daher ausschließlich auf die Songs seines Freundes zurück und haucht ihnen neues Leben ein.

Steve Earle lernte Mitte der 1970er, kurz nachdem er nach Nashville gezogen war, Guy Clark kennen, der ihn direkt als Bassisten engagierte. Clark war bereits in der regionalen Musikszene etabliert, bevor er 1975 sein wegweisendes Debüt „Old No. 1“ herausbrachte. Der Einfluss, den Guy Clark auf Steve Earle in dieser Phase ausübte, spiegelt sich in der Auswahl der Songs für „Guy“ wider. Neun der sechzehn Titel stammen von Clarks ersten beiden Alben. Natürlich dürfen dabei die beiden Klassiker „Desperados Waiting For A Train“, das spätestens mit dem Cover durch The Highwaymen (1985) einen Kultstatus erlangte, und „L.A. Freeway“ nicht fehlen.

Neben vier Titeln aus den Achtzigern finden sich zwei aus den Neunzigern auf der Hommage. Das neueste Stück „Out In The Parking Lot“ wurde 2006 veröffentlicht. Unberücksichtigt bleibt Clarks – mit einem Grammy als bestes Folk-Album ausgezeichnete – „My Favorite Picture Of You“ (2013).
Guy Clark war ein Storyteller. Dabei konnte er seine Geschichten in eingängige Melodien verpacken. Earle hat eine abwechslungsreiche Mischung aus Clarks Werk herausgegriffen.

So suchte er sich die Balladen „Anyhow I Love You“, „She Ain’t Going Nowhere” und „That Old Time Feeling” aus, die durch seine Stimme eine besondere Tiefe erhalten. Von der Begleitung reduzierter sind der Folksong „The Randall Knife“ und das sarkastische „The Last Gunfighter Ballad“, die in einem melodischen Sprechgesang vorgetragen werden. Letztgenannten Song hatte Earle bereits für das Album „This One‘s For Him: A Tribute To Guy Clark“ (2012) aufgenommen.

Einen stampfenderen Rhythmus, für den Brad Pemberton am Schlagzeug und Kelly Looney am Bass verantwortlich zeichnen, haben „Dublin Blues“ und „The Ballad Of Laverne And Captain Flint”. „Texas 1947” und „Rita Ballou”, bei dem etwas Honky Tonk hineinspielt, sind reine Countrysongs. Ins gleiche Genre passen die schnelleren „New Cut Road“ und das von Shawn Camp mit geschriebene „Sis Draper“. Camp steuert hier die Mandoline bei. Mit „Heartbroke“ und vor allem dem schon erwähnten „Out In The Parking Lot” schlägt Earle rockige Töne an, womit er von den ursprünglichen Versionen deutlich abweicht.

Für das richtige Maß an Country-Flair sorgen Chris Masterson an der Gitarre, Ricky Ray Jackson an der Pedal Steel sowie Eleanor Whitmore an der Geige. Whitmore liefert darüber hinaus mit ihrem Harmoniegesang einen hervorragenden Gegenpart zu Earles eigenwilliger Stimme.

Zum Abschluss „Old Friend“ versammelte Earle einen großen Chor mit prominenten Namen. In ihm geben sich Emmylou Harris, Jerry Jeff Walker, Rodney Crowell, Verlon Thompson, Gary Nicholson, Shawn Camp sowie Terry und Jo Harvey Allen die Ehre.

Mit „Guy“ sorgt Earle dafür, dass die Musik von Guy Clark nicht in Vergessenheit gerät, aber das Album ist mehr als eine bloße Reminiszenz an einen großartigen Songwriter. Den aus heutiger Sicht eher gefällig wirkenden Aufnahmen von Clark setzt Earle erdige und ungeschliffen raue Arrangements entgegen. Besonders Earles Stimme und Intonation geben den Stücken einen zusätzlichen Biss.

Auf „Guy“ zeigt Steve Earle erneut seine Fähigkeit, Klassikern seinen individuellen Stempel aufzusetzen und sie in seinem unverwechselbaren Stil zu modernisieren. Mit seinen Interpretationen gelingt ihm das Kunststück, die Originale so zu transformieren, dass etwas Neues entsteht, ohne dass der ursprüngliche Geist der Songs verloren geht.

Steve Earle macht die Stücke von Guy Clark zu seinen eigenen und der Longplayer reiht sich nahtlos in seine Veröffentlichungen der letzten Jahre ein. Würde man nicht den einen oder anderen Titel kennen, könnte man auch annehmen, dass sie aus Earles Feder stammten.

New West Records/Pias – Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Dublin Blues
02. L.A. Freeway
03. Texas 1947
04. Desperados Waiting For A Train
05. Rita Ballou
06. The Ballad Of Laverne And Captain Flint
07. The Randall Knife
08. Anyhow I Love You
09. That Old Time Feeling
10. Heartbroke
11. The Last Gunfighter Ballad
12. Out In The Parking Lot
13. She Ain’t Going Nowhere
14. Sis Draper
15. New Cut Road
16. Old Friends

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Gunner & Smith – Byzantium – CD-Review

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Review: Michael Segets

Düster, düster ist das, was Gunner & Smith auf „Byzantium” abliefern. Strotzten bereits die Debüt-EP „Compromise Is A Loaded Gun“ (2012) und der erste Longplayer „He Once Was A Good Man” (2014) nicht vor Leichtigkeit, führt „Byzantium” textlich und musikalisch nun konsequent in tiefe Abgründe.

Die Texte kreisen um (unglückliche) Liebe, Verlust, Vergänglichkeit, Kriege und Unmenschlichkeit. Der volle Sound, den Gitarre und Orgel – begleitet durch kraftvolle Drums – erzeugen, stellt eine finstere Atmosphäre her. Getragen wird sie zudem durch den sonoren Gesang von Geoff Smith. Die Bezeichnung Dark Country Rock lässt sich auf die Scheibe problemlos anwenden.

Songwriter Geoff Smith nennt als Inspirationsquellen seinen Landsmann Neil Young, Townes Van Zandt und Pink Floyd. Der Opener „Wicked Smile“ hört sich nach deprivierten Eagles an, das folgende „Fever“ nach einem deprimierten Tom Jones. Stellenweise trifft auch der Vergleich mit Nick Cave – so etwa bei „If The Light Comes“, auf dem der (Sprech-)Gesang von Smith vor der hymnischen Begleitung eine quasi hypnotische Wirkung erzielt.

Noch stärker ist „The Barrens“, das mit überzeugenden Gitarrensoli und einem hervorragend passenden weiblichen Background eine enorme Energie versprüht.

Langsam leidet Smith mit „Hush Now“, „I Know So Well“ und „I Had A Dollar“. Bei den Stücken ist der Klangteppich zeitweise reduziert, um dann die einsetzenden Gitarre und Orgel zur Geltung zu bringen. Einen imposanten Einstieg liefert „Strong Man“, das im Refrain durch einen Backgroundchor zusätzlich Wucht bekommt.

Mit „Wisconsin“ und „Byzantium“ wandelt Smith auf Country-Pfaden. Der erstgenannte Song wirkt im Vergleich zu den anderen Stücken schon fast sanft und fröhlich. Der Titelsong hingegen nimmt die dunkle Grundstimmung des Albums wieder auf.

Die Stücke auf „Byzantium“ von Gunner & Smith konfrontieren zunächst mit einem satten, dramatischen Sound, der beim erstmaligen Hören die Songstrukturen überlagert. Dazu trägt vielleicht bei, dass das Album innerhalb einer Woche live im Studio eingespielt und durch Produzenten Andrija Tokic analog aufgenommen wurde. Nach mehreren Durchläufen treten aber die Melodien und manche feine Differenzierungen hervor, die das Album zu einem fesselnden Opus machen.

Für Mai/Juni ist eine Tour von Gunner & Smith angekündigt. Vorher kommt Geoff Smith solo im Rahmen der About-Songs-Youngbloods-Tour nach Deutschland. Dabei darf man gespannt sein, wie die Titel von „Byzantium“ in einem akustischen Gewand klingen.

DevilDuck Records/Indigo (2019)
Stil: Dark Country Rock

Tracks:
01. Wicked Smile
02. Fever
03. If The Light Comes
04. Hush Now
05. I Know So Well
06. The Barrens
07. Strong Man
08. Wisconsin
09. I Had A Dollar
10. Byzantium

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