Steve Earle & The Dukes – Jerry Jeff – Digital Album-Review

Review: Michael Segets

Steve Earle, selbst schon längst eine Ikone, würdigt mit seiner neuen Veröffentlichung Jerry Jeff Walker, einen Wegbereiter des Outlaw-Country. Inklusive „Jerry Jeff“ brachte Earle bislang vier Tribute-Alben heraus, die er verstorbenen Musikern widmete, die seinen Lebensweg prägten. Seine enge Verbindung zu diesen kommt dadurch zum Ausdruck, dass er die Longplayer stets mit deren Vornamen betitelt. Den Anfang machte „Townes“ (2009) für Townes van Zandt. Zehn Jahre später folgte „Guy“ in Erinnerung an Guy Clark. Im vergangenen Jahr erschien „J. T.“ als Abschied von seinem Sohn Justin Townes Earle.

Earle lernte noch vor seiner musikalischen Karriere Jerry Jeff Walker in Nashville kennen und arbeitete als dessen Fahrer. Er sieht in Walker seinen ersten Lehrmeister und erst später folgte die Freundschaft mit seinen Mentoren Van Zandt und Clark. „Jerry Jeff“ bildet daher den Abschluss seiner Verneigung vor seinen frühen Förderern. Anders als Van Zandt und Clark wird Walker oft nur mit einem Song in Verbindung gebracht: „Mr. Bojangles“ ist sein einziger großer und oft gecoverte Hit. Earle interpretiert diesen Titel ebenfalls, will mit dem Longplayer aber zugleich die Erinnerung an Walker als Songwriter wach halten, der mehr war als ein One-Hit-Wonder.

An den Opener „Gettin‘ By“, bei dem Earle den Text abwandelt und ihm so eine persönliche Wendung gibt, schließt sich „Gypsy Songman“, eine weitere flotte Country-Nummer an. Später schlägt der Dancehall-Stampfer „Makes Money (Money Don’t Make Me)“ mit fideler Geige in eine ähnliche Kerbe. Dass in Earles eigenen Kompositionen Elemente von Walkers Musik einflossen, bleibt dabei unverkennbar. Während „Charlie Dunn“ noch klar im Country-Genre verhaftet ist, geht „Hill Country Lane“ in Richtung Americana. Neben diesen Midtempo-Songs finden sich ein paar langsame Stücke („Little Bird“, „My Old Man“) auf dem Longplayer.

Besonders bemerkenswert sind die beiden letzten Titel des Albums. „Wheel“ ist eine gefühlvolle Americana-Ballade, auf der Earle ungewohnt sanft wirkt. Auch das funktioniert und der Funke springt über. Während sich Earle hier auf seine Dukes verlassen kann, die ihn souverän bei den leiseren Tönen unterstützen, verlässt er sich bei „Old Road“ ganz auf die Kraft seiner Stimme. Die Solo-Performance, lediglich mit Mundharmonika begleitet, verströmt Intensität pur. Bereits bei „Heaven Ain’t Goin‘ Nowhere“, das „Ghost Of West Virginia“ (2020) eröffnet, ist ein ähnlich reduziertes, gospelnahes Stück zu finden.

Mit „Jerry Jeff“ als posthume Hommage an Jerry Jeff Walker setzt Steve Earle mit seinen Dukes die Reihe von Tribute-Alben fort, mit der er seine persönliche Bindung zu den jeweiligen Musikern aufarbeitet. Wie bereits auf den vorangegangenen Werken sind Earles Versionen der Songs von einem tiefen Respekt vor den Originalen geprägt. Auch im Fall von Walker, dessen Musik im Country und Americana angesiedelt ist, tritt der Einfluss, den sie auf Earles eigene Kompositionen hatte, deutlich zutage. Earle ruft so eine Traditionslinie in Erinnerung, die er mit seinen eigenen Songs weiterführt und oftmals auch überflügelt.

Wie zuvor bei „J. T.“ sind digitale Veröffentlichung und die Herausgabe von LPs beziehungsweise CDs zeitlich auseinandergezogen. Während damals diese Veröffentlichungspolitik noch einen symbolischen Sinn machte, da die digitale Version zum Geburtstag von Justin Townes Earle erschien, bleiben die Gründe dunkel, warum die Hardcopies von „Jerry Jeff“ erst im August erhältlich sind. Vielleicht hängt die vorgezogene digitale Publikation mit der ausgiebigen Tour zusammen, die für den Sommer durch die Vereinigten Staaten angekündigt ist.

New West Records (2022)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Gettin’ By
02. Gypsy Songman
03. Little Bird
04. Makes Money (Money Don’t Make Me)
05. Mr. Bojangles
06. Hill Country Rain
07. Charlie Dunn
08. My Old Man
09. Wheel
10. Old Road

 

 

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