Cruzados – She’s … Automatic! – CD-Review

Review: Michael Segets

Ende der 1980er, als CDs noch auf dem Vormarsch waren, erstand ich den ersten selbstbetitelten Longplayer (1985) der Cruzados auf dem Wühltisch. Die Band war mir völlig unbekannt und ich griff auf gut Glück zu. Am nächsten Tag war ich wieder im Laden und staubte die zweite Scheibe „After Dark“ (1987) zum Sonderpreis ab. Dies war der wesentliche Output der Truppe, die sich auflöste als Frontmann Tito Larriva mit Tito & Tarantula eine neue Band gründete, die Mitte der 1990er nicht zuletzt durch die Mitwirkung an dem Film „From Dust Till Dawn“ größere Bekanntheit erlangte.

Etwa zu dieser Zeit drehten sich auch die beiden Cruzados-Alben das letzte Mal in meinem Player. Erst als ich durch die Konzertankündigung der Kulturrampe darauf aufmerksam wurde, dass die Band tourt, griff ich wieder ins Regal holte die alten CDs hervor und besorgte mir das neue Album.

Treibende Kraft hinter der Reanimation der Cruzados ist Songwriter und Bassist Tony Marsico, der bereits mit Bob Dylan, Neil Young, Roger Daltrey, Marianne Faithfull und Willie Nelson zusammenarbeitete. Als einziges Mitglied des ursprünglichen Quartetts suchte er Mitstreiter, mit denen er den Geist der Cruzados wieder aufleben lassen konnte. Fündig wurde er als neuen Sänger bei Ron Young von Little Caesar, der seine Gitarristen Loren Molinare und Mark Tremalgia sowie den Schlagzeuger Rob Klonel mitbrachte.

Marsico empfand das frühzeitige Ende der Cruzdados immer schon als unbefriedigend und möchte das neue Album als Reminiszenz an die beiden verstorbenen Ur-Cruzados Marshall Rohner und Chalo Quintana verstanden wissen. Das Projekt unterstützten auch andere Musiker aus der LA-Szene. So sind als Gäste unter anderem David Hidalgo und Steve Berlin von Los Lobos oder auch Dave Alvin dabei.

“She’s … Automatic!” ist eine Scheibe geworden, die von vorne bis hinten rockt, einzig unterbrochen durch die mittig platzierte Ballade „Sad Sadie“. Straight forward gehen neben dem Titeltrack auch der Opener „On The Tilt A Whirl“ und „Wing And A Prayer“. Klasse gitarrengetriebenen Rock bieten „54 Knockouts“ sowie das staubige „Nine Million Tears“. Daneben finden sich der Boogie „Let Me Down“ und das Southern-Flair versprühende „Across This Ghost Town“. In Richtung Bluesrock gehen „Son Of The Blues“, „Long Black Car“ ebenfalls wie das abschließende „Rock That Boat“.

Tony Marsico als einziges Bandmitglied der Urbesetzung lässt die Cruzados wieder auferstehen. Mit Ron Young als neuem Frontmann liefert die Band eine Scheibe ab, die ein hohes Tempo geht. Ehrlicher, handgemachter Rock, der ohne Schnörkel die Songs auf den Punkt bringt, stehen auf dem Programm. Die aktuellen Auftritte, mit denen „She’s … Automatic!” promotet wird, versprechen Highlights in der nun wieder anlaufenden Konzertsaison zu werden.

Deko Entertainment/Cargo (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. On The tilt A Whirl
02. Across This Ghost Town
03. Nine Million Tears
04. She’s Automatic
05. Son Of The Blues
06. Sad Sadie
07. Long Black Car
08. Let Me Down
09. Wing And A Prayer
10. 54 Knockouts
11. Rock That Boat

Cruzados
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Los Lobos – Native Sons – CD-Review

cover Los Lobos - Native Sons 300

Review: Michael Segets

Just another band from East L. A. – so bezeichneten sich Los Lobos selbst, dabei besteht für die Wölfe kein Grund zur Bescheidenheit. Spätestens mit ihrem internationalen Superhit „La Bamba“ sind sie über die Grenze ihrer Heimatstadt hinaus bekannt. Dennoch ist die Band in der kalifornischen Metropole tief verwurzelt und besinnt sich mit „Native Sons“ auf die musikalischen Einflüsse, die sie prägten. Bis auf den Titeltrack, der eine Eigenkomposition darstellt, covern Los Lobos eben die Bands und Musiker, die eng mit L. A. verbunden sind.

Seit den 1980ern gelten Los Lobos als Inbegriff des Tex-Mex und haben dem Tejano mit ihrem eigenständigem Sound einen Stempel aufgedrückt. In der Folgezeit erweiterte die Band ihre Bandbreite, sodass die musikalische Richtung ihrer Alben kaum abzusehen ist. „Kiko“ (1992) gilt unter Kritikern als ein Höhepunkt unter den Veröffentlichungen, wobei „The Neighborhood“ (1990), mit den Gastmusikern Levon Helm und John Hiatt, bereits den Aufbruch zu neuen Ufern markierte.

In der letzten Dekade tourten sie mit Neil Young, der Tedeschi Trucks Band und den North Mississippi Allstars, bevor es um die Combo stiller wurde. Mit „Native Sons“ melden sich Los Lobos nun wieder zurück, allerdings ohne neues Eigenmaterial zu präsentieren, sieht man von dem Titelsong ab. Dass die Mannen aus L. A. bei ihren Covern den jeweiligen Songs eigene Facetten und einen veränderten Klang mitgeben können, haben sie ausgiebig auf mehreren Tribute-Alben bewiesen und so hört sich „Native Sons“ ganz nach Los Lobos an.

„Never No More“ von Percy Mayfield und „Flat Top Joint“ von Dave Alvin (The Blasters) sind im Stil des klassischen Rock ’n Roll gehalten. Ein hohes Tempo geht auch „Farmer John“. Der Song ist bereits auf diversen Live-Mitschnitten von Los Lobos zu finden. Einzelne Tracks haben einen Funk-Einschlag („Love Special Delivery“), gehen in Richtung R&B („Misery“) oder kombinieren beides („The World Is A Ghetto“). Wie häufig bei den Longplayern von Los Lobos finden sich zudem spanische Titel auf „Native Sons“, die beim Uptempo oft einen zirzensischen Eindruck hinterlassen oder leicht in schmalzige Regionen abdriften. Der Salsa „Los Chucos Suaves” und das schmachtende „Dichoso” bilden da keine Ausnahme.

Die Band um David Hidalgo liefern darüber hinaus Versionen von Musikern ab, die eher ins SoS-Spektrum fallen. Von Jackson Browne interpretieren sie „Jamaica Say You Will “ und von Stephen Stills „Bluebird/For What It’s Worth”. Die beiden Songs von Stills sind auf CD oder LP als Medley gespielt, auf der digitalen Ausgabe sind sie als Einzeltitel getrennt. Gelungen ist auch „Sail On, Sailor”, das durch die Beach Boys bekannt ist. Als Abschluss der CD gibt es das Instrumentalstück „Where Lovers Go“, das als Rausschmeißer seit langer Zeit von Los Lobos live erprobt ist.

Der spezielle Sound von Los Lobos wird nicht zuletzt durch das Saxophon von Steve Berlin geprägt. Steve Berlin, der Mitte der 1980er der Band beitrat, hat sich mit seinem Instrument und als Produzent einen Namen gemacht. So unterstützte er beispielsweise Sheryl Crow, Joan Osborne und The Suitcase Junket. Los Lobos holten für „Native Sons“ einige Gastmusiker mit an Bord und David Hidalgo Junior sitzt bei der Hälfte der Stücken am Schlagzeug.

So bunt schillernd wie man sich das Leben in L.A. vorstellt, ist auch die Liebeserklärung „Native Sons“ von Los Lobos an ihre Heimatstadt ausgefallen. Bei der Auswahl der Coverversionen greifen David Hidalgo, Steve Berlin und ihre Mitstreiter unterschiedliche musikalische Stile auf. Gemeinsam ist den Songs nicht nur, dass sie von Musikern stammen, die die Szene in L. A. prägten, sondern auch, dass sie durch den typischen Sound von Los Lobos zusammengeschweißt werden.

New West Records/Pias-Rough Trade (2021)
Stil: Rock and more

Tracks:
01. Love Special Delivery
02. Misery
03. Bluebird/For What It’s Worth
04. Los Chucos Suaves
05. Jamaica Say You Will
06. Never No More
07. Native Son
08. Farmer John
09. Dichoso
10. Sail On, Sailor
11. The World Is A Ghetto
12. Flat Top Joint
13. Where Lovers Go

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Oktober Promotion

Tom Russell – October In The Railroad Earth – CD-Review

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Review: Michael Segets

Tom Russell ist ein künstlerisches Allround-Talent: Seine Bilder hängen in Museen und Galerien, er schreibt Bücher und veröffentlichte eine enorme Anzahl Alben. Überragende Charterfolge konnte Russell bislang zwar nicht verbuchen, aber seine Songs wurden von einigen Musikgrößen aufgenommen. Zu diesen zählen Johnny Cash, Doug Sahm, Nanci Griffith, Ian Tyson, Dave Alvin und Joe Ely.

Aufgewachsen in Los Angeles wechselte Russell mehrfach seinen Wohnort. Er lebte in Austin, New York, Europa und zurzeit in El Paso. Nach zwei wenig erfolgreichen Alben in Kooperation mit Patricia Hardin zu Beginn seiner Karriere zog er sich zeitweise aus dem Musikgeschäft zurück, bis ihn Robert Hunter in den 1980er-Jahren wieder dafür gewann, Songs herauszubringen. In diesen verarbeitet er u. a. literarische Einflüsse von Charles Bukowski und aktuell bei „October In The Railroad Earth” von Jack Kerouac.

Die Stimme von Tom Russell ähnelt stark der von Johnny Cash. Von diesem nimmt er „Wreck Of The Old 97“ auf sein Album. Die anderen Songs schrieb Russell selbst. Neben dem Cash-Titel sind mit „October In The Railroad Earth” und „When The Road Gets Rough“ zwei tendenziell schnellere Country-Nummer auf dem Werk vertreten, die sich auch auf den Scheiben der verstorbenen Legende hätten finden können.

Das rockige „Hand-Raised Wolverines” sticht auf der CD durch die gelungene Kombination von dynamischer Songstruktur, kraftvollem Gesang und Bill Kirchens Gitarrenarbeit hervor. Die meisten Stücke schlagen als countryfizierte Folkballaden ein gemäßigtes Tempo an. „Red Oak Texas“ und das fast gesprochene „Pass Me The Gun, Billy” sind gut hörbar, bleiben aber nicht so richtig im Gedächtnis. Ganz anders als „Small Engine Repair“, das bereits für den Soundtrack zum gleichnamigen Film (2007) geschrieben wurde und zu meinen Favoriten auf dem Album gehört.

Durch den Begleitgesang von Eliza Gilkyson gewinnen „Back Streets Of Love” und „Highway 46”, das eine Reminiszenz an die Bakersfielder Countryszene mit ihrem prominenten Vertreter Merle Haggard darstellt, eine hohe Intensität. Sehr stimmungsvoll ist auch „T-Bone Steak And Spanish Wine”, bei dem eine helle akustische Gitarre Russells tiefen Gesang untermalt. Zusammen mit der Band Los Texmaniacs drückt Russel „Isadore Gonzalez” – im Dreivierteltakt mit Akkordeon und viel Ay, Ay, Ay – einen gehörigen Tejano-Stempel auf.

Tom Russell gelingt mit „October In The Railroad Earth” ein ausgewogenes Album zwischen Country und Folk mit gewichtiger Stimme und ausgefeilten Texten. Musikalisch folgt es traditionellen Pfaden und punktet dabei mit eingängigen Melodien und harmonischen Arrangements.

Proper Records/H’Art (2019)
Stil: Folk, Country

Tracks:
01. October In The Railroad Earth
02. Small Engine Repair
03. T-Bone Steak And Spanish Wine
04. Isadore Gonzalez
05. Red Oak Texas
06. Back Streets Of Love
07. Hand-Raised Wolverines
08. Highway 46
09. Pass Me The Gun, Billy
10. When The Road Gets Rough
11. Wreck Of The Old 97

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