Carly Pearce – Hummingbird – CD-Review

Mit „Hummingbird“ veröffentlicht die aufstrebende Countrymusikerin Carly Pearce ihr viertes Studioalbum. Was soll man sagen, im Prinzip könnte man den Review zum Vorgänger „29: Written In Stone“ so gut wie komplett übernehmen, das neue Werk weilt exakt auf dem Weg weiter, der mit diesem mehr traditionell verwurzelten Longplayer eingeschlagen wurde.

Das Fundament bildet ihre klare ausdrucksstarke, bestens Country-kompatible Stimme und die wieder instrumentell ‚zaubernden‘ Nashville-Studiomusiker, welche die typischen Instrumente perfekt in Szene setzen. Es sägt, wiehert und fiept die Fiddle, die Dobro knarzt und raunzt, die Mandoline zirpt, das Banjo klackert blechern, Akustik- und E-Bariton-E-Gitarren untermalen, kratzen, grummeln und sliden, und das zu glasklar und modern abgemischten Sound, – herrlich!

Wobei wir auch schon bei einem ersten kleinen Unterschied angekommen wären, Pearce hat nämlich erstmals dem bewährten Team, bestehend aus Shane McAnally und Josh Osborne, auch in Sachen Produktion mit assistiert. In Sachen Songwriting war die Protagonistin wieder bis auf einen Track („Things I Don’t Chase“) bei allen Stücken beteiligt.

Pearce zur Intention des neuen Silberlings: „Ich habe in den letzten Jahren viel erlebt. Der Eintritt in ein neues Jahrzehnt hat eine Menge Reife, Wachstum, Herzschmerz und Heilung mit sich gebracht. Ich bin immer noch in der Entwicklung begriffen, aber diese Songs repräsentieren meine Ehrlichkeit, Verspieltheit und Offenheit, weiter zu wachsen.“

Dazu gehört es natürlich auch wieder, diverse textliche Giftpfeile in Richtung Ihres Ex, Michael Ray, abzuschießen (der Stachel des Ehe-Disasters scheint weiterhin tief zu sitzen), allerdings auch immer mit integrierter Selbstironie (u. a. bei  „Truck On Fire“, „Still Blue“, „Woman To Woman“)

Die Hihghlight-Songs aus meiner Sicht in einem durchgehend starken Gesamtwerk sind das herzzerreißende Duett mit Chris Stapleton bei „We Don’t Fight Anymore“, für das man eine Grammy-Nominierung einheimste, das Tex-Mex-umwehte „Woman To Woman“ (mit einem unterschwelligen Eagles-„Hotel California“-Esprit) und natürlich der abschließende episch-anmutende, höchst-atmosphärisch in Szene gesetzte Titelsong „Hummingbird“ zu dem Carly folgendes anmerkt:

„Als ich diesen Song schrieb, wusste ich, dass er der Titel des Albums sein sollte. Der Song spielt auf meine Bluegrass-Wurzeln an, erzählt aber auch textlich von der Reise, auf der ich mich befinde, um die Liebe zu finden.“

Also erneut viel Symbolik, aber auch toller Gesang und exzellente Musik auf Carly Pearces neuem Longplayer „Hummingbird“! Man darf sich schon jetzt auf die Live-Präsentation der neuen (und auch ihrer älteren Tracks) freuen, denn die hübsche Künstlerin (begleitet momentan noch Tim McGraw auf seiner Tour) wird sich im Februar des nächsten Jahres auch zu drei Terminen in Deutschland einfinden, wobei wir davon ausgehen, von ihrem Gig in der Kölner Kantine (17.02.2025) wie gewohnt berichten zu werden.

Big Machine Records (2024)
Stil: New Country

01. Country Music Made Me Do It
02. Truck On Fire
03. Still Blue
04. Heels Over Head
05. We Don’t Fight Anymore
06. Rock Paper Scissors
07. Oklahoma
08. My Place
09. Things I Don’t Chase
10. Woman To Woman
11. Fault Line
12. Pretty Please
13. Trust Issues
14. Hummingbird

Carly Pearce
Carly Pearce bei Facebook
Oktober Promotion

Jimmie Allen – Bettie James – Gold Edition – CD-Review

Vor knapp 1 1/2 Jahren hatte es bereits einen rein digitalen Vorläufer dieses Werkes mit sieben Stücken gegeben. Jetzt legt Jimmie Allen mit weiteren neun Tracks auf seinem Kooperationssprojekt „Bettie James“ nach. Das Ganze zusammen gibt es jetzt als physikalische CD und nennt sich ‚Gold Edition‘. Die sieben Tracks der EP sind am Ende in der gleichen Reihenfolge angehängt, also die Lieder 10-16.

Je nach dem, wie sattelfest man im New Country- und Pop-Geschehen ist, wird unsere Leserschaft natürlich bei den neuen Songs Keith Urban, Little Big Town, Lindsay Ell und vielleicht noch die Acts Lanco und LoCash kennen. Namen wie Breland und pitbull sind meiner Person irgendwie schon mal über den Weg gelaufen, aber beim Rest hört es dann selbst bei mir auf.

Es bedeutet allerdings nicht, dass das durchgehend hohe Niveau der EP nicht weiter gehalten werden könnte, das melodische „Livin‘ Man“ in Kombination mit dem Duo Neon Union zählt zum Beispiel für mich mit zu den Highlights der neuen Lieder.

Die kann man eigentlich in drei Kategorien einordnen:  Die patriotisch und pathetisch umwobenen Opener „Get Country“ (sehr markanter Mitsingrefrain), „Home Sweet Hometown“, das flockige „Boy Gets A Truck“ (ein schöner rhythmischer Heartland-Song mit Keith Urban) sowie besagtes „Livin‘ Man“ stehen für eingängigen New Country der Marke Thomas Rhett, Granger Smith & Co.

„Flavor“, „Somebody“ und „Tequlia Talkin'“ riechen und schmecken förmlich nach Sonne, Strand, Meeresluft, Pool, kühlen Drinks und Tanzen (allesamt auf die Pop-Klientel, bzw. Allgemein-Charts ausgerichtet, zum Teil mit Rap-Passagen) und zwei Piano-dominierte, auf starke Gesänge und Harmonien  fokussierte Tracks wie das gospelige „Pray“ (unter Mitwirkung von Little Big Town) und „Forever“.

Insgesamt ist die Gold Edition also eine konsequente Weiterführung des mit der EP Begonnenen. Gut gefällt mir, dass Jimmie Allen nie den Hauptdarsteller raushängen lässt und seinen jeweiligen Partnern immer genug Raum für deren typische Akzente lässt.

Trotzdem bleibt am Ende in der Zusammenfassung des Gesamtwerks der Kracher mit Brad Paisley „Freedom Is A Highway“ das Maß der Dinge.

Stoney Creek Records / BBR Music Group / BMG (2022)
Stil: New Country (Pop)

Tracklist:
01. Get Country
02. Home Sweet Hometown
03. Flavor
04. Somebody
05. Pray
06. Boy Gets A Truck
07. Livin‘ Man
08. Tequila Talkin‘
09. Forever
10. Good Times Roll
11. Drunk And I Miss You
12. Made For These
13. Freedom Was A Highway
14. Why Things Happen
15. When This Is Over
16. This Is Us

Jimmie Allen
Jimmie Allen bei Facebook
Networking Media

Rodney Crowell – Triage – CD-Review

cover Rodney Crowell - Triage 300

Review: Michael Segets

Rodney Crowell betitelt sein neues Album „Triage“. In der Corona-Pandemie war der Begriff in den Medien präsent. Er stammt aus der Militärmedizin und bezeichnet das Problem, bei mangelnden Ressourcen eine Entscheidung darüber fällen zu müssen, wer ärztliche Versorgung erhält und wer nicht. Der Titelsong bezieht sich jedoch weder auf dieses ethische Dilemma noch auf Corona. Triage kann auch als Sichtung übersetzt werden, was mit Blick auf die thematische Ausrichtung des Longplayers passend erscheint.

Der siebzigjährige Crowell zieht auf seinem Werk eine Bilanz, die durchaus ambivalent ausfällt. Auf der einen Seite schlägt er einen versöhnlichen Ton an, auf der anderen Seite schwingt eine Bitterkeit durch die Texte, die sich so zwischen Optimismus und Fatalismus bewegen. „Triage“ und „I’m All About Love“ sind Reflexionen über die Liebe. Dabei beweist er ein großes Herz, auch für Personen (z. B. Putin und Trump), die mir bisher nicht besonders liebenswert erscheinen. Vielleicht hat Crowell eine Stufe der Altersweisheit erreicht, für die mir noch ein paar Jahre fehlen. Er zeigt tiefes Mitgefühl mit dem „Girl On The Street“, wobei die menschliche Tragödie und die Hilflosigkeit im Umgang mit ihr in direkte, aber dennoch berührende Verse gepackt werden.

Mit dem Bewusstsein, dass der Lebensabend begonnen hat, sind wohl „Here Goes Nothing“ und das mit Mundharmonika ausklingende „This Body Isn’t All There Is To Who I Am“ entstanden. Auch die einzige countryfizierte Nummer auf der Scheibe – „One Little Bird“ – kündet von einem nahenden Lebensende.

Crowell feierte seinen Durchbruch im Country. 1988 erschien sein Erfolgsalbum „Diamonds & Dirt“, das mit fünf Singles die Genre-Charts toppte. Für den Hit „After All That Time“ erhielt er den ersten von zwei Grammys. Als Songwriter war er allerdings noch erfolgreicher. Johnny Cash, Waylon Jennings, The Oak Ridge Boys, Bob Seger, Keith Urban, Lee Ann Womack und Tim McGraw nahmen seine Songs auf. Crowell erntete die ersten Lorbeeren in der Band von Emmylou Harris, danach begleitete er die Karriere seiner damaligen Gattin Rosanne Cash.

Musikalisch lässt sich Crowell bei seinen eigenen Veröffentlichungen allerdings nicht auf den Country festlegen. So präsentiert er auch auf „Triage“ unterschiedliche Facetten. Auf dem reduzierten „Hymn #43“ zeigt er sich als Singer/Songwriter. Das textlastige, musikalisch im etwas sperrigen Sprechgesang vorgetragene „Transient Global Amnesia Blues“ steht ebenfalls in dieser Tradition. Stilistisch lassen sich mehrere Stücke zwischen Americana und Rock/Pop verorten und schlagen ein mittleres Tempo ein. Die Intonation von Crowells Gesang erinnert in manchen Passagen an Bob Dylan oder in anderen an Willie Nile.

Ein Highlight stellt für mich der Opener „Don’t Leave Me Now“ dar, der mit leicht klagender Stimme und akustischer Gitarre beginnt, bevor die Band kraftvoll einsetzt und den Titel in einen Rocksong verwandelt. Ein weiteres Glanzlicht setzt Crowell mit seiner Single „Something Has To Change“. Hier sorgt Raymond James Mason mit seinem Solo an der Zugposaune für einen besonders intensiven Moment.

Rodney Crowell beweist mit „Triage“ erneut seine Qualität als Songwriter, wobei er seine ehrlich wirkenden, aus genauer (Selbst-)Beobachtung gewonnenen Texte mit Hilfe seiner Band gekonnt arrangiert. Das Album kann so zwar gut nebenbei gehört werden, gewinnt seinen Reiz jedoch vor allem durch das Hinhören oder das Mitlesen der Lyrics.

RC1 Records – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Singer/Songwriter and more

Tracks:
01. Don’t Leave Me Now
02. Triage
03. Transient Global Amnesia Blues
04. One Little Bird
05. Something Has To Change
06. Here Goes Nothing
07. I’m All About Love
08. Girl On The Street
09. Hymn #43
10. This Body Isn’t All There Is To Who I Am

Rodney Crowell
Rodney Crowell bei Facebook
Thirty Tigers
Oktober Promotion

Tim McGraw – Here On Earth – CD-Review

McGr_300

Hier auf Erden zählt Tim McGraw zu den zweifellos größten Countrystars der letzten Dekaden. Da können ihm von den heute lebenden Künstlern vielleicht gerade noch Garth Brooks, George Strait oder Alan Jackson, annähernd das Wasser reichen.

Ein kurzer Auszug in die ihn umgebende Superlative: Er hat weltweit mehr als 50 Millionen Platten verkauft und die Charts mit 43 weltweiten Nr. 1-Singles und 16 Nr. 1-Album-Veröffentlichungen dominiert. Er hat 3 Grammy Awards, 16 Academy of Country Music Awards, 14 Country Music Association Awards gewonnen. Zu seinen großen Erfolgen in seiner Karriere gehören die Ernennung zum meistgespielten Künstler des Jahrzehnts für alle Musikgenres beim BDS Radio und die Auszeichnung für „Something Like That“ als meistgespielter Song eines Jahrzehnts für alle Musikgenres.

Auch wenn meiner Ansicht nach die stärkste Zeit, von 1995 mit seinem Album „All I Want“ bis zum Werk mit seinen Dancehall Doctors 2002, recht lang zurückliegt, hält man jedoch bei einer Neuveröffentlichung von seiner Seite, immer gespannt den Atem an.

Nach einem kurzen Intermezzo mit Gattin Faith Hill bei Arista Nashville ist McGraw nun zu Big Machine Records zurückgekehrt und veröffentlicht mit „Here On Earth“ sein insgesamt 16. Studioalbum und hat passend dazu satte 16 Tracks eingesungen.

Angesichts seiner überragenden Erfolge ist der Protagonist nie auf großartige Kreativität angewiesen gewesen, bei ihm und seinem Langzeit-Spezi Byron Gallimore, der diesen Longplayer wieder mit Tim zusammen produziert hat, war es immer die Kunst, leibgeschneiderte Lieder einzukaufen.

So tauchen dann auch hier wieder eine Armada von arrivierten Songwritern (Tom Douglas, Shane McAnally, Wendell Mobley, Neil Thrasher, Marv Green, etc.) auf, die für absolute Topqualität und Hitgarantien stehen. Schön, dass Tim dann auch immer als Pusher für andere Musiker wie Jaren Johnston (The Cadillac Three), Lori McKenna oder den Warren Brothers fungiert, und kontinuierlich auf deren kompositorische Dienste zurückgreift.

Eingespielt haben die Songs natürlich auch die üblichen Qualitätsgaranten auf diesem Niveau wie u. a. Ilya Toshinsky, Gordon Mote, Shannon Forrest, Michael Landau, Glenn Worf und Dan Dugmore.

Am Anfang des Werkes hat man beim Streicher-untermalten „L.A.“, dem Elton John-inspirierten „Chevy Spaceship“ oder dem keltisch angehauchten Titelsong, so das Gefühl, als wenn der Protagonist, passend zum Sternen-verzierten Firmament auf dem Cover, musikalisch in neue Galaxien entschweben möchte.

Danach pendelt sich eigentlich aber alles im gediegenen Midtempobereich ein, der schön instrumentiert, seiner prägnanten Stimme den Raum zur Entfaltung gibt. Die stärkste Phase der CD spielt sich aus meiner Sicht zwischen den Tracks 6-8 ab, dem beschwingt groovenden „Good Taste In Women“, dem Piano-E-Gitarren-verzierten „Hard To Stay Mad At“ und McGraws Adelung von Sheryl Crow im gleichnamigen Song, wo er der Musikerin ein emotionales Denkmal (vermutlich für ihr Lebenswerk) setzt. Für mich das Highlight der CD.

Bei Stücken wie „7500 OBO“ und „If I Was A Cowboy (herrlich hymnisches E-Gitarren-Solo)“ lässt er sporadisch die Stärken aus seiner Frühzeit aufblitzen, mit dem zum Muttertag als Single mal wieder perfekt platzierten „I Called Mama“ gibt es den gefühlsbetonten Stoff für die US-Charts.

Klasse gemacht ist das spacige Cover-Artwork. Das Titelfoto gibt es auf er Rückseite des 9-seitigen Faltbooklets noch mal als Poster. Fazit: Tim McGraw erweist sich trotz allen Stardoms als geerdeter Künstler und festigt mit seinem neuen, durchgehend angenehm zu hörenden Longplayer „Here On Earth“ auch weiterhin den Status Quo als einer der maßgebenden (New) Countrymusiker dieser Zeit.

Big Machine Records/Universal (2020)
Stil: New Country

01. L.A.
02. Chevy Spaceship
03. Here On Earth
04. Damn Sure Do
05. Hallelujahville
06. Good Taste In Women
07. Hard To Stay Mad At
08. Sheryl Crow
09. Not From California
10. Hold You Tonight
11. 7500 OBO
12. If I Was A Cowboy
13. I Called Mama
14. Gravy
15. War Of Art
16. Doggone

Tim McGraw
Tim McGraw bei Facebook
Oktober Promotion
Universal Music

Lori McKenna – The Balladeer – CD-Review

Lori_300

Review: Michael Segets

Der Titel „The Balladeer“ von Lori McKenna neuem Album ist Programm. Sie präsentiert sich als hervorragende Balladensängerin und ausgereifte Songwriterin. Produzent Dave Cobb (Jason Isbell, Shooter Jennings) erweist sich wieder einmal als Garant dafür, den Sound erdig auf den Punkt zu bringen, sodass die Songs pur und für sich wirken.

Alle zehn Tracks wurden mit Band eingespielt: Cobb übernimmt die akustische und elektrische Gitarre, Philip Towns glänzt an den Keys, Chris Powell (Schlagzeug) sowie Brian Allen (Bass) geben den Rhythmus vor. Kristen Rogers steuert auf den meisten Stücken den Gesang im Background bei. Karen Fairchild und Kimberly Schlapman begleiten McKenna auf dem eingängigen, radiotauglichen Opener „This Town Is A Woman“.

McKenna verfasste alle Songs selbst; „Good Fight“, „When You’re My Age” sowie „Two Birds” zusammen mit Hillary Lindsey und Liz Rose. Als Songwriterin genießt McKenna einen außergewöhnlichen Ruf in der Americana- und New Country-Szene. Nicht umsonst nahmen eine ganze Reihe von Musikern ihre Titel auf.

Von den Künstlern, die auch auf SoS zu finden sind, können Carrie Underwood, Little Big Town, Hunter Hayes, The Cadillac Three, Eli Young BandWade BowenFaith Hill und Tim McGraw genannt werden. Die zweifache Grammy-Gewinnerin wirkte ebenso bei der zweiten Single „Always Remember Us This Way” des Soundtracks „A Star Is Born“ mit. In ihrer zwanzigjährigen Karriere kann McKenna also auf einige Erfolge zurückblicken.

Ihre Texte auf „The Balladeer“ sind retroperspektiv angelegt. Der Longplayer erhält dadurch eine persönliche Note, trifft aber durchaus die Gedankenwelt von Personen, die die Fünfzig überschritten haben. An das Aufwachsen mit den Geschwistern („Maria“) und die wilden Jugendjahre in der Schule („Stuck In High School“) denkt wohl jeder in dieser situierten Lebensphase mal zurück.

Schwingt bei diesen Songs die Rolle der eigenen Eltern mit, findet bei den musikalisch etwas reduzierterem „When You’re My Age“ und dem Schlusstrack „‘Till You’re Grown“ ein Perspektivwechsel statt. Die Sorge um den Nachwuchs und die Hoffnung, dass dieser seinen Weg gehen wird, kommen dort zum Ausdruck. Schließlich bildet das spannungsreiche Mit- und Gegeneinander in Beziehung bei einigen Stücken („The Dream“, „Good Fight“, „Two Birds“) den thematischen Schwerpunkt.

Beim Songwriting beweist McKenna ein Gespür für harmonische Melodien. Anspieltipps sind „Good Fight“, „Stuck In High School “ und “When You’re My Age”, die die musikalische und inhaltliche Spannbreite des Albums widerspiegeln.

Mit Ausnahme des titelgebenden „The Balladeer“ setzt sie auf längere Refrains, welche den Wiedererkennungswert steigern. Die Lieder gewinnen ihre Intensität letztlich aus den Lyrics, die zwar persönlich gefärbt sind, aber viele Facetten bieten, in denen sich der Hörer mit seinen eigenen Erlebnissen oder Erinnerungen wiederfindet. „The Balladeer“ spricht daher vermutlich eher ein gereiftes Publikum an.

CN Records-Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Americana

Tracks:
01. This Town Is A Woman (feat. Karen Fairchild and Kimberly Schlapman)
02. The Balladeer
03. Marie
04. The Dream
05. Uphill
06. Good Fight
07. Stuck In High School
08. When You’re My Age (feat. Hillary Lindsey and Liz Rose)
09. Two Birds
10. ‘Till You’re Grown

Lori McKenna
Lori McKenna bei Facebook
Thirty Tigers
Oktober Promotion

Jimmie Allen – Bettie James – Digital EP-Review

JimmieAllen BettieJames EP_300

Dunkelhäutige Musiker sind auch heute noch  in der Countrymusikwelt eher eine Seltenheit. „White Country matters“ möchte man da fast sarkastisch anmerken. Und wenn man ehrlich ist, haben es bisher außer Legende Charley Pride und Darius Rucker (beide sind hier vermutlich bei einem der stärksten Tracks der EP „Why Things Happen“ nicht grundlos vertreten) keine Künstler geschafft, nachhaltig Erfolge zu verbuchen.

Kane Brown, Sunny War, Blanco Brown, Lil Nas X oder Cowboy Troy sind Interpreten (meist aus dem Hip Hop- und Rap-Metier), die mal sporadisch auftauchen, sich aber dann auch wieder schnell ihren Hauptgenres widmen oder halt in der Bedeutungslosigkeit der Countrywelt verschwinden.

Mit Jimmie Allen könnte es zumindest wieder etwas Zuwachs geben. Der bei der 10. Staffel von American Idol (2011) frühzeitig ausgeschiedene 34-jährige Singer/Songwriter hat es geschafft (z. B. unter Mithilfe von Kontest-Gewinner Scotty McCreery), seither präsent zu bleiben und ergatterte sogar beim Broken Bow Gruppen-Unterlabel Stoney Creek Records, Major-kompatible Konditionen, Grundvoraussetzung, um überhaupt im Business mitmischen zu können.

Allen dankte es mit einem erfolgreichen Debütalbum („Mercury Lane“ – Platz 11 in den Country-Album-Charts) und zwei Top-10 Singles („Best Shot“ und Make Me Want To“ – in den Radio-Charts sogar beide Nr. 1). Seine Musik bewegt sich dabei im Stile von Leuten wie Thomas Rhett, Brett Young oder Sam Hunt, etc., die mit ihrem Country-Pop-Strategien ja ebenfalls äußerst erfolgreich unterwegs sind.

Auch sein neues Kollaborationswerk „Bettie James“ (Vater James Allen und seiner Großmutter Bettie Snead gewidmet – beide vor geraumer Zeit verstorben) geht gut an: Die aktuelle Single “This Is Us” mit Noah Cyrus ist die von Fans bislang am schnellsten angenommene Single und verzeichnet bis heute mehr als 25 Millionen Streams. Und das ist eigentlich der belangloseste Track des Werkes!

Die insgesamt sieben Stücke bieten, allesamt für sich gesehen, absolut klasse und modern instrumentierten melodischen, hitverdächtigen Stoff in Duettaufmachung.

Die ganz starke Phase beginnt,  wenn ab „Made For These“ die großen Stars wie Tim McGraw bei „Made For These“ (schön ihn mal wieder singen zu hören, klasse Slide-Solo in der Mitte), Brad Paisley  bei „Freedom Was A Highway“ (herrlicher 90er-Rock der Marke Richard Marx, Mister Mister & Co., filigranes Paisley-E-Gitarrensolo) und besagtes „Why Things Happen“ unter Mitwirkung von Pride und Rucker, ihren speziellen Glanz neben Allen verbreiten.

Allein schon das musikalisch beeindruckende „Why Things Happen“, mit einem plakativen Video ergänzt, bietet sich ja angesichts der vielen diskussionswürdigen Ereignisse, beziehungsweise Vorkommnisse (nicht nur in den USA), nahezu an, hier ein großes Statement zu setzen. Könnte man aus meiner Sicht spielend zu einem der Anwärter zum ‚Song des Jahres‘ bei den einschlägigen Awards gestalten. Den Grammy könnte man wahrscheinlich schon vorbestellen.

Schön und zum Piepen ist auch der schräge Altmänner-Männerchorgesang der Oak Ridge Boys am Ende von „When This Is Over“. Weitere Beteiligte auf der EP sind noch Interpreten wie , Rapper Nelly („Good Times Roll“), die Damen  Mickey Guyton („Drunk And I Miss You“), Rita Wilson und  Tauren Wells („When This Is Over“).

“Ich bin ein Fan jedes Künstlers dieses Projekts, und es war mir eine große Ehre, dass jeder einzelne ein Teil davon war”, sagt Allen über seine Partner bei dieser mit Ash Bowers zusammen produzierten EP. “Jeder hat durch seine Musik das Leben meines Vaters und meiner Großmutter und auch mich berührt. Ich bin stolz auf diese Musik und dankbar für alle Autoren, die mir geholfen haben, „Bettie James“ zu erschaffen.”

Insgesamt ein kluger Schachzug des Labels zum richtigen Zeitpunkt, die Popularität von Jimmie Allen zu festigen, beziehungsweise weiter auszubauen. Könnte glatt zum Abräumer in 2020 avancieren.

Stoney Creek Records / BBR Music Group / BMG (2020)
Stil: New Country (Pop)

Tracklist:
01. Good Times Roll
02. Drunk and I Miss You
03. Made For These
04. Freedom Was A Highway
05. Why Things Happen
06. When This Is Over
07. This Is Us

Jimmie Allen
Jimmie Allen bei Facebook
Networking Media

Tim McGraw – Southern Voice – CD-Review

Respekt, Respekt! Tim McGraw hält auch auf seinem bereits 12. Longplayer „Southern Voice“ sein hohes Niveau, und das trotz der riesigen Erfolge. Nach wie vor sind keine Anzeichen von „Müdigkeit“ oder gar von Schwächen bei ihm wahrnehmbar. Er knüpft mit diesem Werk vielleicht sogar wieder ganz nah an seine starken Zeiten an, die ihn Ende der neunziger Jahre in den Superstarstatus hievten. Auffällig einmal mehr das sorgfältig ausgesuchte, exzellente Songmaterial, zumeist im Midtempo-Bereich, das ihm wie auf den Leib geschneidert ist.

Auch diesmal setzte Tim wieder weitestgehend auf Konstanz. Eingespielt wurden sämtliche Stücke, bis auf das finale „Love You Goodbye“, mit seinen Dancehall Doctors (Billy Mason, John Marcus, Bob Minner, Jeff McMahon, Denny Hemingson, Darren Smith, Dean Brown und David Dunkley), die zudem seit Jahren einen Garanten für McGraw’s grandiose Live-Vorstellungen abgeben. Produziert hat Tim, wie schon bei den Vorgängern, zusammen mit seinen Langzeitweggefährten Byron Gallimore und Darren Smith.

Im Vorfeld zu „Southern Voice“ hatte es allerdings hinter den Kulissen gewaltig im Gebälk geknistert, nachdem Curb Records eine dritte Greatest Hits-Kompilation ohne Zustimmung McGraws veröffentlicht hatte. Insider mutmaßen bereits, dass dies die letzte Zusammenarbeit McGraw/Curb gewesen sein könnte. Schön, dass die Qualität von „Southern Voice“ aufgrund der internen Querelen überhaupt nicht gelitten hat, im Gegenteil: Der als Sohn eines Baseballspielers in Delhi, Louisiana geborene, mittlerweile auch vermehrt als Schauspieler tätige und sozial überaus stark engagierte McGraw scheint in seiner Paradedisziplin noch mal richtig angreifen zu wollen.

Den Auftakt bestreitet Tim zunächst mit der wunderschönen, entspannt instrumentierten Ballade „Still“, die sich im Verlauf des Songs emotional steigert und mit einem sehr schönen E-Gitarren-Solo verziert wurde. Das folgende „Ghost Town Train (She’s Gone)“ bietet für McGraw recht ungewöhnliches Retro-Western-Countryflair. Der Song lebt von seiner flockigen Instrumentierung aus klassischem Drumming, Baritone-E-Gitarren-Klängen, garniert mit Fiddle- und Steeleinlagen und einer filigranen Akustikgitarrenpassage.

Etabliert hat sich auch die Zusammenarbeit von Tim mit den Warren Brothers, die gleich drei Stücke auf diesem Silberling komponiert haben: „Good Girls“, eine atmosphärische Ballade (schöne Mandolinentupfer), mit surrendem E-Gitarren-Führungsriff, das locker dahingleitende „If I Died Today“, sowie das auch ihrer eigenen Musik sehr stark ähnelnde, ironisch getextete „I’m Only Jesus“ (psychedelischer Ausklang mit markantem Wah-Wah-E-Gitarren-Spiel). McGraw scheint zurecht einen großen Gefallen an den Songs der beiden gefunden zu haben. Die erste Single „It’s A Business Doing Pleasure With You“ hat bereits im Vorfeld die Top-15 der Charts erreicht.

Ein launiger Seitenhieb auf die Jet-Set-Girls der heutigen Zeit, gebracht im Stil von „Keep your Hands To Yourself“, dem Dan Baird-/Georgia Satellites-Klassiker, dessen flotte, gitarrendominierte, Southern Rock-typische Gestaltung (satter E-Gitarren-Rhythmus, klasse Solo) für viel Auflockerung sorgt. Apropos Southern Rock: Mit dem Titelstück „Southern Voice“ haut Tim einen richtigen Genre-Kracher heraus. Der Song huldigt diverse Musiker, wie Hank Williams, Tom Petty, die Allman Brothers und Charlie Daniels mit markanter Refrainzeile („We’re just boys, makin’ noise, with a Southern voice“), beinhaltet in erträglicher Form ein wenig amerikanischen Patriotismus, glänzt aber vor allem durch viel Power und zwei starken genre-typischen E-Gitarren-Passagen (am Ende mit Twin-Teil und anschliessendem, dynamischem Solo). Ein Klasse-Song, der Southern Rock-Freunden bestens gefallen dürfte.

Südsaaten-Atmosphäre verströmen auch Midtempo-Lieder wie „I Didn’t Know at The Time“, „You Had To Be There“ oder das abschließende „Love You Goodbye“ (u.a. unter Mitwirkung von Shannon Forrest, B. James Lowry, Tom Bukovac, Dan Dugmore), die mit viel Pathos im Stile von Referenzgrößen wie Travis Tritt, Montgomery Gentry oder den Van ZantBrüdern von McGraw vorgetragen werden. Einen Hauch von Sentimentalität bringt dann nochmal das balladeske und sehr authentisch gesungene „Forever Seventeen“. Ingesamt eine sehr starke Vorstellung von Tim McGraw! Feinste New Country-Musik von exquisiter Qualität! Guter Stoff als Grundlage für die längst fällige und hoffentlich bald in Angriff zu nehmende Live-DVD!

Curb Records (2009)
Stil: New Country

01. Still
02. Ghost Town Train (She’s Gone)
03. Good Girls
04. I Didn’t Know It At The Time
05. It’s A Business Doing Pleasure With You
06. If I Died Today
07. Mr. Whoever You Are
08. Southern Voice
09. You Had To Be There
10. I’m Only Jesus
11. Forever Seventeen
12. Love You Goodbye

Tim McGraw
Tim McGraw bei Facebook
Bärchen Records

Tim McGraw – Emotional Traffic – CD-Review

Tim McGraw bezeichnet sein neues Album “Emotional Traffic”, das elfte Studiowerk seiner fortwährenden Bilderbuchkarriere, als das beste, das er je gemacht hat. Und keine Frage, auch „Emotional Traffic“ wird seinen Status als einen der ganz Großen der Countryzunft weiter fest zementieren. Wie immer hat McGraw auch diesmal, wie so oft zuvor, seinen feinen Spürsinn bei der Auswahl der richtigen Tracks walten lassen und hat traumwandlerisch sicher wieder einmal den Zahn der Zeit getroffen. Eine der ganz großen Stärken von ihm! Die Zweifel, dass die schon länger anhaltenden Querelen mit seinem Label (Tim und Curb Records zanken sich wegen differierender Meinungen in Sachen Vertragserfüllung immer noch vor Gericht herum, McGraw will die erfolreiche Liason ja spätestens mit dieser Scheibe beenden), vielleich negative Auswirkungen auf seine Leistung haben könnten, hat er jedenfalls eindrucksvoll vom Tisch gewischt.

Das Album ist richtig klasse und man sollte es vielleicht als versöhnlichen Abschluss einer nahezu perfekt funktionierenden Beziehung sehen. Aber im Juli dieses Jahres soll die Chose ja in die nächste Runde gehen… Schade, doch wie dem auch sei, McGraw, ein Profi durch und durch, hat sich von den Geschehnissen weder beeindrucken noch persönlich hängen lassen. Der bereits auf dem „Number One Hits“-Sampler präsentierte und auch auf diesem Album vertretene Vorbote „Felt Good On My Lips“ (ein flockiger Sommersong) hatte ja wieder die Pole-Position der Country-Single-Charts erklommen. Als zweite Single schickt sich jetzt „Better Than I Used Be“ (eine sehr warmherzige, mit schöner Steel-Begleitung und -Solo versehene Countryballade) mit besten Aussichten an, die Erfolgsleiter emporzuklimmen.

Ganze starke Kost bietet aber schon der Opener „Halo“, ein Track voller Atmosphäre, starkem Refrain und toller E-Gitarrenarbeit, vielleicht einer der besten Tracks, die Tim je abgeliefert hat. Ein großartiger Auftakt! Recht auffällig wieder seine mittlerweile schon fast traditionelle, intensive Zusammenarbeit mit den Warren-Brüdern (Brad und Brett), die ihre eigene musikalische Karriere ja so gut wie auf Eis gelegt haben, aber als Songlieferanten dick im Geschäft sind (so befindet sich auch beispielsweise ihr mit den Beavers-Brüdern für Toby Keith kreiertes, launiges „Red Solo Cup“ aktuell in den Spitzenregionen der Charts).

„I Will Not Fall Down“ (mit Tim und Martina McBride geschriebener, klassischer, kräftiger New Country mit emotionalem Powerrefrain), „The One“ und „Hey Now“ (beides groovige, dezent bluesige Gute-Laune-Songs, die bestens auf Tim’s Live-Entertainerqualitäten zugeschnitten sind) sowie das anfangs erwähnte „Felt Good On My Lips“ machen ein Drittel des Werkes aus. Stark auch das von Dee Ervine 1969 geschriebene, wieder aus der Traufe gehobene „One Part, Two Part“, bei dem Gattin Faith Hill tolle Harmoniegesänge abliefert.

Extravagant Tims Duett mit dem R&B-Sänger Ne-Yo (dessen Stimme erinnert hier ein wenig an die von Rascal Flatts-Leader Gary LeVox) beim melodischen „Only Human“, das ebenfalls wie „The One That Got Away“ (klasse Gesang von Tim, tolle E-Gitarre – könnte aus der „Set This Cicus Down“-Phase stammen) und auch das recht atmosphärisch abschließende „Die By My Own Hand“ weiteres Hitpotential verspricht. Produziert hat Tim wieder mit Langzeitbegleiter Byron Gallimore, an Musikern ist eine ganze Armada von Klasseleuten vertreten.

Fazit: Mit „Emotional Traffic“ hat Tim McGraw nochmal ein ganz starkes Zeichen in seiner Karriere gesetzt. Ein mehr als würdiger Abschluss der vermeintlich zu Ende gehenden McGraw/Curb-Ära. Top!

Curb Records (2012)
Stil: New Country

01. Halo
02. Right Back At Ya
03. One Part Two Part
04. I Will Not Fall Down
05. The One
06. Better Than I Used To Be
07. Touchdown Jesus
08. The One That Got Away
09. Felt Good On My Lips
10. Hey Now
11. Only Human
12. Die By My Own Hand

Tim McGraw
Tim McGraw bei Facebook
Bärchen Records

Tim McGraw – Tim McGraw & The Dancehall Doctors – CD-Review

Nachdem ich den Weihnachtsurlaub und die letzten Wochen dazu genutzt habe, meiner anderen kreativen Ader (nein, es geht nicht um das Analysieren der genialen Spielzüge von Rot-Weiss Essen) in Form der Erstellung eines 2,00 m x 1,30 m großen Gemäldes zu widmen (allerdings inbegriffen einiger Nervenzusammenbrüche nach Fertigstellung, bei der Befestigung in gut 4,50 m Höhe…), als auch den Nachholtermin für unser ausgefallenes Symposium zu organisieren, kam mir der recht dürftige Nachschub an Rezensions-CDs, was meine Richtung betrifft, ganz gelegen.

Da es jedoch mittlerweile wieder kribbelt und ich ein wenig abergläubisch in Sachen erstem Artikel 2003 bin (nachdem die schöne Dreamcatcher-CD einen lebhaften Reigen toller Musik in der abgelaufenen Saison eröffnet hatte), habe ich, um auch auf der sicheren Seite zu stehen, den guten Tim McGraw zum Auftakt auserwählt. Und der aktuell wohl unangefochtene Superstar der New-Countryszene liefert erneut spitzenmäßige Arbeit ab.

Diesmal verzichtete er auf das gewohnte Who-Is-Who der Nashville-Studiomusiker und gab seiner langjährigen Live-Band, den Dancehall Doctors, die Gelegenheit, starke, wie immer, mit viel Feingefühl ausgewählte Lieder zu präsentieren. 15 Songs, mit einer fürs Genre nicht üblichen Spieldauer von 66 Minuten, lassen den McGraw-Fan, wie mich, frohlocken.
Der Opener „Comfort Me“ geht in die gleiche Kerbe wie „The Cowboy In Me“ vom letzten Album „Set This Circus Down“. Danach liefern sich kurzweilige Balladen a là „Tickin‘ Away“, „Red Ragtop“, „That’s Why God Made Mexico“ (mit herrlichem Barroom-Flair), „She’s My Kind Of Rain“, „All We Ever Find“ sowie „I Know To Love You Well“ und rockige Nummern wie „Illegal“ (klasse Southern Gitarren!), „Who Are They“ (aus der Feder von Brad und Brett Warren) oder „Real Good Man“ ein harmonisches Wechselspiel.

Dazwischen einige Midtempostücke wie z.B. „Home“, „Sleep Tonight“ und „Sing Me Home“, das mich stark an Jackson Brownes Running On Empty erinnert. Den Abschluss bildet der witzig gemachte Elton John-Klassiker „Tiny Dancer“, bei dem Tim den Herrn mit den vielen Brillen im Refrain durch Hochziehen der Stimme vortrefflich imitiert. Insgesamt eine wunderbar gelungene CD, die nach wie vor nur von meinem absoluten Favoriten „All I Want“ übertroffen wird
.
Jedenfalls hat Mr. McGraw mit kontinuierlichem Schaffen den Thron von Garth Brooks, der bei mir immer noch Sympathiepunkte aufgrund der geleisteten Pionierarbeit besitzt (immerhin der einzige, der sich mal hier in good ol‘ Germany für Konzerte blicken ließ), endgültig bestiegen.

Tja, mein guter Tim! Wäre es nicht auch mal an der Zeit, Dir die Warren Brothers als Support zu schnappen und endlich hier aufzulaufen? Ich garantiere dir genauso volle Hallen, wenn nicht noch längere LaOlas als bei Garth, und eine Fangemeinde, die dich grenzenlos lieben wird! Bitte glaub es mir…

Curb Records (2002)
Stil: New Country

01. Halo
02. Right Back At Ya
03. One Part Two Part
04. I Will Not Fall Down
05. The One
06. Better Than I Used To Be
07. Touchdown Jesus
08. The One That Got Away
09. Felt Good On My Lips
10. Hey Now
11. Only Human
12. Die By My Own Hand

Tim McGraw
Tim McGraw bei Facebook
Bärchen Records

Faith Hill – When The Lights Go Down – DVD-Review

Ich war zugegebenermaßen relativ enttäuscht, als ich mir vor einiger Zeit ihre CD „There You’ll Be“ zugelegt habe. Von New Country keine Spur, die Produktion empfand ich trotz hochkarätiger Musikerbesetzung ein wenig blass und langweilig. So ging ich an diese Thanksgiving-Fernsehproduktion mit eher gemischten, ja sogar ein weinig skeptischen Gefühlen heran, zumal fünf Stücke des o.a. Werkes hier ebenfalls eingebunden wurden, allerdings in überarbeiteter Form, wie sich im Verlauf herausstellen sollte.

Und, um es vorwegzunehmen, ich habe bisher keine Sekunde dieser DVD bereut. Wirklich sehr unterhaltsam und angenehm gemacht. Bei einer so schönen Frau wie Faith Hill hört das Auge eben mit. So zum Beispiel beim Auftakt-Smash-Hit „When The Lights Go Down“. Faith im schwarzen, langen, tief ausgeschnittenen Glitzerkleid, braungebrannt, zart geschminkt, mit lockig nach hinten toupiertem blondem Haar, umringt von einem großen Orchester und ihren Musikern in einem mit Holzfußboden bestücktem, großen Studio in Los Angeles, im dezenten Lichtspiel mit an der Decke hängenden Reflektoren in atmosphärische Bilder gesetzt.  Ihre Stimme kann sich in der prächtigen Akustik richtig ausleben, Gitarrist Dann Huff setzt mit einem tollen Kurz-Solo ein erstes Zeichen. Eine Delikatesse für Auge und Ohr!

Sollte man meinen, dass so eine Geschichte völlig auf den Hauptakteur fokussiert ist, so wird man angenehm überrascht. Zweifelsohne dreht es sich um Faith Hill, aber die Künstlerin bettet sich durch ihr unaufdringliches Verhalten – von Arroganz oder Affektiertheit keine Spur – in ein perfektes Gesamtkonzept fließend ein. Man spürt, dass sie das starke Fundament, auf dem sie steht, zu schätzen weiß.

Wie sagte mal ein Fußballtrainer, ich meine es war Huub Stevens, damals noch tätig bei einem Essener Vorstadt-Klub: „Der Star ist die Mannschaft.“ In diesem Fall würde ich es so formulieren: Der Star ist die Band, und Faith ein sicherlich nicht unwichtiger Teil davon. Da wären Drummer Vinnie Colaiuta, der seine Trommeln nicht erbarmungslos, sondern mit viel Gefühl bearbeitet oder der mit einer viel zu großen Schlägerkappe bedeckte Bassist Paul Bushnell, der mit groovenden Kopfbewegungen den Rhythmus der Songs lebt und mitgestaltet. Der vollbärtige Keyboarder Greg Matheison, mit seinem zum Zopf nach hinten gebundenem grauem Haar, der bei der Neukonzeption von „Let Me Let Go“, auf Zuruf von Faith, um dem Song einen Gospeltouch zu verpassen, mal so eben spontan die Hammond Orgel dazwischen streut.

Nicht zu schweigen von den beiden Gitarristen. Wunderbar filigrane Arbeit von Michael Thompson und Musikkoordinator Dann Huff an den Akustik-, Rhythmus- und Leadgitarren, einfach Weltklasse. Man höre sich „Breathe“ an. Dafür wurde Carlos Santana verpflichtet. Ziemlich niedlich, wie Faith ihn ehrfürchtig in seinem Zimmer besucht, um den Song durchzusprechen und außer Fassung vor Glück zu sein scheint, mit einer solchen Legende arbeiten zu dürfen. Dabei ist sie doch längst selbst ein großer Star, der sich hinter niemandem verstecken braucht.

Und so sitzen dann Faith, Carlos, Michael und Dann auf Barhockern in diesem anfangs erwähnten, großen Studio. Die beiden letztgenannten liefern mit ihrem akustischem Spiel ein fulminanten Teppich für Carlos typisch eingeworfene E-Gitarren-Riffs und Mrs. Hills klare Stimme. Als das Stück zu Ende ist pustet Faith ihre überwältigten Gefühle mit einem lauten Uuh heraus und das kann man nachempfinden. Wow, das war Gänsehaut pur! Nicht zu vergessen auch die drei Backgroundsänger Perry Coleman, Lisa Cochran und Bekka Bramlett. Letztere ein Energiebündel und blonder Irrwisch, die ihresgleichen sucht. Sie hat ebenfalls locker das Zeug zur Frontfrau.

So passt einfach, ob live oder im Studio eingespielt, ein Mosaiksteinchen ins andere. Wirklich mal eine lohnenswerte Alternative zum stümperhaften Bildmaterial, was man von unseren Musikfernsehsendern tagtäglich bis zum erbrechen vorgesetzt bekommt. Die live gespielten Lieder sind alle in einem kleinen Klub aufgenommen. Die Band ungezwungen und hautnah auf der Bühne. Da kann man richtig neidisch werden, hier in unserem Land leider undenkbar.

Die Musik hat sicherlich nichts mehr mit New Country zu tun, auch wenn sämtliche Akteure hauptsächlich im Genre beschäftigt sind, stört in diesem Fall aber nicht großartig. Es geht alles mehr in Richtung, wie Joe Cocker, Rod Stewart oder Tina Turner ihre Performances zu geben pflegen. Melodischer Pop-Rock würde ich sagen. Sämtliche Songs sind zwischen Midtempobereich und Powerballaden anzusiedeln.

Die Spielfreude steht einfach im Mittelpunkt. Da kriegt wohl selbst so ein alter Hase wie Dann Huff nostalgische Gefühle, in Erinnerung wohl an zurückliegende Giant-Zeiten, und zaubert bei „Back To You“ ein heavy-melodic-artiges Solo in den Song. Stark auch das funkig-dynamisch dahinrockende „Free“. Da kommt selbst der letzte Tanzmuffel aus den Hufen.

Interessant auch mal zu sehen, wie so ein Videoclip entsteht. Faith in Mitte von drei durchsichtigen weißen Leinwänden, auf denen nett anzusehende Mädels mit schrillen Plastikkopfbedeckungen ihre tänzerischen Fähigkeiten zum Besten geben. Durch Wandlungsfähigkeit besticht die Gute, ähnlich wie Shania Twain, beim „Pearl Harbor“-Titelstück „There You’ll Be“, wieder mit pompöser orchestraler Begleitung, das sie als Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere bezeichnet, bei dem sie äußerlich ein wenig Julia Roberts nahe kommt, oder richtig jugendlich mit glattem Haar und Mittelscheitel wirkend, bei der rockig aufgepeppten Version von „This Kiss“.

So richtig nett wird es dann für das männliche Auge beim angehängten Fotospezial. Ja, Gatte und ebenso Superstar Tim McGraw hat auch hier viel Feingefühl bewiesen. Ich kann mich zwar ebenfalls glücklich schätzen, eine attraktive Dame an meiner Seite zu wissen, aber wie fordert der Kollege Schneider doch immer so oft, auch den Blick mal über den Tellerrand zu werfen. In diesem Fall tat ich es sogar sehr gerne. Bildqualität und Sound sind sehr gut.

Warner Music Vision (2003)
Stil: New Country

01. When The Lights Go Down
02. The Way You Love Me
03. Free
04. Let Me Let Go
05. Cry
06. One
07. There You’ll Be
08. This Kiss
09. Breath
10. If You’re Gonna Fly Away

Bonus Tracks:
11. Stronger
12. Back To You

Faith Hill
Faith Hill bei Facebook
Baerchen Records