Corb Lund – El Viejo – CD-Review

Review: Michael Segets

Das stylische Cover der Scheibe – weißer Sattel auf schwarzem Grund – weckt schon eine gewisse Erwartungshaltung, was die musikalische Ausrichtung angeht. Diese erfüllt Corb Lund auf „El Viejo“ auch. In seiner kanadischen Heimat ist Lund bereits eine Institution im Bereich des Country. Während seiner fast dreißigjährigen Karriere gewann Lund zahlreiche Preise in diesem Genre und wurde unter anderem mit einem JUNO-Award ausgezeichnet.

Die Produktion hebt sich vom Nashville-Mainstream ab. Mit seinem semi-akustischen Sound wirkt das Album erdig und ohne großen Firlefanz durchgespielt. Die Songs bewegen sich meist im gemäßigten Tempo, sind dabei jedoch abwechslungsreich,. Der Longplayer startet mit dem Bluegrass „The Cardplayer“, aber schon im folgenden Track kommt ein Schlagzeug zum Einsatz. „I Had It All“ erhält durch die Mundharmonika einen leicht bluesigen Einschlag.

Im weiteren Verlauf finden sich auf der Setlist einige pure Country-Nummern. „Was Fort Worth Worth It“ gehört ebenso wie „Stratocaster“ in die Gruppe von gut gemachten, klassisch aufgebauten Songs. In die Richtung geht auch die Single „Old Drunken Familar Feeling“ und das Titelstück „El Viejo“, welches in der Übersetzung „Der alte Mann“ bedeutet. Die etwas schwülstige Anmutung der beiden Beiträge wird durch ein gelegentliches Augenzwinkern in den Texten aufgebrochen.

Lund gibt neben dem Country auch anderen Stilrichtungen Raum – beziehungsweise lässt sie in seine Kompositionen einfließen. Die Kombination von Reggae und Banjo bei „It Takes Practice“ ist originell und funktioniert. Zwischen Folk und lateinamerikanischen Rhythmen bewegt sich das insgesamt schwere „Insh’allah“. Lockerer, gemäßigt jazzig, geht es bei „The Game Gets Hot“ zu, das sicherlich zu den auffälligsten Tracks der CD gehört. Rundum überzeugt „Out On A Win“ – ein klasse Song mit akzentuiertem Rhythmus und eingängig Chorus. Ebenso stark ist „Redneck Rehab“ mit treibenden Banjo. Besonders der Einstieg erinnert entfernt an „Jesus Set Me Free“ von Derek Davis, auch wenn das Stück nicht so aufgekratzt weitergeht.

Corb Lund liefert auf „El Viejo“ handgemachten Country und experimentiert mit anderen Musikrichtungen, was das Album belebt. Vor allem die Integration von Reggae-Rhythmen auf einem Track macht Spaß. Die Anspieltipps „Out On A Win“ und „Redneck Rehab“ erklären, warum Lund in seiner Heimat Kanada einen hervorragenden Ruf genießt. Hierzulande dürfte sich sein Bekanntheitsgrad in Grenzen halten, was sich möglicherweise mit seiner Europatour ab Mai ändert. Bei einigen Konzerten supportet er The Dead South.

New West Records (2024)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. The Cardplayer
02. I Had It All
03. Was Fort Worth Worth It
04. Out On A Win
05. Redneck Rahab
06. El Viejo
07. The Game Gets Hot
08. Stratocaster
09. It Takes Practice
10. Insh’allah
11. Old Familiar Drunken Feeling

Corb Lund
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The Dead South – Chains & Stakes – CD-Review

Review: Michael Segets

The Dead South mauserte sich in den letzten Jahren zu dem Referenzpunkt in Sachen Bluegrass. Vor allem durch den experimentellen Umgang mit Genre-Klischees sowie durch ihre Affinität zum Rock nehmen sie in diesem oftmals durch einen konventionellen Sound geprägten Genre eine Ausnahmestellung ein. Die Tendenz zum nervigen Gefiedel und Gezupfe, das im Bluegrass manchmal anzutreffen ist, umschiffen die Kanadier Nathaniel Hilts, Scott Pringle, Colton Crawford und Danny Kenyon auch diesmal.

Sieht man von den drei kurzen – meines Erachtens verzichtbaren – Instrumentals („Where Has The Time Gone“, „ Clemency“, Yore“) ab, bietet „Chains & Stakes“ zehn für die Band typische Tracks. Insgesamt gibt sich The Dead South etwas weniger experimentierfreudig als beispielsweise auf ihren Coverprojekten „Easy Listening For Jerks“ (2022). Eine Ausnahme bildet das expressive Zwischenspiel mit kraftvollen Backgroundrufen bei „Tiny Wooden Box“, dem zunächst auffälligsten Stück des Albums. Der Song wurde zu Recht als erste Single mit Video vorab herausgegeben.

Die Rock-Attitüde, die die Band gelegentlich an den Tag legt, blitzt zwar lediglich bei „Completely, Sweetly“ auf, dennoch haben es die Songs in sich. Wie üblich spielen The Dead South mit Rhythmus- und Tempowechseln wie beim Opener „Blood On The Mind“, das nach bluesigem Anfang Fahrt aufnimmt. „A Little Devil“, die zweite Auskopplung, unterbricht den Galopp im Zwischenspiel, um dann wieder loszulegen. Das Banjo von Colton Crawford treibt die Tracks voran – so auch auf „20 Miles Jump“ sowie „The Cured Contessa“. Beim letztgenannten Song zeugt die Idee, eine Obsession für Frühstücksspeck in den thematischen Fokus eines Textes zu stellen, schon von einer gewissen Originalität und Humor.

Die Lyrics zu verfolgen, macht bei The Dead South sowieso Sinn. So bieten auch „Son Of Ambrose“ oder „Father John“ feines Storytelling. Beide Titel sind Country-Nummern – „Son Of Ambrose“ eher hufeisenschwingend, „Father John“ in einer balladesken Ausprägung. Mit „A Place I Hardly Know“ findet sich noch eine getragene, tief gesungene Ballade, die neben den bereits angesprochenen Instrumentalstücken etwas Tempo aus dem Longplayer nimmt.

„Yours To Keep“ zeugt erneut von der Qualität des Quartetts, das gekonnt ausgefeilte Rhythmusarbeit, mit melodischen Schlänkern und einprägsamen Chorus verbindet. Diese Stärke spielt The Dead South auf vielen Tracks des neuen Albums aus, das dem prämierten „Sugar & Joy” (2019) in nichts nachsteht. Die Band bestätigt mit „Chains & Stakes”, dass der Hauptsitz des modernisierten Bluegrass‘ zurzeit nördlich der Vereinigten Staaten von Amerika liegt. Im Mai und Juni ist The Dead South in Deutschland unterwegs und wird bei einigen Auftritten von Corb Lund, einem kanadischen Landsmann, supportet.

DevilDuck Records/Indigo (2024)
Stil: Bluegrass

Tracks:
01. Blood On The Mind
02. Yours To Keep
03. 20 Miles Jump
04. Where Has The Time Gone
05. A Little Devil
06. Son Of Ambrose
07. Clemency
08. Completely, Sweetly
09. A Place I Hardly Know
10. The Cured Contessa
11. Tiny Wooden Box
12. Yore
13. Father John

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Oktober Promotion

Instant Rivalry – Whiskey And Lead – CD-Review

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Review: Michael Segets

Normalerweise wird, sobald etwas Publicity erworben wurde, schnell ein Produkt nachgeschoben. Die Geschwister Megan und Caleb Hutton haben hingegen mit ihrem Debüt „Whiskey And Lead” auf Qualität gesetzt. Nachdem sie als Instant Rivalry 2015 und 2016 kanadische Country-Preise einheimsten, sammelten sie zunächst als Support für Jefferson Airplane, Tanja Tucker, Corb Lund und The Nitty Gritty Dirt Band einige Live-Erfahrungen, bevor sie sich an die Arbeit an ihr erstes Album begaben.

Im eigenen Studio spielten sie zusammen mit ausgewählten Begleitmusikern fünfzehn selbst komponierte Tracks live ein. Das Ergebnis ist ein handgemachtes Alternative Country-Album, dass sich hören lassen kann. Bei „Ex’s For A Reason“ übernimmt Caleb den Lead-Gesang, ansonsten lässt er seiner Schwester den Vortritt am Mikro.

Der Name der legendären Wild-West-Kunstschützin „Annie Oakley“ dient dem aggressivsten Songs des Albums als Titel. Nach dem Opener geht es mit „If You Can’t Ride“ zwar nochmal country-rockig weiter, aber die meisten Nummern bewegen sich in einem radiotauglichen Midtempo. Als hitverdächtig drängt sich dabei „Heartless“ auf. Aber auch „Rodeo Man“ und „Come And Take It“ sind sehr eingängig.

„Catching Me“ sowie „Slow Motion“ haben einen gefällig poppigen Einschlag. „A Little More Time“ kommt mit einem flotten Country-Rhythmus und Twang daher. Bei dem etwas langsameren „Love With Me“ legt Megan einen rauen Growl in ihren Gesang, den sie auch bei einigen rockigeren Songs anschlägt. Vor allem bei dem staubigen „Ho Down“ kommt er richtig zur Geltung. Die erste Single gehört neben dem frechen „Drink You Pretty“ zu den Highlights der CD.

In der Mitte des Albums streut Instant Rivalry die Ballade „Little Old Farmhouse” ein. Diese folgt ebenso wie „Telluride“ und der Abschluss „Worn Out My Welcome“ den typischen Mustern mit Slide, etwas Geige und mehrstimmigem Harmoniegesang. Mit den Titeln müssen sich Megan und Caleb Hutton nicht vor den Musikern aus Nashville verstecken.

In der Gesamtschau legen die beiden Hutton-Geschwister ein beeindruckendes Debüt vor. „Wiskey And Lead“ besticht durch gutes Songwriting und eine gradlinige Produktion. Gerade im mittleren Tempobereich gelingen Instant Rivalry einige Ohrwürmer, bei denen Chart-Platzierungen durchaus möglich erscheinen. Die harmonischen Melodien erhalten manchmal Ecken und Kanten, mit denen die Songs Konturen gewinnen.

Dass die Huttons nicht auf den schnellen kommerziellen Erfolg schielen, beweist die Auswahl des erdigen „Ho Down“ als erste Auskopplung. Zu hoffen wäre, dass zukünftig weitere Veröffentlichungen folgen, bei denen sich zeigen wird, wie die junge Band den Spagat zwischen Mainstream und eigenem Stil meistert.

Back Forty Productions (2019)
Stil: Alternative Country

Tracks:
01. Annie Oakley
02. If You Can’t Ride
03. Heartless
04. Rodeo Man
05. Come And Take It
06. Ex’s For A Reason
07. A Little More Time
08. Little Old Farmhouse
09. Catching Me
10. Slow Motion
11. Drink You Pretty
12. Love With You
13. Telluride
14. Ho Down
15. Worn Out My Welcome

Instant Rivalry
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Back Forty Productions
Two Side Moon Promotions