Ward Davis – Black Cats And Crows – CD-Review

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Review: Michael Segets

2020 wird als Pandemie-Jahr in die Annalen eingehen. Die Musiker, Veranstalter, Tontechniker und alle Leute, die von Konzerten und Live-Auftritten leben, hat es besonders hart getroffen. Dennoch war das Jahr musikalisch kein Ausfall, denn einige gute Scheiben haben das Licht der Welt erblickt. Vor allem im Americana meldeten sich alte Bekannte und neue Künstler mit gelungenen Werken zu Wort. In diese Reihe gliedert sich nun auch „Black Cats And Crows“ von Ward Davis ein.

Auf seinem dritten Album bestätigt Davis seinen Ruf als außerordentlicher Songwriter, der bereits Stücke für Willie Nelson und Merle Haggard komponierte. Seine Stärke liegt darin, ehrlich wirkende Texte zu verfassen, in denen sich der Hörer wiederfindet. Die Musik dient Davis als Bewältigungsmöglichkeit, sodass häufig persönliche Erfahrungen in ihr verarbeitet werden. Dennoch hofft er, dass seine Lieder auch für sein Publikum bedeutsam sind. Tatsächlich ermöglichen seine Songs in sie einzutauchen und sich mit deren Stimmungen zu identifizieren.

„Heaven Had A Hand“ stellt einen Song dar, zu dem Davis eine enge biographische Bindung hat. Ebenfalls autobiographisch geprägt ist „Get To Work Whiskey“. Das Stück fängt den Moment ein, als ihn seine Frau vor die Tür setzte und wurde unmittelbar im Anschluss an diese Situation entworfen. Der Einfluss des Country kommt hier deutlich zum Vorschein.

Dieser scheint ebenso bei anderen Tracks („Threads”, „Where I Learned To Live”) durch, was zum großen Teil der Geige oder dem Slide geschuldet ist. Ebenfalls auf dieser Linie liegt „Nobody”. Shawn Camp hat an der Entstehung dieses feinen Tracks mitgewirkt.

Bei anderen Stücken holte sich Davis weitere Unterstützung durch renommierte Kollegen. Cody Jinks arbeitete an „Colorado“ und „Black Cats And Crows” mit. Beim Titelstück war ebenfalls Tennessee Jet beteiligt. Der Song gehört mit seiner besonderen Dynamik wie der rockige Opener „Ain’t Gonna Be Today“, mitverfasst von Kendell Marvel, zu den Highlights des Albums.

Hervorragend ist „Sounds Of Chains”, dessen staubige Atmosphäre mit einem trockenen Schlagzeug unterlegt wird. Die kräftige Gitarre von Scott Ian (Anthrax) katapultiert den Song dann endgültig an die Spitzenposition des Werks. Unter den ruhigen Titeln entwickelt „Book Of Matches” mit relativ einfachen Mitteln eine hohe Intensität.

Davis begleitet mehrere Songs auf dem Klavier. So lässt er das Album mit zwei Balladen ausklingen („Good To Say Goodbye“, „Good And Drunk“), auf denen dem Piano eine führende Funktion zukommt. Auch das Alabama-Stück „Lady Down On Love” wird von dem Klavierspiel getragen. Mit dem bluesigen „Papa And Mama”, das von Ray Scott stammt, findet sich ein zweites Cover unter den vierzehn Tracks.

Ward Davis schreibt tolle Songs. Vor allem der Anfang von „Black Cats And Crows“ besticht zudem durch seinen Abwechslungsreichtum. Im zweiten Teil der CD sind unter den Balladen einige Perlen aufzuspüren, eine Tempovariation hätte dem Werk dort vielleicht gutgetan. Dies schmälert aber nicht den positiven Gesamteindruck, den Davis mit seinem dritten Album hinterlässt.

Ward Davis Music – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Americana

Tracks:
01. Ain’t Gonna Be Today
02. Black Cats And Crows
03. Threads
04. Sounds Of Chains
05. Get To Work Whiskey
06. Colorado
07. Book Of Matches
08. Heaven Had A Hand
09. Where I Learned To Live
10. Papa And Mama
11. Lady Down On Love
12. Nobody
13. Good To Say Goodbye
14. Good And Drunk

Ward Davis
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Steve Earle & The Dukes – Guy – CD-Review

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Review: Michael Segets

Steve Earle, mittlerweile selbst eine Ikone, hatte zu Beginn seiner Karriere zwei Freunde und Mentoren, die ihn sowohl künstlerisch inspirierten als auch Türen öffneten: Townes Van Zandt und Guy Clark. Dem 1997 verstorbenen Townes Van Zandt setzte Earle mit „Townes“ einen musikalischen Gedenkstein. Drei Jahre nach dem Tod von Guy Clark verneigt sich Earle nun mit „Guy“ vor dem Singer/Songwriter.

Obwohl das Vorhaben mal im Raum stand, dass Earle und Clark sich gemeinsam ans Songschreiben begeben, ist es nie zu einem gemeinsamen Werk gekommen. Ein Umstand, den Earle heute bereut. Für „Guy“ griff Earle daher ausschließlich auf die Songs seines Freundes zurück und haucht ihnen neues Leben ein.

Steve Earle lernte Mitte der 1970er, kurz nachdem er nach Nashville gezogen war, Guy Clark kennen, der ihn direkt als Bassisten engagierte. Clark war bereits in der regionalen Musikszene etabliert, bevor er 1975 sein wegweisendes Debüt „Old No. 1“ herausbrachte. Der Einfluss, den Guy Clark auf Steve Earle in dieser Phase ausübte, spiegelt sich in der Auswahl der Songs für „Guy“ wider. Neun der sechzehn Titel stammen von Clarks ersten beiden Alben. Natürlich dürfen dabei die beiden Klassiker „Desperados Waiting For A Train“, das spätestens mit dem Cover durch The Highwaymen (1985) einen Kultstatus erlangte, und „L.A. Freeway“ nicht fehlen.

Neben vier Titeln aus den Achtzigern finden sich zwei aus den Neunzigern auf der Hommage. Das neueste Stück „Out In The Parking Lot“ wurde 2006 veröffentlicht. Unberücksichtigt bleibt Clarks – mit einem Grammy als bestes Folk-Album ausgezeichnete – „My Favorite Picture Of You“ (2013).
Guy Clark war ein Storyteller. Dabei konnte er seine Geschichten in eingängige Melodien verpacken. Earle hat eine abwechslungsreiche Mischung aus Clarks Werk herausgegriffen.

So suchte er sich die Balladen „Anyhow I Love You“, „She Ain’t Going Nowhere” und „That Old Time Feeling” aus, die durch seine Stimme eine besondere Tiefe erhalten. Von der Begleitung reduzierter sind der Folksong „The Randall Knife“ und das sarkastische „The Last Gunfighter Ballad“, die in einem melodischen Sprechgesang vorgetragen werden. Letztgenannten Song hatte Earle bereits für das Album „This One‘s For Him: A Tribute To Guy Clark“ (2012) aufgenommen.

Einen stampfenderen Rhythmus, für den Brad Pemberton am Schlagzeug und Kelly Looney am Bass verantwortlich zeichnen, haben „Dublin Blues“ und „The Ballad Of Laverne And Captain Flint”. „Texas 1947” und „Rita Ballou”, bei dem etwas Honky Tonk hineinspielt, sind reine Countrysongs. Ins gleiche Genre passen die schnelleren „New Cut Road“ und das von Shawn Camp mit geschriebene „Sis Draper“. Camp steuert hier die Mandoline bei. Mit „Heartbroke“ und vor allem dem schon erwähnten „Out In The Parking Lot” schlägt Earle rockige Töne an, womit er von den ursprünglichen Versionen deutlich abweicht.

Für das richtige Maß an Country-Flair sorgen Chris Masterson an der Gitarre, Ricky Ray Jackson an der Pedal Steel sowie Eleanor Whitmore an der Geige. Whitmore liefert darüber hinaus mit ihrem Harmoniegesang einen hervorragenden Gegenpart zu Earles eigenwilliger Stimme.

Zum Abschluss „Old Friend“ versammelte Earle einen großen Chor mit prominenten Namen. In ihm geben sich Emmylou Harris, Jerry Jeff Walker, Rodney Crowell, Verlon Thompson, Gary Nicholson, Shawn Camp sowie Terry und Jo Harvey Allen die Ehre.

Mit „Guy“ sorgt Earle dafür, dass die Musik von Guy Clark nicht in Vergessenheit gerät, aber das Album ist mehr als eine bloße Reminiszenz an einen großartigen Songwriter. Den aus heutiger Sicht eher gefällig wirkenden Aufnahmen von Clark setzt Earle erdige und ungeschliffen raue Arrangements entgegen. Besonders Earles Stimme und Intonation geben den Stücken einen zusätzlichen Biss.

Auf „Guy“ zeigt Steve Earle erneut seine Fähigkeit, Klassikern seinen individuellen Stempel aufzusetzen und sie in seinem unverwechselbaren Stil zu modernisieren. Mit seinen Interpretationen gelingt ihm das Kunststück, die Originale so zu transformieren, dass etwas Neues entsteht, ohne dass der ursprüngliche Geist der Songs verloren geht.

Steve Earle macht die Stücke von Guy Clark zu seinen eigenen und der Longplayer reiht sich nahtlos in seine Veröffentlichungen der letzten Jahre ein. Würde man nicht den einen oder anderen Titel kennen, könnte man auch annehmen, dass sie aus Earles Feder stammten.

New West Records/Pias – Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Dublin Blues
02. L.A. Freeway
03. Texas 1947
04. Desperados Waiting For A Train
05. Rita Ballou
06. The Ballad Of Laverne And Captain Flint
07. The Randall Knife
08. Anyhow I Love You
09. That Old Time Feeling
10. Heartbroke
11. The Last Gunfighter Ballad
12. Out In The Parking Lot
13. She Ain’t Going Nowhere
14. Sis Draper
15. New Cut Road
16. Old Friends

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Oktober Promotion

Shawn Camp – Fireball – CD-Review

Drittes Studioalbum des aus Perryville, Arkansas stammenden, in Nashville ungemein viel ansehen genießenden Singer/Songwriters, Gitarristen und Multiinstrumentalisten Shawn Camp! Camps Karriere als Profi-Musiker begann 1987, als der Sohn zweier musikbegeisterter Eltern im Alter von zwanzig Jahren nach Nashville umzog. Er spielte zunächst Gitarre in den Touring-Bands von Alan Jackson, Shelby Lynne und Trisha Yearwood. Als er Yearwood 1991 verließ, begann er sich auf seine Solokarriere zu konzentrieren.

Nach zwei Top 40-Single-Erfolgen erschien 1993 sein erstes Album. Der bereits eingespielte Nachfolger wurde vom Label gestoppt. Shawn arbeitete fortan als Session-Musiker, und war auf Werken von Nanci Griffith, John Prine und Guy Clark mit von der Partie. Mittlerweile wurden viele namhafte Interpreten auch auf seine Songwriter-Qualitäten aufmerksam. Für Garth Brooks landete er mit „Two Pina Coladas“ und für Brooks & Dunn mit „How Long Gone“ jeweils Nr. 1 Hits, was ihn in die bequeme Lage versetzte, sein eigenes Label „Skeeterbit Records“ gründen zu können. Für „Fireball“ hat er diesmal viele langjährige Freunde wie Mark D. Sanders, John Scott Sherrill, Billy Burnette, Phillip White, Pat Mclaughlin um sich versammelt, und sowohl kompositorisch wie auch instrumentell eingebunden.

Herausgekommen ist ein klasse, recht traditionell gehaltenes Country-/New Country-Werk, das eine höchst interessante Ansammlung sehr variantenreicher, teils angenehm abseits vom allzu glatten Mainstream angesiedelter, überwiegend schön flott gehaltener, reiner Countrynummern besteht, deren Bandbreite vom Bakersfield-Sound eines Dwight Yoakam, dezenten Rockabilly-Anlagen, staubigem Texas Outlaw-Singer/Songwriter-Country, bis hin zu, vor allem gegen Ende des Albums, ein paar sehr schön arrangierten, semi-akutsischen, bluegrassig angehauchten, voller Appalachian-Flair steckenden Songs reicht.

Die einzige Ballade, „Love Ain’t Leavin’“ glänzt durch atmosphärisches Dobro- und Harmonika-Spiel – wunderbar dabei der weibliche Background-Gesang von Amber White. Alle anderen Stücke bestechen durch kraftvolles Drumming (u.a. Chad Cromwell, Kenny Malone), ebenso flotte Bassläufe, klares Akustikgitarrenspiel, dumpfes E-Piano, pfeifende B-3 Organ, reichhaltige Steel-und Fiddle-Einlagen, und immer wieder die klug eingebrachte E-Gitarrenarbeit von Mr. Camp selbst. Camps individueller, charmant „kauziger“ Gesangstil passt zu seinen interessanten, musikalischen Kreationen optimal.

Highlights in einem durchweg auf hohem spielerischen Niveau stehenden Silberling sind der großartige Title-Track „Fireball“, ein knackiger Honkytonk-Countryheuler an der Schnittstelle eines fetzigen, frühen Vince Gill und Dwight Yoakam liegend, mit hervorragend integriertem Lap Steel-Spiel (Dan Dugmore); das an fröhliche Zigeuner Lagerfeuer-Romantik erinnernde „Love Crazy“; das rhythmisch stampfende, rootsige, Outlaw-mäßige „Waitin’ For The Day To Break“ (schönes E-Gitarren-Solo, unterschwelliges J.J. Cale-Flair), das ungemein druckvolle „Hotwired“, und das mit Liebe zum Detail ausgestattete, herrliche, frische Bluegrass-/Acoustic Country-Stück „Would You Go With Me“. Hier beweist Shawn auch sein filigranes Können an der Mandoline, ebenso stark hier die knackige Banjo-Performance von Scott Vestal! „Beagle Hound“, mit Spielereien wie eröffnendem Hundegeheul, und das abschließende, feucht-fröhliche „Drank“ mit Korken-Knallen und Flaschen-Gluckern können unter der Rubrik „Songs mit Gute-Laune-Faktor“ verbucht werden und zeigen zudem Shawn’s Sinn für Humor.

Der Vollblut-Musiker Shawn Camp beweist mit „Fireball“ einmal mehr, welches vielseitige Talent in ihm steckt. Dabei zeigt er auch, dass man mit recht unkonventionell gestalteter Countrymusik absolut hochqualitative und sehr interessante Ergebnisse zustande bringen kann. Auf Insider und Shawn-Kenner wird der „Feuerball“ die gewohnte Camp-typische Anziehungskraft ausüben, für Leute, die mal einen Blick über den Nashville-Standard-Tellerrand werfen möchten, ein ganz heißer Geheimtipp!

Skeeterbit Records (2006)
Stil:  Country Rock

01. Fireball
02. Tulsa Sounds Like Trouble To Me
03. Love Crazy
04. The Way It Is
05. Fallin’ For You
06. Waitin’ For The Day To Break
07. Hotwired
08. Beagle Hound
09. Would You Go With Me
10. Love Ain’t Leavin’
11. Nothin’ To Do With You
12. Just As Dead Today
13. Drank

Shawn Camp
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Bärchen Records