
Review: Michael Segets
Den Wunsch, ein gemeinsames Projekt zu starten, hegten die drei Songwriterinnen Mary Chapin Carpenter, Julie Fowlis und Karine Polwart schon längere Zeit. Letztlich war es der Initiative von Fowlis zu verdanken, dass aus der Idee tatsächlich das gemeinschaftliche Album „Looking For The Thread“ erwuchs. Vor zwei Jahren zogen sich die drei Damen in ein schottisches Landhaus zurück. Sie tauschten sich über eigene Kompositionen aus, an denen sie gerade arbeiteten, und schrieben auch zusammen einige Stücke. Auf dem Longplayer sind zwar keine Titel vertreten, die das Trio gemeinsam verfasste, aber Chapin Carpenter merkt an, dass keiner ihrer vier Beiträge ohne die Impulse der anderen in der vorliegenden Form entstanden wäre.
Ein gutes Jahr später trafen sich die Musikerinnen erneut, um in den Real World Studios „Looking For The Thread“ einzuspielen. Die von Peter Gabriel gegründeten Studios nutzte Chapin Carpenter zum wiederholten Male, zuletzt für „The Dirt And The Stars“. Das neue Album wurde innerhalb einer Woche eingespielt, obwohl die eingeflogene Band die Songs vorher nicht kannte. Die Begleitung übernahmen Rob Burger (Klavier, Orgel, Akkordeon), Chris Vatalaro (Schlagzeug, Percussion), Cameron Ralston (Bass) und Josh Kaufman (Gitarre, Keyboard), der auch das Album produzierte. Für einige Stücke kam Caoimhin O’Raghallaig mit seiner zehnsaitigen Geige dazu.
Der Geist der schottischen Highlands ist in einzelnen Beiträgen zu spüren. Am offensichtlichsten bei den beiden in Gälisch gesungenen „Gradh Geal Mo Chridhe“ und „Buidheann Mo Chridhe Clann Ualrig“. Fowlis übernahm bei ihnen den führenden Gesangspart. Da die beiden anderen Protagonistinnen dieser Sprache nicht mächtig sind, begleiten sie lautmalerisch. Die Atmosphäre der getragenen Traditionals wird davon nicht berührt.
„Silver In The Blue“ ist der einzige Titel auf dem Longplayer, der von Fowlis geschrieben wurde. Mit der Lachswanderung wählt sie einen außergewöhnlichen Aufhänger, dessen lyrische Interpretation ich mir nicht zutraue. Vergänglichkeit und das Auflehnen gegen sie mögen hier Thema sein. Das ziellose und einsame Herumtreibens eines verlassenen Raumschiffs in den Weiten des Weltalls beschreibt Chapin Carpenter bei „Satellite“. Die Songs sind inhaltlich besonders auffällig und musikalisch zwei Highlights des Longplayers.
Polwart hat neben „Rebecca“, das ebenfalls zu meinen Favoriten zählt, noch die Single „Hold Everything“ sowie „You Know Where You Are” auf der Scheibe verewigt. Die Stimmen der drei Musikerinnen harmonieren. Obwohl der Leadgesang wechselt, wirkt das Werk sehr homogen. Der Sopran ihrer Kolleginnen ergänzt die etwas tieferen Töne von Chapin Carpenter sehr stimmungsvoll – nicht nur auf dem Titelstück oder dem abschließenden „Send Love“.
Melancholische Balladen prägen den Gesamteindruck des Albums. Mary Chapin Carpenter, Julie Fowlis und Karine Polwart nutzten sich gegenseitig als Inspirationsquellen, um ungewöhnliche Stories feinfühlig arrangiert zu erzählen. „Looking For The Thread“ sollte bei nasskaltem Winterwetter vor dem Kamin gehört werden mit einem passenden Getränk – das nicht unbedingt schottischer Whisky sein muss.
Lambent Light Records – Thirty Tigers/Membran (2025)
Stil: Singer/Songwriter
Tracks:
01. Gradh Geal Mo Chridhe
02.A Heart That Never Closes
03. Rebecca
04. Looking For The Thread
05. Hold Everything
06. Silver In The Blue
07. You Know Where You Are
08. Satellite
09. Buidheann Mo Chridhe Clann Ualrig
10. Send Love
Mary Chapin Carpenter
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Julie Fowlis
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Karine Polwart
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Thirty Tigers
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