Warren Haynes – Million Voices Whisper – CD-Review

Die Geschichte der Allman Brothers  dürfte sich aller spätestes mit dem Ableben der beiden wichtigsten und prominentesten Akteure Gregg Allman und Dickey Betts wohl endgültig erledigt haben. Dennoch braucht man sich über die Erhaltung des Spirits dieser Musik auch in kreativer Hinsicht wohl keine Sorgen zu machen.

Immerhin gibt es ja noch viele Sprösslinge der beiden Protagonisten, die ebenfalls auf musikalischem Parkett unterwegs sind und eben auch Warren Haynes, der seit seinem Einstieg, ich meine es wäre bei „Seven Turns“ gewesen, ein überaus langjähriges Mitglied war und die DNA der Band dementsprechend verinnerlicht hat.

Haynes, ein ‚Hans Dampf in allen Gassen‘ (u. a. solo, Gov’t Mule, The Dead) ist jetzt mal wieder mit einer Solo-Platte unterwegs und hat sich mit Derek Trucks einen weiteren ehemaligen ABB-Kumpanen für sein neues Werk „Million Voices Whisper“ für drei Songs mit ins Boot geholt. Reichhaltige Slide-Garantie somit inbegriffen.

Beim verspielten Opener „These Changes“ lassen die beiden im hinteren Bereich direkt eine „Blue Sky“-Gedächtnis-Solo-Passage vom Stapel, dass einem sofort das Herz aufgeht. Trucks ist dann noch an der herrlichen Southern Soul-Ballade „Real, Real Love“, ursprünglich gemeinsam mit Gregg Allman geschrieben und gleichzeitig mein Lieblingsstück des Longplayers, sowie beim abschließenden 9 1/2-minütigen „Hall Of Future Saints“, wo Haynes seine persönlichen Blues-Legenden in einem typischen ABB-Jam seiner Handschrift huldigt.

Weitere namhafte Akteure finden sich mit Lukas Nelson and Jamey Johnson beim starken „Day Of Reckoning“ und Saundra Williams mit zum Teil herrlichen Backing Vocals in gesangstechnischer Hinsicht ein, John Medeski an den Keyboards, der langjährige Schlagzeuger Terence Higgins (von der Dirty Dozen Brass Band) und Gov’t Mule-Bassist Kevin Scott (schön trocken und knöchern), sowie  Greg Osby am Saxophon setzen instrumentell die Akzente im Hintergrund.

„Go Down Swinging“ offeriert den Swing de Südens, „You Ain’t Above Me“ hätte auch auf Warrens damalige Debütscheibe „Tales Of Ordinary Madness“ gepasst. Erste Single ist „This Life As We Know It„, ein Track über die universelle Botschaft für die Umarmung der positiven Veränderungen und den Blick nach vorne durch eine neue Linse – eine, die im Inneren beginnt, von der der GRAMMY Award ausgezeichnete Haynes ergänzt „Das Lied hat eine sehr aufbauende Botschaft und auch musikalisch ist es einfach ein sehr positiver Song. Ein Stück, mit dem wir uns alle identifizieren können. Es geht darum, sich vorwärts zu bewegen und viele Dinge zu überwinden, aber auch darum, sich im Leben und mit sich selbst wohl zu fühlen.“

„From Here On Out“ und „Till The Sun Comes Shining Through“ stehen für seine Songwriting-Kunst, Melodisches und Emotionalität stilvoll zu kombinieren, das freakige „Lies, Lies, Lies > Monkey Dance > Lies, Lies, Lies“ (8 1/2 Minuten) und das treibend-stampfend groovende „Terrified“ (knapp 7 Minuten) werden erneut die Glückshormone der Jam-Fans in den ABB- und Gov’t Mule-Gemeinden zu Haufe freisetzen.

„Million Voices Whisper“ beinhaltet eine Reihe von kraftvollen, gefühlvollen Tracks, die die eloquente Musikalität eines dreifach talentierten Blues Rockers mit dem glühenden Geist eines vitalen, kreativen Künstlers auf dem Höhepunkt seiner Kräfte verbinden, heißt es im Begleittext dieses wirklichen Highlights. Dem bleibt aus meiner Sicht nichts hinzufügen. Warren Haynes in Weltklasse-Form!

Fantasy Records/Concord/Universal Music (2024)
Stil: Southern (Jam) Rock

Tracks:
01. These Changes (feat. Derek Trucks)
02. Go Down Swinging
03. You Ain’t Above Me
04. This Life As We Know It
05. Day Of Reckoning (feat. Lukas Nelson and Jamey Johnson)
06. Real, Real Love (feat. Derek Trucks)
07. Lies, Lies, Lies > Monkey Dance > Lies, Lies, Lies
08. From Here On Out
09. Till The Sun Comes Shining Through
10. Terrified
11. Hall Of Future Saints (feat. Derek Trucks)

Warren Haynes
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Oktober Promotion

Various Artists – Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty – CD-Review

Review: Michael Segets

Der vor sieben Jahren plötzlich verstorbene Tom Petty hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte des Rock. Sein Werk dient vielen Musikern als Inspirationsquelle und dementsprechend oft werden seine Songs gecovert oder als Referenzpunkte herangezogen. Für „Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty“ fanden sich namhafte Vertreter der Country-Szene zusammen, um ihn und seine Musik zu feiern. Drei Viertel der Interpreten sind alte Bekannte bei Sounds-Of-South. Wie nicht anders zu erwarten, finden sich viele Hits von Petty unter den Titeln. Angesichts seines umfangreichen Outputs, verwundert es nicht, dass ebenso viele Stücke fehlen, die eine Aufnahme auf das Tribute-Album verdient hätten. Das hinterlassene Songmaterial hätte sicherlich ein Doppelalbum gerechtfertigt.

Sich an ein Cover von Tom Petty heranzuwagen, ist ja nicht ohne. Petty hatte seinen eigenen Stil, gesanglich ist er unverwechselbar und der Sound – auch wenn er ihn in seiner Laufbahn durchaus variierte – weist einen hohen Wiedererkennungswert auf. Ein bloßes Nachspielen funktioniert nicht. Die Herausforderung besteht darin, den Songs eine individuelle Note mitzugeben. Dies gelingt den Musikern auf dem Sampler durchgängig. Sie transformieren die jeweiligen Stücke meist behutsam, sodass sie direkt zu identifizieren bleiben. Die vorliegenden Versionen klingen insgesamt erdig, wie man es von Vertretern der Country Music erwartet. Wie Pettys Originale bleiben aber auch die entsprechenden Interpretationen oft dem Rock verhaftet, sodass das Album stellenweise durchaus in Richtung Roots oder Country Rock geht.

Die ausgewählten Titel decken die Jahrzehnte von Pettys Karriere ab. Der Bogen spannt sich von den frühen Klassikern aus den siebziger Jahren über seine großen Hits in den Achtzigern und Neunzigern bis zu seinem letzten Album mit der von ihm wiederbelebten Band Mudcrutch aus dem Jahr 2016. So dürfen natürlich „American Girl“ (Dierks Bentley) und „Breakdown“ (Ryan Hurd) von Pettys erstem Longplayer mit den Heartbreakern nicht fehlen. Wynonna liefert eine wunderbare Version von „Refugee“ und damit zugleich ein Highlight der CD ab.

Die achtziger Jahre vertreten Titel von den Alben „Southern Accents“ (1985) und „Full Moon Fever“ (1989). Ebenfalls dieser Dekade zuzuordnen ist „Stop Draggin‘ My Heart Around“. Lady A covert das ursprünglich von Stevie Nicks und Tom Petty gesungene Duett. Die starken Werke „Hard Promises“ (1981), „Long After Dark“ (1982) und „Let Me Up (I’ve Had Enough)“ (1987) sind zu meiner Überraschung nicht berücksichtigt. Von den Sessions zum letztgenannten Werk stammt allerdings „Ways To Be Wicked“, dem sich Margo Price annimmt. Bei der Konzeption des Tribute lag der Fokus nicht auf einer repräsentativen Werkschau, sondern auf den persönlichen Verbindungen der Interpreten zu den einzelnen Songs.

Dolly Parton gibt sich bei „Southern Accents“ die Ehre. Rhiannon Giddens macht aus dem ursprünglich aufgekratzten „Don’t Come Around Here No More“ eine langsame, soulige Nummer. Der Track verändert das Original erheblich, aber sehr gelungen. Mit „Runnin‘ Down A Dream“ (Luke Combs), „I Won’t Back Down” (Brothers Osborne), „Yer So Bad” (Steve Earle) und „Free Fallin’” (The Cadillac Three) sind gleich vier Songs des erfolgreichen „Full Moon Fever” auf dem Tribute zu finden.

Songs aus den Neunzigern suchten sich die Eli Young Band („Learning To Fly“), Midland („Mary Jane’s Last Dance“) und Thomas Rhett („Wildflowers“) aus. „You Wreck Me“ (Georg Strait) fällt etwas aus dem Rahmen, da es der einzige Live-Mitschnitt auf der CD ist. Altmeister Willie Nelson greift sich „Angel Dream (No. 2)“ heraus.

Nach „Wildflowers“ (1994) schuf Petty nach meiner Einschätzung keine durchweg überzeugenden Alben mehr. Von seiner Spätphase geht wahrscheinlich auch kein so prägender Einfluss auf andere Musiker aus. Auf der Zusammenstellung ist sie vielleicht aus diesem Grund unterrepräsentiert. Dass Petty aber auch im neuen Jahrtausend gute Songs produzierte, zeigt Chris Stapleton. Dieser macht aus „I Should Have Know It“ einen hervorragenden Roots Rocker, der zu meinen Favoriten auf der Compilation zählt. Schließlich spielt Jamey Johnson „Forgive It All“, sodass zumindest Pettys letzte Scheibe noch gewürdigt wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Hervorragendes Songmaterial von renommierten Musikern aus der Country-Ecke performt. Was kann da schief gehen? Nichts! Die Country-Gilde sitzt fest im Sattel und zieht die Hüte vor Tom Petty. „Petty Country“ ist eine posthume Verbeugung vor einem der ganz Großen der Rockgeschichte, die zeigt, dass Genregrenzen fließend sind.

Ein paar unveröffentlichte, von Tom Petty selbst eingespielte Stücke hält die am 18. Oktober erscheinende Deluxe-Version von „Long After Dark“ bereit.

Universal (2024)
Stil: Country, Country Rock

Tracks:
01 I Should Have Known It – Chris Stapleton
02 Wildflowers – Thomas Rhett
03 Runnin’ Down A Dream – Luke Combs
04 Southern Accents – Dolly Parton
05 Here Comes My Girl – Justin Moore
06 American Girl – Dierks Bentley
07 Stop Draggin’ My Heart Around – Lady A
08 Forgive It All – Jamey Johnson
09 I Won’t Back Down – Brothers Osborne
10 Refugee – Wynonna
11 Angel Dream (No. 2) – Willie Nelson
12 Learning To Fly – Eli Young Band
13 Breakdown – Ryan Hurd
14 Yer So Bad – Steve Earle
15 Ways To Be Wicked – Margo Price
16 Mary Jane’s Last Dance – Midland
17 Free Fallin’ – The Cadillac Three
18 I Need To Know – Marty Stuart And His Fabulous Superlatives
19 Don’t Come Around Here No More – Rhiannon Giddens
20 You Wreck Me (live) – George Strait

Tom Petty