Ted Russell Kamp – California Son – CD-Review

Review: Michael Segets

Es wird Zeit, dass der Sommer kommt. Auf diesen kann man sich mit „California Son“ getrost einstimmen. Ted Russell Kamp widmet die CD seiner Heimat, die für Sonne und ihre Musik bekannt ist. Besonders in L. A. lebt eine vielfältige Szene, aus der viele Bands ihre kreative Impulse schöpfen. Man denke hier beispielsweise an Los Lobos. Kamp bleibt eher den Traditionen der Westcoast verhaftet, was gut ist. Mit etwas gutem Willen kann man Anleihen bei The Byrds, The Eagles oder den Beach Boys heraushören.

Das Titelstück, das den Anfang der zwölf Tracks macht, erinnert vor allem im stufenweise höher werdenden Refrain an die Traveling Wilburys. Dem gelungenen, lockeren Einstieg folgt das rockige „Hard To Hold“. Hier winkt Tom Petty von der Ferne. Später findet sich mit „Miracle Mile“ noch ein gradliniger Rocker auf der Scheibe, der durch den Gesang von Emily Zuzik zusätzlich Würze bekommt. Einen Old School Rock‘n Roll liefert Kamp mit „The Upside To The Downslide“ ab.

Bei den Rockstücken hütet sich Kamp vor Extremen, sodass sich das Album im Gesamteindruck eher im Midtempo bewegt – so auch die Songs „One Word At A Time“ und „Shine On“. Beide Titel sind klassisch aufgebaut mit kurzen, unaufdringlichen E-Gitarren-Soli. Die Co-Autorin Jenny Van West beziehungsweise der Co-Autor Rob Waller steuern bei ihren Stücken jeweils einen Gesangspart bei. Zwei Drittel der Songs entstanden in Kooperation mit anderen Musikern. Die restlichen Stücke sind reine Eigenkompositionen. Kamp setzt nicht nur beim Songwriting auf Teamwork, sondern auch bei der Umsetzung im Studio sind eine Menge Leute beteiligt. In verschiedenen Studios waren insgesamt mehr als zwanzig Künstler zu Gange, um die Tracks einzuspielen. Dem zum Trotz findet sich mit „Hanging On Blues“ eine Soloperformance von Kamp an seinem Bass.

Gleich vier Gastsänger werden für die filigrane Ballade „Firelight“ eingeflogen, die sanfte Untertöne beisteuern. Etwas erdiger geht es bei „Ballad Of The Troubadour“ zu. Die wimmernde Steel Pedal stimmt schon mal auf die anschließende Country-Nummer „High Desert Fever“ ein. Der launige Ausflug in die Prairie beginnt mit einem wuchtigen Gospelchor, um dann mit ordentlichen Twang loszutraben. Das Stück bringt einen neuen Stil auf den Longplayer, bei dem die Abfolge der Songs geschickt gewählt ist.

Es kommt keine Langeweile auf und beim ersten Durchhören gibt es einige überraschende Momente, die aber keinen Bruch im Gesamtwerk erzeugen. Nach dem Schwofer „Roll Me Till The Sun Come Up“ setzt Kamp zum Abschluss ein Highlight mit dem cool gesungene Track „Every Little Thing“, der in den Strophen die Long Ryders ins Gedächtnis ruft.

Bei dem vierzehnten Album des langjährigen Bassist von Shooter Jennings drängen sich viele Assoziationen zu anderen Musikern auf. Diese Querverweise sind von Kamp in seiner Liebeserklärung an die amerikanische Westküste gewollt. Die Referenzpunkte stehen dabei nicht plakativ im Vordergrund. Kamp saugt deren Einflüsse auf und macht aus diesen Traditionen sein eigenes Ding, das entsprechend vielfältig erscheint.

KZZ Records/Blue Elan (2024)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. California Son
02. Hard To Hold
03. One Word At A Time
04. Shine On
05. The Upside To The Downslide
06. Ballad Of The Troubadour
07. High Desert Fever
08. Firelight
09. Miracle Mile
10. Hanging On Blues
11. Roll Me Till The Sun Come Up
12. Every Little Thing

Ted Russell Kamp
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Jason Ringenberg – Stand Tall – CD-Review

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Review: Michael Segets

Da wäre mir beinahe „Stand Tall“ von Jason Ringenberg durchgegangen. Im Frühjahr brachte der Pionier des Country Rock und Cowpunk nach vierzehn Jahren doch tatsächlich eine neue Solo-Scheibe heraus. Die Entdeckung ist nun quasi ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Die Musik selbst ist natürlich weniger besinnlich, da Jasons neues Werk nahtlos an seine bisherigen Veröffentlichungen anknüpft.

Mit seinen Weggefährten Warner Hodges, Jeff Johnson und Perry Baggs entstaubte Ringenberg als Jason And The Scorchers Anfang der 1980er die Country-Szene. Nach zwanzig Jahren, in denen sich die Band einen legendären Ruf als Liveact erwarb, folgte eine längere Pause. 2010 schoben Jason And The Scorchers „Halycon Times“ nach. Neben den eher sporadischen Treffen der Band widmete sich Ringenberg seit der Jahrtausendwende verstärkt seiner Solokarriere und veröffentlichte zudem als Farmer Jason Musik für Kinder.

Wie den Linernotes zu „Stand Tall“ zu entnehmen ist, verabschiedete sich Ringenberg vor ein paar Jahren von der Vorstellung, weitere Alben herauszubringen. Den Veränderungen im Musikgeschäft wollte er nicht folgen. In der Abgeschiedenheit eines Nationalparks überkam ihn aber ein neuer Inspirationsschub, der den Grundstein für das nun vorliegende Album legte.

Die Gefühle und Gedanken, die Ringenberg beim Anblick der gleichsam unberührten Natur erfüllten, teilt er in „Here In The Sequoias“ mit. Es ist die einzige der sieben Eigenkompositionen, bei der er ruhigere Töne anschlägt. Das andere Ende der Fahnenstange ist die krachende Uptempo-Nummer „God Bless The Ramones“. Wie der Songtitel bereits nahe legt, hat sie einen deutlichen Punk-Einschlag. Dieser tritt auch auf „John Muir Stood Here“ zutage, bei dem Ringenberg den Naturschützer besingt.

Ringenberg hat sowieso ein Talent dafür, historische Personen – wie beim witzigen „John The Baptist Was A Real Humdinger“ – oder auch fiktive Charaktere – wie Will Tucker beim „I’m Walking Home“ zum Leben zu erwecken. Seine Texte sind oftmals von bissigem Humor und von tiefem Mitgefühl geprägt. Diese Kombination findet man sonst selten im Musikbusiness.

Die beiden Songs stellen meine Favoriten auf dem Album dar. Die Charakterisierung von Johannes dem Täufer im erstgenannten Titel mutet wunderbar skurril an. „I’m Walking Home“ erzählt die Geschichte eines Soldaten im Amerikanischen Bürgerkrieg, dem sich die Sinnhaftigkeit der Kämpfe nicht erschließt. Dabei bedient sich Ringenberg musikalisch bei den historischen Bürgerkriegsliedern, indem er Trommelwirbel, Flöten und Fideln einsetzt. Von der anderen Seite des Atlantiks lassen hier The Pogues grüßen.

Obwohl ich eher kein Freund von Instrumentalstücken bin, gelingt Ringenberg doch ein bemerkenswerter Beitrag mit dem Titeltrack „Stand Tall“. Die Italo-Western-Soundtracks von Ennio Morricone drängen sich hier als Vergleich auf.

Seinen charakteristischen Gesang mit der besonderen Intonation spielt Ringenberg bei dem Country Rocker „Lookin’ Back Blues“ aus. Auch die beiden Cover „Almost Enough“ und „Many Happy Hangovers To You“ verbinden Country- und Rockelemente. Sie stammen von Hugh Deneal beziehungsweise Johnny McCrea. Zudem interpretiert Ringenberg Bob Dylans Klassiker „Farewell Angelina“ sowie die Country-Ballade „Hobo Bill’s Last Ride“ von Jimmie Rogers. Die beiden Versionen bieten Verschnaufpausen auf dem Album, bei dem Ringenberg insgesamt ein hohes Tempo geht.

„Stand Tall“ vermittelt den Eindruck, als sei Jason Ringenberg nie weg gewesen. Voller Energie präsentiert er die neuen Songs in seinem unverwechselbaren Stil und mit dem typischen Augenzwinkern. Ringenberg lässt die guten alten Zeiten des punkigen Country Rocks wieder aufflackern, was heutzutage wieder kreativ und provokativ wirkt.

Fast zeitgleich melden sich The Long Ryders und Jason Ringenberg nach längerer Abstinenz mit neuem Material zurück. Ob sich damit die etwas schrägere Art des Country Rocks mit Punk-Attitüde ein Revival erlebt, sei dahingestellt. Es würde nicht schaden, wenn einige der jüngeren Vertreter des Alternative Country in den Texten und der musikalischen Umsetzung etwas mutiger würden. Jedenfalls zeigen die älteren Herren, dass sie nichts von ihrem Feuer eingebüßt haben.

Courageous Chicken Entertainment (Broken Silence) (2019)
Stil: Country Rock, Cowpunk

Tracks:
01. Stand Tall
02. Lookin’ Back Blues
03. John The Baptist Was A Real Humdinger
04. God Bless The Ramones
05. Hobo Bill’s Last Ride
06. I’m Walking Home
07. Almost Enough
08. Here In The Sequoias
09. John Muir Stood Here
10. Many Happy Hangovers To You
11. Farewell Angelina

Jason Ringenberg
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The Long Ryders – Psychedelic Country Soul – CD-Review

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Review: Michael Segets

The Long Ryders haben es geschafft, sich innerhalb von fünf Jahren Kultstatus zu erspielen. Mit ihrem progressiven Sound, der zwischen Rock und Country changiert sowie Psychedelic-, Punk- und Garage-Elemente aufnimmt, gelten sie als Vorreiter des Alternativ Country. Wie beispielsweise Green on Red zählen sie zu den Vertretern des kalifornischen Paisley Underground. The Long Ryders orientierten sich aber stärker an den Byrds. Gene Clark wirkte dann auch auf ihrem Debüt „10-5-60“ (1983) mit.

Nach der Bandauflösung im Jahr 1987 fand sich die Band zwar noch sporadisch zusammen, spielte jedoch kein neues Studioalbum mehr ein. Livekonzerte, Zusammenstellungen mit Demoversionen oder Jubiläumsversionen ihrer früheren Werke wurden veröffentlicht, die substantielle Phase der Band schien allerdings vorbei.

Mehr als dreißig Jahren sind ins Land gegangen, bevor jetzt ein Album mit wirklich neuen Tracks der Band erscheint. Bereits im Titel und in der Cover-Gestaltung, die wie gewohnt die (sichtlich gealterten) Bandmitglieder zeigt, wird deutlich, dass „Psychedelic Country Soul“ im Wesentlichen dort weitermacht, wo The Long Ryders ihre Bandgeschichte unterbrochen hatten. Gitarren und Schlagzeug sind allerdings nicht mehr so scheppernd und der Gesang etwas glatter als früher.

Die Songs versprühen weniger Punk-Attitüde, was dem Reifungsgrad der Bandmitglieder geschuldet sein mag. Sid Griffin, Stephen McCarthy, Tom Stevens und Greg Sowders müssen nichts mehr beweisen. Entsprechend leicht und entspannt wirken sowohl die langsameren als auch die meisten Uptempo-Nummern des Albums.

Mit Harmoniegesang in bester Westcoast-Manier stimmt „Greenville“ als Auftakt des Werks in dessen Grundausrichtung ein. In eine ähnliche Kerbe schlägt das sofort ins Ohr gehende „Walls“. Neben den beiden schnelleren Titeln verleugnet auch die Ballade „Bells Of August“ die Herkunft der Band aus dem Sonnenstaat nicht.

Atmosphärisch etwas dunkler angelegt ist das melodiöse „Molly Somebody“ und der gradlinige Rocker „What The Eagle See“, der durch den eingängigen Refrain und die härteren Gitarrenriffs mitreißt. Unheimliche Energie verströmt „All Aboard”, bei dem Sid Griffins Gesang knarziger als auf den anderen Stücken klingt und durch eine kratzige Gitarre unterstützt wird.

Die Gitarrensprengsel auf „Let It Fly“ geben dem Song eine herrlichen Southern-Flair. Mit Geige und mehrstimmigen Background spiegelt er ebenso wie das locker rockende „The Sound“ sowie die mit Slide unterlegte Ballade „California State Line“ das Spektrum des Alternative Country wider, das die Band abdeckt.

Sid Griffin umschifft bei der sanften Ballade „If You Want To See Me Cry” gekonnt eine übermäßige Rührseligkeit. Der Rhythmus im Refrain des langsamen „Gonna Make It Real” setzt sich direkt in den Gehörgängen fest. Insgesamt halten sich ruhigere und rockige Titel auf dem Longplayer die Waage. Psychedelische Elemente sind zurückgenommen und scheinen nur noch im abschließenden Titelstück auf.

The Long Ryders können es noch. Vielleicht wirken die Songs ihres Spätwerks nicht mehr so zukunftsweisend wie in den 1980ern, aber ihr eigenwilliger Sound hat immer noch einen hohen Wiedererkennungswert. Auch heute ist er frisch und interessant, wenn er auch weniger Ecken und Kanten aufweist als früher. „Psychedelic Country Soul“ vereint Westcoast, Alternativ Country und straight gespielten Rock in abwechslungsreicher Mischung. The Long Ryders revolutionieren den Country-Rock nicht mehr, sie bereichern ihn aber souverän mit ihrer Reunion.

Omnivore Recordings/Cherry Red Records/Rough Trade (2019)
Stil: Alternative Country, Alternative Rock

Tracks:
01. Greenville
02. Let It Fly
03. Molly Somebody
04. All Aboard
05. Gonna Make It Real
06. If You Want To See Me Cry
07. What The Eagle See
08. California State Line
09. The Sound
10. Walls
11. Bells Of August
12. Psychedelic Country Soul

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