Joe Ely – Driven To Drive – CD-Review

Review: Michael Segets

Mein erster Berührungspunkt mit der Musik von Joe Ely war „Letter To Laredo“ (1995). Entstanden ist mein damaliges Interesse dadurch, dass Bruce Springsteen auf der Scheibe mitwirkte. Danach nahm ich Ely noch als Mitglied von The Flatlanders und Los Super Seven wahr. Insgesamt habe ich also nur einen punktuellen Eindruck von seiner musikalischen Karriere, die in den siebziger Jahren startete. Die Stücke auf seiner aktuellen Veröffentlichung „Driven To Drive“ sind während dieser langer Zeit entstanden. Ely schrieb sie auf seinen Konzertreisen, ohne dass sie den Weg auf ein Album gefunden hätten. Nun fasst er die Songs, die thematisch um das Unterwegssein kreisen, zusammen.

Der Opener stellt zugleich das absolute Highlight der CD dar. „Drivin‘ Man“ erzeugt mit spärlichen Mitteln eine unglaubliche Wirkung. Vor allem Joel Guzman am Akkordeon gibt dem Stück ein besonders Feeling. Bei dem anschließenden „Odds Of The Blues“ ist Springsteen erneut mit von der Partie. Die ruhige Single ist zwar kein Ausfall, aber sie plätschert eher ohne Höhen und Tiefen dahin. Mit dem solo performten „San Antone Brawl“ und „Gulf Coast Blues“, bei dem Guzman wiederum die Begleitung übernimmt, widmet sich Ely später nochmals einer langsamen Spielart des Blues.

Ely nutzt souverän die Palette der Roots Musik. Zwischen Folk und Country bewegt sich „Watchin‘ Them Semis Roll“, „Slave To The Western Wind“ hat einen deutlichen Tex-Mex-Einschlag und „Ride A Motorcycle“ vertritt den Country Rock. Stark sind das titelgebende „Driven To Drive“ – das einzige Stück mit richtigen Drums – sowie „For Your Love“, mit denen Ely Liebhaber des Roots beziehungsweise Folk Rocks bedient.

Darüber hinaus findet sich ein Rock’n Roll der klassischen Machart auf der Scheibe („Didn’t We Robby“). Hier erweist sich Bill Guinn am Piano als Derwisch. Ely selbst untermalt das etwas experimentellere „Jackhammer Rock“ mit Synthesizer, der dort eine dunkle Atmosphäre verströmen. Die Stücke sind in kleiner, wechselnder Besetzung eingespielt. Ely wird auf dem Longplayer von Jeff Plankenhorn (Gitarre), Pat Manske (Schlagzeug), Richard Bowden (Geige), Eddie Beethoven (Gesang), Mitch Watkins (Gitarre, Synthesizer) sowie den beiden bereits erwähnten Joel Guzman und Bill Guinn begleitet.

Über mehr als fünf Dekaden erstreckt sich die musikalische Karriere von Ely. Er kann bislang auf dreiundzwanzig Longplayer sowie einen Grammy zurückblicken. Obwohl die Songs auf „Driven To Drive“ über mehrere Epochen seines Musikerlebens hinweg entstanden sind und in ihnen vielfältige Richtungen der Roots Musik einfließen, gibt es keine Brüche auf dem Album. Neben dem herausragenden Opener „Drivin‘ Man“ überzeugen vor allem die Uptempo-Tracks.

Rack ’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Roots Rock and more

Tracks:
01. Drivin’ Man
02. Odds Of The Blues
03. For You Love
04. Watch’ Them Semis Roll
05. Didn’t We Robby
06. Nashville Is A Catfish
07. Ride A Motorcycle
08. San Antone Brawl
09. Slave To The Western Wind
10. Gulf Coast Blues
11. Driven To Drive
12. Jackhammer Rock

Joe Ely
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The Flatlanders – Treasure Of Love – CD-Review

cover The Flatlanders - Treasure Of Love 300

Review: Michael Segets

The Flatlanders spielten ihr erstes Album 1972 ein, die Plattenfirma veröffentlichte es aber nicht. Nach diesem Fehlstart löste sich die Band erst einmal auf. In den folgenden Jahren kursierten einige Liveaufnahmen und Bootlegs, durch die das Trio, bestehend aus Joe Ely, Jimmie Dale Gilmore und Butch Hancock, einen legendären Ruf erwarb.

Erst 1990 kam das gemeinsame Debüt in leicht abgewandelter Form heraus und wurde ein kommerzieller Erfolg, an dem die Urheber allerdings keine Beteiligung erfuhren. Mittlerweile hatten die Musiker Solokarrieren eingeschlagen. Den Kontakt verloren die drei Freunde allerdings nie. Sporadisch ergaben sich Kollaborationen und für den Soundtrack zum Film „Der Pferdeflüsterer“ steuerten sie als The Flatlanders einen Track bei.

In der ersten Dekade der 2000er entstanden noch drei gemeinsame Alben. Ein weiteres Werk wurde begonnen, jedoch nicht vollendet, bis die Pandemie die Termin- und Tourkalender leerte. Die Zwangspause nutzten Ely, Gilmore und Hancock, um das Projekt fertigzustellen. Dafür engagierten Sie Lloyd Maines (The Chicks, Wilco, Kris Kristofferson, Loretta Lynn), der „Treasure Of Love“ zusammen mit Ely und dessen Frau Sharon produzierte.

Unter den fünfzehn Songs des Longplayers sind ältere und neuere Eigenkompositionen sowie einige Cover vertreten. The Flatlanders interpretieren „She Belongs To Me” von Bob Dylan, „Snowin‘ on Raton” von Townes Van Zandt, „Give My Love To Rose” von Johnny Cash und „Treasure of Love” von George Jones. Der Klassiker „Sittin‘ On Top Of The World“, mit dem die Band gerne ihre Konzerte beendet, beschließt auch das Album. Das Video zur ersten Single besticht durch die historischen Aufnahmen aus der frühen Bandgeschichte.

„Treasure Of Love“ umweht der Hauch der Siebziger, der bei „Ramblin‘ Man“ besonders deutlich spürbar ist. Das Album ist gradlinig produziert und verzichtet auf Modernisierungen oder Schnörkel. Die Texaner gelten als Mitinitiatoren des Alternative Country und bleiben dessen Ursprüngen in jedem Song verbunden. Die Instrumentierung bewegt sich daher auch in genretypischen Bahnen und setzt bei mehreren Stücken auf ausgiebigen Slide. Beim Opener „Moanin’ Of The Midnight Train” treffen The Flatlanders dabei genau das richtige Maß, zumal das kräftige Schlagzeug eine gelungen Gegenpol liefert.

Das Wimmern der Saiten ist auf manchen Tracks etwas viel, wie bei „The Ballad Of Honest Sam“. „I Don’t Blame You” geht in eine ähnliche Richtung, wenn es auch nicht ganz so süßlich wirkt. Besser gelungen ist die Country-Ballade „Love Oh Love Please Come Home”. Neben den getragenen Stücken präsentieren The Flatlanders einige flotte Nummern wie „Mobile Blue“ oder auch „She Smiles Like A River“. Ordentlichen Swing gibt die Band „Mama Does The Kangaroo” mit. Schließlich finden sich Bluegrass-Elemente („Satin Shoes“) und mehrstimmige Gesangseinlagen („Long Time Gone“) auf dem Album, sodass dessen Linie zwar erhalten bleibt, Variationen im Sound aber einfließen.

Wenn Charley Crockett, Colter Wall oder auch Vincent Neil Emerson als Vertreter des New Traditional Country gehandelt werden, dann vertreten The Flatlanders einen Old Alternative Country. Was vor fünfzig Jahren einen innovativen Schub in die Country-Musik brachte, klingt heute eher altbekannt. Dass die Neuauflage des Alten aber nicht schlecht sein muss, sondern durchaus einen eigenen Charme entwickeln kann, beweisen Ely, Gilmore und Hanock auf „Treasure Of Love“. Schätze liegen ja manchmal längere Zeit verborgen, bis sie wieder ans Tageslicht gehoben werden.

Rack’Em Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Moanin’ Of The Midnight Train
02. Long Time Gone
03. Snowin’ On Raton
04. She Smiles Like A River
05. Love Oh Love Please Come Home
06. Give My Love To Rose
07. Treasure Of Love
08. Satin Shoes
09. The Ballad Of Honest Sam
10. Mama Does The Kangaroo
11. She Belongs To Me
12. I Don’t Blame You
13. Mobile Blue
14. Ramblin’ Man
15. Sittin’ On Top Of The World

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