Brandy Clark – Same – CD-Review

Review: Michael Segets

Vermutlich ist es der Rezension des Chefredakteurs zum vorangegangenen Album „Your Life Is A Record“ zu verdanken, dass Brandy Clark die orchestralen Töne auf ihrem neuen Werk deutlich reduziert hat. Die offizielle Version zur Entstehungsgeschichte zum selbstbetitelten Longplayer lautet überraschenderweise anders.

Nicht zuletzt aufgrund mehrerer biographischer Parallelen fanden Clark und Brandi Carlile schnell einen Draht zueinander, nachdem sie über eine gemeinsame Freundin bekannt gemacht wurden. Der zusammen aufgenommene Song „Same Devil“ heimste eine Grammy-Nominierung ein und legte den Grundstein für die weitere Kollaboration. Carlile produzierte das aktuelle Album von Clark und singt einen Part des Duetts „Dear Insecurity“.

Sie arbeitete auch darauf hin, dass Clark ihre Stärken als Sängerin ausspielt. So wurde kaum Overdubs verwendet, wodurch der Sound pur und unverstellt wirkt. Dennoch werden hin und wieder Streicher eingesetzt – so auch auf dem flottesten Stück „Northwest“, bei dem ihnen am Ende viel Raum gegeben wird.

Der Einstieg „Not Enough Rocks“ erinnert anfänglich an Sheryl Crow, für die Clark bereits geschrieben hat. Derek Trucks (Tedeschi Trucks Band) steuert hier seine Gitarrenkünste bei und gibt der Nummer eine rockige Note. Ansonsten finden sich hauptsächlich ruhige Songs im unteren Tempobereich auf der Scheibe. Sehr stimmungsvoll ist „She Smoked In The House“, das neben „Buried“ und dem bereits erwähnten „Northwest“ als Singles herausgegeben wurde.

Zwei starke Stücke sind gegen Ende des Werks platziert: „All Over Again“ entwickelt einen schönen Drive; „Best Ones” wird von einer Mundharmonika begleitet, die nochmal einen anderen Sound in das Album bringt. Die Klavierbegleitung steht bei „Take Mine“ im Vordergrund. Der Titel erscheint ebenso wie „Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)” etwas altbacken. Auffälliger ist „Tell Her You Don’t Love Her”, auf dem Clark von Lucius unterstützt wird.

Selbst wenn nicht jeder Song einen Volltreffer darstellt, beweist Clark erneut, dass sie zu Recht zur führenden Riege der Songwriterinnen im Country- beziehungsweise Americana-Bereich zählt. Nicht umsonst greifen viele Kolleginnen und Kollegen auf ihre Kompositionen zurück. LeAnn Rimes und Kacey Musgraves oder Billy Currington und Toby Keith sind hier exemplarisch zu nennen.

Hat sich Clark bislang primär als Songwriterin verstanden, die auch singt, gewann sie durch die Zusammenarbeit mit Carlile mehr Selbstvertrauen als Sängerin. Dass die Selbstzweifel hinsichtlich ihres Gesangs allerdings unbegründet sind, zeigten schon ihre bisherigen Veröffentlichungen und ihre Duette wie „In The Mean Time“ mit Hayes Carll.

Brandy Clark nimmt auf ihrem vierten Album die instrumentale Unterlegung zurück und legt den Focus auf den Ausdruck der Songs und ihrer Stimme. Mit Brandi Carlile als Produzentin im Rücken sowie den Gastmusikern Derek Trucks und Lucius gelingt ihr ein über weite Strecken überzeugendes Werk, sodass es möglich erscheint, dass Clark nach zahlreichen Nominierungen in der Vergangenheit nun auch mal einen Grammy nachhause trägt.

Warner Records/Warner Music (2023)
Stil: Country, Americana

Tracks:
01. Ain’t Enough Rocks (feat. Derek Trucks)
02. Buried
03. Tell Her You Don’t Love Her (feat. Lucius)
04. Dear Insecurity (feat. Brandi Carlile)
05. Come Back To Me
06. Northwest
07. She Smoked In The House
08. Up Above The Clouds (Cecilia???s Song)
09. All Over Again
10. Best Ones
11. Take Mine

Brandy Clark
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Warner Records
Oktober Promotion

Kimberly Kelly – I’ll Tell You What’s Gonna Happen – CD-Review

Wenn ich den Begleittext zu Kimberly Kellys Debüt beim einst von Toby Keith gegründeten Show Dog Nashville Label durchlese, stelle ich so einige Parallelen zu meinem persönlichen Werdegang fest. Ebenso wie diese bis dato immer ihre Musik in Verbindung mit einem Vollzeitjob gemacht hat, habe auch ich in der Blütezeit meines Lebens, als ich über gut zwei Dekaden zu den besten Tischtennisspielern in Deutschland zählte, eigentlich auch immer meinen Lebensunterhalt primär als Industriekaufmann verdient und heute, wo ich in großen Schritten der Sechzig entgegenrase ist so ein Musikmagazin ja auch nicht mal so nebenbei mit der linken Hand erledigt.

Solch Doppelbelastungen prägen einen Menschen ziemlich, so kann ich es zumindest aus meiner Erfahrung sagen. Man braucht ein enormes Maß an innerer Kraft, lernt mit den Ups und Downs des Lebens mehr denn je umzugehen und lässt sich, wenn es mal nicht so gut läuft, nicht so schnell unterkriegen. Man entwickelt dazu ein gewisses Durchsetzungsvermögen.

Darum geht es auch im Titel ihres Albums „I’ll Tell You What’s Gonna Happen“, den Kimberly von einer Billy Joe Shaver-Anekdote aufgriffen hat. Der drängte sich, der Legende nach, einst in eine Aufnahmesession von Waylon Jennings, nachdem der Star versucht hatte, die Aufnahme einiger seiner Songs zu verweigern.

Als er eine 100-Dollar-Note abwies, um zu verschwinden, sagte Shaver zu Jennings: „Ich werde dir sagen, was passieren wird. Entweder du hörst dir diese Songs an oder ich versohl dir den Hintern.“ Waylon willigte ein, sich einen anzuhören. Der Rest ist Geschichte in Form von Jennings‘ 1973er Album „Honky Tonk Heroes“, auf dem jeder Song bis auf einen von Shaver geschrieben wurde. Beide nicht mehr unter den Lebenden weilende Künstler sind Mitglieder der Country Hall Of Fame.

Die Protagonistin hat  eine wunderschön angenehme, wie auch ausdrucksstarke Stimme im Stile der großen Country-Chanteusen, wenn man sie in ihren Songs über Trennungsschmerz, Hoffnungen und Sehnsüchte singen hört, klingt das ungeheuer authentisch. 

Die Musik ist ganz nach dem Erfolgsprinzip der beliebten Neo-Traditionalisten/innen der 90er Jahre strukturiert.  Grummelnde Bariton-E-Gitarren, wiehernde Fiddles und weinende Steel-Gitarren geben den Ton an, Akustikgitarren und dezente Keys haben eher ausschmückenden Charakter. 

Da ist einiges an Honkytonk („Honky Tonk Town“, „Blue Jean Country Queen“ mit Steve Wariner samt schönen Bariton-E-Gitarren-Kurz-Solo als Gast, der Billy Joe Shaver-Stomper „Black Rose“ zum Ausklang) dabei, sowie ein paar typische melancholische, traditionell gehaltene Country-Schmachtfetzen wie „Some Things Have A Name“, „I Remember That Woman“, „Forget The Alamo“ (herrlich hier die einprägsam gesungene Refrainzeile „Forget The Alamo, Remember Me“), „Person That You Marry“ oder „No Thanks (I Just Had One)“.

Ein wenig Southern Soul gibt es bei „Don’t Blame It On Me“, atmosphärisches Midtempo bei der nostalgischen  Single „Summers Like That“ und zwei wunderschöne melodische Schunkler mit „Why Can’t I“ (mein Lieblingstrack des Werkes) und „First Fool In Line“.

Am Ende der Scheibe freut man sich zusammen mit der Texanerin, die mit dem Hit Songwriter Brett Tyler („Cold Beer Calling My Name“) verheiratet ist, über einen starken Einstand mit „I’ll Tell You What’s Gonna Happen“, und eine gelungene Wiederbelebung der 90er Jahre auf Niveau von Kolleginnen wie Reba McEntire, Pam Tsillis, Trisha Yearwood, Chely Wright, Linda Davis & Co. Ich sage euch, das wird bestimmt was werden, wenn das so weitergeht, mit dieser Kimberly Kelly!

Show Dog-Thirty Tigers/Membran (2022)
Stil: New Country

Tracks:
01. Honky Tonk Town
02. Some Things Have A Name
03. Summers Like That
04. Why Can’t I
05. I Remember That Woman
06. Blue Jean Country Queen (feat. Steve Wariner)
07. Don’t Blame It On Me
08. Forget The Alamo
09. Person That You Marry
10. No Thanks (I Just Had One)
11. First Fool In Line
12. Black Rose

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Oktober Promotion

Toby Keith – Peso In My Pocket – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

In einer anderen Liga zu spielen, ist für den Country-Mega-Star Toby Keith – nach fast 30 Jahren im Musik Business – inzwischen sicher selbstverständlich. Daher war auch die Zeit nach seinem Country-Charts Nr. 2-Album „35mph Town“ (2015) eigentlich keine Pause in seiner Karriere, sondern war gefüllt mit anderen Aktivitäten, u. a. der „Should’ve Been A Cowboy“-Tour (2018).

Rechtzeitig zur bevorstehenden Aufnahme in die „Nashville Songwriters Hall of Fame“ im November erscheint nun das neue Studio-Album „Peso In My Pocket“, Co-produziert von Kenny Greenberg. Mit „Oklahoma Breakdown“ widmet der 60-jährige Singer/Songschreiber gleich das erste Stück seiner alten Heimat, ein starker, rockiger „Aufreißer“, der bereits als Single ausgekoppelt wurde. Auch der folgende Titel-Track „Peso In My Pocket“ lässt die New Country-Gitarren in gewohnter Weise rocken, während Toby Keith einen Aufenthalt in Mexico beschreibt. Die altbewährten, musikalischen Bahnen werden bei „Old School“ mit fast rappenden Versen zwar teilweise etwas verlassen, dafür war der Song offenbar besonders geeignet als erste Single das Album zu promoten.

Seine ungewohnte Country-Seite bringt Keith zusammen mit Blues-Sänger Keb‘ Mo‘ und dessen „Old Me Better“ als New Orleans Jazz/Blues/Country-Mix durchaus originell und ausgefallen auf die Platte; eine außergewöhnliche Kooperation für den eher konservativen Entertainer. Dass die variantenreiche Song-Auswahl danach allerdings wieder auf Pedal-Steel und E-Gitarren-Sounds und herkömmlich erfolgreichen musikalischen Stilrichtung setzt, wird in den anschließenden drei Songs („Days I Shoulda Died, Growing Up Is A Bitch“ und „She’s Drinkin Again“) deutlich, die ihre New Country Muster entsprechend intensiv, in altbekannter Art, aber sicherlich erfolgreich, in die Waagschale legen. Diese wird zugunsten des volkstümlichen, schnellen Country-Songs „Thunderbird“ nochmals rockig, stilsicher und in bester Feierlaune aufgefüllt.

Zu den bemerkenswerten Stücken des Longplayers gehört ebenfalls die Version des John Prine-/John Mellencamp-Klassikers „Take A Look At My Heart“, die als Tribute an die beiden legendären Songschreiber leider vor dem letzten Titel etwas zu wenig Geltung erfährt, da zum Abschluss mit „Happy Birthday America“ ein zutiefst patriotischer Song seinen „Auftritt“ erhält und bereits passend zum Nationalfeiertag vorab veröffentlicht wurde – vielleicht eine nachträgliche Danksagung an die Verleihung der National Medal of Arts, die Toby Keith Anfang 2020 vom damaligen US-Präsidenten erhielt.

Mit „Peso In My Pocket“ etabliert sich Toby Keith erneut an der Spitze seines Genres und wird damit sicher auch die Erwartungen seiner Anhängerschaft voll erfüllen. Die New Country-Fans, nicht nur im „Herzen“ der USA, können sich nach dieser längeren Wartezeit endlich wieder über einen neuen Longplayer ihres Idols freuen.

Show Dog (2021)
Stil: Country, New Country

Tracks:
01. Oklahoma Breakdown
02. Peso In My Pocket
03. Old School
04. Old Me Better
05. Days I Shoulda Died
06. Growing Up Is A Bitch
07. She’s Drinking Again
08. Thunderbird
09. Take A Look At My Heart
10. Happy Birthday America

Toby Keith
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Toby Keith – Greatest Hits: The Show Dog Years – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

Die amerikanische Erfolgsgeschichte vom Oil-Rig-Worker zum Country-Music-Super-Star zu verwirklichen und die Karriere bis heute mehr als 25 Jahren lang bravourös zu meistern, gelingt vergleichsweise nur wenigen Künstlern im hart ‚umkämpften‘ Genre. Die unverändert andauernde Chart-Serie von Country-Sänger Toby Keith, inzwischen 58, kennzeichnet die Entwicklung der US-Country-Szene in dieser Zeit als überwiegend patriotische, staatstragende Säule im Stars und Stripes-Music-Business.

Als Keith 1993 sein gleichnamiges Debüt-Album 2 Millionen Mal verkaufen konnte, war manchen Insidern bereits bewusst, dass diese Form der New-Country-Musik das Potenzial besaß, Gold- und Platin-Platzierungen anzuhäufen; zusätzlich erhielt Keith zwischen 2000 und 2009 zehn Music-Awards in den unterschiedlichsten Kategorien.

Mit Show Dog Nashville gründete der Musiker 2005 sein eigenes Record-Label und bringt nun mit den „Greatest Hits (The Show Dog Years)“ eine Compilation-CD heraus, die um 4 neue Songs, teilweise als Remix- und Live-Aufnahmen, erweitert wurde. Aus den Show Dog-Produktionen wurden hier im SoS bereits die wegweisenden Studioalben „Clancy’s Tavern“ (2011) und „35 Mph Town“ (2015) besprochen.

Die insgesamt 16 Stücke des neuen Longplayers spiegeln den Zeitraum der musikalischen Unabhängigkeit des Sängers beim eigenen Label, bis zur aktuellen Single „That‘s Country Bro“, einem schnell rockenden Track, in dem Keith die Namen berühmter Country- und Cowboy-Legenden gesanglich aufzählt. Seine unverkennbar textlichen Anspielungen mit Blick auf das konservative Herz der Vereinigten Staaten („American Ride“ und „Made In America“) sind ebenso vertreten und machen Toby Keith zum nicht gänzlich unumstrittenen „Sonny-Boy“ der Country-Music liebenden US-Bevölkerung.

Seine im makellosen Sound mit renommierten Begleitmusikern eingespielten Songs, pflegen durchweg intensiv das traditionelle Country-/Cowboy-Image und entsprechen damit in weiten Teilen einer gesellschaftlichen Forderung, die sich z. T. durch eine vordergründige Identifizierung mit althergebrachten Vorstellungen und Vorbildern selbst unkritisch feiert („America first!“). Laut „Rolling Stone“ hat Toby Keith einige der „wichtigsten patriotischen Songs und Country-Titel unserer Zeit geschrieben!“.

Die aus der bisherigen „Show Dog Years“-Zeit auf der „Greatest Hits“-Ausgabe vereinten Tracks bilden einen wesentlichen Querschnitt dieser erfolgreichen Schaffensperiode. Toby Keith gehört damit auf dem Markt der US-Amerikanischen Country-Music-Heroes auch als gefragter Tournee-Künstler zu den wichtigsten und einflussreichsten Solo-Musikern des New-Country.

Show Dog/Universal Music (2019)
Stil:  New Country

Tracklist:
01. Love Me If You Can
02. She Never Cried In Front Of Me
03. God Love Her
04. American Ride
05. Made In America
06. High Maintenance Woman
07. Lost You Anyway
08. Cryin For Me (Wayman s Song)
09. Beers Ago
10. Red Solo Cup
11. Trailerhood
12. Hope On The Rocks
13. Don t Let The Old Man In
14. That s Country Bro
15. Back In The 405
16. American Ride (Official Remix)

Toby Keith
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Toby Keith – Clancy’s Tavern – Deluxe Edition – CD-Review

Toby Keith ist ein Musiker der polarisiert. Viele mögen ihn nicht, noch viele mehr lieben ihn abgöttisch. Ich zählte lange Zeit zur ersten Fraktion. Die aus meiner Sicht eher begrenzten vokalen Künste des ehemaligen Ölplattformarbeiters, sein typisch amerikanisch übertriebener und teilweise kleingeistig verbreiteter Patriotismus sowie sein ins Gesicht eingemeißelt zu scheinendes Dauergrinsen (wer will ihm das allerdings angesichts seines Megaerfolgs – alles, was er anpackt, ob Musik, Schauspielerei oder als Restaurantbesitzer, ist nunmal von Erfolg gekrönt – auch, ehrlich gesagt, verübeln) nervten doch eher, als meine Sympathie zu erwecken.

Mit seinen beiden letzten Alben „Bullets In The Gun“ (mal wieder ein Keith-typischer Titel…) und diesem hier zu besprechenden „Clancy’s Tavern“ hat sich das – musikalisch zumindest – allmählich geändert. Diese beiden Werke liefern recht unterhaltsame und abwechslungreiche New Country-Kost und aufgrund der hervorragenden Live-Zugaben (hierbei handelt es sich um vier Songs eines Überraschungskonzerts, das Keith im Kreise von namhaften Mitmusikern wie Chad Cromwell, Kenny Greenberg, Rob McNelley, Kevin Grant, Jim Hoke und Mica Roberts, firmierend unter dem Bandnamen Incognito Bandito, in New York mal gegeben hat) ein echtes Zusatzschmankerl.

Lobend muss auch erwähnt werden, dass sich Toby nicht zu schade war, auch mal in good ole Germany konzerttechnisch vorzusprechen, er gab in diesen Tagen vier Gigs, die allerdings recht unterschiedliche Reaktionen bei den Besuchern erzeugten (von richtig gut, bis zu demonstrativem Verbrennen der Konzertkarte eines enttäuschten Fans in Hamburg nach nur 75 Minuten Spielzeit ohne Zugabe und Verabschiedung, was aber wohl nicht Keith’s Schuld war; in den anderen Locations hielt er die heute typischen ‚Konzertmuster‘ ein und gab sich auch relativ publikumsnah).

„Clancy’s Tavern“ (als Hommage an die Bar seiner Großmutter gemeint) bietet New Country in all seinen Facetten. Keith hat bis auf einen Song alle Tracks selbst komponiert (u.a. mit Hilfe von Bobby Pinson, Scotty Emerick, Rivers Rutherford, Bob DiPiero und Eddy Raven) und wurde natürlich von diversen Könnern der Nashville-Studiomusikerriege (seinen Incognito Banditos, wie sich von selbst versteht, dazu Erik Darken, Steve Nathan, Aubrey Haynie, Ilya Toshinsky, Russ Pahl, Perry Coleman, Tom Bukovac, etc.) wie immer instrumentell anspruchsvoll begleitet. Seinen Gesang erledigte er aus meiner Sicht im Rahmen seiner Möglichkeiten gut.

Der druckvolle Opener „Made In America“ (mit den landesüblichen Huldigungen und ein wenig Montgomery Gentry-Flair), „Tryin‘ To Fall In Love“ (voller quirligem E-Bariton-Gezupfe, leicht retro, lustiger, selbstironischer Text) und das launige, im schweißtreibenden Stil eines Pat Green dargebotene „Beers Ago“ (schönes E-Solo, southern-rockig) stehen für die flotteren Nummern. Keith setzt diesmal bei einigen Stücken auf recht atmosphärisches Ambiente. „I Need To Hear A Country Song“ (Bariton-E-Arbeit, Steel) , „Just Another Sundown“ (schöne Akustikgitarre, hallendes E-Spiel), „South Of You“ (klasse Zusammenspiel aller Gitarren), „Club Zydeco Moon“ (klingt wie ein verlangsamtes „Ghost Riders In The Sky“, tolles Akkordeon, weinende Harp) und das relaxte, zum Titel passende „Chill-Axin'“ (irgendwo zwischen den Eagles und James Otto) bieten Stoff zum Zurücklehnen und Entspannen.

Ich favorisiere das voller ehrlich wirkender Emotion gesungene Titelstück, das zum Mitgrölen bestens geeignete „Red Solo Cup“ (aus der Feder von Jim und Brett Beavers sowie Brad und Brett Warren (The Warren Brothers), die allesamt hier auch nur mit Akustikgitarren und Banjo begleiten), das mit minimalistischem Aufwand (sehr einfach mitzusingender Refrain) maximale Stimmung erzeugt, sicherlich ein fest-gesetzter Bestandteil des Keith-Live-Programms der nahen Zukunft, wie dann auch die Deutschland-Konzerte zeigten, und die bluesige Countryballade „I Won’t Let You Down“ (einziger, hier ganz allein geschriebener Song von Keith), bei der Toby sich ziemlich schamlos bei Tracks wie Eric Claptons „Wonderful Tonight“, Dickey Betts‘ „Atlanta’s Burning Down“ oder Skynyrds „Freebird“ bedient. Toll besonders die traurige Harp von Pat Bergeson und die grandiosen E-Gitarren-Parts von Kenny Greenberg und Tom Bukovac. Gänsehaut garantiert!

Auch wenn es sich bei den vier Live-Stücken um alte Kamellen handelt (Songinterpretationen von Waylon Jennings, Buck Owens, Three Dog Night und Chuck Berry), so macht die filigrane Umsetzung der beteiligten Musiker einfach Spaß. Ich zolle meinen Neid in Richtung der an diesem Abend anwesend Gewesenen – hier die Studioasse Nashvilles mal live auf der Bühne zaubern zu sehen und zu hören – das hätte ich gerne auch erlebt, selbst wenn ich absolut nicht auf diese unsägliche Coverei stehe. Aber hier hört man bei jedem Ton, was da für geniale Musiker am Start sind. Letztendlich aufgrund der spürbaren Qualität eine schöne Zugabe bei dieser Deluxe-Version, die auch noch durch ein dickes Booklet mit allen Texten aufgewertet wird.

Somit ist Toby Keith’s „Clancy’s Tavern“ eine uneingeschränkte Kaufempfehlung zu attestieren. Well done, Mr. Keith! Wenn der Herr jetzt nur noch etwas an seinen inneren Werten feilen und an seiner Feinfühligkeit (z. B. eine meiner persönlichen Stärken…) arbeiten würde, könnte man ihn glatt mögen…

Show Dog/Universal Music (2011)
Stil:  New Country

01. Made In America
02. I Need To Hear A Country Song
03. Clancy’s Tavern
04. Tryin‘ To Fall In Love
05. Just Another Sundown
06. Beers Ago
07. South Of You
08. Club Zydeco Moon
09. I Won’t Let You Down
10. Red Solo Cup
11. Chill-Axin‘

Live Tracks: 
12. High Time (You Quit Your Low Down Ways)
13. Truck Drivin‘ Man
14. Shambala
15. Memphis

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Krystal Keith – Whiskey & Lace – CD-Review

Richtig tolles Debüt der Tochter von Toby Keith. „Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum“ – oder so ähnlich lautet ein alt bekanntes Sprichwort, welches es in diesem Fall voll und ganz auf den Punkt trifft. Die 1985 geborene, zweite Tochter von Toby Keith weiß mit ihrem Erstling auf musikalischem Sektor voll zu überzeugen. Meist ist es ja Segen und Fluch zugleich als Nachkömmling im gleichen Business in die Fußstapfen eines mega-berühmten Elternteils zu treten. Die Vorteile liegen in diesem Fall natürlich klar auf der Hand.

Geld spielt wohl keine Rolle und musikalische Beziehungen ebenso wenig. Toby Keith, multifach ausgezeichneter Musiker, dazu noch Mitbesitzer eines eigenen Labels (Show Dog), ist im Genre mit allen Wassern gewaschen und weiß, wo der Hase im Countrygeschäft lang läuft, so dass erstmal alles an besten Voraussetzungen (Produzenten, Musiker, Songwriter, darunter er selbst natürlich auch schwerpunktmäßig) geschaffen wurde, um der Tochter einen Einstand nach Maß zu ermöglichen. Aber wer Toby Keith kennt, weiß auch, dass damit gewisse Erfolgserwartungen verbunden sind.

So ist es kein Wunder, dass der Vater erstmal ein abgeschlossenes Studium verlangte (was Krystal auch anstandslos bewerkstelligte), bevor der Gang in Musiksphären realisiert werden durfte. Also ein entsprechender Druck ist also auch da, wenn man den Namen Keith trägt. Aber schon der Blick auf das Coverbild, lässt erahnen, dass man es bei Krystal Keith mit einer Frau zu tun hat, die eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein in sich trägt und anspruchsvolle Aufgaben energisch angeht. So überrascht es letztendlich auch nicht, dass sie mit ihrem Debüt eine richtig starke Leistung abliefert.

Ein wunderbar vielseitiges Album, mit astreinem, knackigem Country/Redneck Country/New Country mit einem Hauch von Southern-Feeling, das nur ganz selten in Richtung Charts schielt, aber trotzdem jede Menge radiofreundlicher Songs beinhaltet. Die CD beginnt mit dem flockigen Sommersong („Doin’ It“), der mit seiner positiven Energie richtig gute Laune verbreitet. Ein erstes Highlight folgt mit dem teils gesellschaftskritisch, aber auch ironisch humorvoll getexteten „Can’t Buy You Money“ (… „all the happiness in the world can’t buy you money“… heißt es im Refrain), ein bluesrockiger Abstecher auf Countryterrain. Großartig wie Ms. Keith hier schon im Stile einer Wynonna zu keifen versteht.

Absolut erste Sahne auch das fantastische E-Gitarrenspiel von Kenny Greenberg auf diesem Werk (neben Krystal der heimliche Star des Silberlings), das sich wie ein roter Faden durch den gesamten Verlauf zieht. Radiotauglich, mit ein wenig Shania-Flair, geht es mit „What Did You Think I’d Do“ weiter. Mit dem romantisch anmuteten „Daddy Dance With Me“ überraschte sie den Vater auf ihrer diesjährigen Hochzeit. Das wunderbar relaxt dahingleitende „Cabo San Lucas“, spiegelt, wie der Titel es schon vermuten lässt, dann Toby Keiths des öfteren anzutreffende Vorliebe für mexikanisch und karibisch angehauchte Countrysongs wieder.

Die Nummer kennt man ja auch schon vom Vater, aber Krystal gibt ihr einen ganz eigenen Touch. Klasse hier die filigrane spanische Akustikgitarrenuntermalung von Ilya Toshinsky. „Him And This Tattoo“ rockt wieder, dass, Greenberg sei Dank, die Schwarte kracht. Abermals tolle Vokalleistung von Krystal! Ganz großes „Balladenkino“ liefert sie dann bei „Beautiful Weakness“ ab, ein potentieller Titel für etwaige Liebes-Blockbuster. Hier singt sie schon in Oktavensphären der großen Diven Faith Hill, Martina McBride, Trisha Yearwood oder Celine Dion. Beeindruckend! Das famos in Memphis-Blues-Manier (klasse Hornsection-Begleitung, gospelige weibliche Backs) rockende und stampfende „Down Into The Muddy Water“ fegt sämtliche Gefühlsduselei von zuvor komplett wieder vom Tisch.

Der einzige Track, der nicht von Toby Keith und Mark Wright produziert wurde ist „Get Your Redneck On“. Hier erweist sich Nathan Chapman als alleiniger Mit-Tonangeber (Komposition zusammen mit Krystal, bis auf den Gesang alle Instrumente und Produktion durch ihn). Ein mit Hitavancen lässig und rhythmisch groovender, Banjo-dominierter Country-Popsong im Stile von Keith Urban oder Little Big Town. Der Titelsong zum Schluss zeigt, dass das Mädel selbst vor Southern Rock-kompatiblem Country keine Scheu trägt.

Das Stück, das von einer Frau handelt, die in einer Bar tanzen muss, um ihr Essen auf dem Teller zu haben (dazu verät der Text ihre Vorliebe für „Can’t You See“ von The Marshall Tucker Band, das sie gerne im Auto auf dem Weg zur Arbeit laufen lässt), dürfte selbst eingefleischte Fans der Südstaaten-Gemeinde überraschen. Herrlich das fette E-Gitarren-Solo von Greenberg, atmosphärisch die Steelzutaten von Russ Pahl. Schöne „Backs“ (auch bei den meisten anderen Nummern) durch Mica Roberts, die auch beim einen oder anderen Lied kompositorisch involviert war. Ein großartiger Abschluss! Krystal Keith beweist auf „Whiskey & Lace“, dass die musikalischen Gene des Vaters in positiver Weise auf sie übergetreten sind.

Ein kurzweiliges Album, auf dem sie alle Facetten des modernen (aber auch durchaus traditionell gehaltenen) New Country mit Bravour bewältigt. Sie hat eine großartige Stimme, kompostorische Fähigkeiten (immerhin an drei Tracks beteiligt) und sieht zudem blendend aus. Gute Voraussetzungen also für die zukünftige Karriere. Daddy Toby kann zu Recht sehr stolz auf’s Töchterchen sein!

Show Dog Universal Music (2013)
Stil: New Country

01. Doin‘ It
02. Can’t Buy You Money
03. What Did You Think I’d Do
04. Daddy Dance With Me (Single Version)
05. Cabo San Lucas
06. Him And This Tattoo
07. Beautiful Weakness
08. Down Into Muddy Water
09. Get Your Redneck On
10. Whiskey And Lace

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Toby Keith – 35 Mph Town – CD-Review

Toby

„35 Mph Town“ heißt das neue Album des Country-Superstars – und es ist wieder ein klasse Teil geworden! Man kann zu Toby Keiths Musik und seiner darin enthaltenen Botschaften stehen, wie man will, fest steht aber, dass der Mann sich niemals zugunsten irgendwelcher zeitgenössischer Trends verbiegen lassen würde, wie es in Nashville bei vielen Interpreten zur Unsitte geworden ist. Und so zieht er mit seinem mittlerweile 18. Album „35 Mph Town“ auch konsequent wieder ’sein Ding‘ durch. Ehrlicher New Country, mit einigen trinkfreudigen, patriotischen und aus seiner Sicht lebensnahen Statements, produziert von ihm selbst zusammen mit Bobby Pinson (ein Song mit Mac McAnally), fein eingespielt von Nashvilles Top-Studiomusikern (u. a. Chad Cromwell, Ilya Toshinsky, Kenny Greenberg, Brent Mason, Eric Darken, Danny Rader, Steve Nathan, Russ Pahl).

Und so hat das Werk auch nur ganz knapp die Pole-Position der Billboard Album Charts verpasst, trotzdem mit Platz 2 wieder eine beachtliche Platzierung erreicht. Keith startet seine neue CD mit dem versöhnlich anmutenden „Drunk Americans“, ein patriotisches Lied aus der Feder von Brandy Clark, Bob DiPiero und Shane McAnally, die einzige Komposition, an der Toby nicht beteiligt war (der fast komplette Rest stammt von ihm und Bobby Pinson). Wenn betrunkene Menschen zusammen singen, ist es, auf die einfache Formel gebracht, egal, ob sie Malocher, Manager, Cowboys oder Rothaut, Prom Queen oder Stripperin, Demokraten oder Republikaner sind. Klasse dann der von einer satten Horn Section unterstützte Uptempo Country Rocker „Good Gets Here“. Das zu einem späteren Zeitpunkt folgende „10 Foot Pole“ schlägt mit ein bisschen polterndem Lynyrd Skynyrd-Flair in eine ähnliche Kerbe. Der Titelsong beschreibt (Tobys Gesang voller Pathos) die sich immer mehr zum Negativen verändernden Zeiten in Amerikas Kleinstädten, übrig geblieben sei meist nur noch das Tempolimit von 35 mph.

Ein wunderbarer relaxter Track ist „Rum Is The Reason“, das, von Steel Drums unterlegt (klasse gespielt von Robert Greenidge), dezentes Calypso Feeling vermittelt. Bizarr die Aussage, dass, wenn Stalin und Hitler, statt Wodka und Bier, Rum getrunken hätten, wäre der Menschheit ihre Schreckensherrschaft wohl erspart geblieben, denn Piraten haben ja aufgrund ihres Rum-Konsums auch nie die Welt regiert. Politikgeschehen aus der vereinfachten Sicht eines Toby Keith, trotzdem ein herrliches Stück! Mit „What She Left Behind“ folgt eine eingängige und sehr melodische Countryballade über das Verlassenwerden. Großartig auch das in ‚Crying In My Beer‘-Tradition gebrachte „Haggard, Hank & Her“. Zu tollen Akustik- und Bariton-E-Gitarrenklängen, hallender Orgel und weinender Steel, wird Whisky-besäuselt an der Theke über das verpatzte Leben sinniert. Klasse hier auch die dezenten Harmonies von der guten Mica Roberts.

Beim etwas wehmütig und melancholisch (wunderbare Akkordeon-Unterlegung) rüber kommenden „Sailboat For Sail“ geben sich Toby und Jimmy Buffett gegenseitig die Ehre. Der etwas augenzwinkernde und selbstironische ‚One Night Stand‘-Song „Every Time I Drink I Fell In Love“ drückt dann noch mal auf die Tube und beweist, dass sich Toby durchaus auch selbst auf die Schippe nehmen kann. Launiger, in Bakersfield-Manier gespielter Country Rock mit feinem Gitarren- /Banjo-Arrangement und kleinem Instrumental-Ausklang. Am Ende überrascht der 320 Millionen Dollar schwere Country-Entertainer mit einem echten Streicher-untermalten Schmachtfetzen: „Beautiful Stranger“. Das ist dann doch sehr gewöhnungsbedürftig für ein musikalisches Raubein, das sich eigentlich lieber über ‚Drinking Beer‘ und ‚Kicking Ass‘ auslässt. Trotzdem insgesamt eine schöne Herz-Schmerzballade.

Toby Keith lässt mit seinem aktuellen Werk „35 Mph Town“ wieder nichts anbrennen. Man bekommt, wo Toby Keith drauf steht, auch den authentischen Toby Keith geboten. Und wenn man sein typisch selbstgefälliges, zufriedenes Grinsen auf dem Backcover (alle Songtexte sind übrigens im beigefügten Booklet enthalten) sieht, weiß man, genauso wie er, dass die Toby Keith-(New)Country-Welt nach wie vor noch im Lot ist. Sehr gute Leistung! „Classic Toby at his best“!

Show Dog/Universal Music (2015)
Stil:  New Country

01. Drunk Americans
02. Good Gets Here
03. 35 Mph Town
04. Rum Is The Reason
05. What She Left Behind
06. 10 Foot Pole
07. Haggard, Hank & Her
08. Sailboat For Sale (feat. Jimmy Buffett)
09. Every Time I Drink I Fall In Love
10. Beautiful Stranger

Toby Keith
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