Jason Ringenberg – Rhinestoned – CD-Review

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Review: Michael Segets

Hat sich Jason Ringenberg nach langer Abstinenz 2019 mit „Stand Tall“ eindrucksvoll zurückgemeldet, legt er nun mit „Rhinestoned“ nach. Zum Teil stammen die Songs noch aus der Phase seines vorangegangenen Albums – so „Nashville Without Rhinestones“, auf dem Ringenberg seinem Überdruss an den Entwicklungen im Musikbusiness Ausdruck verleiht. Dass sich Ringenberg entschlossen hat, dennoch weiterhin Alben zu veröffentlichen, ist ein Glücksfall, denn die Musik des Cowpunk-Rockers macht einfach Spaß.

Die neue CD weist einen stärkeren Country-Einschlag auf als der Vorgänger. Dies ist auch ein Grund dafür, dass „Stoned On Rhinestones“ erst auf dem aktuellen Longplayer seinen Platz fand. In dem flotten Track, den Ringenberg mit seiner typischen sarkastischen Attitüde vorträgt, nimmt er Bezug zu Hank Williams beflügelnder Musik. Da wundert es nicht, dass mit „You Win Again“ ein Song der Country-Ikone auf dem Album vertreten ist.

Ringenberg wollte verschiedene Phasen der Country-Musik aufgreifen. Er covert dazu das locker und gradlinig rockende „Time Warp“ von den Ozark Mountain Daredevils sowie „The Storms Are On The Ocean“ von der Carter Family. Kristi Rose übernimmt beim letztgenannten Stück die Rolle seiner Duett-Partnerin. Fats Kaplin (Hayes Carll, Tom Russell) steuert Geige und Akkordeon bei. Auf anderen Tracks ist er mit der Steel Pedal zugange. Schließlich widmet sich Ringenberg einem alten Kirchenlied und verpasst ihm eine punkige Erfrischungskur. Auf „Christ The Lord Is Risen Today“ wurde er durch seine Töchter Addie und Camille aufmerksam, die im Harmoniegesang zu hören sind.

Die stärksten Songs des Albums stellen allerdings die neueren Eigenkompositionen dar. Ringenberg musste sich diese nach eigener Aussage während der Pandemie förmlich abringen. Lediglich „The Freedom Rides Weren’t Free“ und „I Rode With Crazy Horse“ entstanden in einem Rutsch quasi über Nacht. Das eine ist eine starke Rocknummer in typischer Manier Ringenbergs, das andere ist ein ebenso typischer Midtempo-Song, der – wie bei ihm üblich – einen deutlichen Schritt neben dem Mainstream liegt. Beide sind klasse. „The Freedom Rides Weren’t Free“ setzt sich inhaltlich mit den Protesten gegen die Rassentrennung in den 1960 auseinander. Ringenberg schrieb das Stück kurz vor den Unruhen in den USA und der Black-Lives-Matters-Bewegung. Ringenberg war seiner Zeit mal wieder voraus.

Zu den weiteren Highlights zählt der Opener „Before Love And War“ mit Harmonien von Kristi Rose und schön staubigem Gitarrensound. George Bradfute spielt mehrere Gitarren und lässt diese auf „Keep That Promise“ kräftig scheppern. Ringenberg arbeitete mit Bradfute bereits zu Zeiten der Jason And The Scorchers zusammen und vertraute ihm auch diesmal die Produktion an.

Neben diesen beiden starken Country Rockern schlagen das selbstreferenzielle „My Highway Songs“ sowie das abschließende „Windows Town“ in die gleiche Bresche, sind aber etwas zahmer angelegt. Die eingängigen Refrains gehen ins Ohr und der unverwechselbare Gesang von Ringenberg sorgt dafür, dass sie dort bleiben.

Mit seinen angeschrägten Coverversionen von klassischen Country-Songs setzt Ringenberg sie nochmal in ein innovatives Licht. Allerdings läuft er vor allem bei seinen rockigen Eigenkompositionen erneut zur Hochform auf. „Rhinestoned“ ist kein polierter Strass, sondern ein ungeschliffenes Juwel – so wie Country Rock sein sollte.

Courageous Chicken Entertainment (2021)
Stil: Country Rock

Tracks:
01. Before Love And War
02. The Freedom Rides Weren’t Free
03. Nashville Without Rhinestones
04. The Storms Are On The Ocean
05. Christ The Lord Is Risen Today
06. I Rode With Crazy Horse
07. My Highway Songs
08. Time Wrap
09. You Win Again
10. Stoned On Rhinestones
11. Keep That Promise
12. Window Town

Jason Ringenberg
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Tom Russell – October In The Railroad Earth – CD-Review

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Review: Michael Segets

Tom Russell ist ein künstlerisches Allround-Talent: Seine Bilder hängen in Museen und Galerien, er schreibt Bücher und veröffentlichte eine enorme Anzahl Alben. Überragende Charterfolge konnte Russell bislang zwar nicht verbuchen, aber seine Songs wurden von einigen Musikgrößen aufgenommen. Zu diesen zählen Johnny Cash, Doug Sahm, Nanci Griffith, Ian Tyson, Dave Alvin und Joe Ely.

Aufgewachsen in Los Angeles wechselte Russell mehrfach seinen Wohnort. Er lebte in Austin, New York, Europa und zurzeit in El Paso. Nach zwei wenig erfolgreichen Alben in Kooperation mit Patricia Hardin zu Beginn seiner Karriere zog er sich zeitweise aus dem Musikgeschäft zurück, bis ihn Robert Hunter in den 1980er-Jahren wieder dafür gewann, Songs herauszubringen. In diesen verarbeitet er u. a. literarische Einflüsse von Charles Bukowski und aktuell bei „October In The Railroad Earth” von Jack Kerouac.

Die Stimme von Tom Russell ähnelt stark der von Johnny Cash. Von diesem nimmt er „Wreck Of The Old 97“ auf sein Album. Die anderen Songs schrieb Russell selbst. Neben dem Cash-Titel sind mit „October In The Railroad Earth” und „When The Road Gets Rough“ zwei tendenziell schnellere Country-Nummer auf dem Werk vertreten, die sich auch auf den Scheiben der verstorbenen Legende hätten finden können.

Das rockige „Hand-Raised Wolverines” sticht auf der CD durch die gelungene Kombination von dynamischer Songstruktur, kraftvollem Gesang und Bill Kirchens Gitarrenarbeit hervor. Die meisten Stücke schlagen als countryfizierte Folkballaden ein gemäßigtes Tempo an. „Red Oak Texas“ und das fast gesprochene „Pass Me The Gun, Billy” sind gut hörbar, bleiben aber nicht so richtig im Gedächtnis. Ganz anders als „Small Engine Repair“, das bereits für den Soundtrack zum gleichnamigen Film (2007) geschrieben wurde und zu meinen Favoriten auf dem Album gehört.

Durch den Begleitgesang von Eliza Gilkyson gewinnen „Back Streets Of Love” und „Highway 46”, das eine Reminiszenz an die Bakersfielder Countryszene mit ihrem prominenten Vertreter Merle Haggard darstellt, eine hohe Intensität. Sehr stimmungsvoll ist auch „T-Bone Steak And Spanish Wine”, bei dem eine helle akustische Gitarre Russells tiefen Gesang untermalt. Zusammen mit der Band Los Texmaniacs drückt Russel „Isadore Gonzalez” – im Dreivierteltakt mit Akkordeon und viel Ay, Ay, Ay – einen gehörigen Tejano-Stempel auf.

Tom Russell gelingt mit „October In The Railroad Earth” ein ausgewogenes Album zwischen Country und Folk mit gewichtiger Stimme und ausgefeilten Texten. Musikalisch folgt es traditionellen Pfaden und punktet dabei mit eingängigen Melodien und harmonischen Arrangements.

Proper Records/H’Art (2019)
Stil: Folk, Country

Tracks:
01. October In The Railroad Earth
02. Small Engine Repair
03. T-Bone Steak And Spanish Wine
04. Isadore Gonzalez
05. Red Oak Texas
06. Back Streets Of Love
07. Hand-Raised Wolverines
08. Highway 46
09. Pass Me The Gun, Billy
10. When The Road Gets Rough
11. Wreck Of The Old 97

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