Various Artists – Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty – CD-Review

Review: Michael Segets

Der vor sieben Jahren plötzlich verstorbene Tom Petty hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte des Rock. Sein Werk dient vielen Musikern als Inspirationsquelle und dementsprechend oft werden seine Songs gecovert oder als Referenzpunkte herangezogen. Für „Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty“ fanden sich namhafte Vertreter der Country-Szene zusammen, um ihn und seine Musik zu feiern. Drei Viertel der Interpreten sind alte Bekannte bei Sounds-Of-South. Wie nicht anders zu erwarten, finden sich viele Hits von Petty unter den Titeln. Angesichts seines umfangreichen Outputs, verwundert es nicht, dass ebenso viele Stücke fehlen, die eine Aufnahme auf das Tribute-Album verdient hätten. Das hinterlassene Songmaterial hätte sicherlich ein Doppelalbum gerechtfertigt.

Sich an ein Cover von Tom Petty heranzuwagen, ist ja nicht ohne. Petty hatte seinen eigenen Stil, gesanglich ist er unverwechselbar und der Sound – auch wenn er ihn in seiner Laufbahn durchaus variierte – weist einen hohen Wiedererkennungswert auf. Ein bloßes Nachspielen funktioniert nicht. Die Herausforderung besteht darin, den Songs eine individuelle Note mitzugeben. Dies gelingt den Musikern auf dem Sampler durchgängig. Sie transformieren die jeweiligen Stücke meist behutsam, sodass sie direkt zu identifizieren bleiben. Die vorliegenden Versionen klingen insgesamt erdig, wie man es von Vertretern der Country Music erwartet. Wie Pettys Originale bleiben aber auch die entsprechenden Interpretationen oft dem Rock verhaftet, sodass das Album stellenweise durchaus in Richtung Roots oder Country Rock geht.

Die ausgewählten Titel decken die Jahrzehnte von Pettys Karriere ab. Der Bogen spannt sich von den frühen Klassikern aus den siebziger Jahren über seine großen Hits in den Achtzigern und Neunzigern bis zu seinem letzten Album mit der von ihm wiederbelebten Band Mudcrutch aus dem Jahr 2016. So dürfen natürlich „American Girl“ (Dierks Bentley) und „Breakdown“ (Ryan Hurd) von Pettys erstem Longplayer mit den Heartbreakern nicht fehlen. Wynonna liefert eine wunderbare Version von „Refugee“ und damit zugleich ein Highlight der CD ab.

Die achtziger Jahre vertreten Titel von den Alben „Southern Accents“ (1985) und „Full Moon Fever“ (1989). Ebenfalls dieser Dekade zuzuordnen ist „Stop Draggin‘ My Heart Around“. Lady A covert das ursprünglich von Stevie Nicks und Tom Petty gesungene Duett. Die starken Werke „Hard Promises“ (1981), „Long After Dark“ (1982) und „Let Me Up (I’ve Had Enough)“ (1987) sind zu meiner Überraschung nicht berücksichtigt. Von den Sessions zum letztgenannten Werk stammt allerdings „Ways To Be Wicked“, dem sich Margo Price annimmt. Bei der Konzeption des Tribute lag der Fokus nicht auf einer repräsentativen Werkschau, sondern auf den persönlichen Verbindungen der Interpreten zu den einzelnen Songs.

Dolly Parton gibt sich bei „Southern Accents“ die Ehre. Rhiannon Giddens macht aus dem ursprünglich aufgekratzten „Don’t Come Around Here No More“ eine langsame, soulige Nummer. Der Track verändert das Original erheblich, aber sehr gelungen. Mit „Runnin‘ Down A Dream“ (Luke Combs), „I Won’t Back Down” (Brothers Osborne), „Yer So Bad” (Steve Earle) und „Free Fallin’” (The Cadillac Three) sind gleich vier Songs des erfolgreichen „Full Moon Fever” auf dem Tribute zu finden.

Songs aus den Neunzigern suchten sich die Eli Young Band („Learning To Fly“), Midland („Mary Jane’s Last Dance“) und Thomas Rhett („Wildflowers“) aus. „You Wreck Me“ (Georg Strait) fällt etwas aus dem Rahmen, da es der einzige Live-Mitschnitt auf der CD ist. Altmeister Willie Nelson greift sich „Angel Dream (No. 2)“ heraus.

Nach „Wildflowers“ (1994) schuf Petty nach meiner Einschätzung keine durchweg überzeugenden Alben mehr. Von seiner Spätphase geht wahrscheinlich auch kein so prägender Einfluss auf andere Musiker aus. Auf der Zusammenstellung ist sie vielleicht aus diesem Grund unterrepräsentiert. Dass Petty aber auch im neuen Jahrtausend gute Songs produzierte, zeigt Chris Stapleton. Dieser macht aus „I Should Have Know It“ einen hervorragenden Roots Rocker, der zu meinen Favoriten auf der Compilation zählt. Schließlich spielt Jamey Johnson „Forgive It All“, sodass zumindest Pettys letzte Scheibe noch gewürdigt wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Hervorragendes Songmaterial von renommierten Musikern aus der Country-Ecke performt. Was kann da schief gehen? Nichts! Die Country-Gilde sitzt fest im Sattel und zieht die Hüte vor Tom Petty. „Petty Country“ ist eine posthume Verbeugung vor einem der ganz Großen der Rockgeschichte, die zeigt, dass Genregrenzen fließend sind.

Ein paar unveröffentlichte, von Tom Petty selbst eingespielte Stücke hält die am 18. Oktober erscheinende Deluxe-Version von „Long After Dark“ bereit.

Universal (2024)
Stil: Country, Country Rock

Tracks:
01 I Should Have Known It – Chris Stapleton
02 Wildflowers – Thomas Rhett
03 Runnin’ Down A Dream – Luke Combs
04 Southern Accents – Dolly Parton
05 Here Comes My Girl – Justin Moore
06 American Girl – Dierks Bentley
07 Stop Draggin’ My Heart Around – Lady A
08 Forgive It All – Jamey Johnson
09 I Won’t Back Down – Brothers Osborne
10 Refugee – Wynonna
11 Angel Dream (No. 2) – Willie Nelson
12 Learning To Fly – Eli Young Band
13 Breakdown – Ryan Hurd
14 Yer So Bad – Steve Earle
15 Ways To Be Wicked – Margo Price
16 Mary Jane’s Last Dance – Midland
17 Free Fallin’ – The Cadillac Three
18 I Need To Know – Marty Stuart And His Fabulous Superlatives
19 Don’t Come Around Here No More – Rhiannon Giddens
20 You Wreck Me (live) – George Strait

Tom Petty

Carly Pearce – Hummingbird – CD-Review

Mit „Hummingbird“ veröffentlicht die aufstrebende Countrymusikerin Carly Pearce ihr viertes Studioalbum. Was soll man sagen, im Prinzip könnte man den Review zum Vorgänger „29: Written In Stone“ so gut wie komplett übernehmen, das neue Werk weilt exakt auf dem Weg weiter, der mit diesem mehr traditionell verwurzelten Longplayer eingeschlagen wurde.

Das Fundament bildet ihre klare ausdrucksstarke, bestens Country-kompatible Stimme und die wieder instrumentell ‚zaubernden‘ Nashville-Studiomusiker, welche die typischen Instrumente perfekt in Szene setzen. Es sägt, wiehert und fiept die Fiddle, die Dobro knarzt und raunzt, die Mandoline zirpt, das Banjo klackert blechern, Akustik- und E-Bariton-E-Gitarren untermalen, kratzen, grummeln und sliden, und das zu glasklar und modern abgemischten Sound, – herrlich!

Wobei wir auch schon bei einem ersten kleinen Unterschied angekommen wären, Pearce hat nämlich erstmals dem bewährten Team, bestehend aus Shane McAnally und Josh Osborne, auch in Sachen Produktion mit assistiert. In Sachen Songwriting war die Protagonistin wieder bis auf einen Track („Things I Don’t Chase“) bei allen Stücken beteiligt.

Pearce zur Intention des neuen Silberlings: „Ich habe in den letzten Jahren viel erlebt. Der Eintritt in ein neues Jahrzehnt hat eine Menge Reife, Wachstum, Herzschmerz und Heilung mit sich gebracht. Ich bin immer noch in der Entwicklung begriffen, aber diese Songs repräsentieren meine Ehrlichkeit, Verspieltheit und Offenheit, weiter zu wachsen.“

Dazu gehört es natürlich auch wieder, diverse textliche Giftpfeile in Richtung Ihres Ex, Michael Ray, abzuschießen (der Stachel des Ehe-Disasters scheint weiterhin tief zu sitzen), allerdings auch immer mit integrierter Selbstironie (u. a. bei  „Truck On Fire“, „Still Blue“, „Woman To Woman“)

Die Hihghlight-Songs aus meiner Sicht in einem durchgehend starken Gesamtwerk sind das herzzerreißende Duett mit Chris Stapleton bei „We Don’t Fight Anymore“, für das man eine Grammy-Nominierung einheimste, das Tex-Mex-umwehte „Woman To Woman“ (mit einem unterschwelligen Eagles-„Hotel California“-Esprit) und natürlich der abschließende episch-anmutende, höchst-atmosphärisch in Szene gesetzte Titelsong „Hummingbird“ zu dem Carly folgendes anmerkt:

„Als ich diesen Song schrieb, wusste ich, dass er der Titel des Albums sein sollte. Der Song spielt auf meine Bluegrass-Wurzeln an, erzählt aber auch textlich von der Reise, auf der ich mich befinde, um die Liebe zu finden.“

Also erneut viel Symbolik, aber auch toller Gesang und exzellente Musik auf Carly Pearces neuem Longplayer „Hummingbird“! Man darf sich schon jetzt auf die Live-Präsentation der neuen (und auch ihrer älteren Tracks) freuen, denn die hübsche Künstlerin (begleitet momentan noch Tim McGraw auf seiner Tour) wird sich im Februar des nächsten Jahres auch zu drei Terminen in Deutschland einfinden, wobei wir davon ausgehen, von ihrem Gig in der Kölner Kantine (17.02.2025) wie gewohnt berichten zu werden.

Big Machine Records (2024)
Stil: New Country

01. Country Music Made Me Do It
02. Truck On Fire
03. Still Blue
04. Heels Over Head
05. We Don’t Fight Anymore
06. Rock Paper Scissors
07. Oklahoma
08. My Place
09. Things I Don’t Chase
10. Woman To Woman
11. Fault Line
12. Pretty Please
13. Trust Issues
14. Hummingbird

Carly Pearce
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Oktober Promotion

Hymn For Her – Bloodier Than Blood – CD-Review

Review: Michael Segets

Hym For Her – kurz H4H – startete als Duo. 2008 brachte das Paar Lucy Tight und Wayne Waxing ihr Debüt heraus. Deren Tochter Diver stößt nun auf dem sechsten Album „Bloodier Than Blood“ hinzu und erweitert die Formation zu einem Trio. H4H ist jetzt also ein generationenübergreifendes Projekt. Der Titel des Longplayers soll die enge Bindung der Familie ausdrücken. In den Texten werden dementsprechend Familiengeschichten aufgegriffen. Ergänzung finden sie durch die Verarbeitung von Eindrücken und Erlebnissen während der Touren durch Amerika.

Manchmal schwingt ein Hauch der Seventies mit, auf die das Artwork der CD bereits Bezug nimmt. Die Songs sind von Harmoniegesängen geprägt, wobei jedes Familienmitglied beim Leadgesang zum Zuge kommt. So steht auch Diver mit ihrer klaren, hellen Stimme auf einigen Tracks im Vordergrund („Deer Isle“, „Things 2 Say 2 U“). Musikalisch bewegen sich die Songs hauptsächlich im Americana, der seine Basis im Folk hat. „Unseen“ und „Elders“ sind zwei sehr gelungene, eingängige Genrebeiträge. Lucy Tight, die unter anderem Ukulele und Cigar-Box-Guitar spielt, brilliert bei ihnen.

Darüber hinaus zeigen sich H4H anderen Musikrichtungen durchaus aufgeschlossen. Bei „Canine Calypso“ mischen sich beispielsweise karibische Rhythmen hinein. Eine Nähe zum Jazz weist „Stolen Heartbeat” auf. H4H gibt einzelnen Tracks einen poppigen Einschlag mit. Auffällig ist dieser auf „Dead To The World“, bei dem von Timothy Eaton arrangierte Bläser den Sound unterstützen.

Wenn Wayne Waxing am vorderen Mikro steht, geht es auch mal in Country-Gefilde wie bei „Been Drinkin“. Im positiven Sinne überraschend sind die etwas angeschrägten Titel. So wird Waxings Stimme auf „The Buzz“ technisch verzerrt. Imitiertes Hundegeheul wird in das vom Banjo getriebene „Skook“ eingeflochten. „Guns, Porn And Jesus” schrammelt schon fast in Richtung Cow-Punk. Die Stücke bilden ein gelungenes Gegengewicht zu den ruhigen Kompositionen, die auf dem Werk hauptsächlich vertreten sind. Sie stellen für mich die Highlights der Scheibe dar.

In ihrer Karriere arbeiteten H4H mit erfahrenen Tontechnikern zusammen, die die Abmischung der Tracks übernahmen. Phil Nicolo (Lauryn Hill), Jim Diamond (White Stripes), Vance Powell (Chris Stapleton) oder Mitch Easter (R.E.M.) sind hier zu nennen. An dem Mischpult betätigten sich diesmal Bud Snyder (Allman Brothers, Jeff Buckley, Gov’t Mule) und Mike Fahey. Die kompositorische Komplexität der Songs wird von ihnen eingefangen und auch klanglich gibt es an der CD nichts auszusetzen. Von den Live-Qualitäten der Band kann man sich bald selbst ein Bild machen, da im Rahmen ihrer Europa-Tournee im Juni und Juli einige Termine in Deutschland vorgesehen sind.

Hymn For Her, angewachsen durch die Tochter Diver von Lucy Tight und Wayne Waxing, präsentieren auf „Bloodier Than Blood“ Amricana-Songs der meist ruhigeren Gangart. Auch wenn bei der bunten Palette eingewobener Stile nicht jeder Track zu überzeugen weiß, finden sich doch einige stimmungsvolle Balladen und überraschend aufgekratzte Beiträge, die aus der Country-Ecke stammen, sodass ein Reinhören in das Album lohnt.

Eigenproduktion (2024)
Stil: Americana

Tracks:
01. Been Drinkin
02. Unsee
03. Deer Isle
04. Dead To The World
05. Guns, Porn And Jesus
06. Elders
07. Canine Calypso
08. Things 2 Say 2 U
09. Electric Love
10. Blue Cowboy Boots
11. Stolen Heartbeat
12. Skook
13. The Buzz
14. Sunset Ride

Hymn For Her
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Chris Stapleton – Higher – CD-Review

Seit seinem Schwenk vom erfolgreichen Songlieferant für das ‚Who Is Who‘ der Neshville-New Countrymusiker-Elite (u. a. George Strait, Kenny Chesney, Tim McGraw, Luke Bryan), über zwei eher bedeutungslose Bandbeteiligungen (The SteelDrivers und die Southern Rock-Combo The Jompson Brothers) zum eigenständigen Solo-Interpreten, ging es für den aus Lexington, Kentucky, stammenden Chris Stapleton nur noch hoch hinaus.

Ab seinem Debütalbum „Traveller“ im Jahr 2015, das sofort bei den ACM-Awards abräumte, hat Stapleton quasi mit jedem neu erscheinenden Werk quasi den Platz an der Pole-Position der Billboard Country-Charts abonniert. Auch „Higher“, soviel kann vorweg genommen werden, dürfte in dieser Hinsicht keine Ausnahme bilden.

Wieder mal liefert der Protagonist mit 14 Tracks einen üppigen und hochklassigen Longplayer, der von Dave Cobb, Morgane Stapleton und ihm selbst produziert und im RCA Studio A in Nashville aufgenommen wurde. Neben ihm (Gesang, Akustikgitarre, E-Gitarre, Slide-E-Gitarre) sind auf dem Album auch Cobb (Akustikgitarre, E-Gitarre), J.T. Cure (Bass), Paul Franklin (Pedal Steel), Derek Mixon (Schlagzeug), Morgane (Hintergrundgesang, Synthesizer, Tamburin) und Lee Pardini (Orgel, Klavier) instrumentell involviert.

Allein schon die beiden southern-umwehten E-Gitarren-Soli (zunächst Slide im Mittelteil und konventionell im Ausklang) beim melancholischen Country-Opener „What Am I Gonna Do“ lassen den Rezensenten ins Schwärmen geraten. Auch das im Anschluss folgende „South Dakota“ ist eindeutig Stoff für Southern Rock-Liebhaber.

Der Star des Albums ist die außergewöhnliche Stimme Stapletons, die man wirklich unter Millionen sofort heraushört. Dieses Pfund weiß der für seine Effizienz bekannte Star Producer Dave Cobb natürlich zu nutzen und hat das musikalische Drumherum, das man hier auch durchaus als vielschichtig bezeichnen kann,  dementsprechend einfühlsam angepasst.

So gibt es auf dem Country-Fundament neben Southern Rock-Ingredienzien auch blues-soulige- („Think I’m In Love With You“, „Loving You On My Mind“) und folkige Elemente („The Bottom“, „Mountains Of My Mind“) zu bestaunen. Herrlich, wenn Chris bei manch tollen Songs wie z. B. „Loving You On My Mind“ oder dem grandiosen Titelstück „Higher“ von seiner rotzig frechen Stimme teilweise spielend leicht in kreischende Falsetto-Sphären umschwenkt.

Was mir auf diesem Werk besonders gut gefällt ist, dass durch viele Tracks ein Hauch von bekannten Stücken weht, die aber tatsächlich nur in der Assoziation hervorgerufen werden. Das atmosphärische „The Fire“, das von Fleetwood Mac-Flair durchzogen ist oder das fulminante „White Horse“, das an große Clapton-/Winwood-Zeiten erinnert, dienen als Paradebeispiele.

Daneben gibt es viele kleine Country-Ohrwürmer mit weinender Steel und schönen Harmoniegesängen von Ehefrau Morgane wie „Trust“ (mit wunderschönem Text), „It Takes A Woman“, „The Day I Day“ oder „Weight Of Your World“. Etwas aus dem Rahmen fällt eigentlich nur der finale Track „Mountains Of My Mind“, wo Stapleton lediglich zur Akustikgitarrenbegleitung singt. Hört sich wie eine Art Demosong an, der noch auf weitere instrumentelle Ausfeilung wartet, aber natürlich zum Schluss nochmals Chris‘ exquisite Stimmkunst besonders unterstreicht.

Am Ende stellt sich mir nach dieser beeindruckenden CD eigentlich nur die Frage, ob der mehrfach Grammy- und Award-gekrönte Chris Stapleton, der eh schon ganz oben im New Country-Olymp steht, mit „Higher“ noch höher hinaus kann. Sein Anspruch in dieser Hinsicht ist hier jedenfalls omnipräsent. Ein ganz heißer Kandidat bei mir für das Album des Jahres.

Mercury Records Nashville (2023)
Stil: New Country

Tracks:
01. What Am I Gonna Do
02. South Dakota
03. Trust
04. It Takes A Woman
05. The Fire
06. Think I’m In Love With You
07. Loving You On My Mind
08. White Horse
09. Higher
10. The Bottom
11. The Day I Die
12. Crosswind
13. Weight Of Your World
14. Mountains Of My Mind

Chris Stapleton
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Oktober Promotion
Universal Music Group

Charley Crockett – Live From The Ryman Auditorium– CD-Review

Review: Michael Segets

2019 sah ich Charley Crockett mit circa fünfzig anderen Besuchern in der Kulturrampe live. Seinerzeit hatte er bereits erste Erfolge in den USA zu verzeichnen. Seitdem ging seine Karriere allerdings steil bergauf. Ein Traum, den wohl jeder Musiker in und um Nashville hegt, ist ein Auftritt im Ryman Auditorium, das 2500 Zuschauer fasst. Crockett verwirklichte ihn durch unermüdliche Präsenz in Medien und Öffentlichkeit, die er sich nicht zuletzt durch die hohe Schlagzahl von Veröffentlichungen verdiente. Vor ausverkauftem Haus spielte der Texaner im letzten Jahr ein souveränes Konzert, dessen Mitschnitt 23 Titel umfasst und nun als sein erstes Live-Album erscheint.

Crockett performt – wie es auch für seine Longplayer typisch ist – eine Mischung aus eigenen Songs und Covern, denen er seine spezielle Note mitgibt. Den Schwerpunkt bei der Titelauswahl legt er auf sein aktuelles Studio-Album „The Man From Waco“. Die Eröffnung des Auftritts bestreitet Crockett mit fünf Tracks dieses Werks. Neben eingängigen Country-Schwofern wie „Time Of The Cottonwood Trees“ berücksichtigt er staubige Balladen („The Man From Waco“) und flottere Midtempo-Stücke („Black Sedan“). Später folgen dann mit „Odessa“, „Name On A Billboard“ und „I’m Just A Clown“ weitere Songs des Longplayers.

Crockett und seine fünfköpfige Begleitband zeigen sich glänzend aufeinander abgestimmt. Die Songs wirken etwas erdiger als die Studio-Versionen, entfernen sich aber nicht allzu weit von diesen. Die Nuancen die Crockett in die sorgsam arrangierten Interpretationen einbringt, sorgen aber dafür, dass mir die meisten Stücke live noch besser gefallen.

In der ersten Hälfte des Konzerts folgt eine Reihe von Honky Tonk-Titeln, die mit viel Twang versehen sind. „Between The House And Town“, „The Valley“, „Jukebox Charley“ und „Music City USA“ bleiben hier zu nennen. Wie Crockett berichtet, gab es nach dem Titelstück seines Albums aus dem Jahr 2021 wohl minutenlange Standing Ovations, die vernünftigerweise für die Veröffentlichung herausgeschnitten wurden.

Den Auftritt setzt Crockett dann mit einer Würdigung seines verstorbenen Freundes James Hand fort. Er spielt ein Medley von dessen „Midnight Run“ sowie „Lesson In Depression“ und schiebt „Don’t Tell Me That“ nach. Anschließend unternimmt Crockett einen Streifzug durch sein bisheriges musikalisches Schaffen. Von fast jede seiner Veröffentlichungen stellt er mindestens einen Track vor. Der einzige Beitrag, der sich nicht auf einem seiner Alben findet, stammt von Townes Van Zandt („Tecumseh Valley“).

Von seinem Debüt „A Stolen Jewell“ ist „Trinity River“ entnommen, das er für „The Man From Waco“ erneut eingespielte. Der Song wurde ebenso wie das wunderschön harmonische „Jamestown Ferry“ vor der Veröffentlichung des Albums herausgegeben. In den Videos sieht man die Gestaltung der Bühne und bekommt einen Eindruck von dessen dezenter Ausleuchtung. Crockett orientierte sich dabei nach eigener Aussage an dem Auftritt von Johnny Cash am selben Ort. Die Veröffentlichung eines Konzertfilms zur gesamten Show steht in den Startlöchern und soll Ende September über YouTube zugänglich sein.

Bei der Songauswahl in der zweiten Hälfte liegt der Fokus auf dem New Traditional Country, für den Crockett mittlerweile als ein Hauptvertreter gelten kann. Bei „I Feel For You“, das weniger intensiv als die Studioversion wirkt, mischt sich etwas Soul hinein. Mit „Travelin‘ Blues“ bringt Crockett nochmal eine neue, bluesige Facette in seinen Sound. Insgesamt deckt das Konzert die Bandbreite seines musikalischen Schaffens ab. Das eine oder andere Highlight seiner Scheiben, wie „Borrowed Time“ oder „Run Horse Run“ hätte ich mir noch auf der Setlist gewünscht, aber so bleibt noch genug Material für ein weiteres Live-Album.

Mit „Live From The Ryman Auditorium“ liefert Charley Crockett einen Beweis für die Qualität seiner Songinterpretationen, die live nichts von ihrer Kraft einbüßen. Zum Kennenlernen des aufstrebenden Country-Stars eignet sich die CD oder Doppel-LP hervorragend, da sie das Spektrum seiner Musik widerspiegelt. Die Fans von Crockett werden die alternativen und ersten offiziellen Live-Versionen seiner Stücke sowieso nicht missen wollen.

Mitte September besuchte Crockett im Rahmen seiner Europa-Tour Hamburg, Frankfurt und Berlin. Die gebuchten Säle fassten zwischen 800 und 1500 Besucher. Die Zeiten, in denen Crockett in Deutschland vor einer Handvoll Leuten spielte, sind nun endgültig vorbei. Im Oktober und November supportet er Chris Stapleton und Dwight Yoakam in den USA. Im Dezember plant er zusammen mit Ryan Bingham ein Konzert.

Son Of Davy – Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Cowboy Candy
02. Time Of The Cottonwood Trees
03. Just Like Honey
04. Black Sedan
05. The Man From Waco
06. Between The House And Town
07. Odessa
08. The Valley
09. Jukebox Charley
10. Music City USA
11. Midnight Run & Lesson In Depression
12. Don’t Tell Me That
13. Welcome To Hard Times
14. Name On A Billboard
15. Jamestown Ferry
16. I Feel For You
18. Travelin’ Blues
19. Trinity River
20. I’m Just A Clown
21. Goin’ Back To Texas
22. Tecumseh Valley
23. Paint It Blue

Charley Crockett
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Thirty Tigers
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Alex Williams – Waging Peace – CD-Review

Review: Michael Segets

Alex Williams hält mit seinem zweiten Album „Waging Peace“ die Fahne des Outlaw Country hoch. Waylon Jennings hätte sicher seine Freude an der Scheibe gehabt. Die Stimme von Williams ist für den Country gemacht. In dem Genre bewegen sich dann folglich die meisten Songs. Dabei überschreitet Williams mehrmals die Grenze zum Rock und gibt gelegentlich einem Southern-Flair Raum. Gelegentlich mit Chris Stapleton oder Sturgill Simpson verglichen, reichen die Inspirationsquellen von Townes Van Zandt oder Guy Clark bis zu Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers. In diesem Rahmen bietet „Waging Peace“ eine variable Kost.

Die Hälfte der Stücke folgen den Pfaden, die im Country der siebziger Jahre gelegt wurden. Topoi des modernen Cowboys, die ständig auf den Straßen unterwegs sind und ihr Leben am Rande gesellschaftlicher Konventionen führen, durchziehen die Texte. „Old Before My Time“ und „Double Nickel“ sind dabei Vertreter der schnelleren Spielart. Beide Songs werden mit ordentlichem Twang versehen und finden in der Trucker-Szene bestimmt viel Anklang.

Einen Gang runter schalten „Rock Bottom“ und „A Higher Road“. Der zuletzt genannte Titel entwickelt dennoch Druck im Refrain, der von dem Gitarrensolo zum Ausklang weitergetragen wird. „The Best Thing“ hat den größten Retro-Charme unter den Songs. Mit einem wimmernden Slide der Steel Pedal wandelt er auf traditionellen Bahnen, so erinnert der Beginn an Songs von Willie Nelson. Bemerkenswert ist die kurze Mundharmonika-Passage, die sich in den gefälligen Song einfügt. „The Struggle“ stellt für mich den Favoriten unter den langsameren Country-Stücken dar. Williams Gesang steht bei dem reduzierten und klaren Midtempo-Beitrag im Vordergrund.

„Fire“ erscheint mit seinen Riffs kräftiger und zeigt Williams Affinität zum Rock. Diese tritt auch bei der ersten Single „No Reservations“ zutage, die den Longplayer zugleich eröffnet. Während der Song mich direkt für Williams eingenommen hat, springt der Funke bei dem gleichförmigen „Conspiracy“ nicht so recht über. Hingegen prägt eine ansteigende Dynamik das Titelstück „Waging Peace“. Nach dem Intro durch eine staubige Gitarre, bekommt es in seinem Verlauf einen hymnischen Charakter. Zu den Highlights zählt auch „Confession“. Der Track weist ebenso wie das abschließende „The Vice“ deutliche Anleihen beim Southern auf.

Alex Williams gibt dem Outlaw Country eine aktuelle Stimme. Er tradiert dabei bekannte Spielarten dieser Country-Richtung, stellt ihre Verbindung zum Rock heraus und würzt sie mit einer gelegentlichen Prise Southern. So führt „Waging Peace“ eine hierzulande wenig beachtete Linie des Country fort und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdient.

Lightning Rod Records – New West Records (2022)
Stil: Outlaw Country

Tracks:
01. No Reservations
02. Old Before My Time
03. Rock Bottom
04. Fire
05. A Higher Road
06. Waging Peace
07. Conspiracy
08. The Best Thing
09. Double Nickel
10. Confession
11. The Struggle
12. The Vice

Alex Williams
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New West Records
Oktober Promotion

Ole Whiskey Revival – Same – CD-Review

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Review: Michael Segets

Zum Ende des Jahres bietet Ole Whiskey Revival noch einen Southern-Rock-Leckerbissen. Die Band aus Shreveport, Louisiana, debütiert mit ihrem selbstbetitelten Album bei Whiskey Preachin‘ Records. Die Jungs bringen alles mit, was man von einer Southern-Truppe erwartet: gute, erdig und gitarrenorientiert umgesetzte Songs sowie ausufernde Gesichtsbehaarung. Inhaltlich bleiben die Stücke den genretypischen Themen verhaftet. Oft drehen sie sich um Frauen und Whiskey oder um Whiskey und Frauen. Insgesamt eine Scheibe, die richtig Spaß macht.

Mit dem kraftvollen „The Legend Of Jack Savannah“ steigt Ole Whiskey Revival in bester Southern-Manier ein. Der „Crescent City Blues“ entwickelt ordentlichen Drive und der Abschlusstrack „Ramblin‘“ weist ebenfalls einen rockigen Einschlag auf. Das Stück findet sich bereits auf dem Whiskey Preachin‘ Sampler – Volume 1“.

Mit ausdrucksstarker Gitarre bewegt sich „When the Smoke Clears“ zwischen Southern und Outlaw Country. Auch die Balladen bedienen sich in beiden Genres. Wimmernder Slide untermalt „Go Jump In A Creek“ und „Moonshine Melody“. Beim letztgenannten Beitrag übernimmt eine Dame als Duett-Partnerin zeitweise die Lead Vocals. Die Sängerin wird in den Credits nicht genannt, sie verhilft dem Song aber zu einem nostalgischen Siebziger-Jahre-Flair.
Am Ende gibt der Track überraschenderweise richtig Gas. Er belegt, dass Ole Whiskey Revival sich in den Traditionen auskennt und diese kreativ auslebt.

Das herrlich leiernd gesungene „Hairy Legged Hippie Chick“ spielt mit Country-Versatzstücken. Die augenzwinkernde Charakterisierung einer geliebten Frau zeigt, dass Ole Whiskey Revival einen gewissen Sinn für Humor hat, der nicht zuletzt auch auf dem Cover mitschwingt.

Das radiotaugliche „Whiskey Makes It Spin“ wurde als Video vorab ausgekoppelt. Auf die harmonische Midtempo-Nummer zu setzen, ist wahrscheinlich klug. Allerdings sind einige andere Songs letztlich interessanter. So hat „Sweet Evangeline“ ebenfalls einen eingängigen Refrain, die Gitarrenarbeit stellt dort allerdings einen zusätzlichen Pluspunkt dar. Wie dem auch sei, zwischen den Polen Blackberry Smoke und Chris Stapleton bringen Ole Whiskey Revival frischen Wind in die Szene.

Alex Troegel (Gitarre, Gesang) tat sich 2014 mit Trent Daugherty (Gitarre, Gesang), John Garcia (Gitarre, Gesang), and Stevey Hensley (Bass), die zuvor bei Magnolia Mae spielten, zusammen. Als Schlagzeuger trat Ryan Alexander der Band bei und Ole Whiskey Revival wurde geboren. Für das erste Album holten sie sich noch Kyle Roop hinzu, der bei einigen Titeln eine Steel Guitar beisteuert.

Nach „Mojave Gold“ von The Rhyolite Sound erweitert Whiskey Preachin‘ Records seinen Label-Katalog mit Ole Whiskey Revival um einen zweiten Hochkaräter. Ole Whiskey Revival legt mit den neun Eigenkompositionen ein rundum gelungenes Debüt vor. Die abwechslungsreichen Tracks zeigen die Band aus Louisiana als Kenner der Ingredienzien, welche Southern Rock und Outlaw Country ausmachen. Diese würzen sie gelegentlich noch mit einer Prise Humor, sodass sie ernsthaft zu den hervorragenden Neuentdeckungen dieses Jahres zählen.

Whiskey Preachin’ Records/Indigo (2020)
Stil: Southern Rock, Outlaw Country

Tracks:
01. The Legend Of Jack Savannah
02. Hairy Legged Hippie Chick
03. Crescent City Blues
04. Moonshine Melody
05. When The Smoke Clears
06. Sweet Evangeline
07. Whiskey Makes It Spin
08. Go Jump In A Creek
09. Ramblin’

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Whiskey Preachin’ Records

Chris Stapleton – Starting Over – CD-Review

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Review: Michael Segets

Chris Stapleton kann als der Shooting Star des New Country bezeichnet werden. Seit seinem Solo-Debüt „Traveller“ (2015) folgten zwei Alben, die ebenso Spitzenpositionen in den amerikanischen Charts aufwiesen. Auch viele seiner Singles erreichten Gold- oder Platinstatus. Grammy-Auszeichnungen und weitere Ehrungen folgten auf dem Fuß. Mit „Starting Over“ legt Stapleton nun einen Longplayer vor, der durchaus das Potential hat, erneut die Hitlisten zu stürmen. Der Titeltrack als erste Single stieß in der Country-Kategorie bereits in die Top 10 vor.

Angesichts der Erfolgswelle, auf der der in Kentucky geborene Stapleton schwimmt, besteht für ihn kein Grund, einen Neustart vorzunehmen. Der Titel der aktuellen Scheibe sollte daher nicht so interpretiert werden, dass Stapleton nun eine völlig neue Richtung einschlägt. Stattdessen konzentriert er sich weiterhin auf seine Qualitäten als Songwriter und zeigt sich dabei äußerst flexibel, wenn Country, Blues, Rock und Soul auf seinem Werk verschmelzen.

Das Album wird von eher langsameren Titeln dominiert. Stapleton streut aber an den richtigen Stellen fetzige Nummern ein, wie den Blues Rock „Devil Always Made Me Think Twice“ oder den Country-Rock-Kracher „Arkansas“. Auch das starke „Watch You Burn” kommt mit stampfendem Rhythmus und rauem Gesang rockig daher. Schließlich setzt dort der All Voices Chor ein und führt das Stück zu seinem fulminanten Abschluss. Stapleton schrieb den Song in Kooperation mit Mike Campbell. Der Gitarrist der Hearbreakers, der Band von Tom Petty, bringt seine Kunst an den Saiten mehrfach ein. Dabei setzt seine E-Gitarre – egal ob wuchtig („Whiskey Sunrise“) oder filigran („Joy Of My Life“) – stets Akzente, die die Stücke nochmals aufwerten.

Mit von der Partie ist auch ein weiterer Heartbreaker, Benmont Tench, dessen Orgel vor allem bei „Maggie’s Song“ hervorsticht. Der harmonische Track mit eingängigem Refrain wird von Stapletons Frau Morgane im Background begleitet. Die femininen Harmonien beeindrucken besonders bei „Old Friends“. Der Song stammt ebenso wie „Worry B Gone“ von Guy Clark. Unter den vierzehn Titeln findet sich noch eine Cover-Version von John Fogertys „Joy Of My Life“.

Bei den Eigenkompositionen schlägt Stapleton mal bluesige Töne an, wie bei der zweiten Single „Cold“, die gegen Ende orchestrale Ausmaße annimmt, und mal soulige, die beim radiotauglichen Midtempo-Song „You Should Probably Leave“ schon fast poppige Regionen erreichen. In den meisten Beiträgen scheint aber Stapletons Affinität zum Country durch, so bei den Balladen „When I’m With You“ und „Nashville, TN“. Für den entsprechenden Flair sorgt Paul Franklin an der Pedal Steel.

Der mittlerweile nach Tennessee übergesiedelte Stapleton setzt mit dem dunklen „Hillbilly Blood“ ein Highlight. Intensiver Gesang und hervorragende Rhythmusarbeit durch seine bewährten Mitstreiter J. T. Cure (Bass) und Derek Mixon (Schlagzeug) zaubern einen atmosphärisch dichten Song.

Das wiederum von Dave Cobb produzierte „Starting Over“ verspricht die Erfolgsserie von Chris Stapleton fortzusetzen. Stapleton beweist, dass er mit Recht zu den führenden Songwritern in Nashville gezählt wird. Er zeigt dabei Facetten, die vielleicht auf seinen früheren Alben nicht so deutlich zutage treten. Stapleton setzt insgesamt aber auf Kontinuität statt auf große Innovationen, was ja nicht verkehrt erscheint, wenn das, was er macht, so gut ist.

Mercury Records Nashville (2020)
Stil: New Country

Tracks:
01. Starting Over
02. Devil Always Made Me Think Twice
03. Cold
04. When I’m With You
05. Arkansas
06. Joy Of My Life
07. Hillbilly Blood
08. Maggie’s Song
09. Whiskey Sunrise
10. Worry B Gone
11. Old Friends
12. Watch You Burn
13. You Should Probably Leave
14. Nashville, TN

Chris Stapleton
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Brothers Osborne – Skeletons – CD-Review

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Review: Michael Segets

Seitdem die beiden Brüder John und T. J. Osborne von Maryland nach Nashville übergesiedelt sind, schwimmen sie auf einer Erfolgswelle. Ihr Debüt „Pawn Shop“ (2012) spielte Gold ein und einige Singles verzeichnen sogar Platin-Status. Für ihr zweites Album „Port Saint Joe“ erhielten sie eine von bisher sechs Grammy-Nominierungen. Mit dem aktuellen Longplayer „Skeletons“ treten die Brüder nun an, um den Erfolg fortzusetzen.

Dafür setzen die Osbornes auf starke Medienpräsens. Nachdem die Tour im Sommer, die sie zusammen mit George Strait sowie Chris Stapleton planten, Corona zum Opfer gefallen ist, promoteten sie die erste Single „All Night“ in mehreren Auftritten und spielten mit Brandi Carlile, Miranda Lambert, Little Big Town und Brooks & Dunn.

„All Night“ stieg dann auch direkt in die Country-Charts ein. Der poppig-rockige Song bekommt durch die Stimme von T. J. einen rootsigen Country-Touch. Als moderne Vertreter des New Country zeigen sich die Brothers Osborne sowieso offen für Pop- und Rock-Elemente. In Richtung Pop geht „Hatin‘ Somebody“, dessen Ende in einer längeren Instrumentalpassage gipfelt. Zum Rock schlägt die Nadel beim Opener „Lighten Up“ und bei „All The Good Things Are“ aus.

Neben dem gefälligen „High Note“ und der voll instrumentierten Ballade „Make It A Good One“ zeigen die Geschwister, dass sie auch Songs mit Ecken und Kanten schreiben können. Richtig aufs Tempo drückt das energiegeladene „Dead Man’s Curve“. Das kurze Instrumentalstück „Muskrat Greene“ wird durch eine Kombination von einer Honky-Tonk-Gitarre auf Acid und aufgekratztem Piano getrieben.

Diejenigen, die es etwas Country-lastiger mögen, kommen mit „Back On The Bottle“ auf ihre Kosten. Der Rhythmus wechselt im Refrain in einen schunkeligen Dreivierteltakt, wodurch das Stück zusammen mit den rockig gehaltenen Gitarren einen hohen Wiedererkennungswert erhält. „Old Man’s Boots“ ist eine erdige Ballade, bei der die Osbornes die Begleitung etwas zurücknehmen. Der Song mit dezentem Slide bildet den unverkrampften Abschluss der Scheibe.

Die beiden aus meiner Sicht besten Stücke des Werks spiegeln die Varianz der Brothers Osborne wider. „I’m Not For Everyone” steht für die eingängigen, radiotauglichen Melodien, „Skeletons” für die kraftvollere Seite des Duos. Vor allem der stampfende Rhythmus und die staubige Gitarre verströmen beim Titeltrack eine aggressive Atmosphäre.

Beim Songwriting holten sich die Brothers Osborne Unterstützung von Lee Miller, Craig Wiseman, Natalie Hemby und Casey Beathard, die sich in der Nashville-Szene bereits einen Namen machten. Der Produzent Jay Joyce sorgte für den vollen und sehr klaren Sound von „Skeletons“.

Mit ihrem dritten Album bekommen die Brothers Osborne das Kunststück fertig, mainstreamtaugliche Songs und rauere Kompositionen so zu verbinden, dass kein Bruch entsteht. „Skeletons“ klingt einerseits an die Vorlieben des breiten Publikums angepasst und andererseits dennoch individuell. Es bleibt daher nicht verwunderlich, dass sich die Singles des Duos tendenziell besser verkaufen als die Alben. Die Innovationen fallen insgesamt moderat aus, aber die jungen Männer beleben mit ihnen durchaus die New-Country-Sparte.

EMI Nashville/Universal Music (2020)
Stil: New Country

Tracks:
01. Lighten Up
02. All Night
03. All The Good Ones Are
04. I’m Not For Everyone
05. Skeletons
06. Back On The Bottle
07. High Note
08. Muskrat Greene
09. Dead Man’s Curve
10. Make It A Good One
11. Hatin’ Somebody
12. Old Man’s Boots

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EMI Nashville/Universal Music
Oktober Promotion

Ghost Hounds – Roses Are Black – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die treibende Kraft hinter den Ghost Hounds ist Thomas Tull. In der Mitte der 2000er startete er bereits einen Anlauf mit der Band und brachte am Ende dieser Dekade ein Album in Eigenproduktion heraus. Mit seiner Produktionsfirma konzentrierte er sich allerdings anschließend auf Filme, Comics und digitale Medien. Mit neuen Musikern reanimiert er nun die Ghost Hounds und wendet sich wieder dem Rock ’n Roll zu.

Für „Roses Are Black“ holte sich Tull mit Johnny Baab einen zweiten Gitarristen ins Boot und besetzte die Rhythmusgruppe mit Blaise Lanzetta am Schlagzeug und Bennett Miller am Bass. Als Glücksgriff erweist sich Sänger Tre Nation. Tull suchte sich zudem für das Songwriting Unterstützung bei David Grissom, der schon für John Mellencamp, Joe Ely, Storyville, The Allman Brothers Band und die Dixie Chicks aktiv war, sowie bei Kevin Bowe (Etta James, Jonny Lang, Lynyrd Skynyrd, Kenny Wayne Shepherd). Vance Powell (Chris Stapleton, The White Stripes, Arctic Monkeys, Kings of Leon) mischte den Longplayer ab und produzierte ihn auch.

Bei so viel Manpower und Erfahrung konnte nichts mehr schiefgehen. Herausgekommen ist dann auch ein überdurchschnittliches Rockalbum, das gut unterhält, dem jedoch die Titel fehlen, die sich direkt in den Gehörgängen festsetzen. Erst nach mehrmaligem Hören erhalten die Songs einen höheren Wiedererkennungswert.

Gibt man der Scheibe die Chance auf einige Durchläufe, gewinnen die einzelnen Songs stärkere Konturen. Dann treten auch die unterschiedlichen Einflüsse, die von der Band aus Pittsburgh verarbeitet wurden, deutlich hervor. Am Old School Rock ’n Roll orientiert sich der Opener „Bad News“. Classic Rock ist mit „Black Rose”, „Skin In The Game” und „Fire Under Water” vertreten. Hier wird den kraftvollen Gitarren mit entsprechenden Soli Raum gegeben.

Darüber liefern die Ghost Hounds eine erdige Version von Cliff Richards „Devil Woman“. Während das soulige „When Your Shadow Touches Mine” nochmals eine neue Facette in den Longplayer einbringt, erscheint „Til It’s Gone“ sehr gleichförmig und am ehesten verzichtbar.

Von einem Song des sagenumwobenen Robert Johnson, der seine Seele für den Blues an den Teufel verkauft haben soll, wurde der Name Ghost Hounds hergeleitet. Es liegt daher nahe, dass sich die Band dem Blues beziehungsweise Bluesrock bei „Push That Rock Up The Hill“ und „We Roll Hard” zuwendet.

„Second Time Around“, mit dem Tull auf die Wiederbelebung der Ghost Hounds reflektiert, läutet das letzte Drittel des Albums ein. In diesem Teil wird das Tempo reduziert. „Almost Loved You“ steigt mit einer akustischen Gitarre ein. Sehr schön sind hier die Klavierpassagen von Joe Munroe. Den Abschluss des Albums bilden zwei alternative, akustische Versionen von „Second Time Around“ und „Push That Rock Up The Hill“.

Thomas Tull gelingt der Neustart mit den Ghost Hounds. „Roses Are Black“ ist ein durchaus abwechslungsreiches Album geworden, dessen positiver Ersteindruck sich verstärkt, sobald man ihm Zeit gibt und es mehrfach anhört.

Cascade Music Group/Maple House Records (2019)
Stil: Rock

Tracks:
01. Bad News
02. Black Rose
03. When Your Shadow Touches Mine
04. Devil Woman
05. Til It’s Gone
06. We Roll Hard
07. Push That Rock Up The Hill
08. Skin In The Game
09. Fire Under Water
10. Second Time Around
11. Almost Loved You
12. Second Time Around (Acoustic)
13. Push That Rock Up The Hill (Acoustic)

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