Sunny Sweeney – Married Alone – CD-Review

Mit ihrem 5. Studiowerk „Married Alone“ serviert uns die aus Houston, Texas stammende Sunny Sweeney ein echtes Heartbreak-Album, was man auch schon auf den ersten Anblick der Titel erahnen kann. Sie setzt sich ungemein authentisch mit dem Vor und Danach ihrer zweiten Scheidung auseinander und tut dies auf ungemein erfrischende Weise. Da ist alles an den damit typisch verbundenen Gefühlen enthalten, aber auch immer mit einer Portion Humor und Selbstironie garniert.

Sweeney hat zehn der insgesamt zwölf Tracks mitkreiert, was dem Ganzen dann halt auch eine gewisse Glaubwürdigkeit verleiht. Produziert haben Beau Bedford und der vom geschätzten Kollegen Segets bereits intensiv begutachtete Paul Cauthen, die dem Werk die passende musikalische Brillanz verabreicht haben. Ganz stark, was die mit ihnen involvierten Musiker hier leisten.

Die Scheibe beginnt mit dem herrlichen, nach einem Frust-One-Night-Stand anmutenden Outlaw-Schunkler „Tie Me Up“, wo die Protagonistin am Ende selbstbewusst die Ansage macht: „You can tie me up, but baby, you can’t tie me down!“. Beim mit einem herrlichen Fleetwood Mac-Vibe unterlegten „Easy As Hello“ erklärt sie in geflügelten Worten warum das ‚Goodbye‘ nicht so einfach wie das ‚Hallo‘ ist. Einer meiner beiden Lieblingssongs des Lonplayers.

Ausgerechnet das zunächst paradox anmutende Titelstück „Married Alone“ stammt nicht aus ihrer Feder. Das von einer Freundin vorgestellte Stück gefiel ihr aber direkt so gut, dass sie sich sofort die Rechte sicherte. Für den Song gewann sie dann noch Vince Gill, der hier mal wieder harmoniegesangstechnisch Bitter-Süßholz der Extraklasse raspelt. Herrlich, wenn die beiden beim mit weinender Steel begleiteten Waltz-Schmachtfetzen „…there may be rings on our fingers, but we’re married alone“, im Gesang leicht versetzt, zusammen seufzen. 

Und so geht es dann im weiteren Verlauf, mal mit zünftigeren Nummern wie dem von Jim Lauderdale unterstützten „Someday You’ll Call My Name“ oder „Leaving is My Middle Name“ im schönen Wechsel mit traditionellen Countryheulern der Marke „How’d I End Up Lonely Again“, „A Song Can’t Fix Everything“ oder Still Here“ und einigen geschickt dazwischen gestellten Liedern als Verbindungsstücken, unterhaltsam weiter.

Toll ist hier das mit hallender Orgel und grummelden Bariton-E-Gitarren, western-mäßig beginnende, dann aber in einen poppigen Refrain mündende „Want You To Miss Me“ oder das mit Bläsern versetzte, bluesige „Wasting One On You“, die im Endviertel dann noch vom Neil Young (der wird auch namentlich im Song erwähnt) beeinflussten, grandiosen „All I Need“ (hier singt sie mit frecher Stimme zu blecherner E Gitarre und Banjo „…I need falling in love with you like a hole in my head…, you are all that I want, all that I don’t need“), noch getoppt werden. Ein Aspirant bei mir für den Song des Jahres.

Sunny Sweeney münzt mit ihrem neuen Werk „Married Alone“ negative Erlebnisse und Gefühle in positive Kreativenergie um und liefert ein absolutes Killer-Album ab, das am Ende auch ganz oben im Jahresranking liegen wird. Ihr und dem Produzentenduo Bedford-Cauthen sowie den Musikern ist eine wunderbare Balance zwischen traditionellen Coutnrysongs und modernen Roots-/New Countrytracks gelungen, ohne dabei primär die Charts im Blickwinkel zu haben. Es wäre ihr allerdings zu wünschen, dass es in Zukunft auch unter angenehmeren Umständen zu solchen Klasseleistungen kommen wird. Absolute  Kaufempfehlung!

Aunt Daddy Records (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Tie Me Up
02. Easy As Hello
03. Married Alone (feat. Vince Gill)
04. Someday You’ll Call My Name
05. How’d I End Up Lonely Again
06. A Song Can’t Fix Everything (feat. Paul Cauthen)
07. Want You To Miss Me
08. Wasting One On You
09. Fool Like Me
10. All I Don’t Need
11. Leaving is My Middle Name
12. Still Here

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Wade Bowen – Somewhere Between The Secret And The Truth – CD-Review

Wade Bowen zählte schon immer zu meinen großen Lieblingskünstlern,auch über die Red Dirt-/Country Rock-Sparte hinaus. Der Texaner besticht durch seine tolle Stimme, die melodischen Songs, seine kreative Ader und eine gewisse Zuverlässigkeit beim Abliefern seiner niveauvollen Werke.

2019 hatte ich die große Ehre, ihn persönlich vor seinem Konzert im Blue Shell in Köln bei einem Interview, wo ich ihn auch erstmalig live sah, gegenüberzusitzen., wo sich der sympathische Charakter, den man schon automatisch aus seinen Songs ableitet, eindrucksvoll bestätigte.

Mit „Somewhere Between The Secret Aand The Truth“ legt er jetzt sein siebtes Studioalbum vor, das er erstmalig selbst produziert hat. An der Seite hatte er beim Songwriting viele Kollegen wie u. a. Eric Paslay, Heather Morgan, Randy Montana, Drew Kennedy oder Lori McKenna, die schon bei unzähligen CDs in meiner Sammlung, Garanten für tolle Lieder waren.

Die zierliche Lori McKenna, die ich vor sehr vielen Jahren in Utrecht im Rahmen der damaligen Blue Highway Festivals auch schon mal live erlebt habe, assistiert ihm beim Lead- und Harmoniegesang bei „A Beautiful World“ im Stile der typisch gemischten texanischen Duette der Marke Josh Abbott/Kacey Musgraves. Toller Song!

Dabei hatte Wade laut eigener Aussage zunächst eine längere Phase der kreativen Leere zu bewältigen. „Ich hatte länger eine große Antriebslosigkeit und wusste überhaupt nicht, wie ich damit umgehen sollte, bis mich auf einmal die große Lust des Schreibens wieder motivierte. Es war wie ein Neustart, der mir die Leidenschaft wieder zurückgab.

Ich wollte auch herausfinden, wo ich musikalisch stehe und hineinpasse. Das habe ich oft gemacht, bis ich manchmal den Faden verloren habe. Ironischerweise hatte ich durch die COVID-Pandemie die Chance meine Gedanken etwas ruhen zu lassen, um mich mehr auf das zu konzentrieren was ich wirklich möchte. Ich habe erneut rausgefunden wer ich als Songwriter, Sänger und Musiker sein möchte“.

Das Album zeigt Bowen dann auch wieder in Bestform. Zehn unwiderstehliche Ohrwürmer, mal in fluffig-eingängiger Red Dirt-Manier (man höre sich diese melodischen Songs wie den Opener „Everything Has Your Memory“, „The Secret To This Town“ oder „Say Goodbye“, bei dem ich mich schon mehrere Male selbst ertappt habe, wie ich den Refrain beim Fahren zur Arbeit im Auto nachsinge) oder im melancholischen Country-Storytelling (u. a. „Burnin’ Both Ends Of the Bar“) und mit „Honky Tonk Roll“ (mit herrlichem Billy Powell-Gedächtnis-HT-Pianogeklimper und starken Wah-Wah-Slide-Soli) und „She’s Driving Me Crazy“ zwei flotte launige Saloonfeger, die auch seine rockigen Seiten offerieren.

Herrlich wie er am Ende von „Honky Tonk Roll“ die Anziehungskraft der Honkytonk-Bars auf ihn zum Besten gibt: „… You can cuss me, you can judge me, you can hate me, you can love me, you can say I’m out of control, yeah, but I don’t give a damn, I’m on a hell of a honky tonk roll.“

Gegen Ende erhält er im Duett mit Vince Gill quasi dann noch einen musikalischen Ritterschlag, Letztgenannter gibt sich meist nur bei absoluten Klassekünstlern als Gast die Ehre. Ein wunderschöner, einfühlsam von beiden gesungener, Steel-getränkter Countryheuler dieses „A Guitar, A Singer And A Song“. 

Mit dem wunderbar eingängigen Titelsong „Somewhere Between The Secret And The Truth“, aus der Feder von ihm und Lori McKenna, schließt ein erneutes Meisterwerk des aus Waco stammenden Texaners. Für manchen hier in unseren Landen mag er noch ein unentdecktes Geheimnis sein, die Wahrheit ist, dass man sich mit diesem Wade Bowen schleunigst beschäftigen sollte. Ein weiteres Klassealbum von ihm!

Bowen Sounds/Thirty Tigers/Membran (2022)
Stil: Red Dirt / Country

Tracklist:
01. Everything Has Your Memory
02. Burnin’ Both Ends Of The Bar
03. Honky Tonk Rollt
04. The Secret To This Town
05. If You Don’t Miss Me
06. A Beautiful World feat. Lori McKenna
07. She’s Driving Me Crazy
08. Knowing Me Like I Do
09. It’s Gonna Hurt
10. Say Goodbye
11. A Guitar, A Singer And A Song feat. Vince Gill
12. Somewhere Between The Secret And The Truth

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Eagles – Live From The Forum MMXVIII – Blue-ray-Review

Eag

Hatte ich beim starken Justin Moore-Live-Tonträger noch das visuelle Element vermisst, erhält man von einer der letzten Supergruppen der guten alten Zeit, die es bis heute geschafft hat, sich immer wieder neu zu erfinden, das zu ihrem Status passende, volle Unterhaltungsprogramm.

eaglesbrAufgenommen und gefilmt mit 14 4K-Kameras wurde die an drei Tagen ausverkaufte Show im FORUM in Los Angeles. Erhältlich wird dieses äußerst wertige Produkt in diversen Formaten sein (u. a. auch in einer Super Deluxe Edition). Ich habe zur Rezension die toll gestaltete Blue-ray/Doppel-CD-Version  erhalten.

Was soll ich sagen, man erhält natürlich einen Augen- und Ohrenschmaus der Superlative, mit einem Programm, das so gut wie alle Eagles-Klassiker beinhaltet, als auch Highlight-Stücke aus Henleys („Boys Of Summer“), Walshs („Rocky Mountain Way“) und Vince Gills („Don’t Let Your Heart Start Slippin‘ Away“) Solo-Phasen.

Apropos Vince Gill: Der ist ja nach dem Tod von Glenn Frey ebenso wie dessen Sohn Deacon (seine Einbindung als besonders geschickter Schachzug) in das neue Line-up integriert worden und reiht sich mit seiner samtweichen Stimme, seinem exzellenten Gitarrenspiel und seiner ebenfalls charismatischen Aura, gebührend ins Bandgefüge ein.

Deacon Frey wirkt in diesem geballten Senior-Starensemble natürlich noch sehr jung und etwas verschüchtert, meistert seine Gesangs- und Gitarrenparts aber durchaus ordentlich.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielt der offiziell nur als Gastmusiker aufgeführte Steuart Smith, der wieder mit einigen herrlich relaxten E-Gitarrensoli auf diversen Gitarren glänzt und natürlich beim Megahit „Hotel California“ an der doppelhalsigen Gitarre beim Intro und in der Solopassage (u. a. Twins mit Walsh) seinen großen Auftritt hat.

Neben den Keyboardern Will Hollis und Michael Thompson gibt es durch Milo Deering noch Gastpräsenzen an der Pedal Steel sowie vereinzelte Streicher- und Bläsereinbindungen.

Als eigentliche Köpfe der Band kristallisieren sich aber eindeutig Don Henley (wechselt häufig zwischen Gesang, Akustikgitarre, drums und Percussion – hier in ständigem Austausch mit dem starken Scott Crago) und der immer am Rande des Wahnsinns zu weilen scheinende Spaßvogel Joe Walsh (Gesang, fulminante E-Gitarrenarbeit – z. T. richtig Southern, zwei launige Talkbox-Effekt-Einlagen, wie einst durch Peter Frampton bekannt) heraus, ohne aber spürbar dominant zu wirken.

Gerade Henley, den ja immer eine außerordentliche Hassliebe mit seinem damaligen Counterpart Glenn Frey (übrigens nach dem vom Sohnemann gesungenen „Peaceful Easy Feeling“ auf der bombastischen, bild- und effektiven  LED-Leinwand im Hintergrund zum kurzen Innehalten ‚in memoriam‘ abgebildet) verband, scheint mittlerweile eher eine Art entspannte Genießerrolle einzunehmen.

Der hagere Timothy B. Schmidt, mit langer ergrauter Matte am Bass, ist der ruhende Pol, präsentiert als letzter Leadsänger mit „I Can’t Tell You Why“ und „Love Will Keep Us Alive“ zwei echte Ohrwürmer.

Insgesamt kann man attestieren, dass die durch Gill und Frey jr. eingeleitete Frischzellenkur den Adlern spürbaren Aufwind gibt, was man auch an den begeisterten Reaktionen des Publikums in der imposanten Location ablesen kann. Mit ihnen ist eine lockerere, und weniger angespannte Spiel- und Gesangskultur bei den Eagles eingezogen. Die bestechenden Harmoniegesänge sind auch mit ihnen weiter ein Markenzeichen.

In Zeiten von Corona ist dieser famose Live-Mitschnitt für’s heimische Wohnzimmer, echtes Wasser auf die Mühlen der derzeitig gebeutelten Konzertpassionisten.

Ein Hammerteil und sehr edles Produkt – absolute Empfehlung, nicht nur für Eagles-Fans – ab heute, den 16.10.2020, käuflich zu beziehen!

Rhino/Warner Music (2020)
Stil: Westcoast / Country Rock

Tracklist (CDs und Blue-ray identisch)
01. Seven Bridges Road
02. Joe Walsh: ‚How Ya Doin‘
03. Take It Easy
04. One Of These Nights
05. Don Henley: ‚Good Evening, Ladies And Gentlemen‘
06. Take It To The Limit
07. Tequila Sunrise
08. In The City
09. Timothy B. Schmit: ‚Hey, Everybody, That’S Joe Walsh‘
10. I Can’t Tell You Why
12. Don Henley: ‚Just Want To Thank All Of You
13. How Long
14. Deacon Frey: ‚Hello, Everybody
15. Peaceful Easy Feeling
16. Ol‘ 55
17. Lyin‘ Eyes
18. Love Will Keep Us Alive
19. Vince Gill: ‚How About A Nice Hand For California, Man…‘
20. Don’t Let Our Love Start Slippin‘ Away
21. Those Shoes
22. Already Gone
23. Walk Away
24. Joe Walsh: ‚Is Everybody Ok‘
25. Life’s Been Good
26. The Boys Of Summer
27. Heartache Tonight
28. Funk #49
29. Life In The Fast Lane
30. Hotel California
31. Rocky Mountain Way
32. Desperado
33. The Long Run

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Vince Gill – Okie – CD-Review

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Der in Norman, Oklahoma, geborene Vince Gill, ist weit über Nashville hinaus, eine musikalische Institution. Er hat so ungefähr alles an Auszeichnungen eingeheimst, was möglich ist und mit mit allem, was Rang und Namen hat, schon das Studio oder die Bühne geteilt.

Zuletzt ist der Mann mit der warmen Tenorstimme und dem vornehmlich so fein klingenden Telecasterspiel als Glenn Frey-Ersatz, von niemand Geringeren als den Eagles, als Neu-Mitglied angeheuert worden.

Mit seinem neuen Album „Okie“ bekennt er sich jetzt seiner geographischen Wurzeln, würdigt aber, schon von einigen Songtiteln her deutlich erkennbar, auch wichtige musikalische Bezugsgrößen, wie seine Ehefrau Amy Grant („When My Amy Prays“) oder die beiden, 2016 verstorbenen Country-Ikonen Guy Clark („Nothin‘ Like A Guy Clark Song“) und Merle Haggard („A World Without Haggard“).

Das mit Co-Writern wie u. a. Jason Isbell, Charlie Worsham oder Hayes+Carll verfassten Liedern bespickte Album, bewegt sich überwiegend im ruhigeren Modus, und wird oft von einer gesanglichen Melancholie Gills getragen.

Schönes, meist klares Akustikgitarrenspiel, dezente E-Gitarren- und Pianotupfer, sowie eher sanfte Drums, mit eher perkussionshaftem Charakter (zum Teil mit Pinselsticks), runden diese eher intim anmutende Atmosphäre entsprechend ab.

Ich weiß nicht, wie es dem Leser geht, aber bei dem Wort ‚Okie‘ kommt mir zu allererst immer die Assoziation mit J.J. Cale in den Sinn. Und der hinterlässt dann auch beim vorletzten Track in kauziger Manier, „The Old Man Of Mine“, bei Vince Gill, ganz offensichtlich seine Spuren.

Im bereits erwähnten, letzten Song offenbart Gill schließlich, im Haggardschen Liedgut, den Antrieb und seine musikalische Motivation gefunden zu haben. Das tut er mit den, voller Pathos, zu weinender Steelgitarrenbegleitung, gesungenen Abschlussworten : „It was my greatest inspiration, that’s the reason why I sing the Blues“.

Insgesamt eine Scheibe, die ich vermutlich öfter bei verregneten Herbst- oder Wintertagen im heimatlichen Wohnzimmer auf der Couch zum Relaxen in den CD-Player legen werde.

MCA Nashville (2019)
Stil: Country Rock

01. I Don’t Wanna Ride The Rails No More
02. The Price Of Regret
03. Forever Changed
04. An Honest Man
05. What Choice Will You Make
06. Black And White
07. The Red Words
08. When My Amy Prays
09. A Letter To My Mama
10. Nothin‘ Like A Guy Clark Song
11. The Old Man Of Mine
12. A World Without Haggard

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Chris Shiflett – Hard Lessons – CD-Review

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Review: Michael Segets

Chris Shiflett bringt mit „Hard Lessons” bereits sein viertes Studioalbum seit 2010 heraus. Bekannt dürfte er vor allem als Gitarrist der Foo Fighters sein. Der Sound von Shiflett unterscheidet sich allerdings deutlich von dem der Band um Dave Grohl. Er klingt erdiger und weniger aggressiv. Deutliche Rhythmen und differenzierte Gitarrenarbeit prägen Shifletts Songs, die eher dem Heartland Rock zuzuordnen sind.

Shifletts Longplayer überzeugt vom ersten bis zum letzten Titel. Die Scheibe wirkt entspannt, hat aber dennoch Biss. Shiflett muss nichts mehr beweisen und spielt unverkrampft auf. Dabei trifft er mit seinem guitardriven Roots Rock souverän das richtige Tempo.

Obwohl die Tracks allesamt gelungen sind, begeistert mich der Opener „Liar’s Word“ am meisten. Das mit einem Southern-Hauch versehene „The Hardest Lessons“ ist ebenso hervorragend. Nur um Nuancen dahinter folgen „Welcome To Your First Heartache“, „Weak Heart“ und „Marfa On My Mind“, die durch ihre eingängige Struktur überzeugen.

Shiflett bietet aufs Wesentliche reduzierte Rocksongs, bei denen sein Gitarrenspiel für unaufdringliche, jedoch gelungene Akzente sorgt. Als Gastgitarristen holt er sich für die erste vorab veröffentlichte Single „This Ol‘ World“ Laur Joamets (Sturgill Simpson) hinzu.

„Fool’s Gold“, „I Thought You’d Never Leave“ sowie „Leaving Again“ sind tendenziell einen Tick langsamer als die anderen Titel, gehen aber ebenfalls direkt ins Ohr. Die Country-Rock-Nummer „The One You Go Home To“ sticht auf der ansonsten homogenen Tracklist heraus. Das Duett mit Elizabeth Cook entwickelt einen genretypischen Twang, zu dem Paul Franklin (Vince Gill, Dire Straits) die Pedal Steel beisteuert.

„Hard Lessons“ wurde von Dave Cobb (Jason Isbell, Shooter Jennings, Chris Stapleton, Colter Wall, Whiskey Myers), der zuletzt mit dem vor zwei Wochen erschienen Debüt-Album von Ian Noe hervorragende Arbeit ablieferte, klar und auf den Punkt produziert. Die Aufnahme des Albums erfolgte im RCA Studio A in Nashville.

Shiflett rekrutierte mit Chris Powell (Brent Cobb) und Brian Allen (Jason Isbell) eine erfahrene Rhythmus-Section sowie für den Feinschliff Keyboarder Michael Webb (Ashley Monroe, Eli Young Band) und Backgroundsängerin Kristen Rogers (Anderson East, Lori McKenna).

Die kurzen Gitarreneinlagen integrieren sich stets prima in die jeweiligen Song. Lediglich bei dem instrumentalen Abschluss „The Hardest Lessons (Reprise)“ lässt Shiflett seinen Fingern freien Lauf. Das Stück wird langsam hochgesteuert und endet mit einem Lachen.

Dafür hat Shiflett auch allen Grund. Ihm ist mit „Hard Lessons“ ein erfrischendes Album gelungen, das man getrost durchlaufen lassen kann. Einziger Wehmutstropfen ist, dass es bereits nach einer guten halben Stunde verklungen ist.

East Beach Records & Tapes/Thirty Tigers/Alive (2019)
Stil: Rock

Tracks:
01. Liar’s Word
02. This Ol’ World
03. Welcome To Your First Heartache
04. The Hardest Lesson
05. The One You Go Home To
06. Fool’s Gold
07. I Thought You’d Never Leave
08. Weak Heart
09. Marfa On My Mind
10. Leaving Again
11. The Hardest Lessons (Reprise)

Chris Shiflett
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Thirty Tigers
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Wade Bowen – Same – CD-Review

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Herrlich! Wade Bowen zeigt sich auf seinem neuen, „self-titled“ Album in absoluter Höchstform! Was dieser aus Waco, Texas stammende Red Dirt-/Roots-/Countryrock-Singer/Songwriter auch kreiert, es gelingt immer. Aber was er jetzt auf seinem, zwölf wunderbare Stücke umfassenden, neuen Werk abliefert, ist schon mehr als allererste Sahne.

Nach zuletzt kleineren Flirts mit dem Nashville-Genre und dem Vertrag bei BNA Records (nun übergegangen in Columbia Nashville), ist der beliebte Musiker mittlerweile wieder in Eigenregie tätig. Der Qualität tut dies jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil, Wade sprüht nur so vor Energie, Frische und Ideen, wirkt im wahrsten Sinne des Wortes regelrecht befreit.

Und wer hier irgendwo den „Spartrumpf“ vermutet, befindet sich ebenfalls auf dem Holzweg. Das Album ist von der Produktion (Justin Niebank), den Co-Writern und Komponisten neben Bowen (u. a. Rodney Clawson, Jedd Hughes, Jeremy Spillman, Scooter Carusoe, Travis Meadows, Ashley Ray, Lori McKenna, Rob Dipiero, Dylan Altman), den herausragenden Musikern (Fred Eltringham, Tony Lucido, Trigger Hippy-Gitarrist Tom Bukovac, der ehemalige Black Crowes-Gitarrist Audley Freed, Tim Lauer, Russ Pahl, Jonathan Lawson, Justin Niebank, Wes Hightower) und den klangvollen Gästen wie Vince Gill, Sarah Buxton, Will Hoge, Sean McConnell, Randy Rogers und Schwager Cody Canada, auf einem absoluten Top-Major-Niveau angesiedelt.

Was diese ganze Mannschaft an fantastischem Songmaterial, grandiosen Melodien und vorzüglichen Arrangements, an erfrischendem, locker rockendem, von diesem unwiderstehlichen Red Dirt-Feeling durchzogenen Americana-/Countryrock auf den Punkt bringt, löst schlichtweg Begeisterung aus. Die CD startet mit sofort der ersten Single „When I Woke Up Today“, einem überaus dynamischen, knackigen, herrlich eingängig melodisch dahinfließenden Rocker, dessen Einflüsse von klassischem Reckless Kelly-Sound bis hin zu Tom Petty reichen. Man ist sofort gefangen von den tollen Gitarren, dieser Melodik und dieser zwanglosen Frische. Das ist zeitloser Texas-Countryrock von höchster Qualität. Wird ganz sicher ein Riesen-Hit in den Texas Music Charts.

Es schließt sich das ebenfalls wunderbar melodische, lockere, mit schönen E-Gitarren (ganz feines Kurz-Solo) bestückte „Sun Shines On A Dreamer“ aus der Feder von Jedd Hughes an. Beeindruckend! Und es geht mit einem Highlight nach dem nächsten weiter. Es folgen die herrlich melancholische Ballade „My California“ mit hinreißenden Harmoniegesängen von Sarah Buxton, das brillant dahinfließende, mit einem schönen Southern Soul-Vibe versehene „Watch Her Drive“ (grandiose Southern-E-Gitarren-Passage am Ende) und das entspannte „Hungover“ (Piano-/Steel-/Fiddle-Tupfer).

Bei dem nächsten, potentiellen Texas-Chart-Hit „West Texas Rain“ gibt sich der große Vince Gill mit seinem unverwechselbaren Harmoniegesang die Ehre und beim flotten Roots-Rocker „When It‘s Reckless“ ist die Handschrift von Will Hoge unverkennbar (er ist zudem mit schönen mit Harmonies vertreten). „Long Enough To Be A Memory“ (schöne Tempowechsel, dezente Heartland Rock-Note), die Harp-verzierte Südstaaten-Ballade „Sweet Leona“ (erinnert weitläufig an Dickey Betts‘ „Mr. Blues Man“), oder das schwungvoll Latino-durchtränkte „Welcome Mat“ (Santana-angelehnte E-Gitarrentöne) sind dann Vorboten für das launige Southern Rock-Feier-Stück „Honky Tonk Road“ (natürlich mit Honky Tonk-Piano, tolle Twin Lead-Riffs, 2 kernige E-Gitarren-Soli), bei dem sich Wade, Randy Rogers, Cody Canada und Sean McConnell gesangstechnisch die Klinke in die Hand geben. Auch höchst hitverdächtig.

Auf dem längsten Stück zum Ausklang des Werkes (über sechs Minuten) zeigt Bowen eindrucksvoll, wie man eine gefrierende Psychedelic-Atmosphäre erzeugen kann, auch ohne übermäßig die Nervenstränge seiner Audienz zu strapazieren: Mit „I’m Gonna Go“ verabschiedet Wade den Hörer nochmals mit einem Klassestück, das einen restlos gefangen nimmt. Wade Bowen macht mit seinem neuen Album allerbeste Werbung in eigener Sache. Ein Werk auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskünste. Ganz große Red Dirt-/Countryrock-Schule! Einfach toll! Ein Meilenstein in 2014!

Eigenproduktion (2014)
Stil: Red Dirt

01. When I Woke Up Today
02. Sun Shines On A Dreamer
03. My California
04. Watch Her Drive
05. Hungover
06. West Texas Rain
07. When It’s Reckless
08. Long Enough To Be A Memory
09. Sweet Leona
11. Honky Tonk Road
12. I’m Gonna Go

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Vince Gill – Next Big Thing – CD-Review

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Dieser Mann ist einer der großen Sympathieträger der New-Country-Szene! Nicht zuletzt sein nettes und freundlich humorvolles Wesen, das sich auch immer wieder in seiner Art zu musizieren widerspiegelt, ließ ihn als Moderator der jährlichen Country Music Awards zur großen Bereicherung der Veranstaltung werden.

Meine ersten Berührungspunkte entstanden durch einen Sampler. Auf ihm der Song „Never Alone“, der mich sofort in den Bann zog. Leicht dahinrauschend wie ein klarer Gebirgsbach, faszinierte mich die schöne Melodie und die perfekten Gitarreneinlagen. Dies hatte zur Folge, dass ich mir seine CD „High Lonesome Sound“ zulegte, die mit der Ballade „Worlds Apart“ (toll auch das Video dazu; sollte sich ein gewisser Herr Bush mal zu Gemüte führen) auch einen echten Knaller beinhaltete. Allerdings hielt sich meine Begeisterung insgesamt in Grenzen. Die sehr rootsigen, rauen Songs passten meiner Ansicht nach nicht optimal zur sehr hellen Stimme des Künstlers.

So ging ich an sein neustes Werk „Next Big Thing“ eher mit gemischten Gefühlen. Die CD mit 17 Stücken fürs Genre recht reichhaltig bestückt, ist diesmal besser auf die Person Vince Gill zugeschnitten. Es geht los mit dem knackigen Honkytonk-Titelstück, gefolgt der von Killer-Midtemponummer „She Never Makes Me Cry“. Dieser Song, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, wird auf jeden Fall in meinen Top-10-Liste des Jahres landen. Wieder diese Leichtigkeit, die tolle Melodie, die klare angenehme Stimme und die zwei perfekten Gitarrensoli. Ein prächtiger Hörgenuss.

Der Rest der Lieder ist bunt gemischt. Viele traditionelle Elemente; da fühl ich mich teilweise in „Highway Call“-Zeiten eines Dickey Betts zurückversetzt; drei Traumballaden namens „Young Man’s Town“, „From Where I Stand“ und „In These Last Few Days“; dazu immer wieder fröhlich dahinrockende Stücke a là „The Sun’s Gonna Shine On You“, „You Ain’t Foolin‘ Nobody“ oder „Old Time Fiddle“.

Highlights besonders dann, wenn Mr. Gill mal richtig in die Saiten greift und den Beweis antritt, welch ausserordentlicher Gitarrist dieser Mann sein kann.
Insgesamt ein sehr zufriedenstellendes Album, das auch für die Fangemeinden von Sonny Landreth oder Mark Knopfler interessant sein könnte.

MCA Nashville (2003)
Stil:  Country Rock

01. Next Big Thing
02. She Never Makes Me Cry
03. Don’t Let Her Get Away
04. Someday
05. These Broken Hearts
06. We Had It All
07. Young Man’s Town
08. Real Mean Bottle Whippoowill River
09. Whippoowill River
10. The Sun’s Gonna Shine On You
11. From Where I Stand
12. You Ain’t Foolin‘ Nobody
13. Old Time Fiddle
14. Without You
15. Two Hearts
16. This Old Guitar And Me
17. In These Last Few Days

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