Vincent Neil Emerson– Same – CD-Review

cover Vincent Neal Emerson - Vincent Neal Emerson 300

Review: Michael Segets

Der zweite Longplayer von Vincent Neil Emerson ist im Vergleich zu seinem Debüt „Fried Chicken & Evil Women“ (2019) eine ruhigere Scheibe geworden, die zwischen Americana und Country changiert. Neben der Bluegrass-Nummer „High On The Mountain“ und dem beschwingten „Saddle Up And Tamed“ stößt lediglich der Opener “Texas Moon” in eine Midtempo-Region vor. Die übrigen Tracks sind balladesk gehalten.

Der Sound der Scheibe klingt handgemacht, was zum einen an der akustischen Instrumentierung liegt. zum anderen an dem unaufgeregten Gesang, der deutlich im Vordergrund steht. Bei der Begleitung dominiert oftmals die Geige, während beispielsweise bei „Deptor‘s Blues“ eine Orgel den Hintergrund ausfüllt. Gelegentlich treten Flöten („White Horse Saloon“) oder Harmoniegesänge („Durango“) hinzu.

Die Stücke wirken im besten Sinne klassisch: Beim folkigen „High On Gettin‘ By“ schwingt etwas von Townes van Zandt mit, „Ripplin‘ And Wild“ erinnert an Guy Clark. Emerson reiht sich mit seinen Songs nahtlos in die Singer/Songwriter-Tradition des Country ein. Er selbst zählt Steve Earle zu seinen Inspirationsquellen.

Wirkliche Geniestreiche gelingen Vincent Neil Emerson mit der Single „Learnin‘ To Drown“ und mit „The Ballard Of The Choctaw-Apache“. Beim ersten kommt BJ Barham als Vergleich hinsichtlich des Songwritings und beim zweiten – aufgrund der thematischen Nähe und der Intensität der Performance – Jason Ringenberg in den Sinn. In den Texten beider Songs greift Emerson auf seine Familiengeschichte zurück.

In „Learning To Drown“ schildert er die Lebenssituation nach dem Selbstmord seines Vaters. In „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ prangert er die Enteignungen von Indianergebieten in den 1960ern an. In seinem Stammbaum finden sich mütterlicherseits indigene Wurzeln. Der Song ist der einzige mit einer politischen oder gesellschaftlichen Aussage auf dem Longplayer, ansonsten kreisen seine Themen um autobiographische Erlebnisse oder persönliche Gefühlslagen.

Emersons Texte zeugen von einer hohen Sensibilität für literarische Gestaltungen. In Verbindung mit der klaren Struktur seiner Songs erzielt er so ein hohes Maß an Authentizität. Die Stücke sind während der Pandemie entstanden, in der er die Zeit nutzte, um Stationen seiner Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Das Album ist daher nach eigener Aussage weitaus persönlicher als sein Debüt.

Bevor das Konzertleben zum erliegen kam, tourte Emerson ausgiebig, u. a. mit seinem Freund Colter Wall, mit den Turnpike Troubadours oder Charley Crockett. Crockett coverte für die CD „The Valley“ (2019) Emersons „7 Come 11“, das dort zu den beeindruckenden Titeln zählt. Emerson bereichert mit seinen Songs die New Traditional Country-Szene und reiht sich dort in die Riege der bereits etablierten Musiker ein.

Dabei unterschiedet er sich von Crockett dadurch, dass seine Songs weniger retro erscheinen. Im Gegensatz zu Wall bleibt Emerson auf seinem zweiten Album in geringerem Maße den Country-Rhythmen verhaftet. Als Produzenten für seinen Longplayer konnte er Rodney Cowell (Emmylou Harris, Rosanne Cash) gewinnen.

Mit Vincent Neil Emerson gewinnt die aktuelle Generation der Texas Singer/Songwriter einen weiteren kreativen Kopf, dem es gelingt, Traditionen authentisch fortzuschreiben ohne in diesen gefangen zu sein. Auf seinem zweiten Album gewährt Emerson einen tieferen Einblick in seine Gedankenwelt als zuvor und kleidet diesen in ausdrucksstarke Texte. Als Anspieltipps seien „Learnin’ To Drown“ und „The Ballard Of The Choctaw-Apache“ empfohlen.

La Honda Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana, Country

Tracks:
01. Texas Moon
02. Debtor’s Blues
03. High On The Mountain
04. Learnin’ To Drown
05. Ripplin’ And Wild
06. Durango
07. The Ballard Of The Choctaw-Apache
08. White Horse Saloon
09. High On Gettin’ By
10. Saddled Up And Tamed

Vincent Neil Emerson
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