Joanne Shaw Taylor – Nobody‘s Fool – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Seit Joanne Shaw Taylor vor zwanzig Jahren im zarten Alter von ‚Sweet Sixteen‘ von Dave Stewart entdeckt wurde, hat es die Britin geschafft, sich zu einer der besten Gitarristinnen im Rockbusiness zu entwickeln. Nach ihrem 2021‘er „The Blues Album“ und dem im gleichen Jahr erschienenen Livealbum „Blues From The Heart“ steht nun ihr neuestes Werk in den Startlöchern.

Auch „Nobody‘s Fool“ wurde, genau wie die Vorgängerscheibe, von Joe Bonamassa und Josh Smith produziert und erscheint am 28. Oktober auf Bonamassas Plattenlabel KTBA Records. Diesmal wieder als ein reines Studioalbum, das mit elf exquisiten Tracks glänzt. Fast alle Songs hat sie selbst komponiert. Nur „Missionary Man“ (Dave Stewart, The Eurythmics) stammt nicht aus ihrer Feder und bei ein paar anderen Songs haben u. a. Josh Smith und Joe Bonamassa zumindest mitgewirkt.

Überraschenderweise hebt sich aber Joannes neue Scheibe in musikalischer Hinsicht deutlich von ihren Alben zuvor ab. Klar, immer noch ist ihre soulige, teils leicht heisere, Altstimme für den Sound mitbestimmend und auch ihre kraftvollen Gitarrenriffs und Hooklines sind so, wie man sie kennt. Trotzdem kommen viele der elf Albumtracks recht poppig und durchaus mit Radioqualitäten versehen rüber. Der Titelsong „Nobody‘s Fool“ liefert gleich ein Beispiel dafür. Da ist ihre einzigartige Stimme, verpackt in einen leicht fluffigen Popsong, bei man sogar ganz zarte Americanaelemente herauszuhören glaubt.

In eine ähnliche mainstreamige Richtung geht auch das gut tanzbare „Won‘t Be Fooled Again“ mit Joe Bonamassa als Gastgitarrist. Zuvor liefert Joanne allerdings noch einen Tune ab („Bad Blood“), dessen dumpfes Intro glatt für einen Krimi geschrieben worden sein könnte, der schließlich aber auch ins Poppige abdrifted, um mit der wiederkehrenden Eingangssequenz einen musikalischen Kontrast zu bilden. Ganz anders „Just No Getting Over You“. Der Song erhält durch eine Bläsersektion einen leicht soulig-funkigen Touch.

Dass Joanne Shaw Taylor auch besinnlich kann, zeigt sie mit gleich zwei Liedern. Da sind zum Einen der einfühlsam vorgetragene Slowblues „Fade Away“ mit Klavierbegleitung und Tina Guo am Cello und zum Anderen gegen Ende der Scheibe „The Leaving Kind“ an dessen Entstehung Joe Bonamassa mitgewirkt hat. Mit „Then There‘s You“ gibt‘s dann auch ’ne richtig hart treibende Blues Rock-Nummer auf die Ohren, die aber umgehend von „Runaway“, einer poppig-fröhlichen Melodie im Singer-Songwriter-Stil, abgelöst wird.

Wo sonst als bei „Missionary Man“ kann Dave Stewart endlich als Gastgitarrist einsteigen. Und dennoch unterscheidet sich der Track erheblich vom Eurythmics-Original. Bei der Neuinterpretation verzichtet Joanne allerdings auf das Harp- unterstützte Intro und gesanglich ist ihre Stimme auch nicht so hart wie die von Annie Lennox. Gastgitarristin Carmen Vandenberg (Bones UK) darf sich in „Figure It Out“ die Ehre geben, einem Track, der mit gefühlten mehr als 100 beats per Minute hektisch nach vorn schießt. Der bereits erwähnte Slowblues „The Leaving Kind“ holt den Hörer letztendlich wieder runter, bevor das Album mit dem fröhlichen und lebensfrohen „New Love“ versöhnlich endet.

Nun lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob sich Joanne Shaw Taylor mit ihrem neuen Album musikalisch weiterentwickelt hat oder ob sie sich lediglich auf einen kommerzielleren Pfad begeben möchte. Musikalisches Neuland ist das Album auf jeden Fall. Bitte nicht falsch verstehen, die Scheibe ist einerseits auf ihre Art wirklich gut, aber eben ganz anders als Joannes Vorgängeralben und dürfte daher den Geschmack von Hardcore-Bluesfans nicht so ganz treffen.

Für alle anderen, die gern mal über den Bluestellerrand blicken möchten, ist der Kauf des Silberlings sicherlich eine Überlegung wert. Und auch für diejenigen, die eher einen etwas poppigeren Sound bevorzugen, ohne dabei auf Blueselemente verzichten zu wollen, ist „Nobody‘s Fool“ bestimmt eine gute Anschaffung.

KTBA Records (2022)
Stil: Blues Rock, Pop

Tracks:
01. Nobody‘s Fool
02. Bad Blood
03. Won‘t Be Fooled Again (feat. Joe Bonamassa)
04. Just No Getting Over You (Dream Cruise)
05. Fade Away (feat. Tina Guo)
06. Then There‘s You
07. Runaway
08. Missionary Man (feat. Dave Stewart)
09. Figure It Out (feat. Carmen Vandenberg)
10. The Leaving Kind
11. New Love

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Joanne Shaw Taylor, 14.05.2017, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

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Noch ganz unter dem Eindruck des kurz nach Mitternacht zu Ende gegangenen Blues Alive Festivals mit Diva Layla Zoe, Schwergewicht Danny Bryant und dem, nach seiner Lebertransplantation schwer gezeichneten, aber gewaltig aufgetretenen Walter Trout, stand zum Abschluss der Woche mit Joanne Shaw Taylor nochmal die unverbrauchte, nahezu jugendlich wirkende Variante des Blues Rocks im schönen Dortmunder Musiktheater auf dem Programm.

Dabei hat die noch so mädchenhaft wirkende 31-jährige britische, von Dave Stewart entdeckte Dame, seit 2009, bereits sechs Alben eingespielt und wurde von keinem geringeren als Joe Bonamassa  schon als ‚a superstar in waiting‘ bezeichnet. Die hatte mit ihren Mitstreitern Luigi Casanova (mit kunstvoll aufgedrehter Rastazopfmähne), Kraftpaket Oliver Perry und dem vielseitigen Drew Wynen ihr aktuelles, in Nashville aufgenommenes Studiowerk „Wild“ im Schlepptau, das, wie sie stolz verkündete, zum ersten Mal mit Top-20-Charterfolgen bedacht worden ist.

Genau wie auf dem Album, begann sie ihre Show mit „Dyin‘ To Know“, das mit seinem swampigen Intro und dem treibenden Boogiegroove, schon eine ganz unterschwellige ’südstaatliche Amerikanisierung‘ ihres Sounds andeutete (sie benutzte zudem ausschließlich Telecaster- und Les Paul-E-Gitarren für ihr Spiel), was unserem Magazin ja durchaus nicht unangenehm ist. Diese blitzte immer mal wieder im weiteren Verlauf sporadisch auf (z. B. wenn Wynen slidete und Joanne in kurz Twins verwickelte), war aber insgesamt nicht omnipräsent.

Überwiegend blieb sie, bis auf einige Stevie Ray Vaughan-Reminiszenzen („Time Has Come“), dem Stil ihrer Heimat treu. Das rockig powernde „Nothing To Lose“, das melodische „Reason To Stay“ (dezent southern) und das, mit zwei starken E-Soli bestückte „Jump That Train“ waren die nächsten Stationen. „Diamonds In The Dirt“ endete mit einer ziemlich lang gezogenen, am Ende recht aggressiv gespielten E-Gitarren-Solo-Passage, bei der sie ihre erstaunliche Fingerfertigkeit demonstrierte.

Klasse ihr rauchiger und auch insgesamt sehr schön ins Ohr gehende Gesang zu hallenden Orgelklängen von Wynen, beim  relaxten „Tired, Trusted & True“  und natürlich wieder ihre Soli (eines davon fast in der Tradition eines Dickey Betts). „Watch Em Burn“ stampfte traditionell und entwickelte sich zum lautesten und längsten Track des Abends.

Knackig und rhythmisch ging es bei „Wanna Be Your Lover“ zur Sache, das David Bowie gewidmete „Wild Is The Wind“ (Casanova und Wynen mit Harmoniegesängen) bestach atmosphärisch, während es mit „Going Home“, meinem Favoriten des Gigs und gleichzeitig Endstück des Hauptteils, nochmals southern-swampig zur Sache ging. Drew Wynen bot der Protagonistin hier mit tollem Slide-Solo die Stirn.

Als Zugabe gab es noch das flockige „Mud Honey“. Insgesamt ein angenehmer Blues Rock-Abend. Wenn es der so lieb und brav wirkenden Joanne Shaw Taylor noch gelingt, in Sachen Aura und Charisma zuzulegen, und somit ein Publikum mehr mitzureißen und für sich einzunehmen, wird Joe Bonamassa vermutlich Recht behalten. Und die junge Britin hat ja auch durchaus noch ein paar Jährchen vor sich…

Line-up:
Joanne Shaw Taylor (lead vocals, electric guitar)
Luigi Casanova (bass, vocals)
Oliver Perry (drums)
Drew Wynen (keys, acoustic, electric & slide guitar, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Bericht: Daniel Daus

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