Lucinda Williams – Good Souls Better Angels – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die Grande Dame der Americana- und Country-Music Lucinda Williams legt mit „Good Souls Better Angels” ein Album vor, das Kritiker lieben werden, bei dem jedoch fraglich ist, ob es Anklang beim breiten Publikum findet. Mit diesem Phänomen hatte Williams bereits in der Anfangszeit ihres musikalischen Schaffens zu kämpfen.

Vor über vierzig Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Longplayer, einen kommerziellen Durchbruch erzielte sie aber erst zwei Dekaden später mit „Car Wheels On A Gravel Road“ (1998). Auf die Musikerin bin ich erstmals durch ihr Duett mit Steve Earle „You’re Still Standing There“ aufmerksam geworden, das sich auf seiner CD „I Feel Alright“ (1996) findet. Ray Kennedy, der mit Earle das Produzententeam The Twangtrust bildet, produzierte sowohl Williams Erfolgsalbum als auch das neue „Good Souls Better Angels” mit. Seit der Jahrtausendwende bringt Williams regelmäßig neues Material heraus.

Unter ihren Kollegen ist die dreifache Grammy-Gewinnerin sehr beliebt, was ihre Vielzahl an Kollaborationen beweist. Sie veröffentliche Tracks mit ganz unterschiedlichen Künstlern wie Julian Dawson, Nanci Griffith, Bruce Cockburn, John Prine, Sue Foley, Colin Linden, Elvis Costello, Willie Nelson, North Mississippi Allstars, Michael Monroe, Amos Lee, Blackie & The Rodeo Kings und Tom Russel.

„Good Souls Better Angels” ist ein atmosphärisch finsteres, aber faszinierendes Album. Schien bei den früheren Longplayern diese Seite von Williams Songwriting immer wieder durch, verfolgt sie die dunklen Töne auf ihrer aktuellen CD nun konsequent. Sie bearbeitet in ihren Songs das Leiden an der Welt, Depressionen und psychische Belastungen auf der einen Seite, Durchhaltevermögen und Hoffnung auf der anderen. Inspiration holte sich Williams bei dem Werk von Leonard Cohen und Nick Cave. Die Tracks bewegen sich tatsächlich zwischen diesen musikalischen Polen.

Bei einem Drittel der Stücke zelebriert – bei „Good Souls” über siebeneinhalb Minuten – Williams einen getragenen, melancholischen Americana, der durch ihren Gesang rau und unmittelbar klingt. Mal singt sie leicht gebrochen („Big Black Train“, „When The Way Gets Dark”), mal leiernd („Shadows & Doubts“), aber immer passend und intensiv.

Bei „Man Without A Soul” legt sie etwas Samt in ihre Stimme, die sich hier stellenweise nach Tanita Tikaram anhört. Auf „Pray The Devil Back To Hell” klingt Williams hingegen wie ein weiblicher Tom Waits. Zusammen mit „Bad New Blues” spiegeln die beiden Stücke die bluesige Seite der Scheibe wider.

„You Can’t Rule Me“ eröffnet als treibend-rollender Blues Rock das Werk. In gemäßigtem Tempo rockt „Big Rotator”, härter geht es mit „Down Past The Bottom” zur Sache. Nicht nur bei den Rocksongs sind die starken Gitarren hervorzuheben, denen viel Raum auf dem Album gegeben wird. Kräftige Riffs, zerrende Rückkopplungen sowie angemessen lange Soli passen sich hervorragend in die Songs ein und ergänzen so den ungeschliffen wirkenden Gesang.

Einen beinah rotzigen Slang legt Williams bei dem experimentelleren „Wakin‘ Up“ an den Tag. Dieser – in Kombination mit expressiven Gitarren und unterlegt mit einem Rhythmus, der dem Hip Hop entliehen scheint – macht den Song zu einem besonders hervorstechenden auf dem Werk. Ebenso bemerkenswert ist „Bone Of Contention”, das Williams mit einer für sie ungewohnten Punk-Attitude performt, durch die ein Vergleich mit Patti Smith nicht fern liegt.

„Good Souls Better Angels” ist ein spannendes Meisterwerk der Amerikanerin. Mutig und souverän bewegt sich Lucinda Williams in Americana-, Rock- und Bluesgefilden. Neben ausgereiften Melodien machen kraftvolle Rhythmen und krachende Gitarren, verbunden durch den ausdrucksstarken und variationsreichen Gesang, das Album zur ersten großen Überraschung des Jahres.

Highway 20/Thirty Tigers (2020)
Stil: Americana, Rock, Blues/

Tracks:
01. You Can’t Rule Me
02. Bad News Blues
03. Man Without A Soul
04. Big Black Train
05. Wakin‘ Up
06. Pray The Devil Back To Hell
07. Shadows & Doubts
08. When The Way Gets Dark
09. Bone Of Contention
10. Down Past The Bottom
11. Big Rotator
12. Good Souls

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Gunner & Smith – Byzantium – CD-Review

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Review: Michael Segets

Düster, düster ist das, was Gunner & Smith auf „Byzantium” abliefern. Strotzten bereits die Debüt-EP „Compromise Is A Loaded Gun“ (2012) und der erste Longplayer „He Once Was A Good Man” (2014) nicht vor Leichtigkeit, führt „Byzantium” textlich und musikalisch nun konsequent in tiefe Abgründe.

Die Texte kreisen um (unglückliche) Liebe, Verlust, Vergänglichkeit, Kriege und Unmenschlichkeit. Der volle Sound, den Gitarre und Orgel – begleitet durch kraftvolle Drums – erzeugen, stellt eine finstere Atmosphäre her. Getragen wird sie zudem durch den sonoren Gesang von Geoff Smith. Die Bezeichnung Dark Country Rock lässt sich auf die Scheibe problemlos anwenden.

Songwriter Geoff Smith nennt als Inspirationsquellen seinen Landsmann Neil Young, Townes Van Zandt und Pink Floyd. Der Opener „Wicked Smile“ hört sich nach deprivierten Eagles an, das folgende „Fever“ nach einem deprimierten Tom Jones. Stellenweise trifft auch der Vergleich mit Nick Cave – so etwa bei „If The Light Comes“, auf dem der (Sprech-)Gesang von Smith vor der hymnischen Begleitung eine quasi hypnotische Wirkung erzielt.

Noch stärker ist „The Barrens“, das mit überzeugenden Gitarrensoli und einem hervorragend passenden weiblichen Background eine enorme Energie versprüht.

Langsam leidet Smith mit „Hush Now“, „I Know So Well“ und „I Had A Dollar“. Bei den Stücken ist der Klangteppich zeitweise reduziert, um dann die einsetzenden Gitarre und Orgel zur Geltung zu bringen. Einen imposanten Einstieg liefert „Strong Man“, das im Refrain durch einen Backgroundchor zusätzlich Wucht bekommt.

Mit „Wisconsin“ und „Byzantium“ wandelt Smith auf Country-Pfaden. Der erstgenannte Song wirkt im Vergleich zu den anderen Stücken schon fast sanft und fröhlich. Der Titelsong hingegen nimmt die dunkle Grundstimmung des Albums wieder auf.

Die Stücke auf „Byzantium“ von Gunner & Smith konfrontieren zunächst mit einem satten, dramatischen Sound, der beim erstmaligen Hören die Songstrukturen überlagert. Dazu trägt vielleicht bei, dass das Album innerhalb einer Woche live im Studio eingespielt und durch Produzenten Andrija Tokic analog aufgenommen wurde. Nach mehreren Durchläufen treten aber die Melodien und manche feine Differenzierungen hervor, die das Album zu einem fesselnden Opus machen.

Für Mai/Juni ist eine Tour von Gunner & Smith angekündigt. Vorher kommt Geoff Smith solo im Rahmen der About-Songs-Youngbloods-Tour nach Deutschland. Dabei darf man gespannt sein, wie die Titel von „Byzantium“ in einem akustischen Gewand klingen.

DevilDuck Records/Indigo (2019)
Stil: Dark Country Rock

Tracks:
01. Wicked Smile
02. Fever
03. If The Light Comes
04. Hush Now
05. I Know So Well
06. The Barrens
07. Strong Man
08. Wisconsin
09. I Had A Dollar
10. Byzantium

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