John Fullbright – The Liar – CD-Review

Review: Michael Segets

Wurde bereits bei dem letze Woche erschienenen Comeback von Niki Lane davon gesprochen, dass eine fünfjährige Pause zwischen zwei Alben im Musikgeschäft bereits eine lange Zeit sind, meldet sich nun John Fullbright nach der kleinen Ewigkeit von acht Jahren mit „The Liar“ zurück. Der Singer/Songwriter kann selbst nicht richtig erklären, warum der neue Longplayer so lange auf sich warten ließ. Veränderte Lebensumstände wie der Umzug von dem 130-Seelen-Dorf Bearden nach Tulsa mit seinen über 400.000 Einwohnern, mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Ganz untätig in musikalischer Hinsicht war Fullbright jedoch nicht. So steuerte er drei Tracks zu dem Sampler „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music“ bei.

Letztlich hat es einen äußeren Anstoß gebraucht, damit Fullbright ein weiteres Album aufnimmt. Nach Steve Ripleys (The Tractors) Tod spielte seine Frau Charlene mit dem Gedanken, das gemeinsame Studio zu verkaufen. Bevor das Studio in unbekannte Hände übergeht, trommelte Fullbright eine Reihe von Musikern aus der Szene in Oklahoma zusammen – unter ihnen der ebenfalls auf dem erwähnten Tribute vertretene Jesse Aycock sowie Aaron Boehler, Paul Wilkes, Stephen Lee und Paddy Ryan.

Dieser Umstand förderte dann auch eine neue Art, wie Fullbright bei seiner Musikproduktion operiert. War früher das Verfassen von Songs für ihn wohl ein isolierter und mühsamer Prozess, ging er nun lockerer an die Sache und verließ sich auf die spontane Kreativität im Zusammenspiel mit der Band. „The Liar“ stellt daher das Ergebnis eines kooperativen Vorgehens dar, das Fullbright von seinen selbstgesetzten Zwängen befreite. Neben neuen und bisher unfertigen Stücken bearbeitete er auch älteres Material. So findet sich „Unlocked Doors“ bereits auf „Live At The Blue Door“ (2009).

Gleich zu Beginn steigt das Album mit den beiden Highlights „Barden, 1645“ und der Single „Paranoid Heart“ ein. Die Presse-Infos rücken den letztgenannten Song in die Nähe von Tom Petty. Ich höre eher Parallelen zu Jason Isbell. Wenn schon Referenzpunkte angeführt werden, dann sei erwähnt, dass „Social Skills“ von der Struktur an den frühen Steve Earle erinnert. Der Titel hebt sich von dem balladesken Grundton des Werks etwas ab.

Das Album umfasst hauptsächlich langsame Stücke. Auf „Stars“ begleitet sich Fullbright lediglich selbst am Klavier. Bei „Safe To Say“ dominiert die Orgel, bevor die Band dezent einsteigt. Der abschließende Rausschmeißer „Gasoline“ gibt seinen Mitstreitern allerdings mehr Raum. Eine eigene Dynamik erhalten die Songs oftmals durch Fullbrights Gesang, sodass keine Langeweile aufkommt. Variationen bringt er zudem dadurch in sein Werk, dass er sich gelegentlich am Country („Where We Belong“, „Blameless“) oder am Blues („The Liar“, „Poster Child“) orientiert.

Nach langer Wartezeit erscheint mit „The Liar“ ein Lebenszeichen von John Fullbright, auf dem der Songwriter mit einer Band im Rücken unverkrampft aufspielt. Im Zentrum steht aber weiterhin Fullbright an seinem Klavier. Die überwiegend ruhigen Tracks, zum Teil ausdrucksstark gesungen, eignen sich dabei sowohl zum konzentrierten Zuhören als auch zur Untermalung eines entspannten Abends.

Blue Dirt Records – Thirty Tigers (2022)
Stil: Americana

Tracks:
01. Bearden, 1645
02. Paranoid Heart
03. Stars
04. The Liar
05. Unlocked Doors
06. Where We Belong
07. Social Skills
08. Lucky
09. Blameless
10. Poster Child
11. Safe To Say
12. Gasoline

John Fullbright
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Various Artists – Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music – CD-Review

Tulsa_300

Review: Michael Segets

Die Großstadt Tulsa in Oklahoma hatte von den 1950ern bis in die 1970er eine sehr lebendige Musikszene, die einen eigenen Sound entwickelte. Der Tulsa Sound hat tiefe Spuren in der Rock-Musik hinterlassen und die Entstehung des Alternative Country oder des Red Dirt beeinflusst. Berühmtester Vertreter dürfte JJ Cale sein. Eric Clapton, der dessen Stücke coverte, machte sich auch diese spezielle Spielart zu eigen, obwohl er bekanntlich nicht aus Tulsa stammt.

Die örtliche Musiklandschaft wurde maßgeblich durch Leon Russell geprägt, der äußerst aktiv im Bereich des Pop und Rock mit etlichen Größen zusammenarbeitete. Ihm gehörte das Paradise Studio, das allerdings seit 1978 nicht mehr als solches genutzt wurde. Rick Huskey sorgte dafür, dass das Studio nicht verfiel und ermöglichte nun zwanzig Musikern aus dem Raum Tulsa, den Sampler „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music“ einzuspielen. Im Februar diesen Jahren – also noch vor den Corona-Einschränkungen – wurde die Session realisiert, wobei die Songs meist live ohne große Nachbearbeitung aufgenommen wurden. Die Compilation umfasst 17 Stücke mit über 70 Minuten Spielzeit.

Das Album würdigt die maßgeblichen Vertreter des Tulsa Sounds. So finden sich neben zwei Songs von JJ Cale und einem von Leon Russell auch welche von Steve Ripley, David Teegarden oder auch Jesse Ed Davies. Die Interpreten der Stücke waren mir durchweg nicht bekannt, machen ihre Sache aber sehr gut.

Paul Benjaman covert fünf Tracks. Neben den erwähnten Titeln von JJ Cale („I’ll Make Love To You Anytime”, „Ride Me High”) rockt er entspannt ganz im Sinne von Clapton „Helluva Deal” und „Misery Kickin‘ In“. Den Geist der siebziger Jahre atmet das krönende Abschlussstück „Mona Sweet Mona“. John Fullbright ist mit drei Songs vertreten und zeigt dabei die Spannbreite des Tulsa Sounds vom bluesigen „Crossing Over“, über das lockere Midtempo bei „If The Shoe Fits“ bis zum Boogie „Jealous Man“.

Jesse Aycock performt ebenfalls drei Songs. Die beiden sanften, countryfizierten Balladen „Rock N Roll Gypsies“ und „Tulsa County“ sowie als Kontrastprogramm das stampfende „Black Cherry“ gehen auf ihr Konto. Einen deutlichen Country-Einschlag hat ebenfalls „Blind Man“ von Dustin Pittsley, der mit „Can’t Jive Enough“ ein zweites Mal zum Zuge kommt. Aus derselben Ecke, aber in einer rockigeren Ausrichtung, kommt auch der Beitrag von Jacob Tovar („I’m Gonna Get To Tulsa“).

Auffällig sind „Tramp“, das von Branjae hauptsächlich in einem Sprechgesang vorgetragen wird, sowie das Duett „I Yike It“ von Charlie Redd und Briana Wright, das funky Töne anschlägt. Schließlich findet sich noch das von Dwight Twilley geschriebene „I’m On Fire“ auf der Scheibe. Twilley stammt zwar ebenfalls aus Tulsa wird aber nur am Rand dessen Sound zugerechnet. Sein Stück singt Sarah Frick, womit Musikerinnen circa ein Drittel der Stücke interpretieren.

Insgesamt überwiegen die gemäßigt rockenden Töne auf der Scheibe, die man von Clapton rund um „After Midnight“ kennt. Darüber hinaus gibt „Back To Paradise. A Tulsa Tribute To Okie Music” auch anderen, weniger bekannten Spielarten des Tulsa Sounds Raum. Für musikgeschichtlich Interessierte bietet der Sampler die Möglichkeit, eine Bildungslücke in Sachen Tulsa Sound zu schließen. Aber auch ohne diese Ambitionen bekommt man mit der Compilation eine Stunde gute Musik mit Retro-Charme geboten.

Horton Records (2020)
Stil: Tulsa Rock

Tracks:
01. I’ll Make Love To You Anytime – Paul Benjaman
02. Crossing Over – John Fullbright
03. Tramp – Branjae
04. Rock n Roll Gypsies – Jesse Aycock
05. I Yike It – Charleie Redd & Briana Wright
06. Helluva Deal – Paul Benjaman
07. Black Cherry – Jesse Aycock
08. Blind Man – Dustin Pittsley
09. If The Shoe Fits – John Fullbright
10. I’m On Fire – Sarah Frick
11. Tulsa County – Jesse Aycock
12. Ride Me High – Paul Benjaman
13. I’m Gonna Get To Tulsa – Jacob Tovar
14. Misery Kickin’ In – Paul Benjaman
15. Jealous Man – John Fullbright
16. Can’t Jive Enough – Dustin Pittsley
17. Mona Sweet Mona – Paul Benjaman

Horton Records