Gunner & Smith – Hear You In My Head – CD-Review

Review: Michael Segets

An dem dunklen Vorgänger „Byzantium” (2019) schieden sich die Geister. Mich zog der satte Sound mit mehreren Klangschichten in seinen Bann und manche Stücke entwickelten nach wiederholtem Hören eine fast schon hypnotisierende Wirkung. „Hear You In My Head“ erscheint bei den ersten Durchläufen tendenziell eingängiger, ohne an Tiefe einzubüßen. Gunner & Smith bleiben ihrem Dark Country Rock treu. Der Wiedererkennungswert ist durch den Bariton von Bandleader Geoff Smith sowieso gegeben.

Die Produktion übernahm erneut Andrija Tokic und die Aufnahme erfolgte wieder analog. Allerdings wechselten die Kanadier den Aufnahmeort. Innerhalb von sechs Tagen nahmen Gunner & Smith unterstützt von einigen Session-Musikern das Album im Bombshelter Studio in Nashville auf. Geoff Smith spielte die Tracks zusammen mit Dave Raccine (Schlagzeug), Jack Lawerence (Bass), John James Tourville (Gitarre, Dobro, Pedal Steel, Geige) und Peter Keys (Mellotron, Orgel, Klavier) ein.

Die Texte kennzeichnet ein hohes Maß an Selbstreflexivität, wobei sich vielleicht etwas mehr Zuversicht in sie hineinmischt als zuvor. Verzweiflung wandelt sich in Zweifel, dennoch wohnt den Lyrics weiterhin eine gewisse Schwere inne. „Townes“ mag dafür als ein typisches und besonders gelungenes Beispiel angeführt werden. Orgel und tiefe Gitarren sorgen auch bei anderen Balladen („Turn Myself In“, „City On A Hill“, „Cat“) für einen breiten Klangteppich. Mit sehr stimmungsvollen weiblichen Harmonien ist „He Once Was A Good Man“. Song und Text haben etwas von einem Spiritual, wobei die expressiven Gitarren für einen solchen ungewöhnlich sind.

Beinahe leicht wirken die vorab ausgekoppelten „Something More To Give“ und „Find Your Own Way“. Vor allem das erstgenannte Stück weist einen eingängigen Refrain auf und Geoff variiert seinen ansonsten eher sonoren Gesang, der für ihn typisch ist. Die überwiegend getragenen Beiträge auf dem Album werden von den beiden kurzen „Gold“ und „Little Gracie“ unterbrochen. Mit seinem rockigen Einstieg zählt „Little Gracie“ zu meinen Favoriten auf dem Longplayer. Getoppt wird es noch von dem treibenden Titeltrack. „Hear You In My Head“ entwickelt trotz seiner Gleichförmigkeit eine enorme Energie.

Gunner & Smith setzen mit „Hear You In My Head“ den eingeschlagenen Weg fort. In die dunkle Atmosphäre des Albums schleichen sich etwas zuversichtlichere Töne ein und die schwere und wuchtige Begleitung des unverwechselbaren Gesangs von Geoff Smith wird bei einzelnen Songs zurückgenommen, sodass das Album insgesamt abwechslungsreicher und eingängiger erscheint als das vorangegangene. Mit ihrem eigenwilligen Sound polarisiert die kanadische Band. Mir gefällt er.

Label: DevilDuck Records/Indigo (2022)
Stil: Dark Country Rock

Tracks:
01. Hear You In My Head
02. Turn Myself In
03. Townes
04. Something More To Give
05. City On A Hill
06. Little Gracie
07. Gold
08. He Once Was A Good Man
09. Cat
10. Find Your Own Way

Gunner & Smith
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DevilDuck

Amanda Shires – Take It Like A Man – CD-Review

Review: Michael Segets

Wenn man Amanda Shires lediglich auf ihre Rolle als Ehefrau von Jason Isbell und Mitglied seiner Band The 500 Unit reduziert, dann geschieht ihr sicherlich Unrecht. Als Violinistin, die unter anderem Aufnahmen mit John Prine, Neal Casal, Todd Snider , Justin Townes Earle und Blackberry Smoke vorzuweisen hat, erarbeitete sie sich einen hervorragenden Ruf. Mit The Highwomen, eine Kollaboration zwischen ihr, Brandi Carlile, Natalie Hemby und Maren Morris, startete Shires 2019 ein viel beachtetes Bandprojekt. Die mehrfach ausgezeichnete Texanerin veröffentlicht nun ihr siebtes Soloalbum „Take It Like A Man“.

Die Zwangspause der Pandemie nutzte Sie, um sich auf das Schreiben neuer Songs zu konzentrieren, bei denen sie vor allem ihre familiären Beziehungen bearbeitet. In einem kreativen Schub entstanden innerhalb eines Monats 26 Stücke. Zehn davon schafften es schließlich auf den Longplayer, wobei sie sich für die musikalische Umsetzung hauptsächlich bei Lawrence Rothman Unterstützung holte.

Der Opener „Hawk For The Dove“ stellt zugleich das Highlight des Albums dar. Die erste Single – im Pressetext als Southern Gothic bezeichnet – beeindruckt durch ihre dunkle Atmosphäre und geht direkt in die Gehörgänge. Der düstere Hall von Isbells Gitarre erinnert an Gunner & Smith. Shries glänzt bei einem kurzen, kratzigen Geigensolo. Zudem wirkt ihr Sopran hier eher lasziv als süßlich, wie bei einigen anderen Stücken. Weniger expressiv und deutlich reduzierter, aber gleichfalls stimmungs- und spannungsvoll sind „Don’t Be Alarmed“ und „Fault Lines“.

Shires liefert perfekt produzierte Songs ab, die überwiegen opulent arrangiert sind. Dass Streicher durchgängig präsent sind, versteht sich fast von selbst. Daneben übernimmt manchmal ein Klavier die Führungsrolle („Empty Cup“, „Everything Has Its Time“), mal fallen die Bläser („Stupid Love“) besonders auf. Wie die zweite Single „Take It Like A Man“ bewegen sich die meisten Stücke insbesondere in der ersten Hälfte des Albums im unteren Tempobereich.

Das einzige Stück mit einem Upbeat ist das lockere „Here He Comes“. Der Titel wurde als letzter aufgenommen, wurde aber in der Mitte des Albums geschickt platziert. In der zweiten Hälfte des Longplayer zieht Shires das Tempo gemäßigt an und gibt ihren Kompositionen „Bad Behavior“ und „Lonely At Night“ leicht jazzige Züge mit. Die Klangfarbe ihrer Stimme würde man wahrscheinlich eher im Country verorten, aber Shires setzt ihre Stimme durchaus variabel ein und steht gesanglich bei sämtlichen Songs ihren Mann.

In den dunklen Momenten fesselt Amanda Shires Album „Take It Like A Man“. Vor allem mit dem expressiven „Hawk For The Dove“ setzt sie ein Ausrufezeichen als Songwriterin und Musikerin. Darüber hinaus finden sich auf dem Album gelungene Balladen, sauber arrangiert mit vollem Begleitprogramm durch Streicher, Bläser und Keys. Diese werden bei einem eher auf Harmonien bedachtem Publikum in Nashville und Umgebung sicherlich Anklang finden.

ATO Records/PIAS-Rough Trade (2022)
Stil: Americana

Tracks:
01. Hawk For The Dove
02. Take It Like A Man
03. Empty Cup
04. Don’t Be Alarmed
05. Fault Lines
06. Here He Comes
07. Bad Behavior
08. Stupid Love
09. Lonely At Night
10. Everything Has Its Time

Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Gunner & Smith – Byzantium – CD-Review

G+S_300

Review: Michael Segets

Düster, düster ist das, was Gunner & Smith auf „Byzantium” abliefern. Strotzten bereits die Debüt-EP „Compromise Is A Loaded Gun“ (2012) und der erste Longplayer „He Once Was A Good Man” (2014) nicht vor Leichtigkeit, führt „Byzantium” textlich und musikalisch nun konsequent in tiefe Abgründe.

Die Texte kreisen um (unglückliche) Liebe, Verlust, Vergänglichkeit, Kriege und Unmenschlichkeit. Der volle Sound, den Gitarre und Orgel – begleitet durch kraftvolle Drums – erzeugen, stellt eine finstere Atmosphäre her. Getragen wird sie zudem durch den sonoren Gesang von Geoff Smith. Die Bezeichnung Dark Country Rock lässt sich auf die Scheibe problemlos anwenden.

Songwriter Geoff Smith nennt als Inspirationsquellen seinen Landsmann Neil Young, Townes Van Zandt und Pink Floyd. Der Opener „Wicked Smile“ hört sich nach deprivierten Eagles an, das folgende „Fever“ nach einem deprimierten Tom Jones. Stellenweise trifft auch der Vergleich mit Nick Cave – so etwa bei „If The Light Comes“, auf dem der (Sprech-)Gesang von Smith vor der hymnischen Begleitung eine quasi hypnotische Wirkung erzielt.

Noch stärker ist „The Barrens“, das mit überzeugenden Gitarrensoli und einem hervorragend passenden weiblichen Background eine enorme Energie versprüht.

Langsam leidet Smith mit „Hush Now“, „I Know So Well“ und „I Had A Dollar“. Bei den Stücken ist der Klangteppich zeitweise reduziert, um dann die einsetzenden Gitarre und Orgel zur Geltung zu bringen. Einen imposanten Einstieg liefert „Strong Man“, das im Refrain durch einen Backgroundchor zusätzlich Wucht bekommt.

Mit „Wisconsin“ und „Byzantium“ wandelt Smith auf Country-Pfaden. Der erstgenannte Song wirkt im Vergleich zu den anderen Stücken schon fast sanft und fröhlich. Der Titelsong hingegen nimmt die dunkle Grundstimmung des Albums wieder auf.

Die Stücke auf „Byzantium“ von Gunner & Smith konfrontieren zunächst mit einem satten, dramatischen Sound, der beim erstmaligen Hören die Songstrukturen überlagert. Dazu trägt vielleicht bei, dass das Album innerhalb einer Woche live im Studio eingespielt und durch Produzenten Andrija Tokic analog aufgenommen wurde. Nach mehreren Durchläufen treten aber die Melodien und manche feine Differenzierungen hervor, die das Album zu einem fesselnden Opus machen.

Für Mai/Juni ist eine Tour von Gunner & Smith angekündigt. Vorher kommt Geoff Smith solo im Rahmen der About-Songs-Youngbloods-Tour nach Deutschland. Dabei darf man gespannt sein, wie die Titel von „Byzantium“ in einem akustischen Gewand klingen.

DevilDuck Records/Indigo (2019)
Stil: Dark Country Rock

Tracks:
01. Wicked Smile
02. Fever
03. If The Light Comes
04. Hush Now
05. I Know So Well
06. The Barrens
07. Strong Man
08. Wisconsin
09. I Had A Dollar
10. Byzantium

Gunner & Smith
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DevilDuck Records