Blitzen Trapper – Holy Smokes Future Jokes – CD-Review

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Review: Jörg Schneider

Als ich die neue CD der Billy Walton Band über Marcus Offermanns von Bertus Musikvertrieb für eine Rezension erhielt, hatte er mir auch das neueste Werk von Blitzen Trapper dazu gepackt. Bislang war die Band für mich völlig unbekannt und ich musste mich also erst einmal ein wenig mit ihr beschäftigen.

Bei der Truppe handelt es sich um ein seit 2000 bestehendes Quintett aus Portland, Oregon, mit Frontmann Eric Earley (Gitarre, Mundharmonika, Gesang, Keyboards), Erik Menteer (Gitarre, Keyboards), Brian Adrian Koch (Drums, Gesang, Mundharmonika), Michael Van Pelt (Bass) und Marty Marquis (Gitarre, Keyboards, Gesang, Melodica). Stilistisch sind sie dem Alternative Country und Folk zu zurechnen.

Die vorliegende CD mit dem etwas kryptisch verschwurbelten Titel „Holy Smokes Future Jokes“ ist das zehnte Album der Band. Beim ersten kurzen Anspielen der zehn Titel dachte ich noch, ok, das hört sich ja nicht schlecht an. Nach dem zweiten aufmerksamen Zuhören bleibt allerdings der Eindruck, dass sich alle Tracks doch recht ähnlich anhören und so vor sich hin plätschern. Die meisten Songs auf dem Album sind im Singer/Songwriter-Stil melodiös und ohne große Aufreger arrangiert. „Baptismal“ und „Bardo‘s Light“ sind recht ähnlich komponiert, wobei Earleys Stimme im ersten Track leicht verhallt ist und „Magical Thinking“ wartet mit einem schönen Gitarrenintro im Fingerpicking-Stil auf.

Das interessanteste und beste Stück ist aber sicherlich „Masonic Temple Microdose #1“. Eine härter gespielte Gitarre mit Slideeinlagen gibt hier den Rhythmus vor und erinnert ein wenig an den Pop-Rock der 60er Jahre. Erwähnenswert sind ansonsten noch „Requiem“, ein Song, der nicht, wie der Titel vermuten lässt, schwermütig ist, sondern fröhlich positiv klingt und natürlich das Titel gebende Stück „Holy Smokes Future Jokes“ mit zu „Holy Smokes …“ passenden, leicht psychedelischen Anleihen.

Die Stücke allein machen das Album allerdings nicht aus. Als Zuhörer sollte man nach Möglichkeit schon auf die Lyrics achten, wobei diese aber zugegebenermaßen nicht immer leicht verständlich sind. Aber die Mühe, die Texte verstehen zu wollen, lohnt. Immerhin geht es in den Songs um ganz existentielle Fragen des menschlichen Daseins.

Die Texte sind von George Saunders Buch „Lincoln in the Bardo“ inspiriert. Dem tibetischen Buddhismus zufolge, beschreibt der Begriff „Bardo“ Bewusstseinszustände im Dies- und Jenseits. Und genau diese Gedanken greifen Blitzen Trapper auf und setzen sie in traumhafte und apokalyptische Szenarien um, womit sich somit auch der kryptisch anmutende Name des Albums erklären lässt.

Musikalisch gesehen ist die Scheibe mit der vor sich hinplätschernden Musik also gut zum Abschalten/Träumen/Meditieren geeignet. Wenn man sich zudem noch auf die Texte einlassen kann, bekommt man aber auch noch eine spannende intellektuell-philosophische Reise gratis dazu.

Yep Roc/Bertus (2020)
Stil: Alternative Country, Folk, Singer/Songwriter

Tracks:
01. Baptismal
02. Bardo‘s Light (Quija, Quija)
03. Don‘t Let Me Run
04. Magical Thinking
05. Masonic Temple Microdose #1
06. Requiem
07. Holy Smokes Future Jokes
08. Sons And Unwed Mothers
09. Dead Billy Jean
10. Hazy Morning

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Yep Roc Records
Bertus

The Jayhawks – XOXO – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Hollywood Town Hall“ zählt zu den Meilensteinen des Alternative Country. Das 1992er Album steht als einziges der Jayhawks in meinem CD-Regal. In manche der nachfolgenden Alben hörte ich nur noch sporadisch rein. The Jayhawks entfernten sich mit den Jahren tendenziell von der Roots Music und gingen in eine poppigere Richtung. „XOXO“ läutet dahingehend keine Wende kein. Neu ist hingegen, dass die Bandmitglieder neben Frontmann und Gitarrist Gary Louris nun mehr in Erscheinung treten.

Karen Grotberg (Keys), Marc Perlman (Bass) und Tim O’Reagan (Drums) sind alle mit eigenen Kompositionen auf dem neuen Werk vertreten und übernehmen auch die Lead Vocals. Grotberg zeichnet für die beiden Balladen „Ruby“ und „Across My Field“ verantwortlich, bei denen dann entsprechend das Klavier die Begleitung dominiert. Perlman steuert den folkorientierten Titel „Down The Farm“ bei.

Für die schnelleren Töne ist O’Reagan („Society Paper“) zuständig. Bei dem straighten „Dogtown Days“ rockt er mit stampfendem Rhythmus los. Neben dem Opener „This Forgotten Town“, bei dem er sich mit Louris am Mikro abwechselt, stellt es das stärkste Stück auf dem Album dar. Die Jayhawks haben die beiden Songs als Singles ausgekoppelt und damit die richtige Entscheidung getroffen.

Ebenfalls auf das Konto von Louris und O‘Reagan geht „Little Victories“, bei dem Louris exzellente Arbeit an der Gitarre leistet. „Living In A Bubble“, das entfernt an die Beatles erinnert, und „Homecoming“ verfasste Louris im Alleingang. Die Songs sind ziemlich poppig geraten und vor allem das letztgenannte Stück fällt mit seinen hohen Gesangseinlagen sowie dem experimentellen Ende ab. Auch mit dem süßlich beginnenden „Illuminate“ kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Die Midtempo-Nummer „Bitter Pill“ und der folkige Abschluss „Looking Up Your Number“ hinterlassen dann aber nochmals einen positiven Eindruck.

The Jayhawks präsentieren sich auf „XOXO“ als Band mit gleichberechtigten Mitgliedern. Durch den wechselenden Leadgesang verfolgen sie ein Konzept, das in dieser Konsequenz bei den US Rails schon bestens funktioniert. Der ausgiebige Einsatz mehrstimmiger Harmonien ist den beiden Truppen ebenso gemeinsam. Vom Sound sind sie aber bei den meisten Titel meilenweit voneinander entfernt.

Die zwei ersten Tracks bilden einen starken, erdigen Einstieg, danach bewegt sich „XOXO“ überwiegend in etwas überladenen Pop-Rock-Gefilden. Dabei finden sich ein paar gelungene Titel, daneben aber auch anstrengendere Arrangements. Beim letzten Song, im Wesentlichen auf die Begleitung durch die akustische Gitarre reduziert, zeigen die Jayhawks dann doch nochmal ihr Händchen für gefühlvolle Melodien. Statt es in Gänze durchlaufen zu lassen, bietet sich das Album also dafür an, sich die Highlights herauszupicken.

Sham Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Rock/Pop

Tracks:
01. This Forgotten Town
02. Dogtown Days
03. Living In A Bubble
04. Ruby
05. Homecoming
06. Society Pages
07. Illuminate
08. Bitter Pill
09. Across My Field
10. Little Victories
11. Down To The Farm
12. Locking Up Your Number

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Instant Rivalry – Whiskey And Lead – CD-Review

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Review: Michael Segets

Normalerweise wird, sobald etwas Publicity erworben wurde, schnell ein Produkt nachgeschoben. Die Geschwister Megan und Caleb Hutton haben hingegen mit ihrem Debüt „Whiskey And Lead” auf Qualität gesetzt. Nachdem sie als Instant Rivalry 2015 und 2016 kanadische Country-Preise einheimsten, sammelten sie zunächst als Support für Jefferson Airplane, Tanja Tucker, Corb Lund und The Nitty Gritty Dirt Band einige Live-Erfahrungen, bevor sie sich an die Arbeit an ihr erstes Album begaben.

Im eigenen Studio spielten sie zusammen mit ausgewählten Begleitmusikern fünfzehn selbst komponierte Tracks live ein. Das Ergebnis ist ein handgemachtes Alternative Country-Album, dass sich hören lassen kann. Bei „Ex’s For A Reason“ übernimmt Caleb den Lead-Gesang, ansonsten lässt er seiner Schwester den Vortritt am Mikro.

Der Name der legendären Wild-West-Kunstschützin „Annie Oakley“ dient dem aggressivsten Songs des Albums als Titel. Nach dem Opener geht es mit „If You Can’t Ride“ zwar nochmal country-rockig weiter, aber die meisten Nummern bewegen sich in einem radiotauglichen Midtempo. Als hitverdächtig drängt sich dabei „Heartless“ auf. Aber auch „Rodeo Man“ und „Come And Take It“ sind sehr eingängig.

„Catching Me“ sowie „Slow Motion“ haben einen gefällig poppigen Einschlag. „A Little More Time“ kommt mit einem flotten Country-Rhythmus und Twang daher. Bei dem etwas langsameren „Love With Me“ legt Megan einen rauen Growl in ihren Gesang, den sie auch bei einigen rockigeren Songs anschlägt. Vor allem bei dem staubigen „Ho Down“ kommt er richtig zur Geltung. Die erste Single gehört neben dem frechen „Drink You Pretty“ zu den Highlights der CD.

In der Mitte des Albums streut Instant Rivalry die Ballade „Little Old Farmhouse” ein. Diese folgt ebenso wie „Telluride“ und der Abschluss „Worn Out My Welcome“ den typischen Mustern mit Slide, etwas Geige und mehrstimmigem Harmoniegesang. Mit den Titeln müssen sich Megan und Caleb Hutton nicht vor den Musikern aus Nashville verstecken.

In der Gesamtschau legen die beiden Hutton-Geschwister ein beeindruckendes Debüt vor. „Wiskey And Lead“ besticht durch gutes Songwriting und eine gradlinige Produktion. Gerade im mittleren Tempobereich gelingen Instant Rivalry einige Ohrwürmer, bei denen Chart-Platzierungen durchaus möglich erscheinen. Die harmonischen Melodien erhalten manchmal Ecken und Kanten, mit denen die Songs Konturen gewinnen.

Dass die Huttons nicht auf den schnellen kommerziellen Erfolg schielen, beweist die Auswahl des erdigen „Ho Down“ als erste Auskopplung. Zu hoffen wäre, dass zukünftig weitere Veröffentlichungen folgen, bei denen sich zeigen wird, wie die junge Band den Spagat zwischen Mainstream und eigenem Stil meistert.

Back Forty Productions (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Annie Oakley
02. If You Can’t Ride
03. Heartless
04. Rodeo Man
05. Come And Take It
06. Ex’s For A Reason
07. A Little More Time
08. Little Old Farmhouse
09. Catching Me
10. Slow Motion
11. Drink You Pretty
12. Love With You
13. Telluride
14. Ho Down
15. Worn Out My Welcome

Instant Rivalry
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Back Forty Productions
Two Side Moon Promotions

Paul Cauthen – Interview

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Im Anschluss an das Konzert auf dem Duisburger Dellplatz lud uns Paul Cauthen in seinen Tour-Bus ein. Als vollendeter Gastgeber bot uns der Texaner etwas Obst an und beantwortete die Fragen in entspannter Atmosphäre.

Sounds Of South: Nach Deiner vorerst letzten Show in Deutschland: Was bleibt Dir von Deutschland und Deiner Tour in Erinnerung?
Paul Cauthen: Mich freute, dass die Leute in Deutschland so freundlich waren und sie meine Musik sehr gut aufgenommen haben. Sie haben uns mit offenen Armen und familiär empfangen. Ich spielte eine verrückte Show in der Nähe von Berlin und als wir zurück nach Berlin fuhren, haben wir zu viel getrunken. Berlin hat mich etwas mitgenommen. Aber ja, es gibt wunderbare Leute hier in Deutschland. Nächstes Jahr werde ich wiederkommen. Wir touren durch die Staaten und dann, wahrscheinlich im September oder Oktober, komme ich wieder hierhin zurück.

Sounds Of South: „My Gospel“ hatte bereits einen innovativen Sound, aber auf Deinem neuen Album „Room 41“ schlägst Du mit elektronischen Drums und tanzbaren Beats einen neuen musikalischen Weg ein. Was waren deine Inspirationsquellen?
Paul Cauthen: Weißt Du, ich wollte mit den Sounds experimentieren. Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden, in der ich so oder so klingen muss. Ich will mich cool und frisch anhören – nicht so, wie etwas, das Du jeden Tag im Radio hörst. Ich schloss die Drum-Maschine und andere Dinge an, um den Sound funkier zu machen, weil ich es liebe, wie es sich anfühlt.

Sounds Of South: Hast Du schon Vorstellungen, in welche Richtung Deine Musik zukünftig gehen wird? Wieder „back to the roots“ oder schlägst Du weiter einen experimentelleren Kurs ein?
Paul Cauthen: Die nächste Musik, die ich machen werde, wird ein gutes altes Country-Album, denke ich. Ich höre viele Aufnahmen von Merle Haggard und Waylon Jennings und ich glaube, dass eine Platte mit traditionellem Country gut sein wird – eine, die konsequent Country ist und nicht wirklich Gospel wie meine erste. Sie war Gospel und eine Art R&B.

Sounds Of South: Du hast für „Have Mercy“ und „Room 41“ mit vielen Leuten zusammengearbeitet. Mit wem würdest Du zukünftig gerne Aufnahmen machen?
Paul Cauthen: Ich würde natürlich gerne mit Rick Rubin zusammenarbeiten (lacht) oder mit T-Bone Burnett. Ich würde gerne mit Dan Auerbach von The Black Keys oder Jack White arbeiten – mit Leuten, die anders sind als ich und meine bisherigen Aufnahmen. Ich kann das tun, was ich tue, aber mit welchem Produzenten kann ich arbeiten, der mich dazu bringt, über meine eigenen Grenzen hinauszudenken?

Sounds Of South: Die Texte sind durch schwierige persönliche Erfahrungen geprägt. Gibt es eine Aussage, die für das Album „Room 41“ zentral ist?
Paul Cauthen: Ja, ich und andere Leute hatten uns tief in das Album vergraben. Ich habe für zwei Jahre in einem Hotelraum gelebt, nachdem meine Verlobte und ich uns getrennt hatten. Wir wollten heiraten, aber wir trennten uns kurz vor der Hochzeit. So fand ich mich in diesem Hotel wieder und machte das ganze Album. Die Aussage ist: Egal wie tief du im Leben sinkst, du kannst dich selbst da heraus ziehen mit Hilfe einer guten Familie und Freunden, die bei dir sind. Umgib dich mit guten Leuten! Wir alle haben Höhen und Tiefen. Wir müssen uns durchkämpfen, überleben.
Ich denke, dass ich zur rechten Zeit mit den richtigen Personen zusammen war und dieser Geist war während der Aufnahme lebendig. Wir waren verrückt zu dieser Zeit, sind spät aufgestanden, haben Frauen aufgerissen, wie wahnsinnig Rock ‘n Roll gespielt – aber gleichzeitig waren wir einsam und ängstlich in der Dunkelheit. Wir waren zugleich weinend und fröhlich, traurig und verdammt glücklich. Ich musste ehrlich sein und auf meine Gefühle und Stimmung hören.

Sounds Of South: Gibt es einen Song auf dem Album, der Dir besonders am Herzen liegt?
Paul Cauthen: Ja natürlich. Mein Favorit ist wohl “Give ‘Em Peace”. Das ist meine Botschaft an die ganze Welt, weil jeder einen Bezug zu dieser alten Botschaft hat. Viele Leute sagten dies vor mir – John Lennon und jeder sonst. Normalerweise werden Leute, die das sagen, erschossen (lacht). Aber weißt Du, ich fühle, dass es auf uns ankommt. Zum Beispiel, wenn du auf deinem Weg zur Arbeit jemanden siehst, der Hilfe braucht und du gibst ihm etwas. Wenn du so in deinem täglichen Geschäft tätig bist und wenn das jeder so macht, wird die Welt besser. Wir müssen das zusammen machen, weil keine einzelne Person die Welt verändern kann.

Sounds Of South: Du hast für „Holy Ghost Fire“ ein aufwendiges Video gedreht. Wie wichtig sind Dir Deine Musikvideos?
Paul Cauthen: Ja, der Western. Wir machten das Video draußen in der Wüste. Wir schnitten es in der Nähe von Joshua Tree mit. Wir hatten einen Haufen wunderschöner Frauen aus Los Angeles. Sie kamen rein, als meine Freundin da war. Ich sollte mit diesen Frauen spielen und meine Freundin war „Woaahh“ (lacht). Oh Mann, es war wunderbar. Gute Leute und gute Schauspieler waren dabei. Es schafft eine tolle Zeit, wenn du alle auf eine Wellenlänge bringst, wenn du versuchst, kreativ zu sein und als Einheit zusammenarbeitest. Es fühlt sich an, als wärst du in der Champion League. Du fühlst dich wie ein Champion – wie Freddie Mercury.
Diese Videos sind mir sehr wichtig. Ich glaube, eine visuelle Aussage kann das gesamte Verständnis eines Songs verändern und die Weise, wie jemand über ihn denkt. Als Künstler arbeitet es in einem ganz anderen Bereich des Gehirns. Du kannst eher mit Bildern arbeiten, als Musik zu hören. Es erreicht die jungen Leute über all die Plattformen und Möglichkeiten, die es gibt. Traurig, aber das Radio wird älter und weniger wichtig. Soziale Medien sind schneller.

Sounds Of South: Als Setting für das Video von „Holy Ghost Fire“ wählst Du den Wilden Westen. Magst Du Westernfilme?
Paul Cauthen: Ich liebe alle Westernfilme. Ich liebe John Wayne und “The Good, The Bad and The Ugly” – alle diese Spaghetti-Western. Sie sind schön gemacht, haben gute Stories und es macht Spaß, sie anzuschauen.

Sounds Of South: Wenn Du in einem solchen Film mitspielen würdest, was wäre deine bevorzugte Rolle?
Paul Cauthen: Ich würde in einem Film wahrscheinlich den Helden spielen. Ich will John Wayne sein (lacht)! Der Bösewicht wäre auch cool. Der Schurke zu sein, bringt auch eine Menge Spaß. Aber normalerweise wirst du getötet – hoffentlich (lacht).

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Das Interview in Englisch:

Sounds Of South: It was your last show in Germany today. Which impressions from Germany and your tour will you remember?
Paul Cauthen: I enjoyed that the people in Germany were so kind and their very good reception to the music. They really opened their arms and embraced us as a family when we came over here. I played a crazy show outside Berlin, and then we went to Berlin and we drank too much. Berlin kind of stung me a little bit. But yeah, beautiful people here in Germany. Next year I’ll be back. We do our tour in the States and then, probably September or October of next year I’ll come back here.

Sounds Of South: “My Gospel” already had an innovative sound, but your new album “Room 41” breaks new ground through electronic drums and more danceable beats. What were your sources of inspiration?
Paul Cauthen: Yeah, you know, I wanted to experiment with the sounds. I didn’t want to be put in a box where I have to sound like this or to sound like that. I want to sound cool and fresh – not just like something what you hear every time you turn on the radio. I put a drum-machine on and some other stuff to make it sound funkier. Because I love how this makes me feel.

Sounds Of South: Do you have any ideas in which direction your music will go in the future? Are you going “back to the roots” or are you turning forward to a more experimental course?
Paul Cauthen: I think the next music I’ll make is probably going to be just a good old country record, you know. I am listening to a lot of Merle Haggard and Waylon Jennings records and I think just a good old country record would be good. Something that is strictly country and not really gospel like my first one. It was gospel and kind of R&B.

Sounds Of South: You already worked with a couple of people for “Have Mercy” and for “Room 41”. Who would you like to work with in the future?
Paul Cauthen: Yeah, I would love to work with Rick Rubin (laughs) of course, or with T-Bone Burnett. I’d like to work with Dan Auerbach from the Black Keys or Jack White – people that would be different than just me and my normal records. Cause I can do what I do, but what producer can I work with, that makes me thinking outside of my own box?

Sounds Of South: Your lyrics are characterized by difficult personal experiences. Is there a central statement in your album “Room 41”?
Paul Cauthen: Yeah, me and another couple of people actually had our hands deep into this record. I was in a hotel for two years and I had just broken up with my fiancé. We were gonna get married when we broke up before our wedding. And I ended up living in this hotel and doing this whole record. The message is: No matter how low you might get in life you can always pull yourself out with good family and friends around you. Just surround yourself with good people! You know, we all have our ups and downs. We have to fight through, be a survivor.
I think I was together at the right time with the right people and the spirit was alive during this record. We’ve been crazy at these times – staying up late, hooking up girls, playing rock and roll like crazy – beside being alone in the dark and scared. Crying and happy – sad and hell of glad – all in one. I just had to be honest, listening to my soul and spirit.

Sounds Of South: Is there a song which is particularly important to you?
Paul Cauthen: Yeah of course, my favourite is probably “Give ‘Em Peace”. It is just my message to the whole world, because everybody can relate to this old message. Many people said it before me – John Lennon and everybody else. Usually people that say that get shot (laughs). But you know, I just feel like it’s up to us. Like when you’re on your walk to work and you see somebody that may need some help lending to helping them then. Like, be active in your day to day walk and if everybody does this, the world is better. Because not one person alone can change the world, we have to do it together.

Sounds Of South: You made an ornate video for “Holy Ghost Fire”. How important are your music videos to you?
Paul Cauthen: Yeah, the Western. We made it all out in the desert. We cut the video out near Joshua tree. And we got a bunch of beautiful girls from Los Angeles. They came in and my girlfriend was there. I gonna act with these girls and my girlfriend was like “Woaahh”. Yes, it was beautiful, man. Good people and good artists all around. It just creates a good time when you get everybody on the same level, if you try to be creative and work together as a unit. It kinda feels like you are on a Champions league. You feel like you’re already champions – like Freddie Mercury.
These videos are very important to me. I think visual messages can change the whole comprehension of a song and how somebody thinks about it. And it works in a whole different side of your brain as an artist. You can work on some visuals rather than listening to the music. It reaches the young people, through the platforms and other opportunities you have. It’s sad – but radios getting older and becoming smaller and social medias are faster.

Sounds Of South: The setting of “Holy Ghost Fire” is the Old West. Do you like western movies?
Paul Cauthen: I love western films. Love ‘em all. I love John Wayne and “The Good, The Bad and The Ugly” – all these spaghetti westerns. They are all just beautifully made, good stories and fun to watch.

Sounds Of South: If you would be playing in such a film, which role would you prefer?
Paul Cauthen: If I was playing in a film, probably the hero. I wanna be John Wayne (laughs)! Man, a villain would be cool too, being the bad guy is fun. But you usually end up being killed hopefully (laughs).

Bilder: Gernot Mangold
Interview: Michael Segets
Transkription und Übersetzung: Serafina Segets

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Paul Cauthen – Room 41 – CD-Review

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Review: Michael Segets

Paul Cauthen, ehemaliger Frontmann der Sons Of Fathers, hatte in den letzten Jahren mit physischen und psychischen Problemen zu kämpfen, zog sich aber durch seine Arbeit an „Room 41” aus dem Sumpf. Der Titel des Albums bezieht sich auf das Hotelzimmer, in dem er fast zwei Jahre aus dem Koffer lebte.

Der Kampf mit den inneren Dämonen klingt in den Texten immer wieder an, So auch bei den ersten Auskopplungen „Cocaine Country Dancing“ sowie „Holy Ghost Fire”. Zum letztgenannten gibt es ein sehenswertes narratives Video im Netz, in dem Cauthen in die Rolle eines seelisch zerrissenen Predigers im Wilden Westen schlüpft.

Bei der Auswahl der Singles beweist Cauthen das richtige Gespür. Die Songs sind die stärksten auf dem Werk. Sie weisen in die Richtung, die Cauthen bei circa der Hälfte der Stücke einschlägt. Die Country-basierten Titel werden dort mit einem (tanzbaren) Beat unterlegt und durch Funk- oder R&B-Elemente angereichert. Dieser ungewöhnliche Mix funktioniert. Auch „Big Velvet” oder „Freak” schlagen in diese Kerbe.

Die experimentelle Herangehensweise macht „Room 41“ interessant. Bemerkenswert ist sicherlich auch die Stimme von Cauthen. Sein Bariton wird gelegentlich mit dem von Waylon Jennings verglichen, manchmal hört er sich aber auch nach Johnny Cash oder Colter Wall an. Wenn sich Cauthen richtig in die Brust wirft, schießt er an einzelnen Stellen leicht über das Ziel hinaus, sodass einige Stücke tendenziell in Bombast abgleiten.

„Prayed For Rain“ ist so eins, das mit einer akustischen Gitarre beginnt und dann mit vollem Klangteppich auf den Höhepunkt zusteuert. Das Pathos in Cauthens Stimme liegt hier noch auf der Grenze. Bei „Angel“ überschreitet er diese, indem er die Töne langzieht und zudem zeitweise in die Kopfstimme wechselt.

Der hervorragende Harmonie- und Backgroundchor unterstützt die Dynamik bei mehreren Songs, die nicht mit einem Tanzbeat unterlegt sind. Sehr auffällig ist er bei „Give ‘em Peace“ oder bei „Can’t Be Alone“, das stimmungsvoll durch Klavieranschläge in Moll eröffnet wird. Gegen Ende baut Cauthen in das Stück wimmernde Keys oder Synthesizern ein.

Einige Titel sind also eher gewöhnungsbedürftig arrangiert. Nach mehreren Durchläufen entwickeln die Songs aber einen eigenwilligen Reiz. Sogar die eher kritisch gesehenen Punkte integrieren sich nach mehrmaligem Hören in die jeweiligen Songstrukturen.

Unter den ruhigeren Tracks sind „Slow Down“ sowie „Lay Me Down” meine Favoriten. Dort verzichtet Cauthen auf ausgiebige Experimente. Eine Reduktion hätte vielleicht auch die Eingängigkeit von manch anderen Songs erhöht. Aber dadurch, dass ich die CD nun einige Male durchgehört habe, schwinden meine anfänglichen Bedenken bezüglich der expressiven Stellen immer mehr. Die etwas sperrigen Elemente machen mittlerweile sogar Spaß und steigern den Wiedererkennungswert.

Paul Cauthens „Room 41“ ist ein Longplayer, der zuerst probegehört werden sollte, damit man entscheiden kann, ob man sich auf das Werk einlassen will. Die Singles vermitteln einen guten Eindruck von einem Teil der CD.

Mutige und ungewohnte Klangkombinationen lotet Cauthen ebenfalls bei den anderen Titel aus. Insgesamt gelingen ihm einige innovative Kompositionen, die direkt ins Ohr beziehungsweise ins Tanzbein gehen, den anderen muss man Zeit geben.

New West Records/Pias – Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Holy Ghost Fire
02. Prayed For Rain
03. Cocaine Country Dancing
04. Slow Down
05. Big Velvet
06. Can’t Be Alone
07. Freak
08. Angel
09. Give ‘em Peace
10. Lay Me Down

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New West Records
Oktober Promotion

Paul Cauthen – 30.08.2019, Platzhirsch Festival, Dellplatz, Duisburg – Konzertbericht

Cauthen-haupt

Das Platzhirsch Festival in Duisburg bietet über drei Tage ein vielseitiges Kultur- und Musikprogramm. Dieses Jahr hielt es mit Paul Cauthen einen hochkarätigen Act der Alternative-Country-Szene bereit. Die ihm zugestandene Dreiviertelstunde von 18.45 Uhr bis 19.30 Uhr nutzte Cauthen vor allem, um Titel seines nächste Woche erscheinenden Albums „Room 41“ zu präsentieren.

Zum Einstieg holte er mit „Holy Ghost Fire“ die Besucher des Festivals vor der großen Bühne des Dellplatzes zusammen. Das mitreißende Stück, zu dem es ein tolles Video gibt, war ein gelungener Auftakt des Konzerts. Im Laufe der nächsten Minuten füllte sich dann auch der Platz in Duisburgs Zentrum zusehends.

Mit „Big Velvet“ und „Freak“ spielte Cauthen zwei weitere countrybasierte Songs von seinem aktuellen Longplayer, die mit einem modernen, tanzbaren Beat unterlegt sind. Diese setzten die Menge konsequent in Bewegung. Darüber hinaus heizten die beiden Knaller „Still Drivin‘“ und „Saddle“ von seinem Solo-Debüt „My Gospel“ (2016) den Zuhörern gehörig ein.

Auf der Setlist standen weiterhin „My Cadillac“ und „Everybody Walkin‘ This Land“ seiner EP „Have Mercy“ (2017), sodass Cauthen einen kurzen Überblick über seine Solo-Karriere bot.

Etwas ruhiger angelegt waren „Prayed For Rain“ und „Give ‘em Peace“ – Cauthens persönlichem Favoriten von seiner Scheibe „Room 41“. Die Stücke waren aber dennoch mit einem kräftigen Rhythmus unterlegt, den Matt Pence am Schlagzeug und Ben Barauas am Bass erzeugten.

Die Stimmvarianz in Cauthens Bariton ist beeindruckend. Manchmal hört er sich wie Johnny Cash an, manchmal unternimmt er Ausflüge in ungeahnte Höhen. Gernot kamen gelegentlich Parallelen mit Elvis Presley in den Sinn – ein Vergleich, den Cauthen sehr freute.

Youngster Parker Twomey am Keyboard und Charley Wiles an der Gitarre steuerten vor allem gegen Ende des Konzerts einige kurze, aber gelungene Einlagen bei. Mit „Cocaine Country Dancing“ verabschiedete sich die Band. Der Frontmann verließ die Bühne, während seine Mitstreiter den Song zu ende jammten.

Der lang anhaltende, tosende Applaus holte Cauthen erneut zurück, obwohl das Hauptset bereits das Zeitbudget um einige Minuten überzogen hatte. Bei der Zugabe „Have Mercy“ begleitete er sich selbst mit seiner akustischen Gitarre und brachte so seine Show stimmungsvoll zum Abschluss.

Cauthens Auftritt überzeugte dermaßen, dass etliche Hörer den Merchandise-Stand umlagerten und sich zu Spontankäufen seiner Tonträger und T-Shirts hinreißen ließen. Mit seinem Konzert machte er auf alle Fälle Werbung in eigener Sache.

Ein Kompliment muss ebenfalls an die Veranstalter des Platzhirsch Festivals gehen. Sie bieten Künstlern die Möglichkeit, einem Publikum zu begegnen, dass sonst wenig Kontakt mit hierzulande nicht so populären Musikrichtungen hat.

Für Cauthen geht es nach seiner Stippvisite in Deutschland zurück in die Vereinigten Staaten. Er plant aber, im Herbst des kommenden Jahres wieder durch Europa zu touren.

Nach dem Konzert ergab sich die Gelegenheit, ein Interview mit Paul Cauthen zu führen. Dieses folgt ebenso wie die Besprechung seines neuen Albums in den nächsten Tagen bei SoS.

Bilder: Gernot Mangold
Text: Michael Segets

Line-Up:
Paul Cauthen (lead vocals, guitar)
Charley Wiles (guitar, vocals)
Parker Twomey (keys, vocals)
Ben Barauas (bass, vocals)
Matt Pence (drums)

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Platzhirsch Festival

The Long Ryders – Psychedelic Country Soul – CD-Review

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Review: Michael Segets

The Long Ryders haben es geschafft, sich innerhalb von fünf Jahren Kultstatus zu erspielen. Mit ihrem progressiven Sound, der zwischen Rock und Country changiert sowie Psychedelic-, Punk- und Garage-Elemente aufnimmt, gelten sie als Vorreiter des Alternativ Country. Wie beispielsweise Green on Red zählen sie zu den Vertretern des kalifornischen Paisley Underground. The Long Ryders orientierten sich aber stärker an den Byrds. Gene Clark wirkte dann auch auf ihrem Debüt „10-5-60“ (1983) mit.

Nach der Bandauflösung im Jahr 1987 fand sich die Band zwar noch sporadisch zusammen, spielte jedoch kein neues Studioalbum mehr ein. Livekonzerte, Zusammenstellungen mit Demoversionen oder Jubiläumsversionen ihrer früheren Werke wurden veröffentlicht, die substantielle Phase der Band schien allerdings vorbei.

Mehr als dreißig Jahren sind ins Land gegangen, bevor jetzt ein Album mit wirklich neuen Tracks der Band erscheint. Bereits im Titel und in der Cover-Gestaltung, die wie gewohnt die (sichtlich gealterten) Bandmitglieder zeigt, wird deutlich, dass „Psychedelic Country Soul“ im Wesentlichen dort weitermacht, wo The Long Ryders ihre Bandgeschichte unterbrochen hatten. Gitarren und Schlagzeug sind allerdings nicht mehr so scheppernd und der Gesang etwas glatter als früher.

Die Songs versprühen weniger Punk-Attitüde, was dem Reifungsgrad der Bandmitglieder geschuldet sein mag. Sid Griffin, Stephen McCarthy, Tom Stevens und Greg Sowders müssen nichts mehr beweisen. Entsprechend leicht und entspannt wirken sowohl die langsameren als auch die meisten Uptempo-Nummern des Albums.

Mit Harmoniegesang in bester Westcoast-Manier stimmt „Greenville“ als Auftakt des Werks in dessen Grundausrichtung ein. In eine ähnliche Kerbe schlägt das sofort ins Ohr gehende „Walls“. Neben den beiden schnelleren Titeln verleugnet auch die Ballade „Bells Of August“ die Herkunft der Band aus dem Sonnenstaat nicht.

Atmosphärisch etwas dunkler angelegt ist das melodiöse „Molly Somebody“ und der gradlinige Rocker „What The Eagle See“, der durch den eingängigen Refrain und die härteren Gitarrenriffs mitreißt. Unheimliche Energie verströmt „All Aboard”, bei dem Sid Griffins Gesang knarziger als auf den anderen Stücken klingt und durch eine kratzige Gitarre unterstützt wird.

Die Gitarrensprengsel auf „Let It Fly“ geben dem Song eine herrlichen Southern-Flair. Mit Geige und mehrstimmigen Background spiegelt er ebenso wie das locker rockende „The Sound“ sowie die mit Slide unterlegte Ballade „California State Line“ das Spektrum des Alternative Country wider, das die Band abdeckt.

Sid Griffin umschifft bei der sanften Ballade „If You Want To See Me Cry” gekonnt eine übermäßige Rührseligkeit. Der Rhythmus im Refrain des langsamen „Gonna Make It Real” setzt sich direkt in den Gehörgängen fest. Insgesamt halten sich ruhigere und rockige Titel auf dem Longplayer die Waage. Psychedelische Elemente sind zurückgenommen und scheinen nur noch im abschließenden Titelstück auf.

The Long Ryders können es noch. Vielleicht wirken die Songs ihres Spätwerks nicht mehr so zukunftsweisend wie in den 1980ern, aber ihr eigenwilliger Sound hat immer noch einen hohen Wiedererkennungswert. Auch heute ist er frisch und interessant, wenn er auch weniger Ecken und Kanten aufweist als früher. „Psychedelic Country Soul“ vereint Westcoast, Alternativ Country und straight gespielten Rock in abwechslungsreicher Mischung. The Long Ryders revolutionieren den Country-Rock nicht mehr, sie bereichern ihn aber souverän mit ihrer Reunion.

Omnivore Recordings/Cherry Red Records/Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country, Alternative Rock

Tracks:
01. Greenville
02. Let It Fly
03. Molly Somebody
04. All Aboard
05. Gonna Make It Real
06. If You Want To See Me Cry
07. What The Eagle See
08. California State Line
09. The Sound
10. Walls
11. Bells Of August
12. Psychedelic Country Soul

The Long Ryders
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Omnivore Recordings
Cherry Red Records
Rough Trade

Robert Connely Farr & The Rebeltone Boys – Dirty South Blues – CD-Review

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Review: Michael Segets

Robert Connely Farr lebt in Vancouver, Kanada, und spielt seit fast zehn Jahren bei der Alternative-Country-Band Mississippi Live & The Dirty Dirty. Der Titel seines Solo-Debüt „Dirty South Blues“ ist gleichzeitig Programm. Das Album prägt der Blues, dem Robert Connely Farr einen Southern-Hauch mitgibt. Diese Kombination wirkt spannend, da sie in so konsequenter Form selten auftritt.

Die Inspiration zu dem Album erhielt Robert Connely Farr durch die Begegnung mit Jimmy „Duck” Holmes. Auf einer Reise in seinen Geburtsort in Mississippi freundete er sich mit dem Blues-Veteranen an. Robert Connely Farr lernte so den – mir bis dato unbekannten – Bentonia-Bluesstyle von Henry Stuckey, Skip James und Jack Owens kennen.

Als Verneigung vor diesen Einflüssen covert Robert Connely Farr „Hard Time Killin’ Floor Blues” von Skip James. Aus der direkten Zusammenarbeit mit Jimmy „Duck” Holmes entstand „Just Jive“. Der Boogie mit Bar-Piano, das wie die anderen Keys von Michael Ayotte gespielt wird, ist der schnellste Track auf der Scheibe.

Die anderen Songs stammen aus Robert Connely Farrs eigener Feder. Dem Titel des Longplayers entsprechend sind „Blue Front Café”, „Cypress Tree Blues” und „Hey Mr. Devil“ im Blues verwurzelt. Bei „Ode To The Lonesome” steht die helle und klare Gitarre in einem Spannungsfeld zu der teilweise mit etwas Hall unterlegten Stimme von Robert Connely Farr.

Das meines Erachtens stärkste Stück ist „Dirty South Blues“. Evan Ushenko läuft hier an der elektrischen Gitarre zur Hochform auf. In dem Text bezieht Robert Connely Farr ebenso wie bei „Magnolia“ Stellung zu wohl gerade im Süden der Vereinigten Staaten präsenten Geisteshaltungen und latentem Rassismus.

Zum Ende von „Magnolia“ liefert Kyle Harmon am Schlagzeug eine expressive Einlage. Seine Percussion tritt bei „Lady Heroin” besonders in Erscheinung. Tyson Maiko am Bass vervollständigt die Rhythmus-Section der Rebeltone Boys.

Neben den schon erwähnten „Dirty South Blues“ und „Just Jive“ sorgt „Yes Ma’am“ für Abwechslung auf dem bluesdominierten Album. Die lockere Ballade würde auch gut auf eine Country-CD passen.

Produziert hat Leeroy Stagger, der sich im Roots Rock beziehungsweise Alternative Country – u. a. auch durch die Zusammenarbeit mit Tim Easton und Evan Phillips – bereits einen Namen gemacht hat.

In der Fachpresse werden Parallelen zwischen „Dirty South Blues“ und Veröffentlichungen von Steve Earle, Bruce Springsteen oder The Bottle Rockets gezogen. Ich bin bei solchen Vergleichen eher vorsichtig. Unbestritten dürfte sein, dass Robert Connely Farr ein konzeptionell eigenständiges Werk geschaffen hat. Es schlägt eher ruhigere Töne an, entwickelt dabei aber eine hohe Intensität.

Eigenproduktion (2018)
Stil: Southern Blues

Tracks:
01. Ode To The Lonesome
02. Dirty South Blues
03. Blue Front Café
04. Hard Time Killin’ Floor Blues
05. Magnolia
06. Lady Heroin
07. Just Jive
08. Cypress Tree Blues
09. Yes Ma’am
10. Hey Mr. Devil

Robert Connely Farr & The Rebeltone Boys
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Will Hoge – My American Dream – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

In Zeiten weitgehender sozialer Umwälzungen in den USA hat die Auseinandersetzung mit der politischen Ausrichtung des Landes auch in der Musikszene Einzug gehalten. Protestsongs gegen Donald Trump von Eminem („Campaign Speech“), Bruce Springsteen & Joe Grushecky („That’s What Makes Us Great“) oder Ryan Adams („Doomsday“) sind auch in den Charts erfolgreich.

Die zum Teil konservativ geprägte Country-Szene hielt sich bislang aus dem Politikfeld eher zurück. Will Hoge hingegen, ist einer der wenigen Stars des Country-Business, die immer wieder ihre politische Meinung auf Platten und im Social Media-Bereich zum Ausdruck bringen. Grund genug für Hoge in turbulenten Zeiten jetzt eine neue Scheibe zu veröffentlichen.

Auslöser für die Produktion dieses Longplayers war das Schulmassaker von Parkland, Florida. Als Vater von zwei Kindern war Hoge besonders von diesem Amoklauf betroffen und wollte seine Kritik gegenüber den bestehenden Waffengesetzen auch öffentlich äußern. Die Angst und die Sorge um seine Söhne (11 und 7 Jahre alt) und seine Ehefrau, die als Lehrerin arbeitet, trieb Hoge zum Schreiben.

Die Themen dieses Protest-Albums, mit denen Hoge sich auf „My American Dream“ auseinandersetzt, sind aber vielschichtiger und betreffen nicht nur die unzureichenden Waffengesetzte, sondern auch die Arbeit der Grenzpolizei, die Korruption in der Politik, die Armut breiter Bevölkerungsteile und das vernachlässigte Bildungssystem. Themen, die regelmäßig in den USA u.a. von Neil Young, Rich Hopkins oder Billy Bragg in England aufgegriffen werden.

Die schöne Akustik-Ballade „Thoughts and Prayers“ war der erste Song, den er fertiggestellt hatte und der als Vorab-Single erfolgreich war. Der Opener-Track „Gilded Walls“ ist mit klaren Vorwürfen und Aufforderungen an die Politik gespickt: “It’s clear you don’t care about the folks down here. Indside your Gilded Walls.“ Auf „Stupid Kids“ unterstützt er die Parkland Schüler-Bewegung, die sich gegen die laschen Waffengesetze richtet („Keep your feet marching. Raise up your voice don’t quit. Keep doin‘ what you’re doin‘. Keep being stupid kids“).

„Still A Southern Man“ ist ein nachdenklicher Song über seine Kindheit, als er in der Schule regelmäßig mit Rassismus konfrontiert wurde. In den Stücken „My American Dream“ und „The Illegal Line“ befasst sich Will Hoge mit der Einwanderungsproblematik und den Arbeitsverhältnissen in den USA und versetzt sich in die Charaktere von Betroffenen, ähnlich wie es Bruce Springsteen 1995 auf „Ghost Of Tom Joad“ getan hatte.

Der „Wut-Track“ auf der Platte ist der letzte Song „Nikki’s A Republican Now“, der durch seinen aufwühlenden Sound nachwirkt und von der Machart an den Musik-Aktivisten Tom Morello erinnert.

Das Album verkörpert Hoges Trauer und Wut über die bestehenden sozialen und politischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten. Immer wieder singt er sich den Frust und seine Unzufriedenheit von der Seele und adressiert seine Lieder an Politik und Regierung. „My American Dream“ ist daher nicht nur ein musikalisches Ausrufezeichen, sondern vielmehr auch ein politisches Statement eines besorgten und engagierten Künstlers.

EDLO Records (2018)
Stil: Alternative Country / Southern Rock

01. Gilded Walls
02. Stupid Kids
03. Still A Southern Man
04. Oh Mr. Barnum
05. Thoughts & Prayers
06. My American Dream
07. The Illegal Line
08. Nikki’s A Republican Now

Will Hoge
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Oktober Promotion

Gordie Tentrees & Jaxon Haldane – Grit – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die beiden Kanadier Gordie Tentrees und Jaxon Haldane standen in den letzten vier Jahren über 500 Mal zusammen auf einer Bühne, daher ist es nur konsequent, ein gemeinsames Album zu veröffentlichen. Die zwölf Stücke auf „Grit“ wurden bei fünf Konzerten in ihrem Heimatland mitgeschnitten und geben einen Vorgeschmack auf das, was bei ihrer Tour durch Deutschland im April zu erwarten ist. Die Multiinstrumentalisten haben sich dem Bluegrass beziehungsweise Alternative Country verschrieben.

Beeindruckend ist die Anzahl der gespielten Instrumente. Tentrees wechselt zwischen akustischer Gitarre und Dobro. Er sorgt zudem mit Snare tambourine und Porch board bass für den Rhythmus. Auf einigen Stücken bläst Tentrees zudem noch in die Mundharmonika. Dass sich die Performance nicht nach Straßenmusikern anhört, ist der Begleitung durch Haldane mit unterschiedlichen Cigar box guitars und Banjo zu verdanken. Auf „Holy Moly“ greift Haldane zur Singenden Säge.

Während „Armand“ und „Junior“ gemeinsam geschrieben wurden, stammt die überwiegende Anzahl der Songs von Gordie Tentrees, der auch die Lead vocals singt. Lediglich auf dem Cover von Willie P. Bennetts „Willie’s Diamond Joe“ übernimmt Jaxon Haldane, wobei er die Sache sehr gut macht. Mit „I Don’t Have A Gun” von Will Kimbrough und Tommy Womack findet sich noch eine weitere Coverversion auf der Scheibe.

Die meisten Songs bewegen sich im unteren bis mittleren Tempobereich. Eine Ausnahme ist „Sideman Blues“, bei dem Haldane auf seinem Banjo Gas gibt. Die einzelnen Stücke sind für sich genommen hörenswert, wobei in den Texten interessante Geschichten entworfen werden. Das Werk im Ganzen wirkt aber eher gleichförmig und lässt einen gewissen Spannungsbogen vermissen.

Dennoch finden sich einige Highlights auf der CD. „29 Loads of Freight”, das Titelstück des Debütalbums von Gordie Tentrees aus dem Jahr 2004, ist besonders hervorzuheben. Tentrees schrieb es gemeinsam mit der kanadischen Alternative Country-Ikone Fred Eaglesmith. Besonders sticht auch „Bottleneck To Wire” heraus, das Jaxon Haldane mit seiner Lap steel cigar box guitar untermalt. Bemerkenswert ist zudem „No Integrity Man“, das aus der Feder von Charlie Parr stammen könnte.

Konzertatmosphäre entwickelt das Album kaum. Lediglich durch den Applaus zwischen den Tracks hört man, dass sie vor Publikum eingespielt wurden. Auf ihren Gigs sorgt die Vielzahl der eingesetzten Instrumente sicherlich für Abwechslung. Bei dem Longplayer stellen sich, obwohl sich einige der Songs abheben, auf Dauer leichte Ermüdungserscheinungen bei mir ein. Dies mag daran liegen, dass ich kein eingefleischter Bluegrass-Fan bin.

Wer Freude an dieser Richtung handgemachter Musik hat und die Klangvariationen der unterschiedlichen Saiteninstrumente entdecken möchte, sollte schauen, dass er die CD in die Finger bekommt oder ein Konzert des Duos besuchen.

Greywood Records/Timezone Distribution (2018)
Stil: Bluegrass/Alternative Country

01. Armand
02. 29 Loads of Freight
03. Craft Beards & Man Buns
04. Junior
05. Bottleneck To Wire
06. I Don’t Have A Gun
07. No Integrity Man
08. Willie’s Diamond Joe
09. Lost
10. Sideman Blues
11. Holy Moly
12. Wasted Moments

Gordie Tentrees & Jaxon Haldane
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Greywood Records