The Mavericks – Moon & Stars – CD-Review

Review: Michael Segets

„The Years Will Not Be Kind“ lautet der Titel des Openers von „Moon & Stars“. Die Jahre gehen nicht spurlos vorbei, auch nicht an den Mavericks. Vielleicht kann man noch hinzufügen, dass früher vieles besser war. Bei dem Urteil mag die Vergangenheit verzerrt sein oder die Wahrnehmungen sich verändert haben, bezogen auf das neue Album der Mavericks lässt sich aber konstatieren, dass man sich in die alten Zeiten zurückwünscht. Positiv formuliert könnte man natürlich auch sagen, dass sich die Band musikalisch weiterentwickelt hat.

In den 1990ern heimsten The Mavericks einen Grammy sowie zahlreiche weitere Preise ein und waren eine feste Größe in den Country-Charts. Auch nach der Reunion in den 2010ern verbuchte die Band einige Erfolge. In den letzten fünf Jahren brachte sie das Cover-Album „Play The Hits“ sowie „En Español“ mit durchgängig spanischen Texten heraus. Daran schließt sich nun „Moon & Stars“ an, auf dem weiterhin Latino-Sounds dominieren, allerdings mit englischen Lyrics. Auf dem Longplayer sind elf Eigenkompositionen vertreten, die häufig unter Mitwirkung weiterer Songwriter wie Bernie Taupin, Sam Hollander und Wally Wilson entstanden.

Mehrere Beiträge wie beispielsweise der voraus herausgegebene Titeltrack, bei dem Sierra Ferrell mitsingt, wirken ziemlich schwülstig. Vor allem Raul Malos kräftiger, tiefer Gesang bringt oft melodramatische Züge in die Songs, die mit leichten karibischen Rhythmen aufwarten. Dieser Eindruck gipfelt dann in den letzten Tracks, die einen zirzensischen Einschlag („The Name Of The Game“, „Turn The World Around“) mitbekommen.

Zuvor finden sich einzelne Songs, die ein Reinhören lohnen. Die Single „Live Closer By (Visit Often)“ ist der stärkste Beitrag des Albums. Mit Duett-Partnerin Nicole Atkins liefert Malo eine schmissige, soulige Nummer ab. Das Stück wurde von Malo und der verstorbenen K. T. Oslin geschrieben, die es auf ihrem gleichnamigen Album (2001) bereits veröffentlichte. „Here You Come Again“ weist ebenfalls in Richtung Soul. „Overnight Success“ stellt hingegen eine lockere Tex-Mex-Nummer dar, die an die frühen Los Lobos erinnert. Diese Verbindung lässt sich auch bei dem langsameren „A Guitar And A Bottle Of Wine“ herstellen, das weniger überladen erscheint als manch anderer Track.

The Mavericks verfolgen auf „Moon & Stars“ eine Spielart des Tejano, die mehr dem Latino folgt als dem Country. Wenn man nach mehreren Cocktails an einem karibischen Strand die Abendstimmung genießt, mögen die Songs durchaus passen. Im verregneten Deutschland greift man wohl doch eher auf die älteren Werke der Band zurück.

Mono Mundo Recordings – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Tejano

Tracks:
01. The Years Will Not Be Kind
02. Live Close By (Visit Often)
03. Moon & Stars
04. Look Around You
05. And We Dance
06. Without A Word
07. Overnight Success
08. Here You Come Again
09. A Guitar And A Bottle Of Wine
10. The Name Of The Game
11. Turn Yourself Around

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Patricia Vonne – My Favorite Holiday! – CD-Review

Jedes Jahr nehme ich mir vor, die Weihnachtsgeschenke frühzeitig zu besorgen. Jedes Jahr fehlen mir die meisten aber noch zwei Tage vor Heiligabend. Für diejenigen, denen es ähnlich geht, habe ich den Tipp, sich Patricia Vonnes „My Favorite Holiday!“ frühzeitig zuzulegen – am besten ein paar Mal, denn CDs halten sich zur Not auch bis zum übernächsten Fest. Das Album stammt sowieso schon aus 2021, aber da hatte ich es noch nicht entdeckt. Ich bin erst durch das letzte Konzert von Vonne in der Kulturrampe auf es aufmerksam geworden.

Weihnachtsalben haben zwar kein Verfallsdatum, sind in der Regel jedoch saisonal begrenzt. Oftmals reproduzieren sie die bekannten Klassiker und sind daher meist musikalisch weniger interessant. Anders verhält es sich mit „My Favorite Holiday!“, auf dem Vonne selbst (mit-)komponierte Songs vorstellt. Einzige Ausnahme ist das Traditional „Carol Of The Bells“, das sie a cappella mit ihrer Familie singt.

Für die Eigenkompositionen verdient die CD schon mal den ersten Stern, einen weiteren für die völlig erfüllte Grundanforderung, dass ein solches Konzeptalbum überwiegend Weihnachtsstimmung transportiert. Das beschwingte „Santa’s On His Way“ könnte ebenso wie das langsamere „Christmas Without You“, bei dem Stephen Ferrone (Tom Petty) am Schlagzeug sitzt, als Soundtrack eines entsprechenden Hollywood-Schinkens dienen. Wie diese Tracks ist auch „Christ Child“ orchestral unterlegt, wofür Scott Plunkett (Don Henley, Chris Isaak) verantwortlich zeichnet. Das flotte Titelstück mit Schellen und Schuhu-Background gehört ebenfalls in die Kategorie der eindeutigen Weihnachtslieder. Es punktet besonders durch das Saxophon von Johnny Reno.

Einen dritten Stern gibt es dafür, dass sich der Longplayer nicht in süßlicher Sentimentalität verliert. Bei dem staubigen, in die texanisch-mexikanische Grenzregion versetzenden Midtempo-Song „Alone On Christmas Day“ glänzt David Grissom (John Mellencamp, James McMurtry, Joe Ely) an den Gitarren. „Old Man Santa“, von Vonne, Rick Del Castillo und Alex Ruiz gemeinsam geschrieben und von Vonne und Ruiz als Duett performt, ist ein kräftiger Rocksong, der vielleicht thematisch, aber nicht musikalisch auf einem Weihnachtsalbum zu erwarten ist. Einen eigenen Stern erhält „Santa’s On A Rampage“, der nach Little Steven’s Underground Garage zu den Coolest Songs In The World gehört. Vonne und Rosie Flores gelingt hier ein ausgelassener Geniestreich, der Spaß macht und gute Laune versprüht.

Schließlich vergebe ich einen Stern für die Soundvielfalt, die durch die in spanischer Sprache gesungenen Songs nochmals erhöht wird. Bei diesen lässt Vonne ihre Kastagnetten klicken und klackern. Weitere Akzente setzen die Congas, Bongos in Kombination mit einer Geige bei „Cumbia Navidad“. Für „Nochebuena“ holt Vonne erneut Alex Ruiz mit ans Mikro, für „Las Posadas“ Ruben Blades.

In der Rubrik Weihnachtsalben erreicht „My Favorite Holiday!“ fünf von fünf Sternen. Ich könnte noch weitere vergeben, aber dann verzähle ich mich wieder. So ist dieser Longplayer nämlich der achte von Vonne und nicht „Top Of The Mountain“ (2018), wie ich seinerzeit behauptete. Produziert wurde er von Rick Del Castillo.

Patricia Vonne legt mit „My Favorite Holiday!“ ein originelles Werk vor, das thematisch um Weihnachten kreist, musikalisch aber eine bunte Mischung bietet, die sich aus ihren unterschiedlichen musikalischen Wurzeln speist. Diese liegen vor allem im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Neben den wohlklingenden Titeln, die sich in die Tradition moderner Weihnachtslieder nahtlos einreihen, finden sich daher auch aufgekratzte Rocksongs und spanische Stücke auf dem Album, die nicht nur zu den Festtagen gehört werden können.

Bandolera Records (2021)
Stil: Tejano/Weihnachtslieder

Tracks:
01. Santa’s On His Way
02. Nochebuena
03. Alone On Christmas Day
04. Las Posadas
05. Christmas Without You
06. My Favorite Holiday
07. Cumbia Navidad
08. Santa’s On A Rampage
09. Christ Child
10. Carol Of The Bells
11. Old Man Santa

Patricia Vonne
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Los Lobos – Native Sons – CD-Review

cover Los Lobos - Native Sons 300

Review: Michael Segets

Just another band from East L. A. – so bezeichneten sich Los Lobos selbst, dabei besteht für die Wölfe kein Grund zur Bescheidenheit. Spätestens mit ihrem internationalen Superhit „La Bamba“ sind sie über die Grenze ihrer Heimatstadt hinaus bekannt. Dennoch ist die Band in der kalifornischen Metropole tief verwurzelt und besinnt sich mit „Native Sons“ auf die musikalischen Einflüsse, die sie prägten. Bis auf den Titeltrack, der eine Eigenkomposition darstellt, covern Los Lobos eben die Bands und Musiker, die eng mit L. A. verbunden sind.

Seit den 1980ern gelten Los Lobos als Inbegriff des Tex-Mex und haben dem Tejano mit ihrem eigenständigem Sound einen Stempel aufgedrückt. In der Folgezeit erweiterte die Band ihre Bandbreite, sodass die musikalische Richtung ihrer Alben kaum abzusehen ist. „Kiko“ (1992) gilt unter Kritikern als ein Höhepunkt unter den Veröffentlichungen, wobei „The Neighborhood“ (1990), mit den Gastmusikern Levon Helm und John Hiatt, bereits den Aufbruch zu neuen Ufern markierte.

In der letzten Dekade tourten sie mit Neil Young, der Tedeschi Trucks Band und den North Mississippi Allstars, bevor es um die Combo stiller wurde. Mit „Native Sons“ melden sich Los Lobos nun wieder zurück, allerdings ohne neues Eigenmaterial zu präsentieren, sieht man von dem Titelsong ab. Dass die Mannen aus L. A. bei ihren Covern den jeweiligen Songs eigene Facetten und einen veränderten Klang mitgeben können, haben sie ausgiebig auf mehreren Tribute-Alben bewiesen und so hört sich „Native Sons“ ganz nach Los Lobos an.

„Never No More“ von Percy Mayfield und „Flat Top Joint“ von Dave Alvin (The Blasters) sind im Stil des klassischen Rock ’n Roll gehalten. Ein hohes Tempo geht auch „Farmer John“. Der Song ist bereits auf diversen Live-Mitschnitten von Los Lobos zu finden. Einzelne Tracks haben einen Funk-Einschlag („Love Special Delivery“), gehen in Richtung R&B („Misery“) oder kombinieren beides („The World Is A Ghetto“). Wie häufig bei den Longplayern von Los Lobos finden sich zudem spanische Titel auf „Native Sons“, die beim Uptempo oft einen zirzensischen Eindruck hinterlassen oder leicht in schmalzige Regionen abdriften. Der Salsa „Los Chucos Suaves” und das schmachtende „Dichoso” bilden da keine Ausnahme.

Die Band um David Hidalgo liefern darüber hinaus Versionen von Musikern ab, die eher ins SoS-Spektrum fallen. Von Jackson Browne interpretieren sie „Jamaica Say You Will “ und von Stephen Stills „Bluebird/For What It’s Worth”. Die beiden Songs von Stills sind auf CD oder LP als Medley gespielt, auf der digitalen Ausgabe sind sie als Einzeltitel getrennt. Gelungen ist auch „Sail On, Sailor”, das durch die Beach Boys bekannt ist. Als Abschluss der CD gibt es das Instrumentalstück „Where Lovers Go“, das als Rausschmeißer seit langer Zeit von Los Lobos live erprobt ist.

Der spezielle Sound von Los Lobos wird nicht zuletzt durch das Saxophon von Steve Berlin geprägt. Steve Berlin, der Mitte der 1980er der Band beitrat, hat sich mit seinem Instrument und als Produzent einen Namen gemacht. So unterstützte er beispielsweise Sheryl Crow, Joan Osborne und The Suitcase Junket. Los Lobos holten für „Native Sons“ einige Gastmusiker mit an Bord und David Hidalgo Junior sitzt bei der Hälfte der Stücken am Schlagzeug.

So bunt schillernd wie man sich das Leben in L.A. vorstellt, ist auch die Liebeserklärung „Native Sons“ von Los Lobos an ihre Heimatstadt ausgefallen. Bei der Auswahl der Coverversionen greifen David Hidalgo, Steve Berlin und ihre Mitstreiter unterschiedliche musikalische Stile auf. Gemeinsam ist den Songs nicht nur, dass sie von Musikern stammen, die die Szene in L. A. prägten, sondern auch, dass sie durch den typischen Sound von Los Lobos zusammengeschweißt werden.

New West Records/Pias-Rough Trade (2021)
Stil: Rock and more

Tracks:
01. Love Special Delivery
02. Misery
03. Bluebird/For What It’s Worth
04. Los Chucos Suaves
05. Jamaica Say You Will
06. Never No More
07. Native Son
08. Farmer John
09. Dichoso
10. Sail On, Sailor
11. The World Is A Ghetto
12. Flat Top Joint
13. Where Lovers Go

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