Son Volt – Day Of The Doug. The Songs Of Doug Sahm – CD-Review

Review: Michael Segets

Doug Sahm (1941-1999) hat den Tex-Mex hoffähig gemacht. Die größten Hits – „She’s About A Mover“ und „Mendocino“ – verzeichnete Sahm zusammen mit dem Sir Douglas Quintet. In den 1970ern startete Sahm eine Solo-Karriere und war in der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts mit den Texas Tornados unterwegs. Der Einfluss von Sahm auf die nachfolgende Musikergeneration bleibt nicht zu unterschätzen, obwohl er selten explizit als Inspirationsquelle angeführt wird. So wunderte sich Brian Henneman seinerzeit, dass sich nach dem Tod von Sahm kein Tribute-Projekt abzeichnete, und spielte mit den Bottle Rockets dann kurzerhand selbst das Album „Songs Of Sahm“ (2002) ein.

Henneman war ebenso wie Sahm Gastmusiker auf dem letzten Album von Uncle Tupelo („Anodyne“). Jay Farrar, der jetzige Frontmann von Son Volt, singt dort ein Duett mit Sahm („Give Back The Key To My Heart“). Drei Jahrzehnte sind seitdem ins Land gegangen. Nun bringt Son Volt mit „Day Of The Doug“ eine Hommage an Sahm heraus. Die Songauswahl konzentriert sich auf dessen frühen Werke bis in die 1970er. Dabei wählt Farrar weniger bekannte Titel aus, die nach seiner Einschätzung zu wenig Würdigung erfuhren. Zudem fand er noch Nachrichten von Sahm auf seinem Anrufbeantworter. So konnte dessen Originalstimme auf dem vorliegenden Werk verewigt werden. Farrar besinnt sich mit dem Tribute-Album auf die Einflüsse, die ihn als Musiker geprägt haben. Er schafft damit allerdings eine gewisse Distanz zu dem, was er seitdem mit Son Volt herausgebracht hat.

Die musikalische Sozialisation kann man nicht ausblenden. Wenn ich die Songs von Sahm höre, versetzt mich dies in meine Kindheit zurück. Mit „Mendocino“ war ich in meinem Elternhaus öfter konfrontiert – selbstverständlich in der deutschen Version von Michael Holm. Wahrscheinlich rühren daher meine Assoziationen mit dem Schlager, sobald Sahms Stücke aus dem Lautsprecher tönen. Auch auf „Day Of The Doug“ treten diese Verbindungslinien auf. Die Titel sind durchweg eingängig und rund. Vor allem die quietschenden Keys haben dabei gelegentlich etwas Karnevalistisches. Farrars Gesang reduziert diesen Eindruck allerdings wieder.

Das Albumcover schlägt eine gelungene Brücke zwischen mexikanischem Muerte-Brauch und Sahms Tex-Mex, zu dem natürlich das etwas aufgedreht Fiesta-Feeling gehört. „Dynamite Woman“, „Seguin“ oder „Poison Love“, bei dem ein Akkordeon mitmischt, sind dieser Richtung verhaftet. Daneben finden sich auch Country-Nummern wie „Huggin‘ Thin Air“ und das mit klimpernden Bar-Piano versehene „Keep Your Soul“. Eine Spur rockiger als die anderen Titel sind „Yesterday Got In The Way“ und das stärkste Stück „Float Away“, das ursprünglich auf „Texas Rock For Country Rollers“ (1976) veröffentlicht wurde. Darüber hinaus ist „It’s Gonna Be Easy“ hervorzuheben, das mit ruhigeren Tönen quasi den Abschluss des Albums bildet.

„Day Of The Doug“ ist eine späte Würdigung der Songs und des Einflusses von Dough Sahm auf den Alternative Country. Dem Longplayer haftet eine gewisse Leichtigkeit an, die sich von den bisherigen Werken der Band abhebt. Jay Farrar sorgt mit seinem Gesang allerdings dafür, dass der Tribute problemlos als Album von Son Volt zu identifizieren bleibt.

Transmit Sound/Thirty Tigers – Membran (2023)
Stil: Alternative Country and more

Tracks:
01. Doug Intro
02. Sometimes You’ve Got To Stop Chasing Rainbows
03. What About Tomorrow
04. Beautiful Texas Sunshine
05. Float Away
06. Yesterday Got In The Way
07. Keep Your Soul
08. Dynamite Woman
09. Huggin’ Thin Air
10. Juan Mendoza
11. Poison Love
12. Seguin
13. It’s Gonna Be Easy
14. Doug Outro

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Rich Hopkins And Luminarios – Exiled On Mabel St – LP-Review

Review: Michael Segets

Rich Hopkins, der im kommenden Januar seinen 65-zigsten Geburtstag feiert, gilt als ein Urgestein des Desert Rock. Der frühere Frontmann der Sidewinders, die sich später in Sand Rubies umbenannten, veröffentlichte in den vergangenen dreißig Jahren rund zwanzig Alben mit den Luminarios, wobei die Besetzung der Band ständig wechselte. Einzige Konstante bei den Luminarios ist Lisa Novak, die Ehefrau von Hopkins. Mit „Exiled On Mabel St“ zeigt sich Hopkins wieder in Hochform, wobei der Longplayer durchaus als gemeinsames Projekt des Ehepaars bezeichnet werden könnte.

Die zehn Titel schrieben Hopkins und Novak zusammen. Novak steuert bei einigen Stücken wunderbare Harmonien bei und übernimmt bei zweien die Lead Vocals. Dabei spielt sie mit unterschiedlichen Facetten ihrer Stimme und erzeugt damit verschiedene Stimmungen. Ist schon die eingängige, erdige Ballade „Nuthin‘ At All” ein sehr gelungener Beitrag, entwickelt das hypnotische „Break Through“ eine ungeheure Intensität. Im Vordergrund steht Novaks mal gehauchter, mal kräftigerer Gesang, der mit knistern-knarzige Gitarren, einschließlich Rückkopplungen, unterlegt ist. In einer Passage akzentuiert Hopkins ein paar klare Töne auf seinem Saiteninstrument, die oberhalb des Soundteppichs zu schweben scheinen und innerhalb des Songs sehr effektvoll wirken. Teilweise wird Neil Young als Referenzpunkt für Hopkins Musik angeführt, was an dieser Stelle völlig nachzuvollziehen ist.

Das Album startet mit drei gradlinigen Rockern im mittleren Tempo, wie sie für Hopkins typisch sind: „A Message Of Love“, „Count On Me“ sowie „Everybody Knows“. Durch den Gesang und die klirrende, teilweise staubig klingende Gitarrenbegleitung lassen sich die Tracks dem Texaner unverkennbar zuordnen. Obwohl die Titel qualitativ nahe beieinander liegen, rangiert der letztgenannte in meinem Ranking eine Nuance über den anderen beiden. Höhepunkt des Albums – neben dem schon erwähnten „Break Through“ – stellt allerdings „Josephine“ dar. Er hat mit seinem deutlichen Refrain und der schönen Bridge alles, was einen richtig guten Roots Rock-Song ausmacht.

Sein variables Gitarrenspiel beweist Hopkins bei „I Wouldn’t Listen To Me”, bei dem er auf einen vollen, satten Klang setzt und bei dem sanfteren „I Don’t Care“. Im Vergleich zu den anderen Stücken fällt „Prodigal Son“ etwas ab, was an dem Sprechgesang liegt, von dem ich kein Fan bin. Die Gitarrenarbeit ist aber auch bei diesem Track nicht zu kritisieren und das kräftige Schlagzeug gefällt ebenso. Zudem verdient der mitfühlende, sozialkritische Text, der sich um die Situation von Obdachlosen dreht, Beachtung.

Zum Abschluss schlägt Hopkins mit „Bataan Death March“ soundtechnisch experimentellere Töne an. Man kann ihn eigentlich als Instrumentalstück bezeichnen, obwohl Hopkins in klanglicher Ferne das „Vater unser“ rezitiert. Interessant ist die Inspirationsquelle: Der Todesmarsch von Bataan ging als Kriegsverbrechen der Japaner während des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte ein. Auf dem Weg starben etwa 10.000 von 70.000 amerikanischen und philippinischen Gefangenen.

Blue Rose Records bringt „Exiled On Mabel St“ auf Vinyl und als CD heraus. Auf der digitalen Version sind noch vier Hidden Tracks sowie zwei Kommentare von Hopkins zugefügt. Das Label veröffentlicht seit 1995 die Alben hochklassige Bands aus dem Americana- und Roots Rock-Universum – exemplarisch seien hier nur The Brandos und die Bottle Rockets genannt. Im angeschlossenen Mailorder-Shop finden sich zahlreiche Werke, die auch bei SoS besprochen werden, sodass sich ein Besuch der Website auf alle Fälle lohnt. Dabei kann das neue Album von Hopkins direkt in den Warenkorb gelegt werden.

Rich Hopkins And Luminarios laden mit „Exiled On Mabel St“ zu einer musikalischen Spritztour durch den Südwesten der USA ein. Mit seinem unverwechselbaren Gesang und den variationsreichen Gitarren zeigt sich Hopkins erneut als sicherer Reiseführer durch die Gefilde des Desert Rocks. Seine Begleiterin Lisa Novak hinterlässt bei der Routenplanung ihre Handschrift und sorgt für hörenswerte Zwischenstopps. Bei dem Angebot sollte man einsteigen und genießen.

Blue Rose Records (2022)
Stil: Desert Rock

Tracks:
01. A Message Of Love
02. Count On Me
03. Everybody Knows
04. Prodigal Son
05. I Don’t Care
06. Break Through
07. Josephine
08. Nuthin‘ At All
09. I Wouldn’t Listen To Me
10. Bataan Death March

Rich Hopkins & The Luminarios
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Blue Rose Records

Lizanne Knott – Bones And Gravity – CD-Review

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Review: Michael Segets

Obwohl bereits Ende des letzten Jahres erschienen, flatterte „Bones And Gravity“ von Lizanne Knott erst jetzt als Neuerscheinung auf meinen Schreibtisch. Da das Werk ein prototypisches Americana-Album und gute Musik sowieso zeitlos ist, seien hier ein paar verspätete Worte zu ihm verloren.

Americana stellt oftmals so eine Verlegenheitsbezeichnung für Roots-Musik dar, die irgendwo zwischen Folk, Country, Rock und Blues liegt, sich jedoch nicht so richtig einem dieser Genres zuordnen lässt. Bei Lizanne Knotts Musik macht es aber Sinn, Americana als eigenständiges Genre zu bezeichnen. Sie bedient sich auf „Bones And Gravity“ zwar vor allem beim Folk und Country, pendelt aber bei den verschiedenen Songs nicht zwischen diesen hin und her, sondern folgt einer eigenständigen Richtung.

Dennoch finden sich zum einen die folkorientierte Stücke „Tired“ und „I Was A Bird“, auf denen die akustische Gitarre von Knott lediglich mit der Baritone-Gitarre und dem Wurlitzer-Piano von Glenn Barratt begleitet wird. Zum anderen kommen Country-Einflüsse auf „Emmylou“, einer Hommage an Emmylou Harris, sowie auf „Hurricane“ zur Geltung.

Auf dem insgesamt ruhigen Album schlägt Knott nur bei „Lay Him Down“ dezent rockige Töne an. Sehr schön ergänzen sich hier Lap Steel und Geige. Auf anderen Songs werden auch Cello („Bones And Gravity“) und Mandoline („Kindness“) eingesetzt, sodass der Sound der Tracks variiert. Dabei wirkt der Longplayer in Gänze geschlossen und homogen. Wenn einzelne Songs besonders hervorgehoben werden sollen, sind das neben dem schon erwähnten „Lay Him Down“ der Opener „Walk Away“ sowie das durch seinen Text bestechende, autobiographische „Keep Me Alive“.

Knott ist nicht nur in ihrem Heimatstaat Pennsylvania als Sängerin, die ihrer hellen Stimme viele Nuancen abgewinnt, sondern auch durch ihre ausdrucksstarken Texte anerkannt. Nicht umsonst teilte sie sich die Bühne bereits mit Künstlern wie Shawn Colvin, Joan Osborn oder Josh Ritter.
Die stimmungsvollen Texte drehen sich meist um zwischenmenschliche Beziehungen, die sich nicht nur auf Paarbeziehungen beschränken („Caroline“).

Etwas anders gelagert ist „Like I Love My Dog“, das besonders dem Hundeliebhaber Daniel – vielleicht auch Django – gefallen wird. Bei dem Song diente die Zuneigung zu ihrem in die Jahre gekommenen tierischen Weggefährten als Inspirationsquelle. Ein inhaltlich ähnlicher Titel von den Bottle Rockets („Dog“ auf „South Broadway Athletic Club“) kommt mir da in den Sinn.

In den elf Eigenkompositionen lotet die Singer/Songwriterin Lizanne Knott ihre Gedanken- und Gefühlswelt in poetischen Texten mit harmonischen, unaufgeregten Melodien aus. „Bones And Gravity“ ist ein stimmiges Americana-Album, das diese Bezeichnung verdient und kein verkappter Folk- oder Country-Longplayer.

Eigenproduktion (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Problem Solution
02. The Drifter
03. No History
04. Sycamore
05. Come On Shorty
06. Cursive
07. Faster Than Fire
08. Widow’s Walk
09. River Of Love And Loss
10. The Rapture
11. I Don’t Know A Thing About Love

Lizanne Knott
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