Chris Stapleton – Starting Over – CD-Review

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Review: Michael Segets

Chris Stapleton kann als der Shooting Star des New Country bezeichnet werden. Seit seinem Solo-Debüt „Traveller“ (2015) folgten zwei Alben, die ebenso Spitzenpositionen in den amerikanischen Charts aufwiesen. Auch viele seiner Singles erreichten Gold- oder Platinstatus. Grammy-Auszeichnungen und weitere Ehrungen folgten auf dem Fuß. Mit „Starting Over“ legt Stapleton nun einen Longplayer vor, der durchaus das Potential hat, erneut die Hitlisten zu stürmen. Der Titeltrack als erste Single stieß in der Country-Kategorie bereits in die Top 10 vor.

Angesichts der Erfolgswelle, auf der der in Kentucky geborene Stapleton schwimmt, besteht für ihn kein Grund, einen Neustart vorzunehmen. Der Titel der aktuellen Scheibe sollte daher nicht so interpretiert werden, dass Stapleton nun eine völlig neue Richtung einschlägt. Stattdessen konzentriert er sich weiterhin auf seine Qualitäten als Songwriter und zeigt sich dabei äußerst flexibel, wenn Country, Blues, Rock und Soul auf seinem Werk verschmelzen.

Das Album wird von eher langsameren Titeln dominiert. Stapleton streut aber an den richtigen Stellen fetzige Nummern ein, wie den Blues Rock „Devil Always Made Me Think Twice“ oder den Country-Rock-Kracher „Arkansas“. Auch das starke „Watch You Burn” kommt mit stampfendem Rhythmus und rauem Gesang rockig daher. Schließlich setzt dort der All Voices Chor ein und führt das Stück zu seinem fulminanten Abschluss. Stapleton schrieb den Song in Kooperation mit Mike Campbell. Der Gitarrist der Hearbreakers, der Band von Tom Petty, bringt seine Kunst an den Saiten mehrfach ein. Dabei setzt seine E-Gitarre – egal ob wuchtig („Whiskey Sunrise“) oder filigran („Joy Of My Life“) – stets Akzente, die die Stücke nochmals aufwerten.

Mit von der Partie ist auch ein weiterer Heartbreaker, Benmont Tench, dessen Orgel vor allem bei „Maggie’s Song“ hervorsticht. Der harmonische Track mit eingängigem Refrain wird von Stapletons Frau Morgane im Background begleitet. Die femininen Harmonien beeindrucken besonders bei „Old Friends“. Der Song stammt ebenso wie „Worry B Gone“ von Guy Clark. Unter den vierzehn Titeln findet sich noch eine Cover-Version von John Fogertys „Joy Of My Life“.

Bei den Eigenkompositionen schlägt Stapleton mal bluesige Töne an, wie bei der zweiten Single „Cold“, die gegen Ende orchestrale Ausmaße annimmt, und mal soulige, die beim radiotauglichen Midtempo-Song „You Should Probably Leave“ schon fast poppige Regionen erreichen. In den meisten Beiträgen scheint aber Stapletons Affinität zum Country durch, so bei den Balladen „When I’m With You“ und „Nashville, TN“. Für den entsprechenden Flair sorgt Paul Franklin an der Pedal Steel.

Der mittlerweile nach Tennessee übergesiedelte Stapleton setzt mit dem dunklen „Hillbilly Blood“ ein Highlight. Intensiver Gesang und hervorragende Rhythmusarbeit durch seine bewährten Mitstreiter J. T. Cure (Bass) und Derek Mixon (Schlagzeug) zaubern einen atmosphärisch dichten Song.

Das wiederum von Dave Cobb produzierte „Starting Over“ verspricht die Erfolgsserie von Chris Stapleton fortzusetzen. Stapleton beweist, dass er mit Recht zu den führenden Songwritern in Nashville gezählt wird. Er zeigt dabei Facetten, die vielleicht auf seinen früheren Alben nicht so deutlich zutage treten. Stapleton setzt insgesamt aber auf Kontinuität statt auf große Innovationen, was ja nicht verkehrt erscheint, wenn das, was er macht, so gut ist.

Mercury Records Nashville (2020)
Stil: New Country

Tracks:
01. Starting Over
02. Devil Always Made Me Think Twice
03. Cold
04. When I’m With You
05. Arkansas
06. Joy Of My Life
07. Hillbilly Blood
08. Maggie’s Song
09. Whiskey Sunrise
10. Worry B Gone
11. Old Friends
12. Watch You Burn
13. You Should Probably Leave
14. Nashville, TN

Chris Stapleton
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Universal Music Group

Rambler (Country) – Starting Over – CD-Review

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Man kann schon wirklich neidisch werden, wenn man einmal mehr in der Biographie einer talentierten New-Countrygruppe liest, mit wem sie schon alles als Tour-Support in Amerika unterwegs gewesen ist. Wenn man sich dann vorstellt, was einem in Deutschland so alles an Konzerten verwehrt und in Zukunft wohl auch vorenthalten bleiben wird, kommt noch jede Menge Resignation dazu.

Leider ist unsere Heimat in Sachen New-Country ein Entwicklungsland, so unbefriedigend diese Feststellung auch sein möge. Ein Gig von Garth Brooks vor vielen Jahren in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle, die den Megastar damals enthusiastisch feierte, wird hierzulande mein Highlight bleiben.

Auch Rambler haben bereits mit zahlreichen Größen des Musikgeschäfts, wie z.B. Charlie Daniels, Alabama, Tim McGraw, The Great Divide, Bad Company und natürlich Garth Brooks ein Stelldichein auf der Bühne gehabt. Und wie es ihr Name andeutet (Rambler = Wanderer), kann man ihre neuste CD „Starting Over“ als einen bunten Streifzug durch die moderne und traditionelle Countrymusik und ihre angrenzenden Stile wie Southern Rock, Hillbilly und Americana betrachten. Dabei haben sie viele Einflüsse ihrer Konzertpartner mit in ihre Songs verarbeitet. Der Gesang variiert irgendwo zwischen Great Divide Frontmann Mike McClure und Garth Brooks, manchmal klingt er komischerweise ein wenig nach Mick Jagger.

Rambler gefallen mir am besten, wenn sie locker und flapsig gut gelaunt drauflos spielen, wie beim Opener „Jonny’s Gone“, „Then There Was You“ oder dem Titelstück „Starting Over“. Tolle Rhythmen, Melodien, die sofort im Ohr bleiben, kurze Gitarrensoli, laden einfach herrlich zum Mitwippen ein.

Hervorragend auch „I Ain’t Drinkin‘ Any Less“, bei dem man meinen könnte, Charlie Daniels, Garth Brooks und die Marshall Tucker Band hätten sich zu einer Jam-Session getroffen, um eine neue Version des CDB-Klassikers „Trudy“ einzuspielen; lustiger Text und ein Dreier-Solo-Pack (Honkytonkpiano, Steel- und E-Gitarre) am Ende, wie man es häufiger bei der MTB vorfindet. Balladenfreunde kommen beim Killerstück „Whiskey Song“ auf ihre Kosten, mit klasse Gitarren und wunderschöner Hammond B-3-Begleitung.

Ein paar wenige traditionelle Heuler sind zwar auch auf der Scheibe, aber insgesamt gesehen, sollte sie auf keiner Grillparty beim gemütlichen Plausch als Hintergrundmusik fehlen. JR Ewings verschmitztes Lächeln mit einem Gläschen Whisky in der Hand beim Southfork-Barbecue wäre ihnen jedenfalls sicher gewesen…

Southwest Wholesale Records (2001)
Stil: Country Rock

01. Jonny’s Gone
02. I Ain’t Drinkin‘ Any Less
03. Do You Remember The Good Times
04. It’s Just Fine By Me
05. The Whiskey Song
06. Bottle Of Wine And A Memory
07. Same Old Feelin‘
08. Then There Was You
09. Starting Over
10. Drofter’s Lament
11. You Don’t Love Me Anymore
12. Mexican Stripper
13. No Words

Bärchen Records